zu Besuch bei Miriam Schäfer

Im Bergischen Land, in Wuppertal, um genau zu sein, bin ich heute zu Besuch bei Miriam Schäfer. Bei meiner Recherche über die Autorin, die mit „Das Fehlen des Flüstern im Wind“ gerne einen Platz auf der Anthologie-Shortlist hätte, habe ich herausgefunden, dass sie als Bibliothekarin arbeitet und ziemlich schüchtern ist, was Menschenmassen angeht. Doch sehr viel konnte ich über die Freundin klassischer Fantasyromane nicht herausfinden, was mich natürlich motiviert, einen Blick hinter die Fassade zu werfen. Mal sehen, ob ich das mit meinen Fragen schaffe und wer weiß, vielleicht kann ich ihr noch das ein oder andere Geheimnis entlocken …

 

zu Besuch bei Miriam Schäfer, die bereits mit 13 Jahren sämtliche Werke von Stephen King gelesen hatte …

 

© Olaf Hensel

In einem Wort: Was bedeutet für dich „Schreiben“?

Atmen.

Dein Blick verrät mir, dass du deine Antwort gern noch ausführen würdest …

*grinst* Es ist Entspannung und Anspannung. Fluss. Lebensnotwendig. Ich kann den Atem zwar auch eine Weile anhalten, aber dann muss ich im Anschluss daran nach Luft schnappen …

 

 

In der Kürze liegt die Würze – Warum gilt das auch für Geschichten?

Ich glaube, ganz allgemeingültig lässt sich das gar nicht sagen. Persönlich liebe ich ja eigentlich die dicken 1000-Seiten-Schinken besonders.

Und dennoch hast du eine Sammlung verschiedenster Kurzgeschichten herausgebracht … Was glaubst du macht ihren Charme aus?

Wenn Kurzgeschichten gut sind, dann springt den Leser ihre Würze einfach viel direkter an. Sie sind … vielleicht wie ein Steak, das punktgenau gebraten ist? Nicht, dass ich davon Ahnung hätte, ich esse kein Steak. Und, wenn sie gut sind, muss ich auch nicht traurig darüber sein, weil sie nur wenige Seiten lang sind, denn dann beschäftigt mich ihr Inhalt auch über diese Seiten hinaus. Das ist es, was Kurzgeschichten für mich vor allem ausmachen. Ihre Fähigkeit, das Denken des Lesers anzuregen, viele Möglichkeiten zu eröffnen, statt eine vorgegebene Geschichte auszuerzählen.

 

Was ist der seltsamste Ort, an dem du je geschrieben hast?

Ich bin ja mehr so der langweilig am Schreibtisch schreibende Typ.

Ausschließlich?

Nein, ich nutze mein Notizbuch schon mal auf dem Sportplatz oder vor der Musikschule, während ich auf das Kind warte *wuhu* … ok, nicht sehr seltsam 😀

Seltsam liegt ja immer im Auge des Betrachters 😉

 

 

Anthologien sind in Deutschland – anders als in vielen anderen Ländern – relativ schwer an den Leser zu bekommen. Woran liegt das und woher nimmst du den Mut/die Kraft/die Sturheit, es trotzdem zu versuchen?

Ach, stur war ich schon immer, darin liegt also keine Kunst 😉

Da schau an 🙂 Und warum glaubst du, tun sich die Deutschen so schwer mit kurzen Texten?

Woran das liegt, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich freue mich einfach umso mehr über alle Autoren, die trotzdem Kurzgeschichten schreiben, über die mutigen, überwiegend kleineren Verlage, die sie weiter herausgeben, und über jeden Leser, der ihnen eine Chance gibt.

 

Wie entstehen deine Geschichten?

Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal will ich einfach nur schreiben, fange irgendwie an und schaue, wohin es mich treibt. Manchmal habe ich eine Idee, was ich erzählen möchte, und beginne mit endlosen Notizen, in denen ich mich verzettele, sie links liegen lasse und dann doch einfach drauflosschreibe. Und manchmal habe ich das dringende Bedürfnis, etwas aufzuschreiben und weiß ganz genau, was ich sagen möchte. Diese Geschichten sind mir die liebsten, auch wenn es teilweise fast körperlich weh tut, sie aufzuschreiben. Es ist ein bisschen wie das Auswringen der Seele … Ergibt das irgendeinen Sinn?

Ja, ich glaube ich verstehe ganz gut, was du meinst …

 

 

„Es wird immer weniger gelesen“ – Wie reagierst du auf diesen Satz?

Mit einem „Dann tut doch was dagegen“.

Also stimmst du meiner Aussage zu?

Ich kann das durch meine Arbeit in einer Schulbibliothek ja sozusagen live beobachten. Zeigt man den Kindern, wie spannend und abwechslungsreich lesen sein kann, dann tun sie es. Lebt man ihnen aber vor, dass lesen nur das langweilige Zeug für den Unterricht bedeutet und echter Spaß eher aus dem Smartphone oder TV kommt, dann klappt´s auch nicht mit dem Lesen.

Wenn ich das richtig verstehe, sollen wir als Vorbilder vorangehen und aktives Lesen vorleben. Und wie sieht das mit den Erwachsenen aus?

Ich glaube, wer als Kind schon gerne liest, wird es sein Leben lang tun. Auch wenn man als Erwachsener nicht immer so viel Zeit dafür hat oder sich natürlich auch einfach mal von einem Film berieseln lassen will. Aber das eine schließt das andere ja nicht gänzlich aus.

 

 

Wer ist für dich der ideale Leser?

Abgesehen von denen, die keine Flecken ins Buch machen? ^^

Du hast ja geringe Anforderungen 😉 

Ich glaube nicht, dass so etwas wie „der ideale Leser“ existiert. Es gibt so viele unterschiedliche Geschmäcker. Die einen trifft man, die anderen nicht. Froh macht mich jeder, der offen für etwas Neues ist. Ich habe mich immer am meisten gefreut, wenn mir Leser sagten „Ich mag ja eigentlich keine Kurzgeschichten, aber …“ oder „Ich mag ja eigentlich keine Fantasy, aber …“. Das sind ganz besondere Momente, in denen man jemanden erreichen konnte, der vorher selbst nicht daran geglaubt hat.

 

 

Wie stehst du zu Schreibregeln, die bestimmen, was der 1. Satz auf keinen Fall enthalten darf, welche Worte man verwenden soll und welche zu vermeiden sind, wie lang ein Satz sein darf, etc.?

Ich glaube, es ist gut sie zu kennen – um zu wissen, wann und wie man sie brechen kann.

Du Revoluzzer 🙂

 

 

Welches Buch hat dich am meisten geprägt und warum?

Das ist wirklich schwierig, da ich schon so furchtbar viel gelesen habe und unglaublich vieles schon so verdammt gut fand.

Dabei gibt es keines, das heraussticht?

Als Kind waren es vermutlich „Die unendliche Geschichte“ und „Momo“, die mich einerseits für die Phantastik begeistert haben, aber andererseits auch immer dazu anregten, über die reale Welt nachzudenken. Als Teenie kam dann Tad Williams „Osten Ard“ dazu, der mir gezeigt hat, dass es Fantasy auch mit dieser feinen, poetischen Sprache geben kann, die ich bis heute so liebe.

Fantastische Klassiker 🙂

Mein Mann hat mir dann, als wir uns kennenlernten, Dan Simmons „Hyperion Gesänge“ gegeben, die mein Herz für ethische und epische Science Fiction geöffnet haben.

Na siehst du, es haben dich wohl doch einige geprägt …

Das sind aber nur wenige von vielen Wegpunkten auf meinem Leseweg.

 

 

Wenn du für einen Tag in ein Buch reisen könntest, in welches würde es dich ziehen?

Nur eins?

Für den Anfang … 🙂

Ich glaube, am liebsten würde ich nach Osten Ard reisen wollen, um Geloe in ihrem Wald zu besuchen.

Das klingt doch to…

Andererseits wäre es auch großartig, die schwimmenden Inseln von Maui-Covenant sehen zu können. Oder mit Alec und Seregil durch Skala zu schleichen. Oder, oder, oder …

 

 

Bist du ein mutiger Mensch? Wann hast du das letzte Mal was zum ersten Mal gemacht und was war das?

Keine Ahnung, ich halte mich nicht für besonders mutig. Ich habe zwar kein Problem damit, vom 10-Meter-Brett zu springen, aber dafür stellt mich zwischenmenschliches Zeug immer wieder vor besondere Herausforderungen. Da muss ich jeden Tag aufs Neue über meinen Schatten springen.

Aber schon allein, dass du dich dem täglich stellst, ist doch schon sehr mutig 🙂

 

 

Für welches Produkt würdest du als Testimonial Werbung machen? Warum?

Am ehesten wohl für ein Buch 😉 Vielleicht noch für Schokocappuccino oder dicke Stricksocken.

Alles zusammen klingt nach einem perfekten und gemütlichen Leseabend …

 

 

Was machst du, wenn du eine Nacht im Kaufhaus eingeschlossen wärst?

Hm … ich denke, ich würde eine ganze Weile herumstromern und tausend Dinge ausprobieren, dann würde ich mir ein Bett suchen und schlafen.

Deinem Grinsen entnehme ich, dass du nicht weiter darauf eingehst … 🙂 In dem Fall machen wir besser weiter …

 

 

Was ist der erste Gedanke nach dem Aufstehen? Was machst du in der Zeit nach dem Aufstehen?

Der erste Gedanke VOR dem Aufstehen ist wohl sowas wie „Ist es echt schon wieder soweit?“. Was ich danach mache, kommt darauf an, ob ich arbeiten muss, oder nicht.

Angenommen, du hast frei …

Dann mache ich dem Kind Frühstück, schicke es zur Schule und gehe mit dem Hund Gassi. Wenn ich arbeiten muss, mache ich dem Kind und mir Frühstück und gehe zur Arbeit. ^^ Ganz langweilig.

 

 

Welche Superkraft hättest du gerne?

Früher hätte ich am liebsten fliegen gekonnt, zumindest erinnere ich mich, als Kind oft davon geträumt zu haben.

Wovon träumst du jetzt?

Heute würde  ich mir wohl am ehesten telepathische Kräfte wünschen. Damit könnte ich sowohl meine Faulheit befriedigen, als auch Leute erschrecken. Ich glaube, das würde mir gefallen ^^

Ich blicke in menschliche Abgründe *lach* Das gefällt mir …

 

 

Welcher Irrtum kursiert über dich?

Ich glaube nicht, dass andere wirklich viel über mich nachdenken, von daher fällt mir da spontan nichts ein …

Nicht schlimm.

 

 

Was würdest du deinem 10 Jahre jüngeren Ich raten?

Einfach weiteratmen. Es wird besser, es wird schlimmer, es wird besser. Und von vorn.

Ein Atem-Mantra? *belustigt guckt*

Ja, aber ich glaube nicht, dass irgendein früheres Ich auf irgendeinen Ratschlag gehört hätte.

 

 

Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!

Hallo Welt, ich bin ziemlich froh, dass es Dich gibt ^_^

 

 

Und zum Schluss: Auf welche Frage in einem Buchinterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?

Hast Du bald einen Roman fertig?

Das klingt toll …

Traurigerweise lautet die Antwort noch immer „nein“ …

*seufz* Dann hoffe ich, dass dieser Wunsch bald wahr wird. Tausend Dank, liebe Miriam Schäfer, dass du dir die Zeit genommen hast, mich zu treffen und all meine Fragen zu beantworten. Es war äußerst amüsant und ich würde mich freuen, wenn wir das wiederholen könnten. Deinem Buch wünsche ich für den weiteren Wettbewerb viel Erfolg und wer weiß, vielleicht sehen wir uns auch schon in Frankfurt zur Verleihung des Skoutz-Award wieder.

 

Mehr über Miriam Schäfer und ihre Bücher findet ihr auf:

Homepage

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Skoutz-Lesetipp: Die Putzfrau des Dr. Apokalypse: Geschichten voller Horror & Dark Fantasy von Janine Gimbel (Hg)

Für unsere Horror- und Dark-Fantasy-Anthologie sind wir einmal mehr unseren erprobten, aber dornenreichen Weg gegangen. Das heißt, wir haben eine entsprechende Ausschreibung veröffentlicht, die mehrere Monate lief. Darauf haben uns hunderte von Geschichten erreicht. Für unsere Jury heißt das jedes Mal: Lesen, lesen, lesen. Aber wenn man so viele Geschichten erhält, kann man sicher sein, im Buch am Ende wirklich nur höchste Qualität versammelt zu haben, denn man kann wie nach der Stecknadel im Heuhaufen suchen und wirklich nur die allerbesten Geschichten veröffentlichen. Die Jury-Hürde haben dabei einige alte Hasen genommen, die bei uns schon in anderen Büchern vertreten sind, aber auch viele neue Autoren. Lassen Sie sich überraschen!

Skoutz meint: Eine tolle Anthologie in der über 20 Autoren mit ihren vielseitigen Fantasy- und Horrorgeschichten die Leser unterhalten und zeigen, wie fließend die Grenzen der beiden Genre manchmal sind, aber auch wie facettenreich diese interpretiert werden können. Düster schöner Lesegenuss für alle Kurzgeschichten-Fans.

 

Hinweis:

In “Das Fehlen des Flüsterns im Wind”, das im Februar 2018 beim Acabus Verlag veröffentlicht wurde, zeigt uns Miriam Schäfer eine Sammlung phantastischer Kurzgeschichten aus dem Halbdunkel. Auf 184 Seiten werden wir zum Gruseln, Träumen und Nachdenken verführt .

Mit ihrer Sammlung von ausgewählten Kurzgeschichten konnte Miriam Schäfer unsere Skoutz Jurorin Stella Delaney überzeugen. “Des Fehlen des Flüsterns im Wind” wurde aus über 300 Titeln der Anthologie-Longlist erwählt. Sie ergatterte einen der begehrten Midlist-Plätze und damit vielleicht die Chance auf den Skoutz Award 2019.

Mehr dazu erfahrt ihr wie immer in der ausführlichen Buchvorstellung. (Weiterlesen)

 

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