Lesetechnik (Wiki)

Skoutz-Wiki: Lesetechnik (Lesestil)

Skoutz versucht in dieser Beitragsreihe, den relativ komplexen Begriff Lesestil unterhaltsam und zugleich wissenschaftlich aufzubereiten. Dazu gehören verschiedene Kriterien, die unseren individuellen Lesestil beeinflussen. Einer davon ist die Lesetechnik. Also die Art und Weise, mit der wir uns einem Text nähern und versuchen, aus einem Buch eine Information zu gerwinnen. Oder was immer sonst wir uns von einem Buch versprechen: Ablenkung, Schutz, Zerstreuung, Glück … 🙂

Die Menge an Informationen, die der Menschheit zur Verfügung steht, wächst unaufhörlich – Schätzungen zufolge verdoppelt sich das Wissen der Welt inzwischen etwa alle zwölf Jahre. Ein Großteil dieser Informationen wird uns in schriftlicher Form präsentiert: in Büchern, in Zeitungen, (Fach-)Zeitschriften und natürlich zunehmend im Internet. Wir müssen also immer mehr lesen, wenn wir in der Informationsgesellschaft mithalten wollen. Da kommen wir an einer gewissen Lesetechnik also gar nicht mehr vorbei.

Die Lesetechnik in Kürze

Wenn man Google nach Lesestil suchen lässt, kommt man zunächst einmal zur

Lesetechnik.

Das, so sollte man meinen, versteht sich eigentlich von selbst. Buchstaben anschauen, zu Silben und Wörtern zusammensetzen und die so entstandene Sprachnachricht verarbeiten. Weit gefehlt. Da wir uns noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit solch einer Flut an Texten gegenübersahen, bedarf es tatsächlich verschiedener Techniken. Ein geduldiges Wort-für-Wort-Lesen und gegebenenfalls Wort-für-Wort-Nachschlagen kommt da häufig nicht mehr in Frage, weil der Zeitaufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis steht.

Dass auch der Leser im fauler wird, ist nicht nur Ursache, sondern irgendwie auch Folge des Phänomens.

Die Lesetechnik ausführlich betrachtet

Wenn man an die Lesetechnik mit etwas mehr Ruhe herangeht und sich auch Gedanken darüber macht, wie man selbst eigentlich liest, wird es wie üblich gleich etwas komplizierter. Aber auch faszinierender.

Leseerwartung (Lesehaltung)

Die richtige Lesetechnik kann man für sich nur wählen, wenn man die Leseerwartung (in der Wissenschaft auch Lesehaltung) betrachtet. Eigentlich logisch, dass die Art des Lesens durch unsere Zielsetzung (Erwartung) beeinflusst wird.

Dabei unterscheidet zum Beispiel teachSam*  zwischen fünf verschiedenen Arten von Leseerwartung.

  • Informatives Lesen
    Überfliegen eines Textes, um die wichtigsten/bestimmte Informationen zu erfassen.
    Typischer Anwendungsfall ist das „Studium“ von Listen, Fahrplänen, Inhaltsverzeichnissen etc.
  • Interpretierendes Lesen
    Bewertung mehr oder minder deutlich zusammenhängender Sinnbezüge in einem Text, z.B. mit der Frage, wie die Aussage des Textes in Bezug auf eine bestimmte Situation verwendet werden kann.
    Typischer Anwendungsfall ist z.B. ein Gesetzestext aber auch die (in der Schule gefürchtete) Frage, was der Verfasser eines Textes dem Leser eigenlich sagen wollte
  • Kritisches Lesen
    Über die reine Interpretation geht das kritische Lesen hinaus, bei dem man sich einei eigene Meinung über einen Text bildet. Das kann in Bezug auf Sprache und Handwerk ebenso erfolgen wie in Bezug auf seine Aussagen.
    Am deutlichsten wird das am 1. April in den Social Media-Kanälen angewandt. So sollte man aber gerade mit alternative Facts und Fake News zunehmend jedem nicht rein zu Unterhaltungszwecken geschriebenen Text begegnen.
  • Triviales Lesen
    … ist sozusagen das Gegenteil des kritischen Lesen, denn hier wird nur das aufgenommen, was einer bereits vorhandenen Meinung/Einstellung dient. Dieses selektive „Rosinenpicken“ ist ein Phänomen, das man seltener bei Büchern, regelmäßig aber im Internet in Chats oder Forumsdiskussionen beobachtet
  • Kreatives Lesen
    ist das Genusslesen, das Lesen zum Selbstzweck erhebt und einen produktiven, fantasievollen Umgang mit einem Text sucht.

Natürlich macht man sich meist nicht vorher bewusst, warum man liest, um dann die richtige Lesetechnik zu wählen. Das sind Prozesse, die automatisch passieren. Allerdings ist es sicherlich nicht schädlich, sich zu einer kritischen Lesehaltung zu erziehen und sich die Gefahrin triviales Lesen zu verfallen, bewusst macht.

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Ähnlich verhält es sich mit der Lesetechnik. Wir lesen meist ganz automatisch mit der passenden Technik und selbstverständlich wird dabei auch gewechselt. So überfliegt man auf der Suche nach einer bestimmten Textstelle die Zeilen nur, bis man fündig wird, und liest dann langsam weiter.

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Ausgangslage

Beim Lesen lassen wir den Blick entlang der Leserichtung über einen Text gleiten, hierzulande von links nach rechts und von oben nach unten. Erstaunlicherweise lesen wir dabei aber nicht jedes Wort, sondern hüpfen locker über die meisten kurzen Wörter hinweg (Worte mit 3.4 Buchstaben).

Insgesamt liest ein „normaler“ Leser etwa 250 Wörter pro Minute. Dabei gilt: Je eindeutiger die grammatische Struktur und die Bedeutung eines Satzes oder Textteils ist, desto schneller liest man. Denn je besser man versteht, was man liest, desto seltener muss man mit dem Blick zum vorherigen Satz oder Abschnitt zurückspringen. Dieses Zurückspringen heißt „Regression“ und ist ein ganz normaler, unbewusster Prozess, der das Lesen allerdings verlangsamen kann. Lesetechniken werden daher besonders häufig angefragt, um das eigene Lesetempo zu erhöhen. Ein Wunsch, den wir angesichts der Vielzahl wundervoller Bücher und der durch unsere Lebenserwartung beschränkten Zeit verstehen, aber aus Genussgründen nur mit Vorbehalt teilen.

Verschiedene Lesetechniken:

Scannen

Bei dieser Technik „fliegt“ man mit den Augen über den Text. Die meisten von uns benutzen diese Technik automatisch beim Lesen von Webseiten. Durch das Scannen verändert sich unser Leseverhalten allerdings gravierend: Fast jeder fünfte Bücherleser zwischen 20 und 29 Jahren überfliegt seine Lektüre heutzutage lediglich, liest nur das seiner Meinung nach (triviales Lesen) und auf den ersten Blick Interessanteste und verliert dadurch bei langen und schwierigen Texten schnell die Geduld.

Orientierendes Lesen

Das orientierende (oder diagonale) Lesen, pickt sich ein Stichwort, den Titel, eine Überschrift aus einem Text heraus und ordnet ihn aufgrund dieses ersten Eindrucks ein. Oft ist das schon die Entscheidung, ob überhaupt und dann in welcher Weise dieser Text weitergelesen wird. Das kennen wir alle von den Social Media oder auch den Schlagzeilen an den Zeitungskästen an den Bahnhöfen.

Kursorisches Lesen

Beim kursorischen Lesen kommt es nur darauf an, die wesentlichen Informationen im Text, den wichtigsten Gedankengang zu erfassen. Das ist das berühmte diagonale Lesen, wenn wir – wohl wissend, dass wir nicht jedes Wort lesen – von Zeile zu Zeile springen und uns die zentrale Aussage häppchenweise erarbeiten. Zum Beispiel, wenn man im Buch eine bestimmte Stelle sucht, wenn einen eine Szene langweilt und man „vorspult“, bis es richtig weitergeht …

Selektives Lesen

Das selektive Lesen ist ein von besonderen Interessen geleitetes Lesen, bei dem es darauf ankommt, einem Text ur bestimmte Informationen zu entnehmen, die allein aufgrund einer vorher festgelegten Leseerwartung von Interesse sind. Ein ganz einfaches Beispiel ist der Fahrplan, bei dem man sich auch nur für eine bestimmte Information interessiert (Wann kommt mein Bus? Wie kann ich mein Ziel erreichen?)

Dabei liest du einen Text nur teilweise. Das heißt, du wählst einzelne wichtige Abschnitte aus, liest diese gründlich und versuchst dann, die Bedeutungen der einzelnen Textteile in den Kontext einzuordnen

Detailliertes oder sequenzielles Lesen

Totales (detailliertes, intensives) Lesen ist dann notwendig, wenn es darum geht, alle Informationen, Haupt- und Nebeninformationen, zu verstehen (z.B. bei Verträgen oder Gebrauchsanweisungen). Auch, wenn man das meist erst durch Nichtbeachtung lernt. Wer hat nicht schon einmal ein fast fertig geschraubtes Regal wieder zerlegt und wer hat noch nie gelogen, wenn ein Popup-Fenster fragt, ob man die AGB gelesen hat.

Ästhetisches Lesen

Beim genussvollen, ästhetischen Lesen wird meist eine Mischung angewandt. Studien zeigen, dass die Lesetechnik auch bei geübten Lesern erheblich variiert. An spannenden ebenso wie bei langatmigen Stellen neigt man etwa zum schnelleren, oft selektiven Lesen, weil man wissen will, wie es weitergeht. Der schlaue Autor wird daher seine Sprache speziell bei spannenden Stellen anpassen und Actionszenen nicht in elegischen Schachtelsätzen schildern. Tatsächlich besteht Genusslesen also aus einer individuellen Mischung aus (mehr oder weniger) orientierendem oder kursorischem Lesen, bis zu den Stellen, die zu selektivem oder totalem Lesen führen.

Das nämlich ist effizientes Lesen.

Das besteht unabhängig von der Art des Textes darin, die jeweilige Mischung von Lesestilen auf die eigenen Leseinteressen abzustimmen. So kann man mit einem Minimum an Zeit und Hirnschmalz dem Text ein Maximum an relevanten Informationen entnehmen.

Oder eben Lesespaß, denn das ist unserer Meinung nach immer das Wichtigste.  🙂

 

Wo kann man weiterlesen?

  • Leitfaden Lesetechniken der Uni Bielefeld*
  • SQ3R-Methode* (die Königsklasse der Textverarbeitung speziell im Beruf, Studium):
    Man liest zuerst Titelblatt, Inhaltsverzeichnis, Vor- und Nachwort und zieht danach ein erstes Fazit: Worum geht es in dem Buch wirklich, welche Informationen gibt es her.
    Dann erst wird das Buch gründlich bearbeitet.
    Man liest den Text also nicht nur, sondern markiert von Anfang wichtige Stellen und macht sich Notizen.

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