Zu Besuch bei Myriam Halberstam
Heute freue ich mich sehr auf den Besuch bei Myriam Halberstam, der es erstmals in der Geschichte des Skoutz-Awards gelungen ist mit einem Cartoon auf die Midlist zu kommen..
In ihrem Fall wurde die von ihr herausgegebene Grafik-Anthologie „#Antisemitismus für Anfänger“ von Juror Sascha Eichelberg auf die Midlist Anthologie des Skoutz-Awards 2021 gewählt. Wie der Titel schon verheißt, handelt es sich hier um eine böse, absurde, hintersinnige Sammlung, die vor allem auch Neugier auf den Mensch hinter diesen Geschichten machen …
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Kay zu Besuch bei Myriam Halberstam, die nachts für Abenteuer aufstehen würde
Liebe Myriam, vielen Dank, dass das geklappt hat. Ich gebe zu, dein Buch ist eines der ungewöhnlicheren in unserer Midlist, sowohl in der Aufmachung als auch bezüglich des Titels. Aber ich habe es wirklich genossen, nicht nur der Art, wie sich das Buch eines an sich tragischen Themas annimmt, sondern auch wie schön die Anthologie zusammengestellt wurde. Der Herausgeber ist da ja immer so ein bisschen wie der Trainer einer Mannschaft. Aus den besten Einzelbeiträgen wird kein tolles Ganzes, wenn es nicht stimmig montiert wird.
Aber bevor ich jetzt zu sehr ins Schwärmen gerate, lass uns einfach anfangen …
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Welches ist die größte Herausforderung, der man sich als Autor stellen muss?
Dran zu bleiben.
Oh ja! Das ist das wichtigste. Zum Glück wissen das auch die meisten Autoren ganz genau, wenngleich sie diese Erkenntnis in ganz verschiedenen Tonlagen vortragen.
Man unterschätzt wohl, wie viel harte Arbeit zum Autorendasein dazugehört und was nach dem magischen Wort „Ende“ noch alles kommt. Überarbeiten etwa …
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Hast du Lieblingsworte in deinen Skripten, die vom Lektorat regelmäßig angestrichen werden?
Nein.
Echt? Das ist ja stark. Da bist du bei knapp hundert Interviewten die Erste. Ein paar Autoren haben in jedem Buch neue Lieblingsworte, aber gar keine … Respekt!
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Was ist deine präferierte Erzählform?
Essay
Hach! Das Essay wird auch eine vielfach unterschätzt. Das freut mich, dass wir wenigsten noch ein paar Buchmenschen haben, die dafür schwärmen.
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Bist du im Team Adjektiv oder bevorzugst du eher einen „schnörkellosen“ Stil?
Eher der blumige Stil.
Zum Glück. Ich fand dein Buch so herrlich angenehm zu lesen, so lebendig bildstark.
Eine Schreibfrage habe ich aber noch:
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Hast du einen speziellen Trick, um aus deinen Figuren echte Persönlichkeiten zu machen?
Mir bekannte, echte Personen als Vorlage zu nehmen.
Hehehe! Sei vorsichtig im Umgang mit Autoren. Alles was du sagst, tust oder lässt, könnte in einer Geschichte verwendet werden.
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Welchen Fehler darf man beim Schreiben keinesfalls machen?
Zu ausgefallen sein zu wollen.
Das hatten wir jetzt in der Form auch noch nicht. Ich habe schon von XXX den Tipp bekommen, die Erwartungen der Leser zu beachten, aber umgekehrt raten viele gerade davon ab, Klischees oder Mainstream zu bedienen. Das wäre mal ein interessantes Thema für eine Diskussionsrunde. Auch, wie das die Leser sehen.
Wenn wir beim Lesen sind …
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Welches Buch liegt gerade auf deinem Nachttisch?
Zu viele.
Ja, der Nachttisch ist das natürliche Biotop des SuB. Ganz eindeutig. Was zum Beispiel würden wir denn bei dir finden?
Etwa die Grafik Novel „Rose Ausländers – Leben im Wort“ von Oxana Matiychuk
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Welche 3 Dinge sind dir aktuell am wichtigsten im Leben?
Die Gesundheit meiner Familie. Danach kommt lange nichts.
Das hören wir in diesen Tagen besonders häufig. Der Fokus hat sich in den letzten Jahren schon sehr auch auf die Gesundheit verschoben, vor Corona hat man das selbstverständlicher genommen.
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Wenn du wählen könntest, wärst du lieber extrem intelligent oder gut im Umgang mit Menschen?
Da ich mir einbilde, gut im Umgang mit Menschen zu sein, wäre ich lieber extrem intelligent. Mein Vater erzählte immer die (wie ich wohl denke traditionell jüdische) Geschichte: Wenn jemand vor der Geburt von Gott gefragt wird: Möchtest Du lieber Glück haben oder intelligent sein, dann beweist der Intelligente sich als solcher indem er Glück wählt.
Ich denke, da hast du Recht. Das Gespräch ist jedenfalls sehr unterhaltsam. Und wenn du dich irren solltest, wärst du dann ja intelligent genug, da nachzubessern.
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Wofür würdest du mitten in der Nacht aufstehen?
Für einen Filmdreh, für meine Kinder, für ein Abenteuer.
Wenn du mit den Kindern drehst, hättest du da gewiss auch gleich ein Abenteuer. Aber Filmdreh ist spannend, das hatten wir noch nicht. Julia Dippel macht Theater, aber Film … Cool!
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Was ist deine größte Stärke?
Ideenreichtum und das Hinterfragen von Althergebrachtem.
Das ist auch sicherlich eine Kombination aus der viel Spannendes entstehen kann. Wenn man das Vorhandene nicht für selbstverständlich und gegeben nimmt, kann der Ideenreichtum sich ganz anders entfalten.
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Wenn dein fünf-jähriges Selbst plötzlich deinen jetzigen Körper bewohnen würde, was wäre das Erste, das dein fünf-jähriges Selbst tun würde?
Staunen.
Das gewiss auch. Einige Autoren, Stefan Krell zum Beispiel, tippten da eher auf blankes Entsetzen.
Bleiben wir mal noch kurz bei Kindheitsplänen …
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Stell dir vor, du würdest einen Geheimbund gründen, wie würdest du ihn benennen und was wäre eure Mission?
Wenn ich das jetzt hier preisgebe, wäre es ja nicht mehr geheim.
Stimmt auch wieder. Dann muss unsere Neugier eben unbefriedigt bleiben. Seufz. Wir versuchen es immer wieder, aber mit wechselndem Erfolg.
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Gibt es etwas, das du kannst, die meisten anderen Menschen aber nicht?
Die Nasenlöcher ohne Hilfe der Finger verschließen.
Was? Wie machst du das? Ich kenne das nur von Krokodilen. Das ist auch eindeutig eine der besondersten Fähigkeiten, von denen mir auf diese Frage berichtet wird. Unfassbar. 🙂
Eine letzte Frage habe ich noch. Oder vielmehr eine Bitte …
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Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!
Konsum ist überbewertet.
Oh ja! Da sprichst du mir so aus der Seele! Dabei ergibt sich aus allen Umfragen, dass Menschen ihr Glück in Situationen, im Miteinander und nicht beim Einkaufen und Besitzen finden.
Liebe Myriam, es war trotz der Kürze ein sehr inspirierendes, sehr abwechslungsreiches Interview, für das ich mich herzlich bedanke. Ich hoffe, du kommst noch weit beim Skoutz-Award und wir können uns nochmal unterhalten. Erzähl uns auch ruhig von deinen buchigen Aktivitäten und Neuigkeiten, wir würden uns freuen, wenn du uns in der Skoutz-Gemeinde erhalten bleibst.
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Dankeschön!
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Hier könnt ihr Myriam Halberstam über ihren Ariella-Verlag erreichen
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Skoutz-Lesetipp:
Ein Pferd zu Channukka – zauberhaftes Kinderbuch von Myriam Halberstam
Jüdische Feiertage sind in der deutschen Öffentlichkeit kaum bekannt. Allerdings ist es gerade in der kulturell und religiös zunehmend vielfältigen bundesdeutschen Gesellschaft unerlässlich, dass auch Kinder der Mehrheit Leben und Feste von Kindern aus Minderheiten kennen lernen.
Dieser Aufgabe genügt Myriam Halberstams neues Kinderbuch „Ein Pferd zu Chanukka“ vorzüglich – kindgerecht, humorvoll und auch dort leicht verständlich, wo es um eine Welt geht, mit der die allermeisten deutschen Leser nicht vertraut sind.
Das schöne Bilderbuch beschreibt das jüdische Lichterfest – Chanukka – und zeigt, was versöhnte Verschiedenheit bedeuten kann. – Prof. Dr. Micha Brumlik Erziehungswissenschaftler
Skoutz meint: Der Grund, warum wir heute nicht mehr so besonders viel über das Judentum und den jüdischen Alltag wissen, ist bekannt. Aber es ist sehr schade, weil es eine Kultur ist, die uns alle auch heute noch prägt und die so reich und schön ist, dass man sie kennen sollte. Ich habe mit meinem kleinen Neffen das wunderschön aufgemachte Buch gelesen und konnte mich danach der Fragen nicht mehr erwehren. So soll es sein. Auf Neugier wächst Verständnis. (kn)
Wenn ihr wie beabsichtigt, neugierig geworden seid, dann könnt ihr das Buch entweder über unseren Affiliate-Link auf Amazon* oder auch auf den Verlagsseiten* anschauen und natürlich auch kaufen.
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Von Myriam Haberstam erhielten wir noch die Empfehlung eines ganz besonderen Jugendbuchs, das gerade angesichts der aktuellen Entwicklung auf der Welt für uns so wichtig ist, dass wir es gesondert vorstellen möchten:
König Hänschen I. von dem polnischen Autor Janusz Korczak, ein eindringliches Plädoyer für Frieden und Vernunft, das für den deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde (weiterlesen*).
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Mehr Info
Mit „#Antisemitismus für Anfänger“ hat Myriam Halberstam ein ganz besonderes Buch über Vorurteile, Hass und Ablehnung vorgelegt, dass das Unaussprechliche aufs Korn nimmt und in Bildern zeigt, was dringend angesprochen werden muss. Damit steht es völlig zu Recht auf der Midlist Contemporary des Skoutz-Awards 2021.
Das erste Comic-Buch in der Skoutz-Geschichte haben wir uns natürlich sofort gründlich angeschaut, durchgelesen und auch besprochen (weiterlesen).
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Hinweis:
Wenn ihr die Bücher schon kennt, würdet ihr uns, dem Autor und allen lektüresuchenden Lesern einen großen Gefallen, wenn ihr das Buch in der Skoutz-Buchdatenbank mit einer Skoutz-Buchfieberkurve bewerten würdet. 5 Klicks statt 5 Sterne. Einfacher lässt sich eine Rezension nicht schreiben, bequemer kann man sein nächstes Buch-Date nicht finden. Und so helft ihr, dass unsere Buchfindemaschine weiter wächst.