Zu Besuch bei Sascha Dinse

Heute verschlägt es den Skoutz-Kauz und mich nach Berlin, um dort den Horror- und SF-Autor Sascha Dinse zu treffen. Ich freue mich immer, wenn wir durch den Skoutz-Award neue, spannende Autoren kennenlernen. Menschen, denen Geschichten ein solches Bedürfnis sind, dass sie, wenn man sie nach ihrer Vita frägt, automatisch anfangen, von ihren Geschichten zu erzählen.

Sascha ist so einer und darum wird das sicher spannend …

Zu Besuch bei Sascha Dinse, der Ostereier und doppelte Böden liebt

Lieber Sascha, danke, dass wir dich besuchen dürfen. Ich bin immer ein wenig aufgeregt, wenn ich bei einem Horror-Experten zu Besuch bin. Das ist das mir am Wenigsten vertraute Genre, weil ich viel zu leicht zu beeindrucken bin. Umso erstaunter bin ich dann immer, wie friedlich und freundlich die meisten Horror-Autoren dann sind. Ich hoffe, das ist bei dir genauso. Ist es doch … Oder?

 

Autorenfoto - Sascha Dinse

Wie würdest du dich in einem Wort beschreiben?

schwarz

Das lässt jetzt viel Raum für Interpretationen. Nachdem die Hautfarbe ausscheidet, was bleibt? Der Humor, die Arbeit, die Weltsicht, die politische Richtung, die persönliche Lieblingsfarbe … 

Mal sehen, ob wir das herausfinden. 

 

Beruf oder Berufung – Was bedeutet für dich Autor sein?

Derzeit definitiv Berufung, da mein Brotjob gefühlt 99% meiner Zeit verschlingt.

Willkommen im Club! Das geht so vielen tollen Kollegen so. Aber wenn du dich dann in den raren Momenten der Berufung hingibst, was macht dir da am meisten Spaß?

Ich mag es, Geschichten zu erzählen, Handlungsstränge zu erdenken, Twists einzubauen, bizarre Situation zu schildern, halt all das, was mich persönlich umtreibt, irgendwie in Worte zu bannen.

Mir ist beim Lesen aufgefallen, dass du sehr viele Details reinpackst, die man leicht überliest, die aber nachwirken. Fallstricke, Selbstauslöser mit schleichendem Gift, doppelte Böden … Das weckt das Trüffelschwein in mir. 

Am meisten Spaß macht es mir tatsächlich, in meinen Geschichten viele Kleinigkeiten einzubauen, die z.B. erst beim zweiten Lesen ihre volle Wirkung entfalten. Gleichzeitig spicke ich viele Geschichten mit kleinen Eastereggs, Anspielungen auf Filme, Games, Serien etc., die nur die echten Geeks und Nerds finden werden 😛

(Lach!) Da hätte ich jetzt gern die Auflösung, ob ich alle (wahrscheinlich nicht) oder doch wenigstens die meisten entdeckt habe. 

 

 

Wann hast du dein erstes Buch veröffentlicht?

Meine erste komplett eigene Veröffentlichung, die Geschichtensammlung „Aus finstrem Traum“, erschien Ende 2018 im p.machinery-Verlag.

Wie lange hast du an diesem Buch gearbeitet? Also, soweit man das bei einer Anthologie, die sich ja aus vielen kleinen Geschichten zusammensetzt, sagen kann?

Insgesamt sind dort Geschichten vertreten, die über ca. fünf Jahre verteilt entstanden sind. Es war dabei auch gar nicht die Absicht, diese irgendwann mal gesammelt zu veröffentlichen, das ergab sich dann mehr oder minder zufällig. Zuvor war ich in diversen Anthologien mit Kurzgeschichten vertreten, u.a. im „Zwielicht“.

Ja, da bist du mir das erste Mal aufgefallen. Bleiben wir noch ein bisschen beim Schreiben

 

Wie läuft ein typischer Tag als Autor bei dir ab?

Es gibt für mich keinen typischen Autorentag. Das wird sich wohl auch solange nicht ändern, wie ich das nicht hauptberuflich mache.

Nachvollziehbar, aber wie läuft es für dich bis dahin? 

Derzeit ist es immer ein Suchen nach zeitlichen Lücken, um schreiben zu können. Daher ist mein Output auch nicht sonderlich hoch – mir fehlt einfach ganz schlicht die Zeit bzw. nach einem anstrengenden Tag die geistige Kapazität, irgendwas Brauchbares zu Papier zu bringen.

Und wenn du nun der Autor sein könntest, der du sein willst?

Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich meine Tage in mehrere Schreib- bzw. Plotphasen unterteilen und mich voll und ganz darauf konzentrieren, einen Roman nach dem anderen zu produzieren. Noch ist das aber Wunschdenken.

Die meisten coolen Sachen beginnen mit dem Wunsch, oder?  Aber wenn wir schon die Gegenwart betrachten …

 

Wie sehr beeinflusst Corona deinen Schreiballtag?

Im Grunde hat sich bei mir genau eine Sache geändert: Ich habe jetzt noch weniger Zeit zum Schreiben als zuvor, da quasi sämtliche meiner Kunden plötzlich Online-Seminare etc. machen möchten und ich daher fast in Arbeit ersticke.

Es ist faszinierend, dass Corona da so polarisiert. Bei denen einen ist mehr oder minder alles eingebrochen und bei den anderen, bei dir oder auch bei mir, förmlich explodiert. Ich weiß nicht, was ich persönlich davon halte. Wobei sich in meinen Abläufen schon einiges getan hat, allein durch den Wegfall von Geschäftsreisen. Wie ist das bei dir?

Mein normaler Tagesablauf hat sich nur insofern geändert, dass ich nicht mehr alle zwei Tage, sondern in geringerer Frequenz einkaufen gehe ^^

 

Kreativ oder doch eher regeltreu? Wie flexibel bist du beim Schreiben?

Ich bin schon der kreative Typ, denke ich.

Inwiefern?

Regeln sind für mich eher Empfehlungen ^^

So, so ….

Natürlich halte ich mich an bestimmte formale Vorgaben und sowas, aber die Art, die ich z.B. meine Geschichten strukturiere, ist schon recht speziell. Das führt bei meinen Lesern häufiger auch zu WTF?-Momenten, da meine Erzählweise nicht immer chronologisch und meine Plotelemente nicht immer direkt greifbar sind. Ich setze also bei meinem Publikum auch eine gewisse Kreativität bei der Interpretation voraus 🙂

Das kann ich bestätigen, inkl. dem WTF-Moment. 🙂 Allerdings macht es Spaß, sich darauf einzulassen. Wenn wir schon beim Lesen sind, wie ist das bei dir?

 

Welches war dein erstes selbstgelesenes Buch? Und hast du es heute noch?

Ich muss gestehen, dass ich mich daran nicht mehr erinnern kann.

Irgendwelche Verdächtige?

Möglicherweise war es irgendwas von Karl May (die Chancen stehen gut, dass es „Der Schatz im Silbersee“ war), ich kann es aber beim besten Willen nicht sagen. Falls das Buch noch existiert, liegt es sicher irgendwo bei meinen Eltern rum ^^

Ah, du bist auch so einer, der nie richtig von Daheim ausgezogen ist? Bleiben wir bei Buchhelden … 

 

Stell dir vor, du könntest eine beliebige Figur aus einem Buch zum Essen treffen. Was würde passieren?

Schwierige Frage.

Danke! Wir bemühen uns redlich. 

Vielleicht Thad Beaumont aus „Stark – The Dark Half“? Oder doch Antoine aus „Der Ekel“? Bei Ersterem wäre es natürlich das Interesse, mit einem Autor zu sprechen, dessen Alter Ego ein gewisses Eigenleben entwickelt, bei Zweiterem ginge es natürlich um existenzialistischen Gedankenaustausch. Sartre ist ein wesentlicher Einfluss in sehr vielen meiner Geschichten.

Ich notiere das für die nächste Easteregg-Suche im Dinse-Werk. 

 

 

Auf welche Frage hattest du in letzter Zeit keine Antwort und hast du sie finden können?

Ich stelle mir tagtäglich die Frage, was ich mit meinem Leben anstellen soll.

Eine gute Frage! Vor allem, wenn du darauf eine Antwort weißt. Und? 

Eine Antwort ist bisher leider ausgeblieben. Vielleicht ist das das Problem, das entsteht, wenn man sich zu sehr mit „Wirklichkeit“ und anderen gesellschaftlichen Konstrukten, sowie der Sinnlosigkeit der Lebens an sich beschäftigt?

Die Sinnlosigkeit des Lebens ist sicherlich eine gesonderte Betrachtung wert. Unter Berücksichtigung der Lehren Satres. Vielleicht auch noch eine Prise Hegel. Das machen wir aber mal in Ruhe und gesondert. Bleiben wir bei ganz banalen Alltagsdingen. 

 

Wie oft schaust du täglich auf dein Handy?

Sehr oft. Ich hab es nicht gezählt, aber ich schätze, ich liege in dem Bereich, den Studien dazu mal gemessen haben: irgendwo zwischen 80 und 100 Mal täglich.

Du willst damit sagen, du seist ein Durchschnitts-Handy-User? 🙂 

 

Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?

Gute Frage. Ich kaufe normalerweise fast immer nur direkt für den Tag ein, sodass ich kaum etwas wirklich immer vorrätig habe.

Das ist sehr löblich, zumal es meiner Ernährungsphilosophie entspricht. 🙂 Aber irgendwas für Notfälle? Wenn man mal nicht zum Einkaufen kommt?

Um das Schriftstellerklischee zu bemühen: eine gute Flasche Gin natürlich. Ich bin in der Tat großer Fan dieses Getränks ^^

 

Da würde ich mir auch Sorgen machen, wenn du das täglich nachkaufen würdest. 

 

Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?

Das ist einfach: Ich bin dankbar für den familiären Rückhalt (und für meine Familie an sich), dessen ich mir immer sicher sein kann. Daneben bin ich dankbar für Freunde, die immer zu mir halten und für ein bisschen Talent für’s Schreiben.

Für letzteres sind wir auch dankbar! Das beschert uns – ganz uneigennützig – schöne Geschichten. Aber von der persönlichen Rückschau zur großen …

 

Zeitreisen – ein spannendes Mysterium. Bei welchem historischen Ereignis wärst du gern dabei gewesen und warum?

Die Vergangenheit fasziniert mich weniger als die Zukunft. Ich wäre also gern beim ersten Kontakt mit einer außerirdischen Spezies zugegen, selbst auf die Gefahr hin, dass dies das Ende der Menschheit bedeuten könnte ^^

Curiosity killed the cat … jajaja… so entstehen die besten Geschichten. Aber da wir eh noch auf die Zukunft zu sprechen kommen, gibts gar nix Historisches, das dich reizt?

Historisch gesehen fände ich das antike Griechenland am spannendsten, wie man anhand der vielen Anspielungen auf die griechische Mythologie in meinen Geschichten vielleicht erkennt, eine Person wie Aristoteles hätte ich schon gern kennengelernt. Die Schlacht an den Thermopylen würde ich mir auch ansehen (aus sicherer Entfernung allerdings), um mal zu vergleichen, wie weit unsere heutigen Darstellungen von dem abweichen, was wirklich geschah.

Wanderer, kommst du nach Sparta … da kannst du dann auch noch vorbeischauen. Ist ja von Athen aus nicht mehr so wahnsinnig weit.

Über welches Thema könntest du eine 30-minütige Präsentation halten, ohne jede Vorbereitung?

Ohne Zweifel über diverse soziologische Themen wie konstruierte Gesellschafts- und Geschlechternormen etc., immerhin bin ich Soziologe ^^

Das finde ich tatsächlich sehr spannend. Gerade mit Blick auf diese hochkontroverse Geschlechterdebatte, wo meiner unmaßgeblichen Meinung nach beide Seiten übers Ziel hinausschießen. 

Aber statt Menschen zu langweilen könnte ich auch über Social Media und diverse Kommunikationsthemen, Medienkompetenz etc. vom Leder ziehen.

Und das wäre weniger langweilig? Komm, du schaust aus, als könntest du noch eins drauflegen … 

Spannender noch wäre aber sicher, über Filme, Serien, Computerspiele und ihren Einfluss aus mein künstlerisches Schaffen zu reden. Das könnte ich aus dem Stegreif und bei Bedarf stundenlang.

So wie jetzt gerade! Da bin ich gern dabei! 

 

Was würdest du rückwirkend ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?

Ich hätte früher angefangen, halbwegs professionell zu schreiben, ganz klar. Doch hinterher ist man immer schlauer, nicht wahr?

Ja, Erfahrung ist das, was man 5 Minuten, nachdem man es gebraucht hätte, hat. Und sonst? 

Daneben gibt es diverse private Dinge, die ich anders machen würde, aber die gehören hier eher nicht hin.

Sorry, wollte nicht indiskret sein. Genug der Vergangenheit, ich hab dir den Blick nach vorn versprochen. 

 

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Künstlerisch wünsche ich mir allzeit Inspiration für mein kreatives Schaffen und genügend Zeit dafür. Idealerweise natürlich auch, davon irgendwann leben zu können. Langweilig, nicht wahr?

Nicht im Geringsten. Es kommt auf die Details an und da habe ich bei Dir keine Bedenken. 

Und ich könnte absolut damit leben, wenn die aufregenden Dinge eher in meinen Geschichten passieren 😛

Ich auch, denn da haben wir alle was davon! 

Lieber Sascha, vielen Dank für das wendungsreiche Gespräch. Hoffentlich setzen wir das gelegentlich mal wieder fort. Schön wäre es natürlich, wenn das anlässlich der Übergabe des Horror-Skoutz klappen könnte. 

Dankeschön!

Hier könnt ihr Sascha Dinse erreichen: 

Diese Liste ist wirklich beeindruckend:

 

Skoutz-Lesetipp

Aus finstrem Traum – hintersinnige Horror-Anthologie von Sascha Dinse

In »Aus finstrem Traum« beleuchtet Sascha Dinse in zehn Geschichten verschiedene Facetten des Unheimlichen, Bizarren und Fantastischen. Seine Figuren müssen sich darin dem schleichenden Schrecken stellen, der hinter der brüchigen Fassade des Alltäglichen lauert und sie mehr als einmal an den Rand des Wahnsinns bringt. Ausflüge in eine düstere Zukunft gehören dabei ebenso zum Repertoire wie Rückblicke in vergangene Zeiten. Sei es die neue Nachbarin, die neben ihrem Geigenkoffer auch ein dunkles Geheimnis mit sich bringt, oder die mysteriöse U-Bahn-Bekanntschaft, die etwas sehr Ungewöhnliches in ihrer Handtasche herumträgt. Seien es Geister der Vergangenheit oder der radikale Traum eines Künstlers, das ultimative Werk zu erschaffen – allen Geschichten gemein ist eine philosophische und persönliche Note. Doppelte Böden, unerwartete Wendungen und Ereignisse, die ein ums andere Mal die Grenzen des Vorstellbaren ausreizen, kennzeichnen die Geschichten in dieser Sammlung.

Skoutz meint: Sascha Dinse ist einer der Autoren, die förmlich danach verlangen, dass man ihre Bücher zweimal liest. Anders ist die Vielzahl der kleinen Details, der Anspielungen und Referenzen fast nicht zu bewältigen. Was natürlich auch daran liegt, dass die Geschichten selbst so spannend und noch dazu gut erzählt sind, dass man schnell weiterlesen will, um zu sehen, was als nächstes passiert. Das nämlich ist nur selten das, was auch ein routinierter Leser erwartet hätte. Mir bleibt nur, zu rätseln, ob der träumende Künstler autobiografische Züge trägt. 

 

Wenn ihr neugierig geworden seid, könnt ihr das Buch über unseren Affiliate-Link bei Amazon* probelesen und natürlich auch kaufen.

Hinweis:

Horror-Spezialistin Mari März, hat sich unerschrocken den gut 2o0 Vorschlägen der Longlist Horror gestellt und aus den dunkelsten Ecken des Buchregals die 10 schrecklichsten, abgründigsten, furchterregendsten, düstersten und grausamsten Geschichten des letzten Jahres für den Horror -Skoutz herausgeholt, um sie in die Midlist Horror 2020 zu packen.

Eines davon ist Krasse Kurze, eine Sammlung bizarrer Kurzgeschichten von Sascha Dinse, der mit seinem im Februar 2019 selbst verlegten Buch ein Talent für außergewöhnliche Geschichten und große Erzählkunst beweist.

Wir haben uns das Buch natürlich längst genauer angesehen und ausführlich besprochen (weiterlesen)

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