Zu Besuch bei: E.F. von Hainwald (Juror Science Fiction 2022)
Heute besuche ich mit dem Skoutz-Kauz einen lieben Autorenfreund. E.F. von Hainwald hat im letzten Jahr den Science Fiction-Kauz gewonnen und daher in diesem Jahr erfreulicherweise das Jurorenamt in dieser Kategorie übernommen. Grund genug, mit ihm über seine Vorstellungen von dem Job, Wölfe, Storylines und natürlich Bücher zu plaudern.
Zu Besuch bei E.F. von Hainwald, der scharf auf geilen Scheiß ist
Lieber Enrico, ich freue mich sehr, dich in deiner neuen Heimat Berlin besuchen zu dürfen, und noch mehr, dass wir in diesem Jahr über den Skoutz-Award auf jeden Fall mehr miteinander zu tun haben werden. Neben ein paar Fragen zu diesem verantwortungsvollen Amt, möchte ich mich mit dir aber auch über Bücher und dein Autorenleben unterhalten.
Kaffee steht auf dem Tisch, Kekse habe ich dabei. Lass uns loslegen!
Wenn du ein Tier wärst, wärst du ein …? (Und warum?)
… Wolf – freiheitsliebend, aber nahe seinen Liebsten – und flauschig, sehr flauschig.
Diesen letzten Grund habe ich nicht kommen sehen. Aber ja! Unbestritten.
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Womit kann man dich im Alltag glücklich machen?
Einem guten Frühstück … oder einem gelungenen Abendessen … also Essen – ich bin so simpel…
Darum verstehen wir uns auch so gut. In unserem steten Hunger vereint. Aber man sagt ja Wölfen einen gesegneten Appetit nach. Lass uns das nächste Interview bei einem Essen führen – oder besser beenden. Als Belohnung.
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Wir alle haben Wünsche, für uns, für die Welt. Was sind deine und was tust du, damit deine Wünsche in Erfüllung gehen?
Hmmmh … Freiheit und bei meinen Liebsten sein (kommt mir grad irgendwie bekannt vor).
Oh ja. Und im größeren Rahmen?
Dazu wäre eine freundlichere Menschheit ein großer Wunsch – und das nicht erst seit den letzten zwei Jahren. Ich verändere viel in meinem Leben und im Kopf, um das für mich zu erreichen – neue Lebensumstände, andere Routinen, andere Blickwinkel…
Warum?
Nun, Wünsche real werden lassen, beginnt immer bei uns selbst.
Wohl wahr, wenn auch viele zu viele Menschen – so mein Eindruck – glauben, dass es genügt, beim Universum einen Wunschzettel abzugeben und dann dessen Erfüllung lautstark zu fordern. Darüber, wie man den Blickwinkel bewusst wechselt, könnten wir uns mal gesondert unterhalten. Das wäre sicherlich auch spannend.
Aber jetzt bleiben wir mal bei der Literatur. Wir sind ja nicht zum Spaß hier.
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Welches Buch hat dich am meisten geprägt?
Ich wünschte, ich könnte sagen: der Duden. Leider wird mir da meine Lektorin widersprechen – oder weinen. Dann war es wohl doch nur »Wreaththu« von Storm Constantine.
Was heißt hier nur? Es ist lang her, dass ich das gelesen habe, aber ich war damals, als Teenie, von der Grundidee, einfach bessere Menschen zu basteln, sehr fasziniert. Und von dem, was Storm Constantine daraus gemacht hat, noch viel mehr. Aber jetzt, wo du es sagst, merkt man den Einfluss auch in deinen Büchern ein bisschen.
Bleiben wir noch kurz beim Buchregal. Welcher Klassiker liegt allen Vorsätzen zum Trotz immer noch auf deinem SuB? Und welches Buch ist hätte deiner Meinung nach deutlich mehr Leser verdient und warum?
Setz dich bitte…. ja, wirklich. Tu’s einfach. Also: Ich habe keinen SuB – kein Scheiß!
Ich bin stark. Das hat mir Jenny Völkers auch schon gesagt. Ich glaube, ihr stellt euch den zu physisch, zu real vor, wie so einen Turm von Babel, gebaut aus Büchern, der bis zum Mars oder weiter reicht. Als wir die Frage diskutiert haben, hatten wir da eher so eine mentale Liste von Büchern, die einen interessieren würden, die man aber – warum auch immer – noch nicht gelesen hat. Aber gut. Bleiben wir beim zweiten Teil der Frage: Welches Buch leidet unter einem ungerechten Schicksal
»Tristopolis« (2 Bände) ist schwer unterschätzt – leider wohl auch schon (als Auflage – gebraucht gibt’s glaube ich noch) vom Markt verschwunden.
Schade, denn davon hab ich noch nicht gehört.
Lass uns über deine Schreiberei sprechen.
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Themen finden ist oft einfacher als aus den vielen Ideen, die richtige Auswahl zu treffen. Wie entscheidest du, welches Projekt du als nächstes verwirklichst?
Nach Bauchgefühl. Seit zwei Jahren schaue ich allerdings auch auf den Markt.
Wenn man davon leben will, ist das auf jeden Fall ratsam. Das versuchen wir beim Coaching auch immer zu vermitteln.
Ich schreibe zwar nicht hauptberuflich oder nur für’s Geld – aber was bringt es, wenn ein Roman nicht gelesen wird, weil die Leserschaft gerade den Kopf woanders hat? Es ist auch wenig hilfreich für die Motivation, wenn das Buch komplett auf seinen Kosten sitzen bleibt.
Wohl wahr. Und letztlich ist Schreiben ja auch eine besondere Form der Kommunikation, meinst du nicht?
Genau. Ich möchte, dass meine Geschichten Leser erreichen – und dafür muss ich sie eben auch im richtigen Moment erwischen.
Das mit dem Moment ist sehr weise. Ich glaube ja buchphilosophisch, dass es für jeden Menschen und jedes Buch den richtigen Zeitpunkt gäbe, aber es ist halt schwer den zu finden. Aber wenn es darum geht, ein Anliegen in die Welt zu tragen, ist es oft auch eine Frage der Verpackung und damit meine ich nicht nur das Cover. Oft kann man ein sperriges Buch mit wirklich relativ kleinen Mitteln für den Buchmarkt hier und jetzt deutlich attraktiver machen.
Was mich wie zufällig zur nächsten Frage, nämlich dem Schreiben im Detail, bringt.
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Wo stehst du beim Schreiben einer Szene? Bist du eher der aufmerksame Beobachter und Dirigent oder mittendrin in allen Höhen und Tiefen mit Blut, Schweiß und Tränen?
Ich bin mittendrin, ich bin der Charakter – oder vielleicht eher seine willige Marionette?
Ah! Das kenne ich. Ich wehre mich zwar manchmal, aber meist erfolglos. Meine Figuren sind sehr willensstark. Darum wahrscheinlich mag ich auch deine Charaktere so. Sie sind so menschlich. Selbst wenn sie Roboter sind.
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Welche Szenen fallen dir beim Schreiben am schwersten und wie meisterst du sie trotzdem?
Wie der Charakter von A nach B kommt. Das könnte man zwar immer mit Absätzen überspringen, aber das verspielt meiner Meinung nach oft Setting und Flair (und zerhackt die Handlung).
Da gebe ich dir aus eigener Erfahrung recht und bin jetzt sehr gespannt, wie du das handwerklich löst.
Ich baue witzige Dialoge oder Weltenbau in diese Bewegungen, damit der Leser und ich Spaß daran haben.
Klappt! Also, soweit es mich betrifft.
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Was ist dir beim Schreiben deiner Geschichten am wichtigsten, worauf achtest du besonders?
Nahbare Charaktere und Twists, die den Lesern das Gesicht kurz entgleisen lassen.
Hihi … WTF-Momente hatte ich bei Emotiondancer einige.
Jetzt kommt eine Frage, auf die ich mich besonders freue …
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Es heißt, jeder Künstler muss auch ein bisschen wahnsinnig sein. Was ist dein Schuss „Wahnsinn“?
Wie nennt man Leute, die nicht nur »ein bisschen wahnsinnig« sind?
Total wahnsinnig. Muahaha.
Aber komm, jetzt haben wir so viel über vergangene Schreibabenteuer gesprochen. Stille meine Neugier mit einer kleinen Vorausschau:
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Beschreibe dein aktuelles Buch in 3 Sätzen
Vielleicht war der kalte Krieg niemals zuende, sondern hat sich nur verlagert? Die Gesellschaft flüchtet sich nicht nur in virtuelle Welten, sondern macht die Realität zu einer Illusion. Wenn Computer-Codes und Biologische Wesen einander aber plötzlich besser verstehen als geahnt, dann wird Illusion vielleicht zur Realität.
Oh, wow! Da spielt schon auch ein gerüttelt Maß Zeitgeist rein. Darauf freue ich mich.
Musst du nicht, denn das gibt es schon. Ein Gemeinschaftsprojekt, „Touch of Utopia„* enthält vier queere Sci-Fi-Novellen und eine ist eben von mir.
Damit wenigstens mein SuB nicht verhungert.
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Was würdest du noch gerne lernen und wozu?
Vielleicht eine Kampfkunst – zum Kopf abschalten und für die Gesundheit.
Das mit der Gesundheit ist jetzt irgendwie zweideutig, findest du auch?
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Welcher Moment im Leben hat die besonders geprägt?
Ähm … die Geburt?
Wer will da widersprechen. Es ist jedenfalls eine conditio sine qua non.
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Was sollen deine letzten Worte sein?
Ich bereue nichts.
Noch ein kleiner Edith Piaf-Fan? Je ne regrette rien.
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Und mit welchen Worten soll dieses Interview enden?
Er kam, sah und fabrizierte keinerlei Rechtschreibfehler.
Gewährt!
Hier gibt es noch mehr über und von E.F. von Hainwald
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und natürlich die Midlist Science Fiction 2022 von Enrico
Enrico und der Science Fiction-Skoutz 2022
Weil wir ja nicht zum Spaß mit E.F. von Hainwald geplaudert haben (auch wenn es irre viel Spaß gemacht hat), haben wir hier noch ein paar Fragen zum Science Fiction-Skoutz. Wie geht E.F. von Hainwald an die opulente Longlist heran, um sie auf die 9 Titel der Midlist zu verkürzen, von der aus dann die gemeinsame Reise bis zum Finale weitergeht?
Was hat dich bewogen, den Jury-Job zu machen? (Vielen Dank dafür!)
Verdammt große Neugier und auch weniger bekannte Autoren, die geilen Shit schreiben, Sichtbarkeit zu verschaffen.
Ich sehe, wir haben den richtigen Mann an der richtigen Stelle!
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Was macht für dich ein gutes Buch aus?
Greifbare Charaktere, frische Handlungsstränge und eine unvorhersehbare Storyline.
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Worauf achtest du bei deiner Auswahl besonders?
Wie oft ich ein Buch zur Seite lege, ohne dass es mich schmerzt.
Ja, das ist ein schöner Indikator für die Macht einer Geschichte.
Skoutz-Lesetipp: Second Horizon – Kluge Cyberdystopie von E.F. von Hainwald
»Ist so etwas Unvollkommenes wie der Mensch dazu in der Lage, ein perfektes Wesen zu schaffen?«
Das Antlitz der Welt wurde durch Wissenschaft, Magie und die ewigen Mühlsteine der Zeit geformt – nichts ist vom Griff des Fortschritts unberührt geblieben.
Wolf ist in einem Zustand zwischen Mensch und Bestie gefangen, der innere Kampf zwischen Instinkt und Verstand bestimmt seinen Alltag. Als plötzlich eine junge Frau vom Himmel fällt und sich ihm nur als Babe vorstellt, ahnt er nicht, dass mehr als nur seine Freiheit auf dem Spiel steht. Durch eine körperlose Hackerin und einen düsteren Exorzisten verwischen die Grenzen zwischen Richtig und Falsch. Gemeinsam wagen sie sich viel zu nah an das Herz der Machthabenden und müssen sich fragen, was ihnen Vertrauen und Selbstbestimmung wert sind.
Im Kampf gegen ihre eigenen Ketten lenken sie den gierigen Blick des letzten Gesetzes auf sich – die Krone menschlichen Schaffens, Wesen aus lebender Technik und verdrehter Magie: Die Engel.
Skoutz meint: Der Klappentext verspricht eine komplexe Story, in der viel passiert, und die für den Leser sicherlich einige Überraschungen bereithält – was wieder keine Überraschung ist, wenn man den Autor kennt.
Wenn man dann zu lesen beginnt, ist man schnell mittendrin in der Geschichte von Wolf, der irgendwie nirgends so richtig dazugehört und dazu auch das Talent hat, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Zum Beispiel, als Babe vom Himmel fällt. E.F. von Hainwald hat Freude am Fabulieren und am Erzählen, Das spürt man und das sieht man, denn es gibt viele kleine funkelnde Einfälle, oft nur in einem Nebensatz, die diese Geschichte zum Lesevergnügen machen. Ich würde mir wirklich mehr von diesem Autor wünschen. (kn)
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