Zu Besuch bei Patrick Hertweck
Heute sind wir mal wieder zu Besuch bei Autor Patrick Hertweck. Ela und der Skoutz-Kauz freuen sich schon sehr darauf, ihn mit ihren Fragen zu löchern und möglichst viel über ihn herauszufinden.
Anlass des Besuchs ist, dass eines seiner Bücher, Der letzte Rabe des Empire, in der neue Kategorie des Skoutz Award Kinder- und Jugendbuch, den Sprung in die Midlist , geschafft hat und damit allerbeste Aussichten auf den ersten Kinder-Skoutz hat. Wir sind sehr gespannt, was er uns zu erzählen hat.
Doch seht selbst.
Zu Besuch bei Patrick Hertweck – der sich an schwindenden Grenzen erfreut.
Endlich einmal dürfen wir dich besuchen, der Skoutz-Kauz war schon sehr aufgeregt und ich natürlich auch. Deine Bücher sind schon ein Weilchen auf meiner Wunschliste. Da ist es natürlich besonders schön, wenn man dem Menschen hinter den Büchern begegnen darf.
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Wenn du ein Tier wärst, wärst du ein …?
Am liebsten würde ich wohl als Katze wiedergeboren, da diese Stubentiger in vielen Bereichen das genaue Gegenteil von mir sind.
Ups! Interessante Begründung. Inwiefern?
Wo ich mit meinem Schwächen hadere, ständig ruhelos und getrieben bin und mir zu vieles zu Herzen nehme, strahlen Katzen eine beneidenswerte Selbstsicherheit, innere Ruhe sowie eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Umwelt aus. Nach meiner Vorstellung müssen Katzen darum ein recht entspanntes und sorgenfreies Leben führen.
Schaut so aus, das stimmt.
Womit kann man dich im Alltag glücklich machen?
Das kann vieles sein.
Umso besser! Was?
Eine spontane Einladung bei Freunden, überraschend freigewordene Zeit für das Schreiben, ein spontaner Ausflug mit Familie, ein Tag ohne neue besorgniserregende Nachrichten aus der Welt.
Letzteres wäre tatsächlich mal ein Grund zum Jubeln. Aber umso besser, dass dir die Freude an den kleinen Dingen nicht abhanden gekommen ist. Aber lass uns noch einen Augenblick bei den großen Wünschen bleiben …
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Wir alle haben Wünsche, für uns, für die Welt. Was sind deine und was tust du, damit deine Wünsche in Erfüllung gehen?
Ich wünsche mir, dass viele reale und imaginäre Grenzen, die uns voneinander trennen, in Zukunft mehr und mehr verschwinden und sich die Menschheit endlich als Gemeinschaft definiert, die sich über das Privileg bewusst ist, diesen schönen Planeten bewohnen zu dürfen.
Oh ja, das wäre toll. Skoutz ist auch losgezogen, um wenigstens in der Buchwelt nach Gemeinsamkeiten zu suchen und Brücken statt Gräben zu bauen.
Es wäre zudem ein Traum, wenn mehr Menschen als heute irgendwann erkennen würden, dass Konsum nicht gleichbedeutend mit Glück ist und Verzicht nicht zwangsläufig zu Lasten der Lebensqualität geht. So gut wie alle Eltern lieben ihre Kinder und Großeltern ihre Enkel. Es liegt in der Verantwortung der Erwachsenen heute, unsere Umwelt zu bewahren und unseren Nachgeborenen einen Lebensraum zu hinterlassen, der diese Bezeichnung noch verdient.
Da rennst du bei mir offene Türen ein. Ich finde es so schrecklich, wie wir sehenden Auges einfach nur dämlich sind. Aber wünschen allein wird nicht reichen.
Genau. Das wird allerdings nur funktionieren, wenn wir bereit sind, unsere Art zu leben zu hinterfragen und uns in einigen Bereichen künftig deutlich einzuschränken. Leider fühle ich mich oft ohnmächtig und sehr klein angesichts der gewaltigen Herausforderungen für die Menschheit.
Und wie gehst du mit diesem Gefühl um?
Dennoch versuche ich nach meinen Möglichkeiten, im Einklang mit meinen Grundsätzen zu leben, und an der Wahlurne den politischen Parteien meine Stimme zu geben, denen ich es am ehesten zutraue, uns auch mit schmerzhaften Wahrheiten zu konfrontieren und einen nachhaltigen Wandel einzuleiten.
Ich glaube auch an die Kraft der kleinen Schritte. Wenn man für sich anfängt und immer weiter macht … dann gewöhnt man sich daran, lernt aus seinen Irrtümern und steckt idealerweise auch andere an. Autoren haben da ja zusätzlich noch die Möglichkeit, motivierende Geschichten zu schreiben.
Damit kommen wir schon recht nahtlos zum Lesen.
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Welches Buch hat dich am meisten geprägt?
In jeder meiner Lebensphasen gab es unterschiedliche Bücher, die mich als Mensch und Autor geprägt haben.
Du kannst gern auch mehrere nennen oder das wählen, dass dir spontan sofort eingefallen ist, als ich gefragt habe.
Wenn ich wählen müsste, würde ich wahrscheinlich die Harry Potter-Reihe wählen, die ja zusammen eine komplette Geschichte ergibt. J.K. Rowling, die als völlig unbekannte Autorin und unter schwierigen persönlichen Umständen ein solches Meisterwerk erschaffen konnte, hat mir damals den Mut gegeben, als Spätberufener mit dem Schreiben zu beginnen und alle Hürden zu nehmen, um meinen ersten Roman zu vollenden.
Ich habe die Reihe um Harry Potter auch verschlungen und bin dafür sogar nachts aufgestanden, um den nächsten Band in Empfang zu nehmen *lach*. Wir haben das Buch natürlich schon besprochen (hier), aber solche Zusatzinformationen wie diese finde ich besonders wertvoll. Ohne Harry kein Autor Patrick Hertwick, das ist doch wunderschön, wenn der Funke, die Buchleidenschaft entfacht und weitergegeben wird. Hach!
Bleiben wir noch kurz beim Buchregal.
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Welcher Klassiker liegt allen Vorsätzen zum Trotz immer noch auf deinem SuB? Und welches Buch hätte deiner Meinung nach deutlich mehr Leser verdient und warum?
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich viele Klassiker nicht gelesen habe und es macht mich traurig, dass ich höchstwahrscheinlich in meiner verbleibenden Lebenszeit nur noch einen Bruchteil dieser Werke werde lesen können.
Ach je. Das ist tatsächlich das größte Dilemma des Buchnerds: So viele Bücher, so wenig Zeit! Und welches zwickt dich besonders?
Ganz oben auf meinem SuB liegt seit Urzeiten etwa Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften*“.
Dann drücken wir dir die Daumen, dass du noch ganz viel Zeit für jede Menge an Klassikern finden wirst. Einer der Gründe, warum Autoren weniger lesen als sie wollen, ist ja wohl der, dass sie schreiben müssen (sagt zumindest dein Kollege Uwe Hermann). Lass uns also über deine Schreiberei plaudern.
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Themen finden ist oft einfacher als aus den vielen Ideen, die richtige Auswahl zu treffen. Wie entscheidest du, welches Projekt du als nächstes verwirklichst?
Als Autor historischer Abenteuerromane bin ich ständig auf der Suche nach spannenden Ereignissen aus der Geschichte, nach interessanten Biografien oder inspirierenden Settings der Vergangenheit.
Da hast du natürlich unendlich viel Inspiration. Aber diese Masse am Eingang führt doch dann unweigerlich zu einem Gedrängel bei der Auswahl, oder?
Zwangsläufig sammeln sich über kurz oder lang eine Menge Ideen an und die Wahl aus diesen für das neue Romanprojekt fällt in der Tat schwer. Meine Erfahrung ist es, dass am Ende immer der Zufall einschreitet, um mich aus diesem Dilemma zu befreien. Über die Ideen für meine bislang drei Bücher bin ich immer rein zufällig gestolpert und jedes Mal wusste ich auf der Stelle, jetzt habe ich endlich den richtigen Stoff für mein nächstes Buch gefunden.
Dann hoffen wir, dass du noch häufig über solche Zufälle stolperst, damit wir noch jede Menge solch toller Geschichten von dir bekommen. Und wenn du dann losschreibst, wie ist es da?
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Wo stehst du beim Schreiben einer Szene? Bist du eher der aufmerksame Beobachter und Dirigent oder mittendrin in allen Höhen und Tiefen mit Blut, Schweiß und Tränen?
Meist habe ich keine Ahnung, was auf den nächsten Seiten meiner Geschichte geschehen wird und wem ich an der nächsten Ecke in meiner Romanwelt begegne.
Wie darf ich mir das als nur Lesende vorstellen?
Das Schreiben fühlt sich bei mir ungefähr so an: Zunächst stehe ich vor einem verschlossenen Tor und warte, bis es endlich vor mir aufgleitet. Dann blicke ich in die fremde Welt dahinter, betrete diese durch den geöffneten Durchgang, und beobachte, was sich dort abspielt. Es fühlt sich dann stets so an, als seien alle Personen meiner Geschichte schon immer dort gewesen, und hätten nur darauf gewartet, endlich mit der Handlung beginnen zu können, damit ich diese wie ein Chronist niederschreibe und anderen zugänglich mache. Daher empfinde ich mich im Grunde genommen nicht als Schöpfer der Geschichten, sondern eher als eine Art Vermittler zwischen der Welt der Fantasie und unserer Realität.
Das haben wir schon ein paar Mal so ähnlich gehört – das nur aufgeschrieben wird, was die Protas erzählen. 🙂 Aber selten so bildhaft wie du es schilderst.
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Welche Szenen fallen dir beim Schreiben am schwersten und wie meisterst du sie trotzdem?
Ich habe meist Respekt vor Szenen, die in einer für mich fremden Umgebung spielen und in welchen Personen auftreten, die ich noch nicht kenne. In „Der letzte Rabe des Empire“ etwa gibt es einige Szenen mit Queen Victoria im Buckingham Palace. Da habe ich mich ernsthaft gefragt, ob ich das glaubhaft hinbekommen kann. Aber inzwischen habe ich gelernt, dass man als Schriftsteller in verschiedenartigste Szenerien eintauchen und in die Haut völlig unterschiedlicher Menschen schlüpfen kann, wenn man sich ernsthaft vorbereitet und ausreichend Mühe gibt.
Das sehe ich auch so, auch wenn man da gelegentlich andere Meinungen hört. Ich denke, es ist eine Frage des Respekts, wie man sich dem Studienobjekt nähert.
Was ist dir beim Schreiben deiner Geschichten am wichtigsten, worauf achtest du besonders?
Dass ich im Subtext nicht nur die eigentliche Handlung transportiere und Figuren zeichne, die für die Leserinnen und Leser am Ende der Geschichte zu mehr geworden sind als Buchstaben auf dem Papier.
Ist das nicht immer so? Dass aus den Buchstaben Bilder werden, die sich zu Welten verdichten, in die man beim Lesen eintauchen kann? Für mich ist das Buchmagie.
Mal was anderes, nämlich zum Gemütszustand eines Autoren *lach*.
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Es heißt, jeder Künstler muss auch ein bisschen wahnsinnig sein. Was ist dein Schuss „Wahnsinn“?
Wenn man sich manchmal in der „heißen“ Schreibphase vormittags in die düstere Ecke seiner Stammkneipe vor seinen Laptop und den ersten von vielen Kaffees setzt, sich dort den ganzen Tag nicht von der Stelle rührt, während draußen die Sonne scheint und das Leben tobt, und man dort noch immer vor einer leeren Seite hockt, wenn um zwei Uhr am nächsten Morgen allmählich die Stühle hochgestellt werden, dann fragt man sich schon, ob man völlig übergeschnappt ist, sich so etwas anzutun.
Hm … ich sehe den Punkt. Vor allem, wenn die Seite dann immer noch leer ist. Und wie löst du das?
Gottlob vergesse ich solche Qualen immer gleich wieder, sobald sich das oben genannte Tor öffnet und die richtigen Worte endlich den Weg in meinen Kopf finden.
Also ist für die die Stammkneipe eher so der Wartesaal für das Weltentor. Das Bild gefällt mir.
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Beschreibe dein aktuelles Buch in 3 Sätzen
Der 13-jährige Clarence Clearwater zieht nach einem Schicksalsschlag mit seiner Mutter von der Westküste in eine alte Villa in einem düsteren und verschlafenen Ort mit Namen Gloomhill. In der Mansardenwohnung lebt die steinalte und pflegebedürftige Hausbesitzerin, die von Clarences Mutter gepflegt wird, die er aber selbst nie zu Gesicht bekommt. Als Clarence in einem Schrank einen Karton voller alter Tonbänder findet, auf welchen eine frühere Bewohnerin Nachrichten hinterlassen hat, geht ihm allmählich auf, dass in dem Haus und auch dem Ort nicht alles mit rechten Dingen zugeht.
Oh! Das klingt nach einer wunderbaren Herbstlektüre, wenn es wieder ein bisschen gruseliger werden darf, wenn man sich in den Sessel kuschelt, um ein bisschen zu lesen. Sag unbedingt Bescheid, wenn es soweit ist!
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Was würdest du noch gerne lernen und wozu?
Leider spreche ich viel zu wenige Sprachen. Unglaublich gerne würde ich noch einige lernen, um mich dann in fremden Ländern mit den Leuten dort besser verständigen und austauschen zu können.
Das ist immerhin ein Wunsch, an dem man jederzeit noch feilen kann. Das ist auch einer der Vorteile der Technik, dass so etwas viel leichter ist als noch vor zehn, zwanzig Jahren.
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Welcher Moment im Leben hat dich besonders geprägt?
Da kann ich wahrscheinlich keinen herausnehmen.
Aber im Rückblick betrachtet, haben mich gewiss die Niederlagen und traurigen Ereignisse in meinem Leben weit mehr geprägt und zu einem Schriftsteller reifen lassen als Erfolge oder Glücksmomente.
Es ist schon erstaunlich, dass es wohl meist die negativen Momente im Leben sind, die ein so prägen.
Leider sind wir schon fast wieder am Ende, doch da wäre noch was …
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Was sollen deine letzten Worte sein?
Kinder seid glücklich, geht eure eigenen Wege und macht einiges besser als eure Vorfahren.
Oh ja! Leider ist Erfahrung das, was man immer erst im Nachgang hat.
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Und mit welchen Worten soll dieses Interview enden?
Mit meinen oben genannten letzten Worten um die Bitte ergänzt: Lest weiter eifrig Bücher, denn sie befähigen uns, auch einmal andere Perspektiven einzunehmen, komplizierte Sachverhalte besser zu verstehen und die Fähigkeit für eine differenzierten Betrachtungsweise zu bewahren.
Lieber Patrick, wir sagen Dankeschön für deine Zeit und greifen deinen Wunsch auf, mehr Bücher zu lesen. Denn darum geht es doch auch bei uns. Für deinen Raben wünschen wir dir auf alle Fälle noch viel Erfolg und guten Flug im weiteren Wettbewerb!
Hier erfahrt ihr mehr über Patrick Hertweck
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- Wir waren auch schon vor ein paar Jahren bei Patrick und haben mit ihm über Ideen, Leserkomplimente und die richtige Behandlung von Protagonisten geplaudert. hier
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Skoutz-Lesetipp
Tara und Tahnee: Verloren im Tal des Goldes – Kinderwestern von Patrick Hertweck
Spannende Abenteuergeschichte über zwei Mädchen, die im Wilden Westen einem lange gehüteten Geheimnis auf die Spur kommen.
Sierra Nevada, 1856.
Mühsam kämpft sich Tahnee durch die Wildnis. Sie muss ihrem Vater helfen, der von Kopfgeldjägern gejagt wird. Immerzu denkt sie an das Versprechen, das sie ihm gegeben hat: Sie muss es schaffen, nach San Francisco zu kommen! Noch ahnt sie nicht, dass dort in einem herrschaftlichen Anwesen Tara lebt, mit der sie ein besonderes Schicksal verbindet …
Skoutz meint: lalala
Das Buch findet ihr über unseren Affiliate-Link bei Amazon* und auf der Seite des Verlags*
Hinweis:
In diesem Jahr hat sich die bei Skoutz bestens bekannte Autorin Lilly Labord erboten, die Schirmherrschaft über unsere neue Kategorie Kinder- und Jugendbuch zu übernehmen. Eines der Bücher, das von Lilly in die Midlist Kinder-und Jugendbuch 2022 gewählt wurde, ist „Der letzte Rabe des Empire“ von Patrick Hertweck das im August 2021 bei Thienemann erschienen ist. Ein spannender Lesegenuss, der ins historische England entführt. Eine mysteriöse Mordserie, die die Stadt in Schrecken versetzt. Auch der junge Melvin verfolgt die Ereignisse gut, er kannte jedes der Opfer. Dann wird das Mädchen, das er liebt getötet und er möchte die Mordserie aufklären.
Wir haben das Buch bereits gelesen und euch hier ausführlich vorgestellt.
Wer die Bücher schon kennt, kann (und soll!) sie bei unserer Buchdatenbank bewerten, damit unsere Buchsuche besser werden kann (weiter).
Mit der Skoutz-Buchfieberkurve bewertet ihr mit fünf einfachen Klicks ein Buch anhand von fünf Kriterien statt fünf Sternen. Auf einen Blick seht ihr dann, wie das Buch wirklich ist. So schön kann Bücher suchen sein. So einfach entsteht eine aussagefähige Buchbewertung.