Contemporary Shortlist 2016: Two Boys kissing von David Levithan

Two Boys Kissing von David Levithan (SLCo16)

 

Contemporary IconAward Shortlist Silber IconSpeziell die Contemporary-Liste, in der neben den „zeitgenössischen Titeln“ auch all die besonderen Bücher versammelt sind, die in keine der klassischen Kategorien passen, war besonders bunt sortiert. So waren wir in der Skoutz-Redaktion vom ersten Tag der Vorschlagsphase für die Longlist an sehr gespannt, wer hier wohl am Ende den Preis ergattern wird. Seither ist viel Zeit vergangen. Inzwischen ist auch die Wahl zur Shortlist des Skoutz-Awards ist Geschichte. Und damit steht auch fest, welche 3 Bücher es ins Finale um den Contemporary-Skoutz 2016 geschafft haben, weil es ihnen gelungen ist, die Herzen der Leser und der Jury gleichermaßen zu begeistern.

Two Boys Kissing von David Levithan ist eines davon.

David Levithan (Wikipedia)Bei diesem Buch handelt es sich um einen 288 Seiten starken, im September 2015 von FISCHER KJB veröffentlichten Jugendroman über die Geschichten von homosexuellen Jugendlichen in der heutigen Zeit und die Schwierigkeiten im Erleben der ersten großen Liebe.

Wie bei allen anderen Autoren der Bücher unserer Midlist, haben wir uns auch bemüht, etwas mehr über David Levithan zu erfahren und ein Interview mit ihm zu führen, doch leider ist das bislang nicht geglückt. Wer sich selbst über diesen Autor informieren möchte, kann dies hier auf seiner englischen Homepage tun.

Doch jetzt zum Finale haben wir uns das Buch noch einmal aus dem Regal geholt und unseren Skoutz-Juror Jannis Plastargias gebeten, uns als Herr der Contemporary-Liste etwas mehr über dieses Buch zu erzählen. Das war übrigens gar nicht schwer, denn Jannis geriet sofort so derart ins Schwärmen, dass es schwieriger war, ihn wieder zu bremsen.

Doch lest sein bewegendes Buchplädoyer am Besten selbst:

 

Jannis Plastargias bespricht: Two Boys kissing – Jede Sekunde zählt von David Levithan

Two Boys Kissing„Wenn ihr jetzt im Teenageralter seid, werdet ihr wohl kaum etwas von uns wissen. Wir sind eure Schattenonkel, eure Engelpaten, der beste Freund eurer Mutter oder Großmutter aus Collegezeiten, der Autor des Buchs, das ihr in der Schwulen- und Lesbenabteilung der Bücherei gefunden habt. Figuren aus einem Stück von Tony Kushner oder Namen auf einer Quiltdecke, die nur noch selten aus dem Schrank genommen wird. Wir sind die Geister dessen, was von der älteren Generation noch übrig ist.“

Wie ich auf das Buch aufmerksam wurde

Dieses Zitat las ich bei einer meiner eigenen Lesungen vor. Warum? Ganz einfach: Ich habe ein subjektives und unterhaltsames Sachbuch über eine Gruppe von Geistern geschrieben. Von älteren homosexuellen Herrschaften, die zu Studierenden-Zeiten zwischen 1971 und 1975 für die Sichtbarmachung und Akzeptanz von Homosexualität in Frankfurt gekämpft haben. Die meisten jungen Homosexuellen der Mainmetropole kennen die „RotZSchwul“ nicht. Sie wissen weder, dass es eine Gruppe dieses Namens gab, noch wer Mitglied darin war. Trotzdem verdanken sie diesen Schattenonkeln ihre Freiheit, die Möglichkeit, sich und ihr Anderssein auf CSDs zu feiern, sich auf offener Straße zu küssen und einfach so sein zu dürfen, wie sie es eben sind. Diese Schattenonkel haben in der Erzählung von David Levithan über die jungen Hauptfiguren einen wichtigen Platz eingenommen. Sie schweben immer mit – und damit ihre Geschichte, die Geschichte schwuler Männer in der USA in den letzten Jahrzehnten.

Wie empfand ich Two Boys kissing von David Levithan

In diesem Roman geht es um zwei Jungs namens Harry und Craig, die versuchen, den Rekord im Langzeit-Küssen zu brechen.

„Harry küsst Craig und spürt etwas, das größer ist als sie beide, etwas, das über den Kuss hinausreicht. Er greift nicht danach – noch nicht. Aber er weiß, dass es da ist. Und damit wird dieser Kuss anders als ihre anderen Küsse zuvor. Das weiß er sofort.“

Harry und Craig waren ein Paar, haben sich mittlerweile getrennt, verbringen aber trotzdem sehr viel Zeit miteinander. Als ein gemeinsamer schwuler Freund aufgrund seiner Homosexualität krankenhausreif geschlagen wird, überlegen sie sich, dass sie etwas machen müssen. Nach Recherche auf YouTube entscheiden sie sich zu diesem Kuss-Rekord, um ein Zeichen zu setzen. Bald zeigt sich jedoch, dass da viel mehr dran hängt, als nur ein junges idealistisches Paar, das etwas verändern möchte – dieser Kuss zieht weite Bahnen. Er zieht junge Menschen aus der weiteren Umgebung an, die Eltern der Jungs und der Mitschüler/innen. Er zieht Befürworter und Gegner an, Fernseh- und Radioteams, es wird ein Kuss, der alles verändert.

Was ist das Besondere an dem Buch

Ich bräuchte als Autor eigentlich nur einen Satz zu schreiben, um zu zeigen, wie begeistert ich von diesem Werk war und auch noch Monate nach der Lektüre bin:

Das ist das Buch, das ich selbst gerne geschrieben hätte.

Es ist mein Genre, es ist mein Thema und er beschreibt Figuren, die genauso gut welche aus meinen Geschichten sein könnten. Doch einen ganz großen Unterschied gibt es, der zunächst eher klein und unbedeutend daherkommt, aber sehr viel ausmacht. So eine wunderbare Komposition kriege ich vermutlich niemals hin. David Levithan gelingt es nicht nur leichthändig, mehrere Jahrzehnte schwuler Geschichte mit der Gegenwart junger Schwuler zu verquicken. Er weiß auch, wie er die Figuren bewegt, wie er sie reden und interagieren lässt. Jede Beschreibung sitzt, jeder Dialog wirkt authentisch. Es ist mein drittes Buch von ihm und dieser Autor schafft es immer wieder neu, mich zutiefst zu beeindrucken.

Levithan erzählt nicht nur die Geschichte von Harry und Craig, sondern versammelt mehrere junge Menschen in diesem Roman und erzählt episodenhaft von ihnen. Dabei ist die größte Stärke, dass er es einerseits schafft, eine Perspektive herzustellen, die den Leser/innen repräsentativ erscheint und doch gleichzeitig die Individualität der Figuren hervorheben kann. Er beschreibt all die Unsicherheiten und Zweifel bei Beziehungsanfängen, aber auch die kleinen besonderen Momente, die immer wieder neu und anders erscheinen.

„Two Boys kissing“ ist ein Plädoyer gegen Ignoranz und Anfeindungen gegenüber Schwulen und sollte unbedingt in Schulen gelesen werden. Aber nicht nur deswegen. Es ist wundervolles Buch über die erste Liebe. Und da ist es ganz egal, ob Junge und Junge, Mädchen und Mädchen oder Junge und Mädchen zusammen sind. Wir wissen alle, wie sich das anfühlt. Nur: David Levithan kann dies auch in Worte fassen.

 

Wenn ihr neugierig geworden seid, könnt ihr Two Boys kissing von David Levithan unter anderem hier bekommen.

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