zu Besuch bei Jean Rises

Meinen heutigen Interviewpartner hat mir Martina wärmstens empfohlen (oder wie immer man ernste Warnungen nennen mag). Jean Rises gehört zu unseren Wiederholungstätern, die immer wieder auf den Skoutz-Listen erscheinen. Der Horror-Experte mit offen ausgelebten Katzen und Batman-Fimmel ist sicherlich einer der spannendsten Interviewpartner auf unserer Liste.

Mal sehen, was passiert, wenn der Skoutz-Kauz auf Katz und (Fleder)Maus trifft …

Zu Besuch bei Jean Rises, der gern den ersten Menschen treffen würde

Lieber Jean, vielen Dank, dass du dir wieder Zeit für uns genommen hast. Da ich annehme, dass das ein sehr, sehr spannendes Gespräch wird, schlage ich vor, dass wir gleich anfangen …

 

Wie würdest du dich in einem Wort beschreiben?

Verrückt!

Ja, das deckt sich mit Martinas Beschreibung, der du vom letzten Jahr in lebhafter Erinnerung geblieben bist (grins). 

 

Beruf oder Berufung – was macht dir an deinem Job als Autor am meisten Spaß?

Ich sehe es als Berufung da ich neben meinem Brotjob, wo ich täglich 10 Stunden verbringe, in meiner Freizeit und im Urlaub schreibe.

Das klingt nach Obsession, wenn man nach einem so knochenlangen Tag nochmal an den Schreibtisch zurückkehrt. 

Ich nutze es als kreativen Ausgleich zum tristen Büroalltag.

Das verstehe ich wiederum gut. Da geht es mir ähnlich. Ich brauche das geradezu, um nach einem langen Kanzleitag runterzukommen. Auch wenn es dann regelmäßig tiefnachts wird. Aber wenn du so wenig Zeit zum Schreiben hast, wie begann deine Karriere dann? 

Ich schreibe bereits seit meinem 14ten Lebensjahr. Habe und hatte also genügend angefangene oder fertige Geschichten. Andere führen ein Tagebuch, doch ich habe fiktive Horror Geschichten geschrieben. So hab ich immer wieder geschrieben, aber immer nur für mich oder für meine Freunde. Bis mich vor fast 3,5 Jahren meine Schwester ermutigt hatte, endlich etwas einzureichen.

Dann grüß doch bitte ganz herzlich deine Schwester! Das war eine sehr, sehr gute Idee von ihr.

Wann hast du dein erstes Buch veröffentlicht?

Mein Debüt „Endstation Hölle“ erschien Dezember 2018 bei Redrum Books.

Ah, beim lieben Michael Merhi, das ist natürlich schon eine Ehre für einen Horror-Debütanten. Und wie lange hast du gebraucht? 

Daran habe ich ca. ein halbes Jahr geschrieben neben dem Hauptberuf.

Ich verstehe … Neben dem Job ist das organisatorisch bestimmt anspruchsvoll.

 

Wie läuft ein typischer Tag als Autor bei dir ab?

Da ich allgemein ein sehr ordentlicher Mensch bin, gerne plane und plotte, habe ich feste Tage an denen ich schreibe.

Und wie läuft dann das eigentliche Schreiben bei einem ordentlichen Verrückten ab? 

Bevor ich anfange, mache ich mir bereits Notizen zum Handlungsort, den Charakteren, Namen und dem Titel des Buches. Dann wird grob geplottet und anschließend losgelegt.

 

Wie sehr beeinflusst Corona deinen Schreiballtag?

Ehrlicherweise hat sich bei mir nicht viel verändert im Berufsleben oder der Arbeit als Autor. Ich habe nach wie vor meine festen Arbeitszeiten und lege mir bestimmte Tage und Abende fest, an denen ich schreibe.

Ja, bei dieser Frage fallen die Antworten weit auseinander. Das hängt stark davon ab, was man für einen Beruf ausübt und ob man Kinder hat (und wie alt die ggf. sind). Hat sich bei dir wirklich gar nichts geändert? 

Leider konnte ich in meinen Urlaub nicht wie geplant nach Paris fahren. Einer der schönsten Städte, die es gibt.

Oh, das tut mir leid! Da würde ich auch gern mal wieder hinfahren. Hattest du was bestimmtes vor, in Paris?

Da ich schon länger plane, eine weitere Fremdsprache zu lernen, habe ich vor 4 Monaten angefangen, französisch zu lernen mit einer App. Seitdem nutze ich diese jeden Tag und lerne 15 bis 20 Minuten. Das macht mir sogar richtig Spaß.

Das ist ja lustig. Ich lerne so gerade Italienisch. Und ein bisschen Mandarin, das ist richtig lustig. Und sonst, so im Alltag?

Auch privat hat sich bei mir einiges geändert, da ich sonst gerne Essen oder ins Kino gehe.

Ja, das vermisse ich auch. Netflix ist kein Ersatz für ein echtes cineastisches Erlebnis. Bleiben wir beim Schreiben … 

 

Kreativ oder doch eher regeltreu? Wie flexibel bist du beim Schreiben?

Ich würde mich eher als kreativ bezeichnen. Da ich noch ein „junger“ Autor bin, lerne ich immer noch dazu.

Das trifft auf ältere Autoren genauso zu. Ich finde, das ist einer der schönsten Aspekte des Autorenjobs, er wird nie statisch.  Was genau steht bei dir aktuell auf dem Lehrplan?

Ich halte mich da an den Tipp von Stephen King: „Wer schreiben will muss viel lesen.“ Darum lese ich nun mehr als früher.

Das ist nie falsch, zumal du so ja auch Kollegen unterstützt. Man lernt nicht nur Technik, sondern betreibt auch Marktforschung. Und was machst du sonst noch? 

Die Arbeiten mit anderen Autoren, Testlesern, Lektorat und Korrektorat. Das nutze ich, um mein Handwerk weiter zu verbessern.

Und was hat dich geprägt?

Meistens kam der Wunsch nach mehr Gewalt und mehr Blut, haha.

Ups! Das hätte ich jetzt nicht bemängelt. Aber ich bin literarisch auch eher ein Weichei.

Da sind meine Leser sehr blutrünstig. So versuche ich, das Grauen so lebhaft und detailliert wie möglich auszuschmücken.

 

Welches war dein erstes selbstgelesenes Buch? 

Das war von Stephen King „Nachtschicht“, dieses habe ich bereits an die zehnmal gelesen und besitze es immer noch.

Ein ungewöhnliches „erstes“ Buch. Die meisten nennen da eher Kinderbücher. 🙂 Aber umso spannender. Warum hängt dein Herz daran? 

Es ist ein beeindruckendes Werk mit einigen seiner stärksten Kurzgeschichten.

Ich gebe zu, dass ich kaum Kurzgeschichten von King kenne, sollte ich vielleicht mal nachholen (Notiz zum SuB). Aber wenn wir schon bei Vorlieben sind …

 

Stell dir vor, du könntest eine beliebige Figur aus einem Buch zum Essen treffen. Was würde passieren?

Das ist schwierig zu sagen, da gibt es viele gute Figuren.

Wir stehen auf schwierige Fragen, aber ich gebe zu, ich habe mich da bei der Antwort auch quälen müssen. Also…? 

Spontan würde ich wohl Frodo von Herr der Ringe sagen und mit ihm über seine Abenteuer sprechen. Ich liebe die Filme, Hörbücher und Bücher.

Ja, Frodo hat da bestimmt viel zu erzählen. Wäre vermutlich auch spannend, die Geschichte aus seiner Perspektive zu hören, Tolkien schreibt ja extrem auktorial, da würde das ein völlig anderes Buch werden, nehme ich an.

Bleiben wir bei schwierigen Fragen … 

 

Auf welche Frage hattest du in letzter Zeit keine Antwort und hast du sie finden können?

Eine Frage die ich mir oft selber Stelle und manchmal keine Antwort habe: Bin ich glücklich?

Hui! Das, denke ich, ist auch eine Frage der Definition. Und die dürfte sehr persönlich ausfallen.

Genau. Was bedeutet Glück? Gibt es das vollkommene Glück? Weiß man es zu schätzen, wenn man in allen Lebenslagen glücklich ist?

Ja, das meinte ich. Wir neigen dazu, alltäglich mit selbstverständlich zu verwechseln und darin liegt die große Tragik unserer Spezies, die natürlich auch „Glück“ erfasst. Sieht man ja an Corona sehr deutlich, wie zerbrechlich das alles ist. Aber die Frage war ja nicht, was ist Glück, sondern bist du glücklich? Und wie tastest du dich da an die Antwort heran

Ich denke Glück ist ein zerbrechliches Gut, das oft von anderen Menschen beeinflusst wird. Positiv wie negativ. So denke ich, dass ich im großen und ganzen glücklich bin. Ich habe eine tolle Familie, eine glückliche Beziehung, wenige sehr gute Freunde und konnte meinen Traum des Autorendaseins erfüllen.

Das haben wir doch jetzt schön herausgearbeitet! Lass mich dazu glückwünschen und unsere Gläser erheben! 

Und jetzt widmen wir uns mal ein bisschen deinem Alltag … 

 

Wie oft schaust du täglich auf dein Handy?

Sehr, sehr oft. Ich nutze es für Social Media, Beruflich, für Notizen meiner neuesten Geschichten, zur Recherche und für meinen Horrorblog „Horror Fanatic“.

Horror-Blog? Das klingt spannend, erzähl mal!

Den Blog führe ich zusammen mit drei ebenso begeisterten und verrückten Kollegen. Dem Autoren Baukowski, der ein gute Freund geworden ist und einer meiner engsten Vertrauten. Den Autor Shane Mulligan, der ebenso talentiert wie sarkastisch ist, und Rafael Jehl, der große Knuddelbär, der gerne andere schockt. Zusammen haben wir den verrücktesten Chat und lieben es uns gegenseitig durch den Kakao zu ziehen.

Das klingt sehr, sehr geil. Muss ich mir in Ruhe anschauen!

Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?

Eine Flasche Mineralwasser. Vor allem im Sommer.

Das ist sehr bescheiden. Aber völlig berechtigt. Vor allem im Sommer. 🙂

 

Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?

Für meine Familie, meine Beziehung und meine Katze Amelie bin ich am dankbarsten.

Amelie musst du uns unbedingt mal vorstellen!

Sie ist mein Seelentier und sehr anhänglich. Meistens schläft sie bei mir im Bett auf ihrem Kopfkissen neben mir oder liegt direkt an mich gekuschelt. Sie ist fast immer dabei, wenn ich Filme schaue, lese und sogar beim schreiben. Wobei sie oft auf dem Laptop liegt oder auf meinen Händen. Schreiben mit Handicat(p) haha

Ja, da sind dann alle guten Vorgänge für die Katz.

 

Zeitreisen – ein spannendes Mysterium. Bei welchem historischen Ereignis wärst du gern dabei gewesen?

Eine sehr schwierige Frage. Ich denke, ich wäre gerne ganz am Anfang der Menschheit dabei gewesen. Wer und wie waren die ersten Menschen? Gab es Adam und Eva? Stammen wir vom Affen ab?

Das ist vermutlich auch eine schwierige Antwort. Ich glaube nicht, dass es den Punkt gibt, an dem man sagen kann: „Peng! Ecce, homo!“. Man sagt ja, der erste Mensch war noch nicht der letzte Affe. Da müssten wir vermutlich definieren, was Mensch-sein bedeutet. Was uns möglicherweise in eine rückläufige Entwicklung bringt? Spannendes Thema, dass wir aber vertagen sollten.

Lass mich was kürzeres fragen …

 

Über welches Thema könntest du eine 30-minütige Präsentation halten, ohne jede Vorbereitung?

Ganz klar über Horrorfilme. Da könnte ich den ganzen Tag darüber reden. Ich bin leidenschaftlicher Sammler und habe ungefähr dreitausend Original-Filme in meiner Sammlung. VHS, DVD und Blu Ray.

Oh wow! Ich kann schon gar nicht glauben, dass es dreitausend Horror-Filme gibt. Krass. Den Vortrag würde ich gerne hören! 

 

Was würdest du rückwirkend ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?

Ich würde meinem jüngeren Ich Mut machen, bereits früher eine Geschichte einzureichen.

Das würde toll gewesen sein, denn dann hätten wir mehr von dir zu lesen! 🙂

Aber genug Vergangenheit, lass uns doch mal nach vorne schauen …

 

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Ich wünsche uns allen viel Kraft und Gesundheit in dieser verrückten Zeit. Dass meine Familie und andere unbeschadet durch diese Pandemie kommen und ich noch viele weitere Bücher schreiben darf.

Das sind schöne Worte, denen ich mich gerne anschließe! Lieber Jean, das war ein tolles Interview mit sehr unerwarteten Wendungen. Ich hoffe, du hattest soviel Spaß wie ich und wir sprechen uns bald mal wieder – vielleicht ja bei der Übergabe des Horror-Skoutz! 

 

Dankeschön!

 

Hier könnt ihr Jean Rieses erreichen: 

 

Skoutz-Lesetipp: 

Snuff.net – kluger Doku-Horror von Jean Rises und Elli Wintersun

Snuff.net - Jean RisesDie Zwillinge Nancy und Damian Kane verspüren eine unstillbare Mordlust, die sie quer durch Amerika führt. Ihr Wahnsinn hat Methode – bis sich der FBI-Profiler Dr. Mark Logan an ihre Fersen heftet …

Inspiriert durch reale Ereignisse und Serienmorde, auf Spurensuche im Darknet – NICHTS IST HÄRTER ALS DIE REALITÄT!

Skoutz meint: Ich arbeite beruflich immer wieder mal mit dem Darknet – oder präziser mit den dortigen Inhalten.  Daher war ich gespannt, wie das hier umgesetzt wird. Und was soll ich sagen? Hart, drastisch, plastisch … aber eben nicht unwahrscheinlich, was auch bei hartgesottenen Horror-Freaks ein klumpiges Gefühl im Magen zurücklassen dürfte. Die Vermischung der fiktiven Story mit realen Ereignissen und guter Recherche funktioniert seit Bram Stoker und auch heute noch. Die Geschichte zeigt anschaulich, dass nichts, was gedacht werden kann, nicht auch einen irren Täter findet. Wenn das auch noch handwerklich gut gemacht ist, wird das Grauen zum Vergnügen. 

Wenn euch das Buch neugierig gemacht hat, könnt ihr es hier über unseren Affiliate-Link bei Amazon probelesen und auch kaufen.

Hinweis:

Tales from the deadWoran liegt es, dass speziell Horror seit jeher so eine Freude an Kurzgeschichten hat? Das beginnt ja schon mit dem Großmeister Edgar Allan Poe und hat nie geendet. Weil das Grauen in kleinen Dosen erträglicher aber auch stimulierender ist?

Horror-Spezialistin Mari März  hat für ihre Midlist Horror 2020 Tales from the Dead entdeckt, eine liebevoll zusammengestellte Sammlung von Kurzgeschichten aus Nostalgie-Horror großartiger Autoren, die Jean Rises mit Savage Types im November 2019 herausgegeben hat.

Wir haben das Buch bereits gelesen und hier ausführlich vorgestellt.

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