Interview Jona Dreyer

Zu Besuch bei Jona Dreyer

Heute sind der Skoutz-Kauz und ich  zu Besuch bei Jona Dreyer, die mit der von ihr zusammengestellten und herausgegebenen Anthologie „Im Licht eines Jahres“ auf queere Literatur aufmerksam machen will.

Damit ist sie unserem Anthologie-Juror Sascha Eichelberg aufgefallen, der sie prompt aus über 250 Vorschlägen der Longlist Anthologie  und die Midlist Anthologie 2021 und damit für den Skoutz-Award nominiert hat.

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Zu Besuch bei Jona Dreyer, die manchmal zu spontane Antworten gibt

Liebe Jona, ich freue mich sehr auf dieses Interview und bin immer noch happy, dass es geklappt hat. Deine Anthologie „Im Licht eines Jahres“ hat mir schon von der Zusammenstellung her so gut gefallen, dass ich wirklich gespannt auf den Menschen hinter diesem Werk bin.

Lass uns gleich mal anfangen.

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Welches ist die größte Herausforderung, der man sich als Autor stellen muss?

Die eigenen Schreibwünsche mit den Wünschen des Zielpublikums zusammenzubringen.

Das klingt spannend. Ich hatte schon Stimmen, die meinten, man dürfe gerade nicht auf das Publikum achten – Julia Dippel etwa – und auch solche wie XXX, die dazu raten, im Gegenteil die Leserschaft sehr genau zu analysieren. Wie siehst du das? 

Um erfolgreich zu sein, reicht es leider nicht aus, einfach gut zu schreiben – man muss auch das anbieten, was sich gerade viele Leute wünschen und das ist nicht immer das, was man auch gerade schreiben möchte. Das ist dann der Punkt, an dem man – wenn beides mal nicht so recht zusammenpassen will – zwischen Kommerzialität und Authentizität unterscheiden muss.

Und einen Mittelweg finden. Schließlich schreibt man ja auch, um seine Geschichte zu erzählen. Aber wenn wir schon beim lesefreundlichen Schreiben sind …

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Hast du Lieblingsworte in deinen Skripten, die vom Lektorat regelmäßig angestrichen werden?

Einzelne Worte nicht, aber ein paar bestimmte Konstellationen.

Wie das? 

Manchmal schreibe ich Sätze mit überflüssigen Einschüben wie: „Genau das hatte er, Peter, nicht bedacht.“ Der Peter wird mir dann natürlich angestrichen, weil jeder weiß, dass es Peter ist, um den es gerade geht.

Ah, ich verstehe. Mir zerhackt meine Lektorin gerne Schachtelsätze. Da streicht sie mir dann auch meine kunstvollen Einschübe und packt sie in den nächsten Satz. 

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Was ist deine präferierte Erzählform?

Der personale Erzähler im Präteritum.

Das ist auch meine Lieblingsform. Kannst du das begründen oder ist das eher ein Bauchgefühl?

Er ist nahe genug dran, schafft aber auch genügend Raum für sprachliche Varianz. Außerdem finde ich irgendwie, dass sich im Präsens geschriebene Texte mehr wie eine Situationsbeschreibung eines Reporters vor Ort lesen („Es kommt direkt auf uns zu!“) – irgendwie unangenehm.

Ich kann dann immer nicht glauben, was mir erzählt wird: „Ich renne um mein Leben!“ Da denke ich mir, lüg doch nicht, wir sitzen hier gemütlich auf der Couch.  Bist du dabei stringent oder gibt es auch Ausnahmen? 

Für humoristische Bücher bevorzuge ich allerdings den Ich-Erzähler und der darf dann auch im Präsens erzählen. Witzige, innere Monologe kommen so einfach viel besser rüber!

Ja, im Humor-Bereich habe ich schon auch mal 1. Person. Wobei ich auch da Präsens einzelnen Szenen vorbehalte.  Bleiben wir noch kurz beim Schreiben …

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Bist du im Team Adjektiv oder bevorzugst du eher einen „schnörkellosen“ Stil?

Team Adjektiv!

Hui! Das kam aber schnell! 

Natürlich sollte man nicht wahllos einen Sack davon über dem Text ausschütten, aber ich finde, diese vollkommen reduzierten Texte lesen sich leb- und leidenschaftslos.

Das kann ich bestätigen. Ich bin ja im Brotjob Anwalt und selbst da streue ich hin und wieder ein Adjektiv ein, um dieses Bürokratendeutsch weniger etwas lesbarer zu gestalten. 

Ich finde auch, Adjektive geben einem Text Dynamik und Authentizität. Denn in der Alltagssprache neigen wir ja auch dazu, relativ viele Adjektive zu benutzen. Was mehr nach uns selbst klingt, liest sich wiederum flüssiger, ohne dass es dafür komplett in die Umgangssprache abrutschen muss.

Schau an, das ist jetzt ein neues Argument „pro Adjektiv“ – die Alltagssprache. Stimmt, auch wenn mir das bisher noch gar nicht aufgefallen ist. 

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Hast du einen speziellen Trick, um aus deinen Figuren echte Persönlichkeiten zu machen?

Ich gebe ihnen Fehler.

Krumme Nasen 0der wie? 

Nein, ich lasse sie falsche Entscheidungen treffen, ohne sie dafür unterschwellig moralisch zu verurteilen. Ich lasse sie reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und vor allem: Ich lebe gedanklich mit ihnen während der gesamten Schreibzeit.

Ich bin ja auch eine, die ihre Figuren erst während des Schreibens immer besser kennenlernt, das verstehe ich, aber wie genau machst du das? 

Sie begleiten mich überallhin, ich überlege in nahezu jeder Lebenssituation, wie sie jetzt handeln und reagieren würden.

Das ist cool. Das muss ich auch mal ausprobieren. Nach den Tipps mal umgekehrt gefragt …

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Welchen Fehler darf man beim Schreiben keinesfalls machen?

Fehler sind dazu da, gemacht zu werden.

Das ist fraglos richtig und ich empfehle an dieser Stelle auch höchstens, deshalb von Wiederholungen abzusehen, damit neue Fehler auch eine Chance bekommen. Aber irgendwas, wovor man sich hüten muss? 

Ich würde nur aus Erfahrung davor warnen, zu versuchen, einen Text allzu glatt zu bügeln.

Da wären wir wieder bei den leidenschaftslosen Texten. 

Wenn wir hier schon so viel über das reden, was wir letztlich lesen wollen …

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Welches Buch liegt gerade auf deinem Nachttisch?

„Kingsbridge: Der Morgen einer neuen Zeit“ von Ken Follett. Hatte ich neulich schon als Hörbuch gehört und mich danach entschlossen, das ganze Buch auch zu lesen.

Das glaube ich gern. Ich bin jetzt eh nicht so die Hörbuch-Lauscherin, aber gerade diese detailreichen Historienbücher würde ich in auch in jedem Fall lieber lesen.

Lassen wir mal Bücher beiseite und werden ein bisschen persönlicher …

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Welche 3 Dinge sind dir aktuell am wichtigsten im Leben?

Meine Familie, zu der auch meine Freunde und meine Haustiere zählen, ganz viel Gesundheit und Freude an kleinen Dingen.

Letzteres ist so wichtig. Das würde ich als Antwort auf diese Frage gerne, viel öfter hören. 

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Wenn du wählen könntest, wärst du lieber extrem intelligent oder gut im Umgang mit Menschen?

Gut im Umgang mit Menschen, denn das ist so ein bisschen meine Schwachstelle. Ich bin eher „auf den Kopf zu“ und damit kommen viele nicht zurecht.

Ach, ich fühle mich gerade ganz wohl in dieser Runde. 

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Wofür würdest du mitten in der Nacht aufstehen?

Wenn ich zur Toilette muss

Wie bitte? Du flüsterst so …

Wenn jemand meine Hilfe braucht, dann bin ich zu jeder Uhrzeit da.

Das ist sehr löblich. Und es bringt mich auch gleich zur nächsten Frage, damit wir auch wissen, wozu du zu gebrauchen bist. 

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Was ist deine größte Stärke?

Ich habe durch mein Asperger-Syndrom eine ausgeprägte Beobachtungsgabe entwickelt und kann diese auch bei mir selbst anwenden.

Oh krass! Ich kenne das vom Sohn unseres besten Freundes. Der beobachtet absolut gnadenlos. Wie ist das dann bei der Selbstbetrachtung? 

Die Erkenntnisse sind nicht immer schön, aber hilfreich. Vor allem, wenn es darum geht, Romanfiguren zu entwickeln und ihr Verhalten in verschiedenen Situationen glaubhaft darzustellen.

Da bekommt die Technik, sie mit in den Supermarkt zu nehmen, gleich nochmal eine ganz andere Tiefe. Und sonst? 

Und ich kann mich in fast alles Musische (Instrumente spielen, malen, Grafik) ziemlich schnell autodidaktisch reinfinden.

Das finde ich beneidenswert. Gerade die Musik. Ich bin taktlos bis ins Mark, also wortwörtlich, und zwar so sehr, dass mein Gitarrelehrer irgendwann meinen Papa beiseite genommen hat und meinte, mein Talent und seine Nerven seien erschöpft, er würde sich lieber im guten trennen, bevor er mich in den Gitarrenkasten steckt. 🙂 

Wenn wir schon bei Kindheitserinnerungen sind … 

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Wenn dein fünf-jähriges Selbst plötzlich deinen jetzigen Körper bewohnen würde, was wäre das Erste, das dein fünf-jähriges Selbst tun würde?

Wahrscheinlich in den Spielzeugladen gehen und mein ganzes Geld für Barbie und Playmobil ausgeben. Genau das war nämlich immer mein Plan für „wenn ich mal erwachsen bin“.

Hahaha! Darf ich dann mitkommen? 

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Welcher fiktionale Charakter ist in Buch/Serie/Film unglaublich, wäre aber in banalen alltäglichen Situationen unerträglich?

Vermutlich alle Superhelden.

Nun, die meisten wurden tatsächlich schon genannt. Warum glaubst du das?

Die scheinen doch immer sehr von sich selbst eingenommen und müssen aus allem eine große Show machen.

Klappern gehört da halt zum Handwerk, oder? Stell dir vor, du rettest die Welt und keiner schaut hin!

Wie würdest du das denn machen – oder mit anderen Worten …

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Stell dir vor, du würdest einen Geheimbund gründen, wie würdest du ihn benennen und was wäre eure Mission?

Wer sagt, dass ich nicht schon längst einen Geheimbund gegründet habe und auf einer Mission unterwegs bin? 😉

Äh … hau raus … 

Ich kann natürlich nicht mehr darüber verraten – ist ja geheim.

Seufz! Ich habe es befürchtet. Ein paar Kollegen kann ich damit überrumpeln, aber Menschen mit ausgeprägter Beobachtungsgabe sind da natürlich ausgefuchster … Was immerhin eine geniale Überleitung zu meiner nächsten Frage ist. 

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Gibt es etwas, das du kannst, die meisten anderen Menschen aber nicht?

Alle möglichen Dialekte und Akzente nachmachen, mit den Ohren wackeln und 6 Liter am Tag trinken. Dinge, die die Welt nicht braucht!

Ah geh! Also bei den Litern kann ich mithalten, auch wenn meine Ohren statisch sind. Aber Dialekte nachmachen? Das ist doch total genial. Mal vom Beruf des Stimmenimitators abgesehen, ist das doch sicher auch hilfreich, wenn man eine Lesung hält. Rufus Beck wurde dafür gefeiert! Also ich lade dich hiermit höchst formlich zu einer Skoutz-Lesung ein. Mit oder ohne Akzente! 

Damit kommen wir nämlich – leider, leider – auch schon zu meiner letzten Frage … 

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Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!

Menschen sind furchtbar und ich warte auf das UFO, das mich abholt

Ich verstehe, dass du wieder flüsterst und bitte sag mir Bescheid, dass ich mitdarf, aber … offizieller? 

Das Universum hat einen Plan. Auch wenn vorübergehend alles hoffnungslos erscheint, geschieht alles zu einem Zweck und die Dinge fallen am Ende so, wie sie sein sollen.

Das wäre schön. Sehr schön. Glaubst du das? 

Ja. Man braucht nur Geduld. Manchmal viel davon. Sehr viel.

Liebe Jona, dann gedulden wir uns. Vielen Dank für dieses wunderbare Gespräch, dass mir außerordentlich viel Freude bereitet hat. Ich hoffe sehr, dass wir das bald fortsetzen können, und zwar gerne auch über eines deiner Bücher. Nach der Anthologie habe ich mir direkt einen richtigen Dreyer vorgenommen, der mir gut gefallen hat. 

Wenn du uns Skoutze auf unseren Social Media-Plätzen beehren würdest, wäre das toll. Speziell auch für solche Aktionen wie die Lesung mit Dialekten … (breites Grinsen) 

Dankeschön!

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Hier könnt ihr mehr über Jona Dreyer und ihre Arbeit erfahren:

 

Skoutz-Lesetipp:

Das Singen des Waldes - Jona DreyerDas Singen des Waldes – Fantastisches aus dem Nebeltal von Jona Dreyer

Fantasy»Ein Funken bleibt immer übrig: Die Hoffnung.«
Die Stadt Windberg ist in Aufruhr: Ein junger Angehöriger des Fuchsvolks soll entführt worden sein. Dessen Eltern beauftragen den Wolf Grimkjell, der bekannt ist für seine hervorragenden Fähigkeiten als Spurenleser, ihn wieder nach Hause zu holen.

Doch als Grimkjell den vermissten Stanislav schließlich findet, muss er feststellen, dass dieser freche Bursche ganz und gar nicht entführt wurde, sondern auf seiner eigenen Mission unterwegs ist. Und er hat nicht vor, so bald wieder nach Hause zurückzukehren. Ein Fang- und Versteckspiel beginnt, das die beiden tief in das sagenumwobene Nebeltal führt.
Dort ist der Himmel mittlerweile zwar sonniger als früher, jedoch häufen sich in letzter Zeit beunruhigende Vorfälle. Ein Feuerdämon soll die beschaulichen Dörfer angegriffen und in Schutt und Asche gelegt haben. Bald geraten Grimkjell und Stanislav ins Blickfeld dieser dunklen Macht und den beiden bleibt nichts anderes übrig, als sich gemeinsam ihren Ängsten und ihrer Vergangenheit zu stellen …

Das Singen des Waldes ist eine Geschichte für alle, die Romantik, Licht und Dunkelheit, den Wald und seine Tiere sowie je eine Prise Humor, Zucker und Magie mögen.

Skoutz meintDie Mischung aus Tier und Menschenkultur hat mir viel Spaß gemacht, denn sie ist bildhaft beschrieben und verstärkt subtil die Eigenheiten der Figuren, die bis in die Nebenrollen sehr stimmig und nachvollziehbar beschrieben sind. Herausgekommen ist eine Welt, in die ich gerne noch öfter reisen werde. Auch diese Geschichte aus dem Nebeltal ist wirklich gut ersonnen und mit schönen Wendungen gespickt, die Platz für so ziemlich alle Gefühle schaffen.  Ein Buch zum Abtauchen und Wegträumen mit einer Botschaft, die so zeitlos ist, dass sie auch immer wieder gelesen werden kann: Behaltet eure Hoffnung. (kn) 

[Werbung] Wenn ihr wie geplant neugierig geworden seid, könnt ihr die Leseprobe über unseren Affiliate-Link bei Amazon* anschauen oder – besser noch – das Buch gleich kaufen.

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Im Licht eines Jahres - Jona Dreyer BBMehr Info

Jona Dreyers wunderbar zusammengestellte Anthologie „Im Licht eines Jahres“ ist für die Midlist Anthologie des Skoutz-Awards nominiert und wurde in diesem Zusammenhang bereits von uns besprochen (weiterlesen).

Wir hoffen natürlich, dass auch dieses Interview von Jona Dreyer dazu bei trägt, dass dieses Buch im Wettbewerb weiterkommt und drücken fest die Daumen.

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Hinweis:
Wenn ihr die Frank Friedrichs Bücher schon kennt, würdet ihr uns, dem Autor und allen lektüresuchenden Lesern einen großen Gefallen, wenn ihr das Buch in der Skoutz-Buchdatenbank mit einer  Skoutz-Buchfieberkurve bewerten würdet. 5 Klicks statt 5 Sterne. Einfacher lässt sich eine Rezension nicht schreiben, bequemer kann man sein nächstes Buch-Date nicht finden. Und so helft ihr, dass unsere Buchfin

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