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Zu Besuch bei: Anke Höhl-Kayser

Heute sind der Skoutz-Kauz und ich bei einer Autorin, die ich bislang eher als Lektorin wahrgenommen habe. Aber das finde ich andererseits immer besonders spannend, wenn man seine „Vorurteile“ umgruppieren muss. Das hält nämlich beweglich, offen für Überraschungen und demütig in Bezug auf die Beständigkeit der eigenen Meinung. 🙂 Die Ehre habe ich, weil es Anke Höhl-Kayser mit einem ihrer Bücher auf die Midlist Anthologie geschafft hat, einem Buch übrigens, das mich persönlich sehr angesprochen hat.

Also, los geht’s!

Zu Besuch bei Anke Höhl-Kayser, die gerne über den Mond düsen würde … 

Liebe Anke, lass uns gleich beginnen … 

 

… wie würdest du dich in einem Wort beschreiben?

 

Gänzlichunfähigmichineinemwortzubeschreiben.

Was du nun mit deiner leerzeichenreduzierten Antwort eindrucksvoll widerlegst. Aber gut, das verheißt zumindest, dass uns jetzt der Gesprächsstoff nicht ausgeht. 

 

 

Beruf oder Berufung – was macht dir an deinem Job als Autor am meisten Spaß? 

 

Ein Beruf ist es leider nicht geworden, insofern kann ich mich ganz der Berufung widmen und schreiben, worauf ich Lust habe.

Aber das ist, wie mir vor allem Science-Fiction-Autoren (keine Ahnung, warum ausgerechnet die!) regelmäßig versichern, auch eine enorme Freiheit. Dass man schreiben kann, was man mag. Nicht was der „Markt“ verlangt. Und so, wie man es mag, und nicht so, wie es sich verkauft. Was natürlich nicht heißt, dass man sich nicht über einen Kompromiss freuen würde. 

Genau das macht mir Riesenspaß: den Plotbunnys nachzulaufen, die so mir nichts, dir nichts durch meine Gedanken hoppeln, bis ich sie eingefangen habe und sie mir Modell stehen müssen für eine Kurzgeschichte oder einen Roman.

Das klingt ja gerade ferienmäßig schön und idyllisch. Wow! 

Na ja, eigentlich geht das mit den Plotbunnys ja viel heftiger zu: Man lockt sie in eine Falle, schlachtet sie, zieht ihnen das Fell über die Ohren und klopft sie schön weich, um sie anschließend auf dem Feuer der Kreativität langsam und genüsslich zu garen, bis sie zu einer schmackhaften Geschichte geworden sind – aber das war mir jetzt zu blutig. Schließlich schreibe ich (Ausnahmen bestätigen die Regel) keine Horrorgeschichten!

Ich muss jetzt erst mal mein Häschentrauma verarbeiten. Da tust du so harmlos und dann das … Ich bestätige hiermit feierlich, dass du absolut qualifiziert für Horror währst. Melde dich mal bei Michael Merhi von Redrum oder bei unserer Skoutz-Horror-Frau Mari März.

 

Wann hast du eigentlich dein erstes Buch veröffentlicht?

2009 ist mein erstes Buch erschienen.

Und mit wie viel Vorlauf? 

Ich habe die Geschichte 25 Jahre mit mir herumgetragen – die Rohfassung stammte aus der Mitte der Achtziger, ein echtes „Jugendwerk“ also.

Du sagst das so zweifelnd …?

Entsprechend ambivalent stehe ich inzwischen auch dazu, schwankend zwischen „Ich nehme das jetzt sofort vom Markt, das kann man ja nicht aushalten“ und „Es hängen aber doch so viele Erinnerungen daran und es zeigt den Entwicklungsprozess!“. 🙂

Ich bin immer dafür, zu seiner Geschichte mit allen Höhen und Tiefen zu stehen. Wobei ich mich leicht rede, weil mein erstes Werk aus Grundschultagen „Mausi – Ein bewegtes Pferdeleben“ unwiederbringlich verschollen ist. 

Doch lass uns in die Gegenwart wechseln. 

 

Wie läuft ein typischer Tag als Autor bei dir ab? 

Mein Brotjob als Lektorin lässt mir nicht viel Zeit zum eigenen Schreiben. Das soll jetzt aber um Himmels willen nicht wie eine Beschwerde rüberkommen – lektorieren ist nach dem Schreiben meine liebste Tätigkeit, und ich bin so dankbar, dass ich für etwas bezahlt werde, was ich dermaßen gern tue!

Gar nicht! Erstens weil alle Autoren ihren Lektoren sehr dankbar sind, und zweitens weil du ja wirklich auch als Lektorin einen außerordentlich guten Ruf genießt. Das schafft man nicht, wenn man nicht gern tut, was man tut. Aber wie schreibst du dann? Oder wann? 

Normalerweise knapse ich mir abends eine halbe Stunde eigene Schreibzeit ab, manchmal komme ich aber auch tage- oder wochenlang gar nicht dazu. Damit ich den Faden nicht verliere, mache ich mir Notizen oder lese im Zweifelsfall noch mal ganz von vorn, damit ich in mein Manuskript wieder reinkomme.

Das kenne ich, das von-vorne-lesen… Manchmal kommt es mir so vor, als würden meine Leser zusammengenommen meine Bücher nicht so oft lesen wie ich. 

 

Das Jahr 2020 stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Wie sehr beeinflusst Corona deinen Schreiballtag? 

Für mich hat sich in Bezug aufs Autoren- und Lektorendasein gar nichts geändert. Das Lektorinnen-Auftragsbuch ist voll wie gewohnt, das bedeutet, ich sitze eh den ganzen Tag wie sonst auch am Computer und habe abends meine kleine eigene Schreibzeit. Ich glaube, viele Autoren sind von den Corona-Einschränkungen kaum betroffen, die haben schon vorher im Elfenbeinturm gesessen … 😉

Jaein, ich kenne viele, die dank Home Schooling und anderer Turbulenzen tatsächlich im Moment wenig bis gar nicht zum Schreiben kommen und zudem tragen sich viele, die vom Schreiben oder vor allen von Cons, Events und den Lesungen dort leben, auch zunehmend mit Existenzängsten.  Aber es stimmt schon, wer vorher Home Office hatte, für den waren die Umstellungen weniger hart. 

Bleiben wir beim Schreiben: 

 

Kreativ oder doch eher regeltreu? Wie flexibel bist du beim Schreiben?

Das kommt auf das Projekt an.

Ja?

Wenn ich fürs Selfpublishing schreibe, kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen. Habe ich ein Projekt gestartet, das für einen Verlag angedacht ist und daher eher Mainstream sein soll, muss ich regelkonformer schreiben. Ausgesprochen flexibel bin ich, was die Genres anbelangt: Da habe ich mich in fast allem schon mal ausprobiert – von der Fantasy über die Lyrik bis hin zu Liebesromanen. Neues anzugehen macht mir Freude.

Ich komme zurück auf den Häschen-Horror … 

 

Welches war dein erstes selbstgelesenes Buch? 

Oh je, da merken jetzt alle, wie alt ich bin, denn ich glaube nicht, dass heute noch viele dieses Kinderbuch und den niederländischen Autor kennen.

Versuchen wir es! 

Es heißt „Schnabbelchen“ und ist geschrieben von Jaap ter Haar, erschienen in den frühen Sechzigern.
*Flüsternd* wenn ich jetzt sage „des vergangenen Jahrhunderts“, klingt es noch beunruhigender.

Pssst. 

Damals gab es eine ganze Reihe von „Schnabbelchen“-Büchern, in denen es um die Freundschaft eines kleinen Jungen zu einer Ente ging.

Hast du das noch? 

Ja, ich habe es noch, meine Mutter hat es für mich aufbewahrt.

Ich habe mal nachgesehen und das Buch gibt es noch im Netz. Für alle, die sich jetzt mit Enten von Häschen ablenken wollen, hier der Link zu Booklooker*

 

Stell dir vor, du könntest eine beliebige Figur aus einem Buch zum Essen treffen. Was würde passieren?

Da wähle ich I-Aah aus „Pu der Bär“.

Okay… Das kam jetzt – noch dazu so spontan – eher unerwartet. Warum?

Zum einen, weil es bestimmt ausgesprochen interessant ist, mit einem Esel in ein Restaurant zu gehen, der am liebsten Disteln isst. Und zum anderen, weil mich I-Aahs nörgelige Art so sehr an meine vor zwölf Jahren verstorbene Tante erinnert. Ich muss gestehen, dass ich sie sehr vermisse und es genießen würde, mich noch einmal über das schwere Leben im Allgemeinen und die bösen Nachbarn (Winnie Puh, Ferkel und Eule) im Speziellen volljammern zu lassen.

Jetzt bin ich gerührt und gelobe, die wenigstens ein paar Distelsamen zukommen zu lassen. 

 

Auf welche Frage hattest du in letzter Zeit keine Antwort und hast du sie finden können?

Ich fand im Internet den Spruch: „Was würde das Kind, das du damals warst, zu dem Menschen sagen, der du heute bist?“

Puh, das ist aber eine echt knifflige Frage mit zahlreichen Türchen zu Folgefragen. 

Ich habe lange darüber nachdenken müssen und war ausgesprochen überrascht, festzustellen, dass das Kind von damals mein erwachsenes Ich äußerst spannend finden würde: Ich habe alles erreicht, was sich die kleine Anke vom Leben erträumt hat. Bis auf die Mondlandung, aber dazu kommen wir nachher noch.

Das ist umso beeindruckender, als die Antwort das Ergebnis von Nachdenken und kein spontanes Huchhe war. Toll! 

 

Wie oft schaust du täglich auf dein Handy?

Einmal, manchmal gar nicht. Ich hatte bislang ein Uralt-Handy, das meinen Ansprüchen völlig genügt hat und bin erst vor fünf Monaten auf ein Smartphone umgestiegen. Das klingt jetzt auch wieder sehr nach Dinosaurier, oder? 😉 So alt bin ich doch eigentlich gar nicht … 🙂

Finde ich gar nicht. Für mich klingt das eher emanzipiert. Wenn man sieht, wie sehr man sich heute von seinem Handy versklaven lässt … Keine Frage, die Dinger sind praktisch. Aber wenn man alles nur noch mit, am und übers Handy macht, ist das doch irgendwie ein Rückschritt. Wir leben in WLAN-Käfigen.

Doch widmen wir uns anderen Bedürfnissen … 

 

Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?

Schokolade und Sekt! Manchmal gibt es ja doch was zu feiern, wie zum Beispiel die Tatsache, dass mein Kurzgeschichtenband auf die Mitlist des Skoutz-Award gekommen ist.

Dann hoch die Tassen! Ich hoffe, es geht noch auf die Shortlist weiter! 

 

Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?

Für meinen Mann, der mich seit fast 40 Jahren durch dick und dünn begleitet, für meine beiden wunderbaren, großartigen und einzigartigen Kinder und für meine Kreativität, die mir erlaubt, vor den dreien auch schon mal in andere Welten flüchten zu können.

Denn wie heißt es so schön: „Familie ist, wenn du die Menschen liebst, die dir (manchmal) auf die Nerven gehen.“

 

Bei welchem historischen Ereignis wärst du gern dabei gewesen und warum?

Bei einer der Mondlandungen, am liebsten bei der, wo sie mit dem Luna-Rover über die Mondoberfläche gedüst sind. Ich habe die Mondlandungen live auf dem Fernseher miterlebt und war mit zehn Jahren überzeugt, ich würde eines Tages auf dem Mond spazieren gehen. Da das nun wohl nicht mehr eintreten wird (weil – keine Ahnung, wann die mal wieder auf den Mond fliegen), könnte eine Zeitreise ausgesprochen hilfreich sein.

Ja, da hast du recht. Für Mondlandungs-Zeitreisen könnten wir tatsächlich Pauschalangebote machen. Das fasziniert erstaunlich viele Autoren hier. Auch solche, die nie Science Fiction schreiben würden. Oder History. Hm. Na jedenfalls wäre das durchaus lukrativ. 

Über welches Thema könntest du eine 30-minütige Präsentation halten, ohne jede Vorbereitung?

Über die Schwierigkeiten, als Autor erfolgreich zu sein.

Das glaube ich dir sofort. Aber ich traue dir auch zu, dass du was dazu sagen kannst, wie man diese Schwierigkeiten überwindet. Lass uns da doch mal über einen Workshop reden. 

 

Was würdest du rückwirkend ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?

Es gibt solche Augenblicke, da denke ich, ich wäre gern keine Autorin, weil mir das viel Frust ersparen würde.

Was?! Schock! Du schreibst so schön, das fände ich sehr schade!

Aber das vergeht angesichts des Spaßes, den ich beim Schreiben habe.

Puh! 

Und dann halte ich es wieder mit Edith Piaf: „Non, je ne regrette rien!“ – Keine Ursache, das mit dem Ohrwurm hab ich gern gemacht.

Ich hab dich auch lieb. 🙂
Vor allem, weil ich dann immer mitsingen will, und mein Gesang nun … eher unters Kriegswaffenkontrollgesetz fällt.

 

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Ich glaube, das, was wir uns im Moment alle am meisten wünschen: ein Ende der Corona-Krise. Mir wird erst jetzt bewusst, was für ein sorgloses Leben wir vor dem Virus geführt haben und wie schön es war, nicht jeden Tag Angst um die Familie haben zu müssen.

Das verstehe ich gut und unterschreibe das auch gern. Allerdings hoffe ich auch, dass es noch lang genug dauert, um den einen oder anderen Lernprozess, den Corona angestoßen hat, auch umsetzen zu können. Wer für unsere Gesellschaft wichtig ist und was unserem Planeten zuzumuten ist. Da bargen die letzten Monate schon einige sehr eindrucksvolle Aha-Effekte, denen ich etwas Nachwirkung wünschen würde. 

Auf alle Fälle würde sich das ganze Skoutz-Team sehr freuen, wenn wir dich möglichst bald mal live treffen dürfen, am besten, um dir den Anthologie-Skoutz zu überreichen. Oder auch für den Autoren-Workshop mit Anke Höhl-Kayser! 

Liebe Anke, ich sage Danke!

Was für schöne Fragen – ich habe zu danken, dass ich sie beantworten durfte.

 

Hier erfahrt ihr mehr über Anke Höhl-Kayser

Skoutz-Lesetipp: 

Magische Novembertage – Ein Syltmärchen mit Wohlfühlgarantie von Anke Höhl-Kayer

Marie hasst Sylt im November. Sie lebt nach der Trennung ihrer Eltern bei ihrer Großmutter, hat keine Freunde auf der Insel – und es ist auch noch Mistwetter.
Da begegnet ihr am Strand der geheimnisvolle Nis, und Marie steckt plötzlich mittendrin in einem Märchen: Die Sylter Sagen von Puken, Zwergen und Meermenschen sind wahr!
Doch wer an eine heile Märchenwelt denkt, irrt: Der Zwergenkönig und seine Krieger wollen die Insel von den Menschen zurückerobern. Marie gründet mit ihren neuen Freunden, Nis, dem Puk, der Sylterin Imken und Zwerg Finn dem Dritten eine Widerstandsgruppe. Sie wagen sich in die Tiefen des Zwergenreichs –
Wird Marie der Zauber zur Rettung Sylts gelingen?

Skoutz meint: In einem Jahr, in dem wir daheim bleiben müssen, sind Bücher Orte, wo man hinkann, wenn man nicht wegkann. Anke Höhl-Kayser ist hier eines jener Bücher gelungen, von deren Orten man nicht mehr zurückkann. Auch, wenn man dringend Wäsche waschen müsste und der Hund sich schon zum dritten Mal diskret räuspert. Dunkel, abgründig, liebevoll, magisch. Zum Träumen und Mitfiebern, zum Hoffen und Freuen. Märchenhaft im wahrsten Sinne und so poetisch schön geschrieben, dass ich als alter Bergmensch jetzt doch mal nach Sylt zu den Puken fahren will. 

Für alle, die neugierig geworden sind, gibt es hier über unseren Affiliate-Link auf Amazon* die Leseprobe und das Buch in verschiedenen Formaten.

 

Königssee - Anke Höhl-KayserHinweis:

Selten war unsere Midlist so von Märchen, Mythen und Legenden durchzogen wie in diesem Jahr. Auch dieses Buch gehört dazu. Mit 7 ungewöhnlichen Geschichten hat Anke Höhl-Kayser 200 Titel der Longlist Anthologie hinter sich gelassen und unsere Vorjahresgewinnerin Miriam Schäfer überzeugt, Königssee auf die Midlist Anthologie 2020 zu setzen. Damit haben die im April 2019 von der Autorin über BoD selbst verlegten dunklen Kurzgeschichten, gute Aussichten auf den Anthologie-Skoutz 2020.

Wir haben uns auch dieses Buch natürlich gerne vorgeknöpft und bereits ausführlich vorgestellt. Seht selbst (weiterlesen).

 

 

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