Zu Besuch bei Mari März

Eigentlich hatte ich vor, die liebe Mari März im schönen Brandenburg zu besuchen, doch die Reisebeschränkungen haben dies leider unmöglich gemacht. Glücklicherweise ermöglicht die heutige Technologie eine Vielzahl an Alternativen, so dass ich unserer diesjährigen Horror-Expertin doch noch einige Fragen stellen konnte. Was sie mir in unserem Gespräch so alles verraten hat und ob ich ihr vielleicht das ein oder andere spannende Geheimnis entlocken konnte, erfahrt ihr jetzt 🙂 Viel Spaß!

 

zu Besuch bei Mari März, die sich unheilbar mit dem Schriftstellervirus infiziert hat …

 

Wie würdest du dich in einem Wort beschreiben?

Schubladenfrei

Eine wirklich tolle Assoziation …

 

 

Beruf oder Berufung – was macht dir an deinem Job als Autor am meisten Spaß?

Die Kreativität.

Wie äußert sich das in Bezug auf deine Bücher?

In meinen Geschichten dürfen die Protagonisten das tun, was ich nicht darf. Gnadenlos ehrlich sein zum Beispiel. Oder fies oder magisch oder verrückt.

*lach* Sehr clever. Da kannst du dich ganz frei austoben. Kam dieser Wunsch erst in den letzten Jahren oder schlummert der bereits länger in dir?

Schon als Kind hatte ich Myriaden Ideen im Kopf und fand leider viel zu spät im Schreiben ein Ventil für meine schrägen Fantasien. Das macht mich sehr glücklich.

 

Wann hast du dein erstes Buch veröffentlicht und wie lange hast du daran geschrieben?

Nach einigen Kontakten zu Verlagen, Gesprächen mit Lektoren und der Einsicht, dass ich meine Geschichte nicht dem Kommerz opfern möchte, veröffentlichte ich »KLIPP KLAPP – und du bist tot!« seinerzeit selbst.

Toller Titel. Wie lang hast du für deinen Erstling gebraucht? Die Zeitspannen variieren da teilweise beträchtlich.

Ich schrieb etwa neun Monate daran.

Wie läuft ein typischer Tag als Autor bei dir ab? Immer gleiche Routine oder musst du immer wieder improvisieren?

Improvisieren. Leider!

Inwiefern?

Meine Bücher werden gern gelesen, verkaufen sich aber nicht so gut, dass ich davon leben könnte.

Ach, okay. Ja, das geht vielen Autoren so. 

Hauptberuflich bin ich Lektorin. Ein toller Job, der beste der Welt, nur bleibt dadurch kaum Zeit und vor allem wenig Raum für eigene Schreibprojekte. Ich kann nicht vormittags in einem fremden Manuskript die Buchstaben verdrehen und nachmittags schreiben. Das funktioniert nicht. Ich brauche den nötigen Abstand zu meinen Geschichten, weshalb ich exzessive Schreibphasen habe, in denen ich mich nur um meine Protagonisten kümmere.

Und wie läuft das dann ab?

So ein Tag kann dann gern mal fünfzehn Stunden lang sein. Hinzu kommt natürlich das Marketing. Derzeit ist es sehr zeitaufwändig, weil eben alles nur online geht. Ich freue mich, wieder auf Lesungen und Messen meine Bücher präsentieren zu können. Live. Analog. Mit direktem Feedback.

 

Du bist in diesem Jahr unsere Horror-Expertin. Was fasziniert dich an diesem Genre und was macht es für dich aus?

Natürlich las ich in den Neunzigern gern Bücher von Stephen King, die heute quasi Klassiker sind. Ich mochte schon immer gern Gruselgeschichten, Paranormales, Monster, Geister … und obwohl mein Herz für den Thriller schlägt, schätze ich das Horror-Genre sehr, weil es so wunderbar vielfältig ist. Ähnlich wie bei Science-Fiktion oder Fantasy ist es hier möglich, die Grenzen der Realität zu sprengen und tatsächlich Kunst zu erschaffen. Leider gelingt das nicht vielen Autoren.

Wie meinst du das? Kannst du mir das ein wenig genauer ausführen?

Das Genre wird heutzutage nicht selten reduziert auf Gore und Splatter, was ich persönlich sehr schade finde. Ich wünschte, die Autoren und auch die Verlage würden mehr Mut für wahrhaft kreative Geschichten aufbringen, statt immer nur dem Mainstream zu folgen.

Darum haben wir dir als Bannerbild auch ein Trüffelschweinchen rausgesucht. Weil du wirkliche Juwelen aus der Horror-Longlist für deine Midlist zusammengesucht hast.

  

Das Jahr 2020 stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Wie sehr beeinflusst Corona deinen Schreiballtag? Was hat sich für dich als Autor durch die verschiedensten Maßnahmen geändert?

Wie alle Künstler leide auch ich unter Publikumsentzug. Vor dem Hintergrund der Pandemie und ihrer Opfer ist das Wort »leide« natürlich relativ und doch ist es genau das. Musiker, Schauspieler, Kunstschaffende aller Couleur und auch Autoren leiden unter der Krise, weil uns der Applaus fehlt. 2020 wollte ich weiter den analogen Buchmarkt erobern und mehr Lesungen durchführen. Ich freute mich auf die drei großen Buchmessen in Leipzig, Berlin und Frankfurt. Und natürlich rechnete ich mit entsprechenden Einnahmen durch den Verkauf meiner Bücher. Keene Knete – keene Kekse!

Das trifft es gut auf den Punkt. Wie sieht es mit Alternativen aus? Da wird ja aktuell an vielen Ideen gebastelt.

Als Kind der Siebziger und Achtziger schlägt mein Herz analog. Selbstverständlich versuche auch ich, mich derzeit mehr online zu präsentieren, aber das ist mit viel Aufwand und geringem Nutzen verbunden. Ich freue mich über jedes verkaufte Buch, über jede Rezension und jedes Feedback, aber noch mehr freue ich mich darauf, meine Leser, Blogger und Autorenkollegen »in echt« zu sehen.

 

 Kreativ oder doch eher regeltreu? Wie flexibel bist du beim Schreiben?

Regeln sind nicht so meins, jedenfalls nicht, was die Kreativität betrifft. Selbstredend sind gewisse Regeln die Basis für ein gutes Buch – ob Orthographie, Grammatik, Dramaturgie oder Merkmale für das jeweilige Genre. Darüber hinaus gebe ich mir und meinen Protagonisten jene Freiheit, die wir brauchen.

Hast du da konkrete Beispiele?

Bei PsychoPAT, ROSE und auch bei meiner MissVerständnis war der Plot äußerst mager, ich hielt quasi nur den Stift, bis die Geschichten erzählt waren. Bisweilen fühle ich mich tatsächlich wie ein Medium, vielleicht bin ich aber auch psychotisch. Die Szenen sind in meinem Kopf, die Charaktere sprechen zu mir, dann setze ich mich ans Laptop und schreibe.

 

 Welches war dein erstes selbstgelesenes Buch? Und hast du es heute noch?

In der Grundschule »fraßen« meine Freunde und ich die Smaragdenstadt-Bücher von Alexander Wolkow.

Ein guter Tipp, die muss ich mir mal anschauen.

Der Deutschunterricht in der DDR versaute mir dann das Verhältnis zu russischen Schriftstellern – zu viel Pflichtlektüre von Gorki & Co. Jahre später änderte sich das mit dem METRO-Universum von Dmitry Glukhovsky. Ich war 1990 in Moskau und kenne die Metro, was eine beklemmende Nähe schaffte. Die Russen können wahrlich episch schreiben, vielleicht weil die Kunst gern aus dem Nichts entsteht.

 

Stell dir vor, du könntest eine beliebige Figur aus einem Buch zum Essen treffen. Wen würdest du treffen wollen (und warum) und über welche Themen würdet ihr sprechen?

Hannibal Lecter.

Mit ihm hätte ich nicht gerechnet, aber komischerweise bin ich nicht überrascht. Eine wahrlich interessante Wahl. Wieso ausgerechnet er?

Ein Gespräch bei Tisch über die dunklen Abgründe der menschlichen Psyche stelle ich mir äußerst spannend und durchaus kulinarisch vor – solange ich nicht selbst zum Essen beitragen muss. Thomas Harris schuf mit dieser Figur etwas Einzigartiges, das mittlerweile oft und nicht immer gut adaptiert wurde. Übrigens ist die neue Serie großartig. Selten gelingt es, Gewalt so exzellent subtil darzustellen. Chapeau!

 

Auf welche Frage hattest du in letzter Zeit keine Antwort und hast du sie finden können?

Welche Geschichte schreibe ich als nächste?

Und?

Ich habe mich entschieden. Es wird eine Fortsetzung von PsychoPAT geben, denn die Vergangenheit ist noch nicht fertig mit ihr.

 

Wie oft schaust du täglich auf dein Handy?

Viel zu oft. Ich hasse mich dafür.

*seufz* Kenne ich zu gut …

 

Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?

Tomatenmark.

*irritiert guckt*

Ich LIEBE es zu Pasta oder aufs Brot.

 

 Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?

Mich. Meine Familie. Meine Freiheit.

 

 Zeitreisen – ein spannendes Mysterium. Bei welchem historischen Ereignis wärst du gern dabei gewesen und warum?

Ich bin nicht gern »dabei«, nicht gern Zuschauer, sondern viel lieber Akteur. Deshalb wäre ich gern Marie Curie gewesen oder eine BAUHAUS-Studentin oder Passagier auf der Titanic, allerdings mit Rettungsring. Ich weiß, die Vergangenheit sieht im Rückspiegel immer romantisch aus, aber ich glaube, dass es damals einfacher war, kreativ zu sein, weil die Menschen noch hungrig waren.

Romantisch? Bei zwei deiner drei Beispiele fällt mir eher „Leben am Limit“ ein 🙂 Aber der Gedankenansatz mit dem anderen Verhältnis zum Thema Kreativität finde ich spannend.

 

Über welches Thema könntest du eine 30-minütige Präsentation halten, ohne jede Vorbereitung?

Ach, das ist nicht schwer.

Jetzt bin ich aber neugierig …

Über das Schreiben natürlich und einiges mehr. Ich interessiere mich grundsätzlich für alles, weshalb ich über ein doch recht ordentliches Allgemeinwissen verfüge. Zudem bin ich mit Eloquenz gesegnet, weshalb es mir nie schwerfallen würde, dreißig Minuten über ein Thema zu reden.

Okay, aber wie wäre es, wenn du vor größeren Menschenansammlungen sprechen müsstest? 

Mit fünf Jahren stand ich das erste Mal auf der Bühne, mit Anfang zwanzig musste ich spontan vor etwa dreihundert Vertrieblern reden, ich genoss eine umfassende rhetorische Ausbildung, deren Bestandteil unter anderem war, aus dem Stehgreif zehn Minuten über einen Gebrauchsgegenstand (vom Tampon bis zur Gartenschere) zu sprechen. Heute liebe ich es, vor Publikum aus meinen Büchern zu lesen. Kurzum: Ich bin eine Rampensau. ?

Noch ein Grund fürs Schweinchen! 🙂

Was würdest du rückwirkend ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?

Ich hätte viel früher mit dem Schreiben beginnen sollen.

 

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Hm … Weltfrieden?

Du wirkst nicht überzeugt …

Ich bin kein Was-wäre-wenn-Typ. Ich möchte sehr alt werden, um noch viele Geschichten erzählen zu können.

Das wünsche ich dir von Herzen. Liebe Mari März, es war mir ein vergnügen, dich mit Fragen zu löchern und mal wieder zu sehen. Ich hoffe, dass wir bald mal wieder live die Gelegenheit bekommen und ich bin gespannt, welcher deiner Midlistkandidaten letztlich den Skoutz-Award 2020 ergattern wird. Die tolle Auswahl, die Mari März für uns zusammengestellt habt, findet ihr übrigens hier.

 

Mehr über Mari März und ihre Geschichten findet ihr auf:

 

Skoutz-Lesetipp:
MissVerständnis: Borderline – eindrücklicher Psychothriller von Mari März

ICH MAG KEINE MENSCHEN!

Mia Martin alias MissVerständnis ist eine erfolgreiche Ratgeberautorin, bis sie beschließt, Menschen nicht mehr zu mögen. Mutwillig zerstört sie ihre Karriere, tanzt auf den Trümmern dessen, wofür sie hart gearbeitet hat. Etwas Neues erschafft man nur aus dem Nichts.
Nach einer düsteren Reihe verrückter Ereignisse drängt ihr Verleger sie dazu, sich in eine Nervenklinik einweisen zu lassen.
Ins BLISS – dem Refugium für verwirrte Künstler.
Im schneebedeckten Nirgendwo.
Hier darf sie endlich frei sein.
Zumindest glaubt Mia das, bis der Strom ausfällt …

WAS IST WAHN, WAS IST WAHR?
IWas bedeuten Grenzen im Nirwana der Angst?
Was, wenn die Wahrheit eine Lüge ist?

Skoutz meint: Ein Buch, das einen flasht, unter die Haut geht und noch lange nachhallt. Mari März hat auch mit diesem Werk wieder bewiesen, dass Worte ihr Element sind. Sie beherrscht sie, spielt mit ihnen und zaubert aus ihnen Geschichten, die einen einfach nur begeistern. In „MissVerständnis“ tauchen wir ab in die Abgründe der menschlichen Psyche, werden mit faszinierenden Fragen konfrontiert, rätseln, fiebern mit und reflektieren. Die Besonderheit dieses Romans sind seine vielen Facetten, die jeder anders wahrnimmt, interpretiert – und dennoch alle begeistert. Wir schließen uns den vielen positiven Meinungen an und können euch dieses Leseerlebnis nur wärmstens ans Herz legen.

Wir haben Miss Verständnis auch im Skoutz-Buchregal #102 stehen. Dort wurde es von Kay rezensiert.

 

Mehr Informationen zum Buch und eine Leseprobe bekommt ihr über unseren Amazon-Affiliate-Link oder auf der Homepage der Autorin.

Und natürlich freuen wir uns, wenn ihr euch kurz Zeit nehmt und das Buch anschließend in unserer Buchsuche mit einer Lesefieberkurve beehrt. 5 Klicks, die dem Buch, der Autorin und allen Lesern eine große Hilfe sind (weiter)

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