zu Besuch bei Jenny Bünnig
Heute besuchen der Skoutz-Kauz und ich eine Autorin, die von Vorjahressiegerin Katharina Glück für die Midlist Contemporary ausgewählt wurde.
Auf Jenny Bünnig freue ich mich besonders, denn mit „Meine fremde Freundin“ hat sie ein Buch über Freundschaft geschrieben, das so intensiv und anrührend ist, dass es zu den wenigen Büchern gehört, die ich gerne noch einmal gelesen habe.
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Kay zu Besuch bei Jenny Bünnig, die gerne (Satz)Zeichen setzt
Liebe Jenny,
vielen Dank, dass es geklappt hat. Ich freue mich sehr, dich persönlich zu treffen und hoffe, dass wir ein schönes und spannendes Interview führen können.
Fangen wir gleich an.
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Welches ist die größte Herausforderung, der man sich als Autorin stellen muss?
Wenn ich noch nicht angefangen habe, ist es das Anfangen, wenn ich angefangen habe, ist es das Weiterschreiben, wenn ich weitergeschrieben habe, ist es das Beenden.
Ach, ich verstehe dich so gut! Ich sage auch immer, die nächste Szene ist die schwerste. Und auch, wenn ich meine Bücher am Ende alle liebe, ist der Entstehungsprozess für mich überhaupt nicht schön. Eine Mama liebt ihre Kinder auch, obwohl nur die allerwenigsten die Geburt selbst toll finden.
Wie ist es denn bei dir mit dem Schreiben selbst.
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Hast du Lieblingsworte in deinen Skripten, die vom Lektorat regelmäßig angestrichen werden?
Ein einzelnes Wort ist es, glaube ich, nicht. Aber es gibt schon bestimmte Wendungen, die mir beim ersten Mal so gut gefallen, dass sie irgendwie überall ganz wunderbar zu passen scheinen. Und ich liebe Auslassungspunkte, Klammern, Kommata, Gedankenstriche, Punkte, die weit voneinander entfernt sind, …
Ah, du tobst dich also eher bei den Satzzeichen aus. Das hatten wir jetzt noch nicht.
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Was ist deine präferierte Erzählform?
Ich liebe Dialoge, ich liebe das Präsens, ich liebe Ich und Du, aber ich überlege immer, was zur Geschichte passt, wie diese eine Geschichte erzählt werden will.
Interessant. Da ich ja eher zu dritter Person, Präteritum neige, muss ich überlegen, wie das mit der Dialoglastigkeit zusammenpasst, denn tatsächlich denke ich mir beim Schreiben immer, ich muss aufpassen, dass das Buch nicht nur aus Dialogen besteht. Die schreibe ich natürlich in Präsens und erster bzw. zweiter Person… Faszinierend, wie auch gegen Ende der Interviewtour immer noch komplett neue Aspekte ans Licht kommen.
Daher bin ich besonders gespannt, wie du auf die nächste Frage antwortest …
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Bist du im Team Adjektiv oder bevorzugst du eher einen „schnörkellosen“ Stil?
Ich glaube, ich möchte Team Satzzeichen sein.
Konsequent und sehr exklusiv (lach)
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Hast du einen speziellen Trick, um aus deinen Figuren echte Persönlichkeiten zu machen?
Ich liebe Details.
Und wie hilft das deinen Figuren?
Na, diese Kleinigkeiten, die wir alle bewusst oder – viel öfter – unbewusst machen. Wie wir reden, wie wir gehen, wie wir lachen, wie wir einen Stift halten.
Verstehe. Solange sich deine Figuren nicht wie in Shades of Grey die Unterlippe blutig kauen, ist das sicherlich ein sehr gutes Mittel, um die Charaktere zu verdeutlichen. Show, don’t tell at its best, so to say.
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Welchen Fehler darf man beim Schreiben keinesfalls machen?
Ich denke nicht, dass es beim Schreiben wirklich Fehler gibt, manchmal sind Umwege oder sogar Irrwege doch die viel schöneren Wege.
Hängt vom Termindruck ab. (Grins). Du lässt dich also bewusst auf Fehlbarkeiten ein?
Ja. Für mich gehört das Suchen und Tasten und Stolpern zum Schreibprozess dazu.
Das sagst du auf eine so warmherzige Art. Das berührt mich, gerade, weil ich schon gern in die Perfektionismusfalle tappe und mir dann vor allem selbst im Weg stehe.
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Welches Buch liegt gerade auf deinem Nachttisch?
Buch? Also Einzahl?
Nicht notwendig. Pars pro toto …
Na dann! Wenn es mal nur ein Buch wäre. Und wenn es mal nur auf meinem Nachtisch wäre – und nicht davor, daneben, darunter.
Ja, das habe ich schon bei mehreren Autoren bemerkt, dass die alle sehr dazu neigen, den SuB räumlich dem Nachtkasterl zuzuweisen.
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Wofür würdest du mitten in der Nacht aufstehen?
Für den perfekten Satz. Und bei Feuer.
Das zeugt zu gleichen Teilen von Leidenschaft und Lebenswillen. Sehr gut!
Was ist deine größte Stärke?
Ich kann unglaublich schlecht zum Punkt kommen.
Das garantiert deinen Fans zumindest hinreichend lange Bücher.
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Wenn dein fünf-jähriges Selbst plötzlich deinen jetzigen Körper bewohnen würde, was wäre das Erste, das dein fünf-jähriges Selbst tun würde?
Ich glaube, wenn es erst einmal den Schock überwunden hätte, dass die Bedienung jetzt ganz anders ist, würde es auf jeden Fall Sprühsahne löffeln.
Aber ehrlich gesagt, macht das auch mein jetziges Ich.
Hehehe! Den Hinweis auf den Verfall des Dienstleistungssektors hatten wir jetzt noch nicht. Das mit dem Süßkram schon öfter. Willkommen im Schluck der bekennenden Naschkatzen, das hast du mit Astrid Töpfner, Erin Lenaris und einigen anderen gemeinsam!
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Welcher fiktionale Charakter ist in Buch/Serie/Film unglaublich, wäre aber in banalen alltäglichen Situationen unerträglich?
Eine Person, die Gedanken lesen kann. Ich kann nur hoffen, dass es solche Personen in der Wirklichkeit nicht gibt oder dass ich ihnen zumindest noch nie begegnet bin.
Gedankenlesen ist tatsächlich faszinierend. Mich hat das bei Marion Zimmer Bradley am meisten berührt, die auch sehr anschaulich darüber schreibt, welche enormen Nachteile das Gedankenlesen doch auch haben kann. Aber ich möchte auf keinen Fall mit so einem Menschen zusammenleben.
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Stell dir vor, du würdest einen Geheimbund gründen, wie würdest du ihn benennen und was wäre eure Mission?
Keine Ahnung, aber es hätte mit Eichhörnchen zu tun.
Eichhörnchen sind nie falsch!
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Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!
Manchmal gibt es nur noch eins zu tun: einen Punkt setzen.
Das hast du hervorragend auf den Punkt gebracht!
Liebe Jenny, vielen Dank für dieses sehr unterhaltsame Interview, in dem ich tatsächlich unerwartet viele Denkanstöße erhalten habe. Das müssen wir unbedingt mal nachbesprechen. Gerne anlässlich eines neuen Buchs von dir oder natürlich bei der Laudatio zum Skoutz-Award. Meine Daumen sind gedrückt.
Dankeschön!
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Hier könnt ihr Jenny Bünnig treffen
Jenny Bünnigs Homepage*
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Skoutz-Lesetipp:
Worüber wir nicht reden – ein ganz anderer Familienroman von Jenny Bünnig
Das Leben, die Familie und der ganze normale Wahnsinn
Die Europameisterschaft im Kürbiswiegen führt Patrizia und Daniel zurück in ihr Elternhaus. Für beide kommt dieses Familientreffen zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Patrizia steckt in einer beruflichen und emotionalen Sackgasse, und Daniel will nicht wahrhaben, dass seine Ehe vor dem Aus steht. Zudem fordern die pubertierende Tochter und der kleine Sohn seine ganze Aufmerksamkeit. Für die Erwachsenen wird dieses Wochenende zu einer Reise in ihre Kindheit, zurück zu ihrem Bruder Rafael, über den sie nicht reden.
Doch die Vergangenheit sitzt stets mit am Tisch. Ein turbulentes Wochenende, an dem Tante und Nichte bei der Polizei landen, der Kürbis nicht frieren darf und Goldfisch Blanche eine Schwimmhilfe bekommt. Eben ein ganz normales Familientreffen.
Ein wundervoller, berührender Roman, der die Facetten des Familienlebens beleuchtet und in dem wir uns alle irgendwie wiederfinden.
Skoutz meint: Der Klappentext hätte mich auch gefangen, wenn ich nicht schon ein Jenny Bünning-Fan gewesen wäre. Ich wurde nicht enttäuscht, denn die Art, wie Jenny Bünning diese Dauerherausforderung schildert, die wir Familie nennen, ist so scharf beobachtet und so wahr geschrieben, dass man sich beim Lesen unweigerlich beim Nicken erwischt. Man fühlt sich verstanden, beraten und ermahnt. Und auch noch unterhalten – Leserherz, was willst du mehr?
Der Umstand, dass auch noch ein Herz für Goldfische entwickelt wird, ist mein persönliches Schmunzel-Highlight.
Wenn ihr wie beabsichtigt, neugierig geworden seid, dann könnt ihr das Buch entweder über unseren Affiliate-Link auf Amazon* oder auch auf den Verlagsseiten* anschauen und natürlich auch kaufen.
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Mehr Info
Mit „Meine fremde Freundin“ ist Jenny Bünnig ein ganz besonderes Buch über Freundschaft gelungen, das völlig zu Recht einen Platz auf der Midlist Contemporary des Skoutz-Awards 2021 ergattert hat.
Ein wunderbares Buch über Freundinnen, über Nähe und Distanz, über Hoffnung und die wohl seltsamste Spielart der Liebe: Freundschaft, das wir euch hier vorstellen (weiterlesen).
Wir hoffen, dass ihr mit diesem Interview mit Jenny Bünnig diese wundervolle Autorin etwas besser kennenlernen konntet.
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Hinweis:
Wenn ihr die Bücher schon kennt, würdet ihr uns, dem Autor und allen lektüresuchenden Lesern einen großen Gefallen, wenn ihr das Buch in der Skoutz-Buchdatenbank mit einer Skoutz-Buchfieberkurve bewerten würdet. 5 Klicks statt 5 Sterne. Einfacher lässt sich eine Rezension nicht schreiben, bequemer kann man sein nächstes Buch-Date nicht finden. Und so helft ihr, dass unsere Buchfindemaschine weiter wächst.