zu Besuch bei Johanna Kramer

Heute bin ich zu Besuch bei Johanna Kramer, die mit ihrem Debütroman direkt das Herz unseres Contemporary-Juroren Salih Jamal berührte. Neugierig und angestachelt von den verschiedenen Eindrücken meiner Recherche, habe ich mich mit einer Menge Fragen im Gepäck auf den Weg gemacht, um die Jungautorin und passionierte Hobby-Fotografin zu besuchen. Ich bin schon sehr gespannt und mal sehen, was ich ihr so alles entlocken kann. Es wird mit Sicherheit sehr interessant …

 

zu Besuch bei Johanna Kramer, für die Bücher mehr als nur reine Unterhaltung sind …

 

In einem Wort: Was bedeutet für dich „Schreiben“?

Sein

Wenige Buchstaben für ein wahrlich großes Wort 🙂 

 

 

Was ist der seltsamste Ort, an dem du je geschrieben hast?

In der Badewanne. Ist aber gar nicht so seltsam, oder?

Na ja, ich hätte wahrscheinlich Angst vor einem Stromschlag gehabt, aber da ich persönlich gern in der Wanne lese, darf ich wohl nichts dazu sagen …

Jedenfalls habe ich da so eine schöne Ablage, auf die man auch ein Weinglas stellen kann und da passt auch ein Notizbuch drauf. 🙂

Ahhhh … also ohne Strom handschriftlich … Das beruhigt mich ungemein 🙂

 

 

 

Wie entstehen deine Geschichten?

Am liebsten schreibe ich morgens, mache mir aber über den ganzen Tag hinweg immer wieder Notizen zu allem, was mir so einfällt. Wenn ich unterwegs bin, kommt es auch ganz oft vor, dass ich mein Handy aus der Tasche ziehe und wild in die Notizen tippe oder beim Autofahren eine Audio aufnehme, weil ich die Hände gerade nicht frei habe.  Inspiration ist wirklich überall.

Du bist wirklich eine Vollblutkreative 😉 Wie entsteht aus diesen kreativen Funken ein Buch? Plottest du strukturiert oder lässt du es auf dich zukommen?

Ein Roman kann aus einem einzigen Wort, das ich irgendwo lese, einer kleinen leisen Idee oder aus einem einfachen Gedanken heraus entstehen. Wenn so ein Gedanke gerade erst entstanden, die Geschichte noch ganz frisch ist, dann plotte ich tatsächlich nicht sehr gerne. Dann notiere ich mir über einen Zeitraum von ein paar Wochen zuerst alles, was mir dazu einfällt. Das können Stichwörter oder auch einzelne kurze Szenen sein, die sich in meinen Gedanken abspielen. Auf diese Art und Weise gehe ich erst einmal auf die Suche nach der Geschichte und den neuen Charakteren und lerne sie besser kennen. Um dann allerdings einen roten Faden zu haben, einen Ort, an dem ich am Ende mit dem Roman ankommen will, plotte ich auf jeden Fall. Andernfalls laufe ich Gefahr, mich während des Schreibens zu verlieren.

Das klingt doch sehr gut und vor allem nach einem Plan. Nichts übers Knie brechen, der Geschichte Zeit und Raum geben. Wie intensiv recherchierst?

Recherche ist für mich sehr wichtig. Ich schreibe nur sehr ungern bzw. gar nicht über Orte, an denen ich nicht schon einmal selbst war. Auch wenn die Beschreibungen nachher nicht unbedingt sehr detailliert sind und die Orte nicht den größten Stellenwert in der Geschichte einnehmen, ist es ein gutes Gefühl, mit Sicherheit zu wissen, wie sich ein Land, eine Stadt oder z.B. auch ein Pub genau anfühlen. Ich bin überzeugt davon, dass es für die Geschichte nur gut sein kann, weil sich die Authentizität (unbewusst) auf den Leser überträgt.

Absolut verständlich. Wie geht es nach der aktiven Schreibphase mit deinem Skript weiter? 

Meine Texte überarbeite ich so oft und so lange, bis sie sich gut anfühlen und dann erst geht das Manuskript an meine Lektorin. Davor bekommt niemand, außer meinem Schreibcoach, etwas davon zu lesen. Und danach bekommt erst dann jemand Lesestoff, wenn das Lektorat abgeschlossen ist. Mein Manuskript ist wie ein zartes Geschöpf, das ich schützen und nur aus mir alleine heraus entstehen lassen möchte.

 

 

 

„Es wird immer weniger gelesen“ – Wie reagierst du auf diesen Satz?

Das glaube ich gar nicht. Und ich möchte es auch gar nicht glauben, weil ich mir sicher bin, dass das Lesen eine Art menschliches Bedürfnis darstellt, das uns seit langer Zeit begleitet.

So habe ich das noch nie gesehen. Könntest du mir das noch ein wenig näher ausführen?

Bücher sind Trost und Ausgleich, eine kleine Flucht aus dem Alltag. Romane, Geschichten und Erzählungen geben uns Antworten auf die großen Fragen des Lebens, die uns seit jeher beschäftigen und nach denen wir nie aufhören werden zu fragen. Vielleicht greifen die Menschen vermehrt zu eBooks und Hörbüchern, aber das Buch an sich wird auch in Zukunft sicher nicht aussterben.

 

 

Wie stehst du zu Schreibregeln, die bestimmen, was der 1. Satz auf keinen Fall enthalten darf, welche Worte man verwenden soll und welche zu vermeiden sind, wie lang ein Satz sein darf, etc.?

Von Schreibregeln halte ich nichts. Und ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt welche kenne.

*lach* Wenn man sie nicht kennt, kann man sie auch nicht brechen … 

So unterschiedlich wie die Menschen sind, so ist auch der Schreibstil eines jeden Autors sehr individuell. Ich lasse mich da ausschließlich von meinem Gefühl leiten und bin der Meinung, dass beim Schreiben alles erlaubt ist, solange es gut klingt und der Autor sich damit identifizieren kann.

 

 

Welches Buch hat dich am meisten geprägt und warum?

Ich würde nicht sagen, dass es ein ganz bestimmtes Buch war, sondern die Summe aus vielen Büchern, das Gefühl, das ich über die Jahre beim Lesen erlebt, und die Erfahrungen, die ich dabei gemacht habe.

Ein schöner Ansatz … 

Von jeder Geschichte und jedem Autor kann man etwas lernen. Erst kürzlich habe ich mir die Schmuckausgabe von Marcel Proust gekauft. Ich bin gespannt, was mir die diese drei dicken Wälzer beibringen werden. Das Papier ist so dünn, wie das einer Bibel. Es liegt also noch einiges vor mir. 🙂

Und das werden sicher nicht die letzten sein 😉

 

 

Wenn du für einen Tag in ein Buch reisen könntest, in welches würde es dich ziehen?

Da mich die Highland-Saga von Diana Gabaldon schon seit fast 15 Jahren begleitet: Band 1 – Feuer und Stein. Ein Grund ist, dass die Geschichte in Schottland spielt, ein Land, das sich für mich wie ein zweites Zuhause anfühlt. Und dann würde ich gerne in der Vergangenheit zurückreisen und sehen, wie das Hochland vor über 200 Jahren ausgesehen hat, als es wirklich noch wild und üppig und das Leben so ursprünglich war.

Auch wenn ich dir in jedem Punkt zustimmen muss, hätte ich doch angenommen, dass Jamie auch eine Rolle dabei spielt …

 

 

Bist du ein mutiger Mensch? Wann hast du das letzte Mal was zum ersten Mal gemacht und was war das?

Ich glaube jeder, der sich für das Autorendasein entscheidet, ist mutig.

*lach* Ja, das kann schon sein … Und wann hast du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?

Im letzten Jahr hatte ich das Gefühl, ständig etwas zum ersten Mal zu machen. Ein Buch schreiben und es veröffentlichen und alles, was damit zusammenhängt. 🙂 Das war unglaublich!

Kann ich mir gut vorstellen. Eine spannende Reise …

Im März war ich außerdem zum allerersten Mal in meinem Leben auf einer Buchmesse. Und dort, in Leipzig, habe ich zum ersten Mal mein eigenes Buch am Selfpublisher-Stand im Regal stehen sehen, Autorinnen getroffen, die ich bisher nur von Instagram kannte und mein erstes Meet & Greet erlebt und tatsächlich Leser getroffen, die extra wegen mir gekommen sind! Einfach großartig.

           

 

 

Für welches Produkt würdest du als Testimonial Werbung machen? Warum?

Nicht für ein Produkt …

Sondern?

Für ein Buch.

Jetzt bin ich neugierig.

„Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron. Für mich persönlich hatte es wirklich eine bahnbrechende Wirkung. Es hat mich auf meinem Weg zur Autorin so sehr vorangebracht, dass ich es als besten Schreibratgeber aller Zeiten deklarieren würde. Wenn man sich auf dieses Buch einlässt, muss man sich sehr eindringlich mit sich selbst beschäftigen und dann kommt der Rest fast von ganz allein.

Jetzt hab ich ja indirekt doch noch eine Antwort auf meine Frage mit dem prägenden Buch bekommen 😉

 

 

Was machst du, wenn du eine Nacht im Kaufhaus eingeschlossen wärst?

Hoffen, dass es was Gutes zu essen und trinken gibt.

Da bin ich mir ziemlich sicher … Was würdest du sonst anstellen?

Und dann würde ich es mir in einem Bett gemütlich machen und lesen. Vielleicht. Ich bin gerne spontan, was solche Sachen anbelangt und entscheide je nach Lust und Laune.

 

 

Was ist der erste Gedanke nach dem Aufstehen? Was machst du in der ersten Stunde nach dem Aufstehen?   

Der erste Gedanke nach dem Aufstehen? Kaffee. Und dann: schreiben.

Klingt nach einem guten Plan …

Nachdem ich mir einen Espresso gemacht habe, schreibe ich jeden Tag zuerst ganz in Ruhe meine Morgenseiten. Das hilft mir, den Kopf frei zu bekommen, um mich dann auf meinen Roman einzulassen.

Morgenseiten?

Mehr zum Thema Morgenseiten findest du in der Buchempfehlung von eben. Ohne dieses kleine Ritual starte ich nur sehr ungern in den Tag. Das ist mir schon in Fleisch und Blut übergegangen. Nach den Morgenseiten gibt es den zweiten Espresso und dann geht’s los mit dem Manuskript, vorausgesetzt, es kommen mir nicht erst noch andere Dinge dazwischen, die man als Selfpublisher noch so zu erledigen hat.

 

 

Welche Superkraft hättest du gerne?

Perfekt plotten. 🙂

Ich glaube Superplotter ist im Marveluniversum tatsächlich vergessen worden … *Kopfkino aus*

 

 

Welcher Irrtum kursiert über dich?

 Das wüsste ich auch sehr gerne.

Wenn ich etwas höre, sag ich Bescheid …

 

 

Was würdest du deinem 10 Jahre jüngeren Ich raten?

Hör doch endlich hin, wenn dein Herz schreit! Du irrst dich nicht! Und lass die anderen reden. Deren energieraubenden Ratschläge sind nicht für dich gedacht, sondern nur deren eigene Rechtfertigung dafür, dass sie selbst nicht ihre Träume leben. Glaube mir, in zehn Jahren wirst du zurückblicken und dir wünschen, du hättest auf mich gehört. Himmel, welchen Stress du dir ersparst!

Wohl wahr! Und bevor ich dich nun verlasse noch eine letzte Frage …

 

Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!

Du kannst im Leben all das sein, was du dir erträumst. Trau dich, geh raus und lebe!

Vielen Dank, liebe Johanna Kramer, für diese wundervollen Worte. Es war wirklich toll, mit dir zu plaudern. Ich bin schon gespannt, was wir noch alles von dir hören und lesen werden. Für den weiteren Wettbewerb wünsche ich deinem Buch viel Erfolg und vielleicht sehen wir uns in Frankfurt zur Verleihung des Awards schon wieder.

 

 

Mehr von Johanna Kramer bekommt ihr auf:

 

Hinweis:

Mit ihrem berührenden Debüt “Wir können alles sein”, das im Oktober 2018 im Selbstverlag erschienen ist, geht uns Johanna Kramer direkt unter die Haut. Auf 288 Seiten erleben wir eine Story über die Macht der Liebe, die Angst davor und den Mut, den man braucht, um seiner inneren Stimme zu folgen.

Johanna Kramer konnte mit ihrer sprachgewaltigen Liebesgeschichte zweier Frauen unseren Skoutz Juror Salih Jamal überzeugen. “Wir können alles sein“ wurde aus über 200 Titeln der Contemporary-Longlist erwählt. Sie ergatterte einen der begehrten Midlist-Plätze und damit vielleicht die Chance auf den Skoutz Award 2019.

Mehr Informationen findet ihr in der ausführlichen Buchbeschreibung. (Weiterlesen)

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