Skoutz-Interview Salih Jamal

zu Besuch bei Salih Jamal

Heute habe ich mich in die schöne Rheinmetropole Düsseldorf aufgemacht, um Salih Jamal zu besuchen. Ich bin schon neugierig, was mich erwartet, denn alles, was ich bisher von ihm erfahren habe, ist sehr ungewöhnlich und manchmal auch ein wenig kryptisch 🙂 Auch wenn ich seine Vorliebe fürs frühe Aufstehen nicht teilen kann, noch keine Erfahrung mit der Grünen Fee gemacht habe, verbindet uns doch ein gemeinsames Element – das Feuer – zumindest nach unseren chinesischen Horoskopen. Ihr könnt also gespannt sein …

zu Besuch bei Salih Jamal, der den Dialog mit seinen Lesern liebt …

 

Beschreibe dich in einem Wort!

 

Tiefenentspannt.

Das klingt gut. In dir ruhend. Mal sehen, ob meine Fragen das Feuer in dir wecken können 🙂

 

Strukturierter Planschreiber, Bandenmitglied oder kreativer Chaot – was ist dein Schreib-Erfolgs-Konzept?

Im Prinzip ist es ein Drauflosschreiben über das was mir wichtig ist oder woran ich gerade Spaß habe.

Du ziehst deine Ideen aus der Situation, schreibst den Moment …

Ja, so ist es. Darüber hinaus bin ich davon überzeugt, dass das was andere bewegt, vorher den Künstler selbst berührt haben muss. Darauf lasse ich mich ein. Das gilt für Malerei, Musik und eben auch für Literatur.

Oh lala, ein Bohémien …

Jeder hat das Bild vor Augen wie Ludwig van bei seiner fünften „TaTa Ta Taaah“ in die Tasten haut. Das ist Leidenschaft. Ohne Filter. Das geht nicht als Zaungast. Ansonsten renne ich nicht mit einem Notizbuch herum um flüchtige Gedanken einzufangen. Das führt schnell zu Verbissenheit. Und dann wäre ich nicht mehr (siehe Antwort zu Frage 1).

 

Welche Taste ist die am meisten abgenutzte auf deinem PC?

 

Keine.

Von Samtpfötchen hatte ich nirgends etwas gelesen … Interessant … 😉

Ich hab einen neuen Laptop. Der alte ist quasi mit der Veröffentlichung der grünen Fee in den E-Schrott Himmel gefahren.

Altersschwäche oder der künstlerischen Malträtierung erlegen?

Malträtierung a la „TaTa Ta Taaahhhhh“. Ne, das Ding bekam irgendwie Demenz.

Elektronik-Demenz. Bei dir lernt man nie aus 🙂

 

Wenn eine Fee dir einen perfekten Autorentag anböte, wie sähe der aus?

 

Sie küsst mich wild und leidenschaftlich und wir fummeln ein bisschen rum.

Dieses Kopfkino *räusper*

Wenn es gut läuft machen wir ein Kind …

Da muss ich passen 🙂 Um mir das vorzustellen, ist es eindeutig zu früh 😉 Von wegen früher Vogel und Wurm 🙂

… äh ein Buch. Oder wenn es nur ein Quickie ist, dann wenigstens ein Gedicht oder eine Kurzgeschichte.

*lach* wir machen besser weiter, bevor ich aus dem Konzept falle 🙂

Übrigens: Der späte Wurm entkommt dem frühen Vogel.  Also lang schlafen zahlt sich aus.

Na, dann lass dich mal nicht von den Geiern fressen. So als Frühaufsteher. 

 

Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?

 

Hundert Prozent.

Wenn ich dich kennenlernen will, muss ich also nur deine Bücher lesen?

Allerdings sind es Geschichten: über mich selbst, geklaut bei Bekannten, dem Leben und auch aus der Zeitung. Im Prinzip tunke ich die große Kelle einmal kräftig in Abrahams Wurstkessel und gieße die Suppe in die Seiten des Buchs.

Du erzeugst Bilder in meinem Kopf *lach* … 

 

Was ist dein Geheimrezept, um die Muse anzulocken und Schreibblockaden (große und kleine) zu überwinden?

 

Es ist die Bereitschaft zur Hingabe.

Tiefenentspannt, auch ohne Fee, diesmal mit der Muse 😉 Langsam färbst du ab *lach*

Sich fallen zu lassen. Ohne Angst und ohne Scham. Dann kommt alles wie in einem Rausch von selbst.

Ein Rausch erzeugt aus dir selbst heraus? Klingt spannend! Vielleicht sollte ich mir da ein paar Tipps von dir geben lassen …

 

Welchen Anteil hat das reine Schreiben im Autorenjob und was gehört noch dazu?
 

Bis das Buch fertig ist: 30% Schreiben und sich Dinge ausdenken. 40% verbessern. Dann 10% die Verschlimmbesserungen wieder löschen. Danach in den Sparring mit Barbara (meine Lektorin).

Du verstehst es wirklich, mir die wildesten Bilder in den Kopf zu pflanzen 😉 Wer da wohl die Runden für sich entscheidet …

Wenn es dann fertig ist geht aber das schönste am Job aber erst los.

Und der wäre? Der Quickie mit der Fee oder der Musenkuss liegt ja bereits hinter dir 😉

Du bist herrlich frech!  Dieser fantastische Austausch mit den Lesern. Das ist kein blödes Markus-Lanz (sich anbieder) -Geschwätz!

Das hätte mich jetzt aber auch wirklich enttäuscht 🙂 Also mit Markus Lanz hätte ich dich jetzt nicht ansatzweise verglichen 😉

Ja der sieht ja auch sooo gut aus. Fast wie Hansi Hinterseer. Da komm ich nicht ran.

*lach* Das liegt ja immer im Auge des Betrachters …

Dennoch: Was habe ich schon tolle Freundschaften geschlossen, die ohne das Schreiben nie entstanden wären. Und woran liegt das?

Na? Überrasch mich … 😉

Ganz einfach: wenn man ein ehrliches Buch schreibt, dann bekommst du auch aufrichtiges, nicht aufgesetztes Feedback von denen, die auch auf deiner Wellenlänge funken. Du wirst erkannt und zack ist man beieinander.

Keine Metapher? Kein Bild? *seufz* Dann weiter im Text …

Wieso? Mit uns läuft es doch auch recht gut. Wir sehen uns zum ersten Mal und sind ziemlich locker miteinander.

Du Charmeur … *rotwerd*

 

 

Was macht für dich ein gutes Buch aus?  

 

Oft fehlt mir bei Büchern etwas.

Hoffentlich nicht die Worte … Entschuldige, der war schlecht und deiner nicht würdig 😉

Der war trotzdem gut!

Eher Sparflamme, aber gut, es ist noch früh! Aber zurück zum Thema …

Entweder sind die Texte überpoetisiert, zu derb oder zu flach. Meist haben die Geschichten nur einen einzigen Tenor. Vielleicht mit leisen Zwischentönen. Das geht von Hesse bis Bukowski. Das ist aber nicht das wirkliche, wahre Leben, das mit vielen Stimmungen spricht.

Was dann? Was suchst du? Wie umgehst du das?

Mein Ziel ist es, den Erzähler so sichtbar zu machen, dass die Geschichte nach hinten tritt, dass der Leser oder die Leserin den Eindruck hat, es säße ein guter Freund bei einem Glas Wein in der Küche und man unterhalte sich über das Leben und die Liebe.

Also eine direkte Interaktion mit dem Leser, ein Dialog statt Monolog … Spannender Ansatz. Ich persönlich fühle mich auch eher zu Geschichten hingezogen, mit denen ich verschmelzen kann, in denen ich ein Teil werde, wenn auch nur passiv. Kannst du mir ein paar solcher Bücher nennen?

 

Hier eine kleine Aufzählung der Bücher, die mir etwas gegeben haben:

 

 

 

Welche Gefahren lauern im Alltag auf deine Manuskripte, was kann dich von deiner Geschichte trennen?

Keine. Wenn ich schreibe, dann schreibe ich.

Ach komm schon, wenn die Fee mit dem perfekten Autorentag um die Ecke biegt … 😉

 

Hierzu ein kleiner (fast) autobiographischer Text aus der grünen Fee, den ich recht passend finde:

 

„Wenn es keine Party gab, dann malte ich. Ich malte nächtelang unendlich viele Bilder. Ich malte, malte und malte. Mit Wasserfarben, mit Öl oder mit Kreide auf Leinwände, auf Zimmerwände oder auf DIN-A4-Seiten mit Bleistift. Ich war berauscht, exzessiv und wie von fremder Hand getrieben. Ich konnte Tage und Nächte ohne Schlaf einfach durchmalen, bis das Bild so war, wie es sein sollte. Manchmal schaute ich meine halb fertigen Werke stundenlang an, um Verbesserungen, die gemacht werden mussten, zu entdecken. Dabei betrank ich mich oder rauchte Joints, bis der lila Morgen an die Fenster klopfte. Es kam sogar vor, dass ich wegen meines Malzwangs nicht zur Arbeit ging – weil ich noch nicht fertig war oder weil ich schlicht nicht mehr konnte. Ich war schon immer von Hingabe an die Dinge, die ich mit Leidenschaft tat, beseelt.“

 

Und wenn du mal den Kopf freibekommen willst, womit beschäftigst du dich dann am Liebsten?

 

Musik und Küchenausdruckstanz.

Da erwarte ich gleich noch eine kleine Showeinlage 🙂 Den muss ich sehen 😉

Wenn Du DAS willst, musst du aber noch ein bisschen an deinem flehenden Katzenbettelblick arbeiten.

Das machen wir nachher unter vier Augen *Zwinker*

 

Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?

 

Im neuen Buch gibt’s ein paar echte Ärsche.

Hmmm, aber wie passt das zu der Aussage, das 100% von dir in den Büchern steckt??? Ich finde dich eigentlich ganz sympathisch *lach*

Die Leute in der Fee mochte ich alle. Obwohl es auch Leserstimmen gab, die gesagt haben, dass der Protagonist ein Arsch sei. Aber das Buch kippt zum Ende und der Erzähler „begreift“. Mehr wird aber nicht verraten.

Erst anlocken und dann ein großes Geheimnis drum machen … tztztz 🙂

 

Wie groß ist dein SUM (Stapel ungeschriebener Manuskripte) und wie gehst du mit ihm um?

Aktuell schreibe ich an Orpheus und Eurydike. Sehr traurig!

Dafür muss man auch die nötige Stimmung, das Gefühl haben. Zieht dich das dann nicht runter? 

Wenn ich da keine Lust drauf habe, mache ich an meinen Kurzgeschichten weiter. Das ist was völlig anderes.

Inwiefern? Erzähl mir mehr …

Da kann ich herrlich den schrägsten Dingen nachgehen: ein liebeskranker Angestellter, der sich verwählt. Ein eifersüchtiger Leichenbestatter auf einer Swingerparty, und ein Voyeur der bald nicht mehr spannen kann.

Skurril … aber irgendwie doch genial … Ich bin schon gespannt, was da am Ende zusammenkommt 😉

Böse Geschichten über Leidenschaften, die bitter bis tödlich enden. Eine habe ich auf Facebook veröffentlicht.

Man findet sie auch auf deiner Homepage. Einfach dort etwas runterscrollen zu „Sehr böse Liebe“.

 

Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?

Wenn ich bei einem Text oder einem Absatz in ein tiefes Loch gefallen bin, weil ich zu weit gereist bin und der Weg zurück ganz hart geworden ist.

Das hört sich beinahe an, als würde dir das öfter passieren …

Mmh … *räusper* …

Wie definierst du Erfolg?

Keine Amazon Rankings und keine monatliche Abrechnung.

Das bestätigt wieder das Künstlerbild, das ich bis jetzt von dir gewonnen habe. Aber wenn nicht das, was dann?

Einige Leserstimmen. Ganz klar. Also, da waren Sachen dabei, die sowas von runtergegangen sind. Wo ich Tage später noch drei Meter groß war. Dennoch: Stolz und Hochmut liegen dicht bei einander. Da sollte man vorsichtig sein.

 

Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?

 

In einem Autoreninterview? Schade. Aber ja.

*lach* Da fehlen mir die Worte 🙂 Bevor ich mir jetzt deinen Küchenausdruckstanz anschauen werde, möchte ich mich ganz herzlich für dieses wundervolle Gespräch bedanken. Es war unglaublich intensiv und irgendwie anders als erwartet. Obwohl ich nicht sicher bin, was ich genau erwartet habe. Ich würde mich riesig freuen, wenn wir uns in Frankfurt wiedersehen würden. Vielleicht schafft es deine Grüne Fee auf das Siegertreppchen. Viel Erfolg im weiteren Wettbewerb, lieber Salih Jamal.

Wir sehen uns in Frankfurt. Versprochen. Vielleicht auf dem Treppchen. Dann gibt’s auch den Ausdruckstanz. Auch versprochen.

Wir nehmen dich beim Wort!

 

Mehr über Salih Jamal und seine Werke erfahrt ihr:

auf seiner Autoren-Homepage  (dort findet ihr auch eine spannende Leseprobe zu seinem neusten Werk, das 2019 erscheinen wird)

und natürlich auf seiner Facebook-Fanpage.

 

Hinweis:

“Briefe an die grüne Fee, über die Langeweile, das Begehren, die Liebe und den Teufel” ist ein ungewöhnliches Buch, das in seiner Aufmachung ebenso wie mit seinem Thema ins Auge sticht. Wer schreibt denn heute noch einen Briefroman? Salih Jamal jedenfalls hat es geschafft, mit seinem etwa 250 Seiten starken über BoD im Juli 2017 herausgegebenen Buch das Interesse von Skoutz-Juror Oliver Kyr zu gewinnen und hat so aus knapp 200 Titel der Longlist Contemporary einen der begehrten Plätze auf die Midlist Contemporary geschafft und sich damit eine Chance auf den Skoutz 2018 gesichert.

 

Wenn ihr jetzt selbst die Briefe an die Grüne Fee entdecken und herausfinden wollt, warum der Autor all die Figuren aus dem Briefroman sympathisch findet, bekommt ihr ihn in jedem Buchshop oder direkt über diesen Affiliate-Link bei Amazon.

Natürlich freuen wir uns auch, wenn ihr das Buch in unserer Skoutz-Buchdatenbank bewertet. 5 Klicks für euch , aber eine Riesenempfehlung für uns und den Autor (weiter)

 

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