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Zu Besuch bei Tim Boltz

 

Heute bin ich mit dem allzeit alberbereiten Skoutz-Kauz zu Besuch bei Vollblut-Comedian Tim Boltz, der nicht nur die Welt nicht ernst nimmt, sondern sich selbst auch nicht. Ich hoffe, dass das Interview so vergnüglich wie sein Buch „Zonenrandkind“ wird, das ich mit einem breiten Grinsen auf die Midlist Contemporary des Skoutz-Awards gepackt habe.

Lassen wir uns überraschen.

 

Zu Besuch bei Tim Boltz, der Texte wie Teig behandelt

Autorenfoto Tim BoltzLieber Tim, vielen Dank, dass du dir Zeit für uns nimmst. Ich freue mich schon sehr auf dieses Gespräch und bin gespannt, was du uns erzählen kannst. Lass uns gleich anfangen.

 

Wie würdest du dich in einem Wort beschreiben?

 

Multifunktionsdilettant

Ein schönes Wort! Der Skoutz-Kauz ist ja ein sehr vokabelverliebtes Wesen und schon mal begeistert.

Das merkt man auch in deinen Texten. Wie ist das mit dem Schreiben für dich?

 

Beruf oder Berufung? 

Weder noch. Ich halte wenig von der These, dass man nur diesem einen, vorbestimmten Ruf folgen kann.

So hab ich das gar nicht gesehen. Erklär mir das mal genauer, bitte.

Vielleicht würde ich auch einen erstklassigen Imker oder Nageldesigner abgeben, wer weiß das schon? Dass ich Schriftsteller geworden bin ist auch Zufällen zu verdanken, die ich nicht beeinflussen konnte.

Das Schreiben und Imkern muss sich ja nicht ausschließen. Es gibt schließlich mehrere Musen und eine jede könnte rufen. Und du kannst dich dann darauf berufen. Was eine Berufung wäre. Hoffentlich bereust du nicht, dass es nun dieser Ruf war …

Nein, ich bin natürlich nicht unglücklich darüber, dass ich diesen Beruf ausüben darf, da es einige Talente von mir ganz passabel bündelt.

Ein Multifunktionsdilettant mit Talenten. 🙂

Wann hast du denn mit dieser Karriere begonnen? Also …

 

Wann hast du dein erstes Buch veröffentlicht?

Das war 2006 – ein Krimi, den ich allerdings unter einem anderen Namen herausbrachte. Das Buch resultierte aus meinen Recherchen zu dem Musical BONIFATIUS, das ich 2004 schreiben durfte und das dann in Deutschland Musical des Jahres 2005 wurde. Das war mein Startschuss als Autor. Ich hatte bereits viel Material für das Muscical-Libretto recherchiert, sodass ich auf die Idee kam aus dem Stoff noch einen Roman zu stricken.

Ein Recycling-Debüt quasi! Und war das dann auch weniger Arbeit als ein „normales“ Buch?

Ich würde sagen, dass ich dann dennoch ein Jahr daran gearbeitet habe.

Also eher nicht. Wenn wir schon bei Routinen sind …

 

Wie läuft ein typischer Tag als Autor bei dir ab?

Es gibt für mich keinen typischen Tag. Viele Kollegen haben ja ritualisierte Abläufe, in dem sie erst mit dem Hund eine Stunde rausgehen, sich dann einen Rooibostee aufsetzen und dann 5.000 Zeichen als Fingerübung tippen.

Joa … Das mit dem Hund hab ich schon ein paar Mal gehört. Das mit dem Roibostee noch nicht. Wie ist es denn bei dir?

Bei mir fehlt es sowohl am Hund als auch am Roiboostee (lacht). Manchmal schreibe ich nächtelang durch und manchmal kann ich auch tagelang keine Tasten mehr sehen. Und das ist auch okay so. Zumal sich gezeigt hat, dass es manchmal auch von Vorteil ist, wenn man ein Manuskript wie einen Brotteig etwas Ruhen und Aufgehen lässt.

Ja, das kann ich bestätigen. Ich lasse meine Texte nach Möglichkeit immer liegen, bevor ich in die Überarbeitung gehe. Dann hat sich meine Schreibeuphorie schon abgekühlt und im Lesemodus fallen mir andere Sachen auf. Aber das Brotteig-Bild, das ist super! Das merk ich mir. 

Wie kommst du in dieser verrückten Zeit als Mensch ohne Routinen zurecht?

 

Was hat sich für dich als Autor durch die verschiedensten Corona-Maßnahmen geändert?

Für mich hat sich ziemlich viel geändert, da ich ja normalerweise als Literatur-Comedian auf der Bühne stehe und dort meine Programme zum Besten gebe. Das fällt alles komplett weg und wird sicherlich auch noch sehr lange nicht stattfinden können.

Ja, die Kunstszene trifft die Pandemie am härtesten. Das muss schlimm sein. Aber es gibt doch auch ein paar Workarounds, habe ich gelesen. Was hältst du davon?

Ich verspüre keine gesteigerte Lust darauf vor 250 Autos im Autokino aufzutreten und in eine Ansammlung Abblendlichter zu starren. Aber in Krisenzeiten lernt man auch viel über sich selbst. Es gibt die Meckerer und die Macher und ich habe mich entschlossen zur zweiten Gruppe zu gehören.

Das finde ich toll! Und was machst du dann in Corona-Zeiten?

Ich verfolge einige Projekte, die ich seit langem schon umsetzen wollte. Ich habe zwei Bände humoristischer Reime und Gedichte herausgebracht und schreibe an einem Vorlesebuch für Kinder, sowie einer TV-Serie.  Langweilig wird mir also nicht.

Das freut mich! Du musst mir unbedingt die Links zu deinen Büchern geben. Da bin ich neugierig. Im Leben bist du also recht flexibel. Wie schaut es da beim Schreiben aus?

 

Kreativ oder doch eher regeltreu?

Da ich neben meinen Romanen, auch Sachbücher, Krimis und Stücke für die Bühne schreibe, muss ich von Hause aus wohl eher offen für kreative Wege sein.

Klingt so!

Ich probiere gerne Neues aus und arbeite häufig parallel an mehreren Projekten. Ich beneide aber Kollegen, die strukturiert an einem Manuskript arbeiten und exakt ihren Vorgaben folgen. Ich nehme mir zum Beispiel regelmäßig vor exakte Charakterprofile zu erstellen, werfe die Vorsätze aber ebenso regelmäßig über Bord, um mich dann wieder darüber zu ärgern können, es nicht getan zu haben.

Ach, gräm dich nicht. Ich finde deinen Figuren bekommt es ganz gut, dass du sie so sein lässt, wie sie sich entwickeln, statt dass du sie wie Zinnsoldaten nach einer vorgeplanten Form entwirfst.  Aber genug geschrieben, lassen wir uns das Buch mal umdrehen. 🙂

 

Welches war dein erstes selbstgelesenes Buch?

Meine Mutter war sehr froh, dass ich als Kind zumindest Disneys lustige Taschenbücher las, sodass sie mir jedesmal einen neuen Band von Donald Duck und Mickey Mouse mitbrachte, wenn sie an einem Kiosk vorbeikam. So habe ich lesen gelernt – das prägt. (grinst)

Das kann ich bestätigen. Mein Vater hatte die immer überall in der Wohnung herumliegen und ich habe mir erst die Bilder angesehen und dann auch zu lesen begonnen. Ich weiß noch, wie ich für so ein Taschenbuch einen Tag braucht. 🙂  Und wenn wir die Frage etwas literarischer aufziehen?

Mein erstes wirkliches Buch an das ich mich erinnern kann war „Christiane F – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, was mich direkt traumatisierte. Als Teenager habe ich jahrelang selbst auf Dorffesten keine offenen Getränke bestellt aus der Überzeugung, dass mir ganz sicher sofort jemand Drogen ins Glas werfen würde.

Ich weiß ja nicht, wie eure Dorffeste so ausgesehen haben, aber grundsätzlich kann ich bestätigen, dass etwas Vorsicht selten schadet und manchmal nützt.

 

 

Stell dir vor, du könntest eine beliebige Figur aus einem Buch zum Essen treffen. Was würde passieren? 

Oh, da gäbe es mehrere Kandidaten.

Das habe ich jetzt bei dir irgendwie schon erwartet. Lass hören!

Vielleicht Balu der Bär aus dem Dschungelbuch. Ich glaube, mit ihm kann man eine gute Zeit haben.

Probieren wir es mit Gemütlichkeit! Genau! 🙂

Ich mag sowieso weniger die schillernden Figuren als vielmehr die Anti-Helden, zu denen ich mich seit jeher stärker hingezogen fühle. Von daher würde ich wohl lieber mit Herr Lehmann aus Sven Regeners gleichnamigen Roman ein Bier trinken als mit Anastasia Steel Essen zu gehen und mit ihr die 50 Shades of Herrn Grey zu besprechen.

Das sehe ich ganz genauso. Wobei Balu mein Favorit bleibt. 🙂

 

Auf welche Frage hattest du in letzter Zeit keine Antwort und hast du sie finden können?

Tatsächlich hatte ich gerade die Tage beim Schreiben überlegt, ob es eigentlich ein Synonym für das Wort  „Synonym“ gibt. (Lacht)

Öh … Muss ich nachdenken. Hast du was gefunden …

Und tatsächlich gibt es den Fachtermini Homöonym, was dem Ganzen wohl am Nächsten kommt.

Bedeutungszwilling … Sinnverwandter … (grübel) – Jetzt hast du mich angefixt.

Themawechsel, schnell!

 

 

Wie oft schaust du täglich auf dein Handy?

Zu oft. Es ist mittlerweile halt nicht nur Telefon und Briefersatz, sondern auch Terminplaner, TV-Gerät, Einkaufswagen und Werbeschaufenster. Allerdings war ich die letzte Zeit oft Wandern und habe bemerkt, dass es auch ohne Handy geht – wobei das glatt gelogen ist, weil ich das Handy als Navigationsgerät genutzt habe. Ach Gott, ach Gott…es ist ein Graus.

Nicht unbedingt. Wenn man bedenkt,  wieviele Geräte man so auch sparen kann, ist das Smartphone am Ende vielleicht sogar nachhaltig. Wobei ich das andere Extrem bin und wie Kollegin Mila Olsen das Handy echt v.a. zum Telefonieren nutze. Ich Dinosaurier. 🙂

 

Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?

Jeder der jemals bei mir Zuhause war, weiß, dass es in meinem Kühlschrank an sehr, sehr viel fehlt. Ich bin ein klassischer „außer Haus Esser“. Von daher sieht es in meinem Kühlschrank eher so aus, als hätte ich ihn gerade abgetaut.

Da hätte ich keine ruhige Sekunde. Mental immer den Hungertod vor Augen. Wie hast du das in Corona-Zeiten gemacht?

 

 

Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?

Mit „Gesundheit, Weltrieden und Familie“ könnte ich bei der Miss-Germany Wahl punkten, oder?

Keine Ahnung, da war ich nie. Hier beim Skoutz-Award sind wir für alles offen ….

Dann sage ich mal etwas anderes wie „Ich bin dankbar, dass ich mit meinen Texten Menschen zum Lachen bringen kann und für die kongeniale Erfindung von Cuba Libre und Aspirin“.

Das lass ich gelten, wobei ich nun annehme, dass du dann Cola, Bacardi und Zitronen im Kühlschrank hast. (Grins).

 

Bei welchem historischen Ereignis wärst du gern dabei gewesen und warum?

Die Mondlandung fände ich ganz gut. Allerdings möchte ich dann auch direkt vor Ort auf dem Mond sein. Und zwar bevor die Amis landen!

Frag Kollegin Anke Höhl-Kayser, ob die dich mitnimmt! Die hat sich ausbedungen mit diesen Mondmobilen spazieren fahren zu dürfen …

Stelle ich mir gut vor, wenn Neil Armstrong ausgestiegen wäre und ich ihn dort mit meiner Zeimaschine bereits erwartet hätte. Der ganze Wettlauf der Russen und Amerikaner – alles umsonst, der Boltz ist schon da, hat seine Fahne bereits aufgestellt und verkauft Leckmuscheln auf dem Mond.

An wen? 🙂

Nachdem du hier gerade schon so lebhaft am Fabulieren bist …

 

Über welches Thema könntest du eine 30-minütige Präsentation halten, ohne jede Vorbereitung?

Über die Fallstricke im Leben eines Autoren oder einer Autorin. Aber darüber kann sicher jeder Schriftsteller trefflich fabulieren – wenn es sein muss auch deutlich länger als 30 Minuten.

Oh ja!

 

Was würdest du rückwirkend ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?

Da halte ich es ganz mit Edith Piaf: „je ne regrette rien“. Ich durfte durch meine Arbeit bisher schon so viele tolle Dinge erleben, Orte bereisen und und fantastische Menschen kennenlernen, dass eine nachträgliche Veränderung einem Frevel gleich käme.

Oh wow! Ich hatte schon einige Kollegen, die nichts ändern wollten, weil sie meinten, die Konsequenzen nicht absehen zu können. Aber so grad heraus, „weils geil war“  das finde ich … ja … wow, eben.

Dann lass uns umgekehrt, nach vorne schauen:

 

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Ganz mittelbar, dass wir durch diese Krise als Gesellschaft wieder die Kultur und Kunst mehr zu schätzen lernen. Ich hatte in den vergangenen Jahren immer mehr das Gefühl, dass es nur noch darum ging Dinge bewerten und kritisieren zu müssen. Dabei ist jede Form der Kunst doch eine Art Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und das gilt es zu schützen und zu schätzen. Jetzt mehr denn je!

Da wird dir ein Anwalt nicht widersprechen. Mehr noch, ist Kunst sogar über die Meinungsfreiheit hinaus, um ihrer selbst willen geschützt. Ich hoffe, dein Wunsch geht in Erfüllung.

 

Lieber Tim, vielen Dank für dieses kurzweilige Gespräch, das mich wie erwartet mit bester Laune gehen lässt. Hoffentlich sehen wir uns bald mal wieder, zum Beispiel bei der Übergabe des Skoutz-Award!

Dankeschön!

 

Hier könnt ihr Tim Boltz erreichen

 

Skoutz-Lesetipp:

Weichei – Lustiger Lad Lit zum Mitschmunzeln von Timo Boltz

  Weichei! – Das ist das Letzte, was Robert Süßemilch von seiner Freundin zu hören bekommt. Damit hat er alles, was ein erfolgreicher Mittdreißiger nicht braucht: eine gescheiterte Beziehung und einen schlecht bezahlten Job. Er beschließt, seiner Exfreundin zu beweisen, dass aus dem vermeintlichen Weichei ein harter Kerl geworden ist. Nach gescheiterten Selbstversuchen auf grotesken Partys, im Rotlichtmilieu und beim Speeddating scheint sein Vorhaben zu scheitern – bis ihm das Schicksal die Tür zur Verwirklichung seines Traums öffnet. Allerdings nur so weit, dass eine einzige Lüge hindurchpasst. Eine Lüge, deren Folgen er nicht absehen kann …

Skoutz meint: Chick-Lit mit einem männlichen Protagonisten. Lustig, frech mit Humor und Herz die richtige Lektüre zum sich Aufheitern lassen, schmunzeln und entspannen. Die Wirrungen des Helden, der einfach kein Weichei sein will, sind freilich überzogen, aber so ein bisschen kann man sich dann doch darin erkennen. Uns hat’s Spaß gemacht.

Falls ihr neugierig geworden seid, könnt ihr euch das Buch natürlich über unseren Affiliate-Link bei Amazon* anschauen und auch kaufen.

 

Hinweis:

Wenn man über sich selbst lachen kann, ist das immer ein Garant dafür, dass sich auch andere amüsieren. Das ist Tim Boltz auf ganz hervorragende Weise gelungen.  In “Zonenrandkind“, das im September 2019 bei Tinte & Feder erschienen ist, erleben wir mit Tim Boltz einen humorvollen Nostalgietrip, der uns in die tiefste Provinz des hessischen Zonenrandgebiets der ehemaligen DDR entführt . 303 Seiten auf denen die deutsch-deutsche Geschichte rund um den Mauerfall lebendig wird und auf skurril-unterhaltsame Art den Leser fesselt.

Die lustigen Anekdoten haben unserer Contemporary-Expertin Kay Noa so gut gefallen, dass sie TIm Boltz‘ “Zonenrandkind” aus über 200 Titeln der Contemporary-Longlist  direkt auf die Midlist gewählt hat. Damit ist Tim Boltz einer der Anwärter auf den Skoutz-Award 2020 in der Kategorie Contemporary.

Wir haben das Buch natürlich schon angeschaut und ausführlich besprochen (weiterlesen).

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