zu Besuch bei Faye Hell

Heute bin in unterwegs, um Horror-Autorin Faye Hell zu treffen. Faye Hell, wer zu Hölle ist das? Ich muss gestehen, das dachte ich zu Beginn auch und hab mich ein wenig schlau gemacht. Ihre Faszination für das Böse entdeckte sie bereits im Kindesalter und schrieb im zarten Alter von elf Jahren ihre erste Horrorgeschichte. Entgegen der Hoffnung der Eltern und Lehrer, dies sei nur eine Phase, lebt sie auch heute noch ihre Leidenschaft exzessiv aus, denn ein Leben ohne Horror ist für sie unvorstellbar. Ich persönlich bin schon sehr gespannt auf Faye Hell und neugierig, was ich so alles entdecken werde …

 

zu Besuch bei Faye Hell, die sagt: „Wer sich ins Licht stellen will, der sollte seinen Schatten kennen“ …

 

Beschreibe dich in einem Wort!

einfühlsam

Irgendwie hatte ich damit gerade nicht gerechnet 🙂 Spannend

 

 

Strukturierter Planschreiber, Bandenmitglied oder kreativer Chaot – was ist dein Schreib-Erfolgs-Konzept?

Erst herrscht in meinem Kopf das intuitive, kreative Chaos.

Ich hatte schon einige kreative Chaoten, aber was macht aus dir dazu noch einen intuitiven?

Es ist, als würde nicht ich die Idee, sondern die Idee mich finden.

Und wenn sie dich gefunden hat? Wie geht es weiter?

Danach arbeite ich erstaunlich strukturiert. Die Geschichte wächst erst in meinen Gedanken, wird dann auf einem Whiteboard festgehalten und schlussendlich in einem wunderschönen Notizbuch handschriftlich in eine Szenenfolge gebracht. In diesem Buch brauche ich viele Bilder, Skizzen, ganze Seiten zur Figurenentwicklung …

Wie läuft die Recherchearbeit bei dir ab?

Ich recherchiere sehr gewissenhaft, bringe die Ideen und auch entsprechendes Material von meinen ausgedehnten Reisen mit. Alle Orte, die in TOTE GÖTTER vorkommen, habe ich tatsächlich mit eigenen Augen gesehen, intensiv erlebt und emotional erforscht.

Ich kann mir vorstellen, dass man sie so auch viel ausführlicher und lebendiger beschreiben kann. Und wie arbeitest du am liebsten? Einzelkämpfer oder hast du Schreibbuddies?

Ich arbeite gerne im Team, habe verschiedene Projekte gemeinsam mit anderen Autoren am Laufen. Das wohl bekannteste sind die LBM Guerillas mit der Guerilla Lesung im Rahmen der Leipziger Buchmesse. Das hat so klein begonnen und es wächst und gedeiht zu etwas ganz Wundervollem. Freut euch auf 2019!

Wir sind gespannt 🙂

 

 

Welche Taste ist die am meisten abgenutzte auf deinem PC?

Selbstverständlich die Leertaste.

Du würdest dich wunder, was für Antworten ich schon hatte 😉

Nicht nur Henrik Ibsen weiß, wie bedeutend Leerstellen in einem Text sind …

Du überraschst mich immer wieder …

 

 

Wenn eine Fee dir einen perfekten Autorentag anböte, wie sähe der aus?

Ich würde früh aufstehen, vielleicht sogar mit Sonnenaufgang.

Der frühe Vogel fängt den Wurm … 🙂

Ja, ich bin einer dieser unerträglichen Morgenmenschen.

Ich wollte schon immer mal so einen kennenlernen … Nein, Spaß beiseite 😉 Wie geht es weiter?

Dann würde ich lange und ausgiebig frühstücken und anschließend einen Spaziergang machen. Umringt von Wald, Vogelgezwitscher und Inspiration

*schaut sich irritiert um und fragt sich, ob sie bei der richtigen Person im Interview sitzt*

Schreiben würde ich, als flößen die Worte direkt aus meinen Fingern. Mit viel Empathie, wie ferngesteuert vom Verstand/Geist eines Lovecrafts oder Poes. Darüber hinaus? Eine Sonnenbarke am Tisch neben mir, meine Flasche Whisky. Goldglänzend und sogar die Untiefen meines Körpers wärmend. Auf einer Idee davongetragen, würde ich schreiben bis zum Sonnenuntergang.

Das war wahrlich philosophisch formuliert 🙂 Irgendwie hatte ich bei dem, was ich über dich gelesen habe, weniger Licht und Idylle erwartet 🙂 tztztz immer diese Klischees …

 

 

Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?

Es steckt sehr viel Persönliches in meiner Fiktion.

Jetzt werde ich aber neugierig …

Man kann nichts schreiben, das nicht in einem ist. Ich habe unter anderem zu schreiben begonnen, um ein Trauma aufzuarbeiten. In meinem Roman KEINE MENSCHENSEELE hat mein Schmerz ein lyrisches Zuhause gefunden. Im literarischen Fegefeuer ist mein Leid gut aufgehoben.

Das Schreiben als Therapie. Hab ich auch schon öfter mal gehört. Scheint recht gut zu funktionieren.

Die Protagonistin in TOTE GÖTTER ist an Multipler Sklerose erkrankt, und es ist genau diese vermeintliche Schwäche, die sie stark macht. In den Anfangswochen der Arbeit an diesem Roman musste ich selbst eine MS-Diagnose abwarten. Glücklicherweise leide ich nicht an MS, aber auch meine Nerven verfügen über ein schmerzhaftes „Eigenleben“.
TOTE GÖTTER spielt ja in Amerika, aber auch in einem finsteren Graben. Bei diesem Graben handelt es sich um meinen tatsächlichen Wohnort.

 

Was ist dein Geheimrezept, um die Muse anzulocken und Schreibblockaden (große und kleine) zu überwinden?

Das sollte man vielleicht nicht zugeben, aber wenn ich ins Stocken gerate, trinke ich gern mal Whisky und steigere mich in Musik hinein.

Wieso kann man das nicht sagen? Was passiert dann?

Ich drehe die Anlage voll auf, gröle mit, brülle, weine, lache, bis ich komplett in der fremden Emotion aufgehe und somit zu meiner Geschichte finde. Für Zeugen kann dieser Prozess zutiefst verstörend sein.

Echt? *Kopfkino an*

Frag Mister Hell. Apropos: Hürden in meinem Erzählablauf bespreche ich mit meiner Muse, meinem Mann.

 

 

Welchen Anteil hat das reine Schreiben im Autorenjob und was gehört noch dazu?

Als Kind habe ich immer gedacht, Autoren sitzen an ihrer Schreibmaschine und schreiben. Punkt.

Ich glaube, früher war das auch noch viel stärker so …

Natürlich sitze ich vor meinem Computer und schreibe. Aber damit ist für mich tatsächlich erst die halbe Arbeit getan.

Und was kommt in der anderen Hälfte deiner Zeit?

Im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen liebe ich es, meine Texte zu überarbeiten. Ob zu Beginn allein oder darauffolgend mit einer Lektorin. Meine Cover geben die Verlage in Auftrag, das wundervolle Cover zu TOTE GÖTTER stammt von Mark Freier.

Wie sieht es mit dem Kontakt zu deinen Fans aus?

Ich bin auch auf Facebook sehr aktiv, pflege regen Kontakt zu meinen Lesern und freue mich über jede Interkation.
Außerdem arbeite ich an vielen Projekten (Lesungen und dergleichen), die ich gemeinsam mit Autorenfreunden oder auch anderen Künstlern umsetze.

Ich hab auch gelesen, dass du Redakteurin in einem Magazin bist … Sehr fleißig und äußerst kreativ … 

 

 

Was macht für dich ein gutes Buch aus?

Ein gutes Buch macht aus, dass es mich, während ich durch die Welt eines anderen Wortkünstlers wandere, dazu bringt zu vergessen, dass ich selbst Autorin bin. Oder besser noch durch die Welt hindurchgesogen werde.

Es kickt also den kleinen Lektor von deiner Schulter 🙂

Ich liebe es, wenn der Autor mich berührt, mich zum Weinen, zum Lachen oder zum Erschaudern bringt. Oder erregt, ja auch das.
Außerdem will ich herausgefordert werden, provoziert und angestachelt.
Ich will mich zwischen den Zeilen wiederfinden und mich gleich darauf vollkommen von mir lösen. Ein gutes Buch soll mich von mir selbst befreien, meinen Blickwinkel ändern und mir Geheimnisse offenbaren.  

 

 

Welche Gefahren lauern im Alltag auf deine Manuskripte, was kann dich von deiner Geschichte trennen?

Ich bin ein Serienjunkie.

Binge watching 🙂

Wenn mich eine Serie in Beschlag genommen hat, muss ich mich heftig dagegen wehren, sonst versinke ich in der bunten Berieselung. Willst du ein aktuelles Beispiel?

Klar 🙂

Gerade habe ich Stark Trek: Discovery inhaliert.

Gibt es andere noch andere Ablenkungsfallen?

Ja, denn in meiner Wohnung läuft eine flauschige Katzenoma-Prinzessin herum, die am liebsten auf dem riesigen Sofa im Wintergarten mit mir kuschelt, während ich Musik höre oder lese. Ganz ehrlich? Eine schnurrende Katze auf dem Bauch und es geht gar nichts mehr außer entspannen und mitschnurren. Außerdem gilt bei mir die Regel: Wenn die Katze kuscheln will, dann hat das immer Vorrang. Sie ist vierzehn Jahre alt, ihr wisst, was ich meine.

 

 

Und wenn du mal den Kopf freibekommen willst, womit beschäftigst du dich dann am Liebsten?

Ich wandere durch die Wälder, die mein Haus umgeben. Ich wohne in einem ehemaligen Kurhotel aus der Kaiserzeit, das über hundert Jahre alt ist und quasi mitten im Wald steht.

Irgendwie romantisch …

Ich sitze im Wald, schließe die Augen und lausche der Natur. Gerne besuche ich auch sogenannte Lost Places und umgebe mich mit fremden Erinnerungen.
Außerdem spiele ich Banjo, das entspannt mich immer und macht mich glücklich. Man sagt, dass man auf einem Banjo kein trauriges Lied spielen kann, und das stimmt auch.

Ich dachte, das gilt nur für die Ukulele 🙂 Wieder was gelernt 🙂

 

 

Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?

Das ist leicht.

Echt? Wer ist es?

Der Ich-Erzähler Richard Darius aus meinem nächsten Roman RIGOR MORTIS ist ein derart erschreckender Mensch, dass ich das erste Mal in meinem Leben ein Vorwort schreiben musste, damit die Leser auf gar keinen Fall auf die Idee kommen, die Aussagen und Einstellungen meines Protagonisten würden mit meinen übereinstimmen.

*lach* Solange du dir zu helfen weißt. Das scheint ja ein ganz ein spezieller Charakter zu sein …

Ich persönlich hasse ihn, bin aber verdammt froh, dass mir eine derartige Figur geglückt ist. Er personifiziert Vieles, das ich total verabscheue, und dennoch ist er meinem Kopf entsprungen.

Da tun sich Abgründe auf 🙂

Das ist erschreckend.

 

 

Wie groß ist dein SUM (Stapel ungeschriebener Manuskripte) und wie gehst du mit ihm um?

In der Tat gibt es bereits Pläne für die nächsten vier Bücher. Ein Sachbuch, eine Novelle, ein Roman, eine Anthologie (als Herausgeberin). Genaueres kann ich dazu noch nicht sagen. Eine Dame will doch geheimnisvoll bleiben.

Das ist dir gelungen 🙂

Darüber hinaus arbeite ich an diversen Kurzgeschichten. Außerdem habe ich bereits die Grundidee für einen weiteren Roman in meiner kreativen Schublade.
Anthologien laufen über eine längere Zeitspanne und meist nebenbei.

Schreibst du auch parallel?

Nein, eines nach dem anderen. Ich vermische das nicht gerne, da ich mich vollkommen auf ein Projekt konzentriere, in der Idee aufgehe.

Und wie lange dauert so ein Roman-Projekt bei dir?

Für einen 500seitigen Roman brauch ich etwa zehn Monate, Sachbücher schreibe ich schneller.

 

 

Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?

Ich könnte so Vieles nennen, weil Schreiben für mich ungefilterte und pure Emotion ist.

Eines würde mir schon reichen *lach*

Tatsächlich aber ist mir gerade heute etwas unfassbar Emotionales passiert. Eine Leserin hat auf Twitter (in mehreren Posts) Folgendes geschrieben:

>> Fay Hells „Tote Götter“ trifft tief. Verdammt tief.
„… denn ich hatte mir angewöhnt, wenn es einen Grund gab zu lachen, es niemals leise zu tun. Ich hatte es mir geschworen, als die Welt rund um mich auf einem Auge trüb geworden war. Ich hatte mir geschworen zu lachen.“
Mein Auge ist nicht blind geworden, bei mir war es nicht MS, sondern Krebs. Aber … wow. Genau das. Chapeau, Madame. Und Danke.
Wenn eine Autorin mir im Wartezimmer in aller Öffentlichkeit das Herz aus den Augen fließen lässt, hat sie sich die Rückmeldung verdient. <<

In solch einem Moment kann ich die Tränen nicht zurückhalten, weil es mich überwältigt, dass ich es schaffe, Leser derart zu berühren.

Das kann ich mir vorstellen. Ist auch das schönste Lob!

Schreiben ist kein Selbstzweck. Autoren wollen mit ihren Geschichten die Menschen erreichen. Unsere Elfenbeintürme haben Gästezimmer.

 

 

Wie definierst du Erfolg?

Erfolg ist ein schwieriges Thema. Es erzeugt immer gleich Druck.

Was heißt das genau?

Selbstverständlich freue ich mich, wenn ich für Preise nominiert bin oder sogar gewinne. Ich freue mich unfassbar! Es gibt mir Kraft und Selbstvertrauen als Autorin. Aber man sollte Preise nicht überbewerten. Was schlussendlich zählt, sind die Leser.
Ich kann wirklich nicht sagen, ob ich erfolgreich bin. Aber was ich weiß ist, dass mich das Schreiben glücklich macht.

 

 

Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?

Stimmt es, dass Lars von Trier deinen neuen Roman verfilmen wird?

Große Ziele und ich wünsche dir, dass sie sich erfüllen.

Liebe Faye Hell, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen und mir einen Einblick in dein Leben gewährt hast. Es war sehr spannend und ich bin froh, dass wir uns kennenlernen durften. Für den weiteren Wettbewerb wünsche ich deinem Roman viel Erfolg und hoffe, dass wir uns bald mal wiedersehen – vielleicht schon in Frankfurt.

 

 

Wenn ihr mehr über Faye Hell und ihre Werke erfahren wollt, schaut doch mal auf:

 

Skoutz-Lesetipp:

Keine Menschenseele – spannender Horrorroman von Faye Hell

Ein Waisenkind findet in einer streunenden Katze einen echten Seelenverwandten, einem charismatischen Fernsehmoderator fliegen alle Herzen zu, für eine junge Frau geht ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung, eine einsame Liebesbuchautorin findet einen Menschen, mit dem sie ihr Leben und ihr Heim teilen kann und jemand ist unterwegs, um sich endlich seinem Peiniger zu stellen. So einfach könnte es sein. Aber nichts im Leben ist so einfach. Fünf Menschen, fünf Leben. Eine gemeinsame Geschichte. Ein gemeinsamer Albtraum.

Skoutz meint: Fünf Schicksale, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein können, auf den zweiten Blick aber zeigen, dass sie doch mehr verbindet. Dieser Roman ist so schonungslos, dass er einem nicht nur die Nackenhaare aufstellt, sondern einen auch das Atmen vergessen lässt. Mit ihrem bildhaften und teils sehr poetischen Schreibstil konnte Faye Hell überzeugen. Ein Horrorbuch, das zum Nachdenken anregt und durch seine Komplexität definitiv nichts für Zwischendurch ist.

 

Ihr wollt die Story selbst erleben, euch die Nackenhaare aufstellen lassen? Dann informiert euch über den Horrorroman in einem der Buchshops oder direkt über diesen Affiliate-Link bei Amazon.

Wer das Buch schon kennt, kann (und soll!) es auf Skoutz.net bewerten, damit  unsere Buchsuche besser werden kann (weiter).
Mit der Skoutz-Buchfieberkurve bewertet ihr mit fünf einfachen Klicks ein Buch anhand von fünf Kriterien statt fünf Sternen. Auf einen Blick seht ihr dann, wie das Buch wirklich ist. So schön kann Bücher suchen sein.

 

 

Hinweis:

„Tote Götter” ist ein Date mit dem Teufel, mit Geistern und Dämonen, die hinter dem erschreckend dünnen Schleier unserer Wirklichkeit darauf warten, zu entkommen.

Und daher ist das gut 500 Seiten umfassende, im Februar 2017 vbei Amrûn verlegte Buch völlig zu Recht aus den knapp 200 Titeln der Longlist Horror von Vorjahres-Sieger Michael Merhi in seine persönliche Auswahl für die Midlist Horror 2018 des Skoutz-Awards gepackt worden.

Die ausführliche Buchvorstellung gibt es hier.

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