zu Besuch bei: Ulrike Voss

Heute sind der Skoutz-Kauz und ich zu Besuch bei Ulrike Voss, die  von Tommy Herzsprung für ihre erotische Dreiecksgeschichte „Wie Gewitter“ in die Midlist Erotik 2019 gewählt wurde. Ich habe mir das Buch angesehen und war sehr berührt von der Geschichte einer etwas in die Jahre geratenen Beziehung, die durch eine dritte Figur auf den Prüfstand gerät. Gefühlvoll, leidenschaftlich, aber nie voyeuristisch … Da bin ich sehr auf den Kopf hinter den Zeilen gespannt.

 

 

zu Besuch bei Ulrike Voss, die Gefühlstiefe in die Erotik schreibt …

 

 


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In einem Wort: Was bedeutet für dich „Schreiben“?

 

Verwandlung

    Das überrascht mich jetzt. Sehr schön. Ich sehe, das Interview wird spannend.  

 

 

Was ist der seltsamste Ort, an dem du je geschrieben hast?  

 

Vielleicht war es der: als Kind auf einem unheimlichen, vollgestopften, staubigen Dachboden eines großen, zu der Zeit leerstehenden Hauses, das auf dem Weg zur Schule lag. Ich schrieb dort kindliche Abenteuergeschichten. 

    Das klingt sehr mutig, sich da hinein zu trauen und dann auch noch Schreibzeit zu verbringen. Respekt. 

 

Wie entstehen deine Geschichten?

Ich lasse mich von Erlebtem anregen (eigenes oder von Freundinnen). 

    So ein bisschen Autobiografie haben wir alle in den Geschichten. Was zieht dich da an? 

Oft drehen sich die Erinnerungen um Abgründiges in Liebesbeziehungen. Davon ausgehend plane ich Figuren, entwickle eine Romanhandlung. Ich verwandle und tausche die konkreten Menschen und Geschehnisse aus, so dass beispielsweise aus zwei mir erzählten Geschichten und etwas Selbsterlebtem Neues entsteht (in einem meiner bisher 5 Romane erzählte ich nur eine Geschichte, und die ziemlich nah am Leben. Natürlich wird immer literarisch verwandelt und komprimiert. 

    Patchwork-Schreiben, das stelle ich mir sehr anregend vor, wenn man nach Ansatz- und Verbindungspunkten sucht und das dann verfremdet. Wie hältst du es im Bezug auf das Neue mit der Recherche?

Wenn die Figuren Berufe haben, mit denen ich mich nicht auskenne, recherchiere ich mit Interviews. Da ich (wie viele) nicht vom Schreiben leben kann, nehme ich fürs konkrete Schreiben eines Romans Auszeiten von meinem Brotberuf. 

    Ich schreibe ja eher kontinuierlich ein bisschen jeden Abend, denn ich könnte mir solange die Details meiner Geschichte und auch die vielen Ideen zu ihr gar nicht merken. Wie machst du das? 

Bis dahin notiere ich alles, was mir einfällt, in Hefte: Stimmungen, Details der Geschichte, Gesprächsfragmente, meine Körperempfindungen 

    Körperempfindungen? 

Ich  möchte  Sexszenen weder nur in Andeutungen der Fantasie der Leser überlassen, noch allein das Mechanische beschreiben (à la „mit dem Daumen ihrer rechten Hand strich sie über den linken Oberschenkel von …“), sondern auch versuchen, auch das „innere“ Empfinden in Worte zu fassen. 

    Okay. da muss ich darauf achten, wenn ich mir das nächste Voss-Buch schnappe. So hat das jetzt noch niemand ausgedrückt. Es klingt aber sehr stimmig und logisch. Ich bin gespannt. 

    Und sonst?

Aktuelles aus Politik und Zeitgeschehen etc. –  alles wild durcheinander und bei jeder Gelegenheit, wo mir etwas einfällt, manchmal auch heimlich während der Arbeit (ich arbeite mit großen Gruppen), manchmal sogar (sollte ich nicht) beim Autofahren, ohne hinzusehen auf dem Schoß (das muss ich gleich nach Ankunft, bzw. solange ich, was ich aufgeschrieben habe, noch weiß, abschreiben, später kann ich es nicht mehr lesen). 

    Das möchte ich jetzt im Detail nicht kommentieren. Aber ich finde es toll, dass du so besessen, von deiner Geschichte bist, dass sie dich so in Besitz nimmt. Und wie ist das dann, wenn du dich ihr in der Schreibzeit voll und ganz widmest?

Die Auszeiten nutze ich zum „Schreiben pur“, also Aufwachen, Schreiben, Spazieren, was Essen, Schreiben bis zum Schlafen; manchmal die Nächte durch. Meistens verreise ich dazu, manchmal auch mit Freundinnen, die sind dann öfter mal genervt, weil ich viele Ausflüge nicht mitmache und nicht gerade kommunikativ bin. Oft fließt dann noch etwas aus der aktuellen Situation in den Roman ein, was die Freundinnen freut. 

    Eine kleine Hommage an ihre Geduld und ihr Verständnis. Das klingt fair.  Und sonst arbeitest du dann deine Notizbücher ab oder wie läuft das? 

Jedes Mal verändert sich während des Schreibens die Geschichte im Vergleich zu meinem Plan; das kennen, denke ich, alle, die schreiben. Die Figuren entwickeln ihr Eigenleben. In einem Roman schrieb ich beispielsweise ein Ende, das konträr zu dem war, was ich zuerst geplant hatte.

    Seufz. Ja, das kenne ich gut und höre es noch öfter. 

 

„Es wird immer weniger gelesen.“
Wie reagierst du auf diesen Satz?

„Gelesen“ wird ja auch online oder auf dem Smartphone etc., im Prinzip wird also nicht immer weniger gelesen. Wenn mit Lesen das Versinken in Büchern, in Romanen gemeint ist, mag sein, ist es sicher weniger geworden im Vergleich zu vordigitalen Zeiten, da das Versinken in Online-Inhalten und Facebook etc. ja auch Zeit in Anspruch nimmt, sich die Medien vervielfältigt haben, aber die Zeit natürlich nicht.

    Dagegen sollten wir was machen. Zeitschleifen einführen oder spezielle Lesetage. Die dürften Autoren auch zum Schreiben verwenden, da hättest du dann zusätzliche Auszeiten. 

 

Wie stehst du zu Schreibregeln, die bestimmen, was der 1. Satz auf keinen Fall enthalten darf, welche Worte man verwenden soll und welche zu vermeiden sind, wie lang ein Satz sein darf, etc.? 

Sich zu sehr nach Schreibworkshopregeln zu richten, kann Texte auch steril machen, wenig lebendig. Geht mir manchmal beim Lesen so, dass ich denke: da hat eine Autorin ihr Krimischreibworkshop abgearbeitet – das stört mich beim Lesen, der Sog ins Buch hinein stellt sich nicht ein. 

    Also eher nein zu Regeln? 

Aber selbstverständlich ist Schreiben auch Handwerk. Manchmal bemerke ich erst in der gedruckten Version, was ich hätte besser machen können – auch die Lektorin bemerkt nicht alles. Wird dann für zweite Auflagen korrigiert. Zu viele übrig gebliebene Füllwörter z.B., die zu streichen immer sinnvoll ist.

 

Welches Buch hat dich am meisten geprägt und warum?

Nur eines zu nennen fällt mir schwer. 

    Dann sag mir mehr. 

Klassiker unter Kinderbüchern, die ich von unseren Eltern übernahm, haben mich sicher geprägt, vor allem Abenteuergeschichten wie „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ von Michael Ende.

    Das habe ich auch geliebt. Ich bin so stolz, dass Ende uns mal in der Schule besucht hat. Das hat mich sehr zum Lesen motiviert. Und welche anderen Bücher gibt es noch? 

Später „Die Wand“ von Marlen Haushofer und „Das achte Leben“ von Nino Haratischwilli, ein spannender Generationenroman. Oder Regina Nösslers Roman „Dienstagsgefühle“, in dem es darum geht, warum man eigentlich weiß, dass man liebt, und ob das auf einmal weg  und wieder da sein kann, auch andere Romane und Thriller dieser und vieler anderer Autorinnen rund um Liebe und Erotik und Erwachsenwerden, auch Thriller. Ich lese viel zu viel, um ein Buch als das entscheidende Buch in Erinnerung behalten zu haben, leider … 

    Das ist in der Tat eine sehr interessante Antwort. Natürlich hast du Recht, dass verschiedene Bücher unter verschiedenen Aspekten in unterschiedlichen Bereichen und Phasen des Lebens prägend sein können. Ich finde auch, dass nie zweimal dieselbe Person dasselbe Buch lesen kann. Aber wenn wir schon von speziellen Büchern reden … 

 

Wenn du für einen Tag in ein Buch reisen könntest, in welches würde es dich ziehen? 

Vielleicht in „Wo Europa anfängt“, von Yoko Tawada, das ist ein längerer Prosatext in dem Buch „Wo Europa anfängt und Ein Gast“ über eine Reise mit der transsibirischen Eisenbahn, aber darin steckt viel mehr, eine Reise zwischen Japan und Europa, ins eigene Ich und so weiter. 

    Mit der Trans-Sib würde ich ja gern so mal reisen. Danke für den Buchtipp. Ist das nicht ungewöhnlich, wenn man sieht, in welchem Genre du dich so bewegst?

In die Krimis und Liebesabenteuer, die ich sonst so lese, möchte ich nicht unbedingt persönlich hineinsteigen, in die versinke ich als Ablenkung vom Alltag, denke an nichts, nicht an die Arbeit, nicht an Privates, nur ans Weiterlesen, an die Geschichte. Leider lese ich viel zu schnell, wenn ein Buch spannend und gut geschrieben ist.

 

Bist du ein mutiger Mensch? Wann hast du das letzte Mal was zum ersten Mal gemacht und was war das?

Zum ersten Mal eine getroffen, die ich bis dahin nur online kannte. Das ist nicht besonders mutig, machen ja alle dauernd, aber ich hatte das zum ersten Mal gemacht – war spannend, wie Fantasie und Realität aufeinander trafen. 

    Ich finde das bei Krimiautoren allerdings mutiger als bei anderen. Wer unwissend ist, muss nicht mutig sein. Und sonst so? Gibt es viele erste Male in deinem Leben?

Das ist inzwischen auch schon wieder gut ein Jahr her. Reisen an einen neuen Ort ist nichts Besonderes, mache ich natürlich auch, aber unter „erstes Mal“ fällt das nicht. Wenn ich verliebt bin, lass ich mich gerne zu ersten Malen überreden, das können Reisen sein, erotische Experimente etc.   

 

Was machst du, wenn du eine Nacht im Kaufhaus eingeschlossen wärst?

Alles angucken, herumstöbern. Schlafen sicher nicht

    Nein, das habe ich auch nicht erwartet. 

 

Was ist der erste Gedanke nach dem Aufstehen? Was machst du in der ersten Stunde nach dem Aufstehen?

Kaffeetrinken, was tun – bin morgens am konzentriertesten. 

    Arbeiten also? Krass! Und dann?

Frühstücken etc. kommt erst später. 

 

Welche Superkraft hättest du gerne?

Unangenehme Arbeiten (Korrigieren, Buchhaltung etc.) im Schlaf erledigen zu können.

    Wenn du dir das patentieren lässt, hättest du ausgesorgt. Das wäre toll. 

 

Welcher Irrtum kursiert über dich?

Keine Ahnung.

Was würdest du deinem 10 Jahre jüngeren Ich raten?

Sich nicht über nicht mehr zu Änderndes sinnlos aufzuregen

    Das kann man seinem gegenwärtigen Ich vermutlich auch noch raten. Andererseits ist diese Aufregung vielleicht notwendiger Teil eines Lernprozesses. So eine Art emotionale Memo-Technik. 

 

Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!

Lesen ist eine tolle, rauschhafte Beschäftigung. Man kann sich verlieren ohne Drogen.

    Dazu haben wir sogar ein Skoutz-Kärtchen, das wir dir gerne widmen. 

 

Liebe Ulrike, es war ein schönes, ausführliches Gespräch mit dir. Vielen Dank, auch für die Lesetipps. Ich wünsche dir viele kreative Schreibzeiten und dass du mit deinem Buch noch weit im Wettbewerb kommst. Vielleicht können wir ja auf der Skoutz-Gala unser Gespräch fortsetzen. Ich würde mich sehr freuen. 

Dankeschön! 

 

Ulrike Voss erreicht ihr am besten hier: 

 

Lesetipp: 

Das dritte Mal – doppelbödige Erotik von Ulrike Voss

Anna und Beate begegnen sich bei einem Wochenendseminar. Eine heiße Sommernacht, Gewitter, als die Liebe losgeht. Ein Roman mit dramatischen Wendungen, heißem Sex und einer düsteren Vergangenheit, die die Liebe bedroht. Es geht auch um besondere Augenblicke, die das Leben auf den Kopf stellen können. Es ist schwül. Anna realisiert, dass sie Beate schon einmal gesehen hat. Die beiden kommen sich näher und verbringen eine aufregende Nacht miteinander. Doch beide sind liiert. Ein One-Night-Stand, fürchtet Anna, und so ist es auch. Beate verschwindet nach dem Seminar aus ihrem Leben. Eines Tages, Anna ist inzwischen mit ihrem Studium fertig und auf Arbeitssuche, treffen sie einander zufällig wieder. Jetzt geht die Liebesgeschichte erst richtig los. Doch Beate wird von düsteren Erinnerungen verfolgt. Auch ihre vorige Beziehung ist noch nicht beendet. Als Beates Vater stirbt, erbt sie das verfallene Elternhaus. Unheimliches verbirgt sich darin. Vergangenheit lässt sich nicht verdrängen.
Skoutz meint:  Ein spannender Mix aus wiederentflammten Leidenschaften, Mystery und dem Schicksalhaften in der Leidenschaft. Und in einer sehr gekonnten Sprache, die anschaulich ist, ohne je anstößig zu sein, auch handwerklich ein Lesevergnügen abseits vom Mainstream. Das Buch ist quasi der Vorläufer zu „Wie Gewitter“. 
Weitere Informationen findet ihr auf der Produktseite des Verlags (hier)

 

 

Hinweis:

Eine Liebesbeziehung zwischen drei verschiedenen Menschen ist immer spannend. Besonders, wenn sie gut erzählt wird. In “Wie Gewitter”, das beim Konkursbuch Verlag veröffentlicht wurde geht Ulrike Voss außerordentlich sinnlich und mit poetischer Leidenschaft einer queeren Liebesbeziehung auf den Grund.

Ulrike Voss hat mit dieser abgründigen Story den Loverboy in der diesjährigen Jury, Tommy Herzsprung, überzeugen können. Und so wurde „Wie Gewitter“ aus den über 300 Titeln der Erotik-Longlist in die Midlist Erotik 2019 gewählt. Damit hat Ulrike Voss eine verdiente Chance auf den Erotik-Skoutz 2019 .

Mehr Informationen findet ihr in der ausführlichen Buchvorstellung. (Weiterlesen)

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