Contemporary Shortlist 2016: Das Ende der Einsamkeit von Benedict Wells

Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells (SLCo16)

 

Award Shortlist Silber Icon Contemporary IconSpeziell die Contemporary-Liste, in der ja neben den „zeitgenössischen Titeln“ auch all die besonderen Bücher versammelt sind, die in keine der klassischen Kategorien passen, war besonders bunt sortiert und so waren wir in der Skoutz-Redaktion vom ersten Tag der Vorschlagsphase für die Longlist an sehr gespannt, wer hier wohl am Ende den Preis ergattern wird. Seither ist viel Zeit vergangen. Inzwischen ist auch die Wahl zur Shortlist des Skoutz-Awards ist Geschichte und damit steht auch fest, welche 3 Bücher es ins Finale um den Contemporary-Skoutz 2016 geschafft haben, weil es ihnen gelungen ist, die Herzen der Leser und der Jury gleichermaßen zu begeistern.

Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells ist eines davon.

Benedict-Wells-c-Bogenberger_autorenfotosBei diesem Buch handelt sich um einen 368 Seiten starken, im Februar 2016 vom Diogenes Verlag veröffentlichten Schicksalsroman über das Überwinden von Verlust und Einsamkeit und über die Frage, was in einem Menschen unveränderlich ist, den wir euch schon zur Midlist ausführlich vorgestellt haben (weiterlesen).

Damit ihr auch wisst, wer der geistige Vater dieses starken Buches ist, war unsere Chefredakteurin Kay Noa bei Benedict zu Besuch und hat sich mit ihm bei einem ihrer Interviews über den Unterschied zwischen autobiografisch und persönlich und den besonderen Spaß am Schreiben unterhalten. (weiterlesen).

Doch jetzt zum Finale haben wir uns das Buch noch einmal aus dem Regal geholt und unseren Skoutz-Juror Jannis Plastargias gebeten, uns als Herr der Contemporary-Liste etwas mehr über dieses Buch zu erzählen. Und zu unserem größten Erstaunen verfiel Jannis sofort in einen gerade noch nicht kreischigen Fanboy-Modus. Doch lest selbst:

 

Cover Einsamkeit - WellsSkoutz-Juror Jannis Plastargias bespricht: Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells

Sobald ein/e deutsche/r Autor/in in den Himmel gehoben wird, schaue ich mir das eher skeptisch an – und ehrlich gesagt erwarte ich von dieser Person auch kein Werk, was mich unterhalten wird. Bei Benedict Wells ist dies nun ganz anders. Wenn ich jemals Fan eines deutschen Autor werden sollte, dann wird meine Wahl diesen noch immer jungen Herren treffen. Jung? Der Roman „Vom Ende der Einsamkeit“ ist nach „Becks letzter Sommer“, der als Verfilmung in 2015 in den Kinos lief, nach „Spinner“ und „Fast genial“ der vierte, den er vorlegt. Und erneut ist das Werk ein Bestseller, erneut erhält es viel Anerkennung und sogar einen Preis –  den Literaturpreis der Europäischen Union.

Wie ich auf das Buch aufmerksam wurde:

Als Moderator der Veranstaltung „Theke. Texte. Temperamente.“ (unterhaltende Literaturkritik an eher literaturfernen Orten) hatte ich etwas Angst, als ich für die Veranstaltung im April 2016 den Titel von Benedict Wells vorgeschlagen hatte. Würden meine Mitstreiter/innen – die Lektorin Andrea Baron, der Poetry Slammer Raban Lebemann alias Clemens Naumann und der Lyriker Martin Piekar – mir diesen Roman übel nehmen? Die Angst war unbegründet, einzig Martin, der stets einen anderen Lesegeschmack als wir anderen hat, fand das Buch kitschig, wir anderen konnten diese Kritik so gar nicht nachvollziehen und waren von der ersten Seite an begeistert.

Wie empfand ich Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells

Benedict Wells erzählt hier die Geschichte von Jules und seinen beiden Geschwistern, die zunächst behütet aufwachsen – bis ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben kommen. Natürlich wurden dadurch auch die Kinder aus der Bahn geworfen, sie mussten alle in ein Internat und kamen damit mehr oder weniger zurecht. Als Erwachsene glauben sie tatsächlich, dass sie diesen Schicksalsschlag überwunden haben, doch dann holt sie die Vergangenheit ein. Der Autor begleitet Jules, die Hauptfigur, bei seiner über mehrere Jahrzehnte fortdauernde Selbstfindung, er beschreibt das Überwinden von Verlust und Einsamkeit und stellt die Frage, was in einem Menschen unveränderlich sei. Aber was dieser Roman am allermeisten ist und da lässt er sich durchaus mit dem wunderbaren Klassiker „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ von Gabriel García Márquez vergleichen, was zunächst einmal zu hoch gegriffen scheint …

Doch was die beiden Autoren meines Erachtens eint, ist einerseits ihre erzählerische Sorgfalt, andererseits die Fähigkeit, eine große Liebe zu beschreiben, ohne jemals pathetisch oder kitschig zu klingen. Klar, es ist ein schmaler Grat und es wird sicherlich einige Menschen geben, die sagen werden, dass sie die beiden Autoren kitschig finden, doch ich halte dagegen. Benedict Wells wäre vielleicht der Vergleich mit John Irving, der ebenfalls hoch gegriffen erscheint, lieber – ist es doch sein Schriftsteller.

Was ist das Besondere an Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells

Benedict Wells hat ein Talent, mehrdimensionale, spannende Figuren auszuwählen und sie in all ihren Facetten zu beschreiben, ohne sie jedoch jemals zu enttarnen. Leser/innen sind immer gefordert, sich mit auf die Reise zu begeben, Vermutungen anzustellen und über das Gelesene nachzudenken. Reden wir über Jules, der ein Künstler ist, aber sich lange nicht traut, diesen Weg zu gehen. Oder reden wir vom erfolgreichen Marty, seinem doch unähnlichen Bruder, der seine Zwangserkrankung gut verbergen kann. Oder auch über die ältere Schwester Liz mit ihrem Drogen- und Männerkonsum. Doch am allerspannendsten ist natürlich seine große Liebe Alva, die er stets verklärt und die das Hauptthema in seiner Welt der Erinnerungen ist, in der Jules hauptsächlich lebt.

Benedict Wells ist mit „Vom Ende der Einsamkeit“ ein großer Wurf gelungen: ein sehr gut konstruierter, tiefgründiger Roman, der von der ersten bis zur letzten Seite zu unterhalten weiß, einen manchmal zum Schmunzeln, aber manchmal auch zum Weinen bringen kann. Eine absolute Empfehlung, wenn man einen großen deutschen Gegenwartsroman lesen möchte.

 

Das Buch könnt ihr hier bei Amazon erwerben.

 

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