zu Besuch bei: Simon Geraedts

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Mein Besuch bei Simon Geraedts ist definitiv einer von der überraschenderen Sorte gewesen. Zunächst einmal beweist er auf sehr überzeugende Weise, wie veraltet die alte Weisheit ist, man solle seine Streifzüge durch verschiedene Genres unter verschiedenen Pseudonymen bestreiten. Simon schreibt knallharte und abgründige Thriller zwischen wunderbar poetisch verträumten Fantasy-Geschichten. Da ich selbst auch gerne außerhalb von Schubladen lebe, bin ich also mit großen Erwartungen ins idyllische Nettetal gereist.

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Zu Besuch bei Simon Geraedts, dem Poeten unter den Thriller-Autoren

Portrait GeraedtsWas ist dein »Sprit« beim Schreiben, woher nimmst du deine Ideen?

Eine Idee kommt meistens unerwartet und lässt sich weder erzwingen noch am Reißbrett entwerfen. Ideen sind wie Schmetterlinge, die mir unverhofft aus dem blauen Himmel entgegenflattern und sich auf meine Schulter setzen.

Das ist jetzt unerwartet poetisch für einen Psychothriller-Autor. :)  Aber da du ja „nebenbei“ noch traumhafte Fantasy schreibst, passt es dann irgendwie doch. Ideen sind also Schmetterlinge … und weiter?

Wann das passiert, lässt sich nicht vorhersagen. Manchmal beim Autofahren, manchmal in der Badewanne oder beim Rasieren.

Badewannen sind offenbar sehr kreative Orte. Michael Dissieux und ich sind auch Badewannenplotter.

Einmal kam mir die Idee für eine Kurzgeschichte während einer Achterbahnfahrt.

Gut, du hast gewonnen. Ich passe. In Achterbahnen wird mir schlecht. Da geht mir alles mögliche durch den Kopf, nur keine Ideen.

Mit hochrotem Kopf zu brüten, führt jedenfalls zu nichts. Ideen kommen am ehesten, wenn ich gerade gar nicht ans Schreiben denke. Wenn der Schmetterling aber heranflattert, muss ich vorbereitet sein und einen Kescher zur Hand haben, sonst ist er wieder weg – für immer! Deshalb gehe ich niemals ohne Smartphone aus dem Haus, in das ich spontan ein paar Stichworte eintippen kann.

Ein Smombie! Smartphone-Zombie. Bist du sicher, dass das mit den Schmetterlingen kein Vorwand ist? :)

 

Was würdest du tun, wenn du nicht mehr schreiben könntest?

Das wäre eine absolute Katastrophe.

Du bist Thriller-Autor. So ein bisschen Katastrophe hältst du aus. Wie würdest du mit ihr umgehen?

Wahrscheinlich wäre ich bis ans Ende meiner Tage deprimiert, weil mich nichts so sehr erfüllt wie das Schreiben. Zum Glück kann ich mir kein Szenario vorstellen, in dem das Realität wäre. Selbst wenn ich erblinden würde oder mich nicht mehr bewegen könnte, würde ich einen Weg finden, weiterhin zu schreiben. Das haben Helen Keller und Stephen Hawking schließlich auch geschafft.

Solang der Geist mitspielt, können wir heute das viel leichter als Helen Keller zu ihrer Zeit. Aber es gibt ja auch psychische Erkrankungen und andere wie Alzheimer … *schauder*

 

Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?

Zu keinem, ganz ehrlich.

Echt nicht? Keine schwachen Momente, in denen der Glaube ins Wanken kommt – oder Geier statt Schmetterlinge?

Natürlich erlebt man beim Schreiben Rückschläge, Frustration und Zweifel. Aber wenn man etwas wirklich liebt, beißt man die Zähne zusammen und rappelt sich wieder auf. Am Ende wird man durch die tiefe Befriedigung belohnt, die man empfindet, wenn ein weiteres Skript fertig ist, unter das man guten Gewissens seinen Namen setzen kann.

Wenn wir schon dabei sind …

 

Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?

Als ich das Ende meines Fantasyromans „Wächter der Erinnerungen“ geschrieben habe. Das war mein erster Vollroman, der mich fast sechs Jahre lang begleitet hat. Die Protagonisten waren im Laufe der Zeit so etwas wie Weggefährten für mich geworden. Sie beschäftigten mich in meinen Gedanken und sogar in meinen Träumen.

Das glaube ich sofort. Meine Protagonisten sind in vielerlei Hinsicht meine besten Freunde – und das nicht etwa, weil ich ein einsamer introvertierter Mensch wäre. Aber sie holen Seiten hervor, die ja irgendwie auch in mir drin gewesen sind und so verstehen sie mich aus ihrer Perspektive heraus manchmal besser als ich mich selbst. Und wie war das dann, als deine „Wächter“ fertig waren?

Als die Geschichte nach all der Zeit plötzlich zu Ende war, habe ich geheult wie ein Schlosshund. Vor Trauer und vor Glück!

Um der Trauer zu entgehen, versuche ich mir in meinen Storys immer noch ein klitzekleines Hintertürchen offen zu lassen, um doch noch einmal zurückkehren zu können.

 

Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?

Relativ wenig. Mein Leben verläuft eher unspektakulär und bietet kaum Stoff für spannende Thriller. Glücklicherweise verfüge ich über eine blühende Fantasie.

Die Details in deinen Büchern, was deine Protagonisten denken und fühlen, was sie mögen und hassen, wird trotzdem viel von dir verraten. Dein Leben birgt den Samen, den die Fantasie zum Blühen bringt. Obwohl Dominik Forster mit seinem Buch einen autobiografischen Thriller hingelegt hat und trotzdem sympathisch ist, beruhigt mich bei meinen Thrillerautoren doch, wenn der autobiografische Anteil eher abstrakt ist.

 

Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Autor machen kann?

Wenn ein Leser vergisst, dass es sich bei meinen Romanen um fiktive Geschichten handelt.

Das ist mal neu! Respekt. Klingt cool, obwohl das bei den „Wächtern“ doch eher viel verlangt ist. Das traumhaft-fantastische Element ist da recht dominant.

 

Wer ist für dich dein idealer Leser?

Mein idealer Leser ist keine echte Person, sondern eine imaginäre Gestalt, die ich mir im Zentrum meiner Zielgruppe vorstelle und beim Schreiben vor Augen führe.

Das ist nach den Schmetterlingen als Ideenspediteuren jetzt eine überraschend nüchterne Herangehensweise.

Ich lese das Geschriebene wieder und wieder und frage mich: „Würde meinem idealen Leser diese Stelle gefallen oder wäre eine andere Wortwahl griffiger? Ist dieser Vergleich passend oder trifft jener es besser?“ Dieser kleine Trick stammt aus Stephen Kings lesenswertem Ratgeber „Das Leben und das Schreiben“ und hilft mir sehr, den richtigen Ton zu treffen.

Ja, das Buch ist sehr gut und hilfreich. Ebenso wie der Ratgeber von James N. Frey. Ich finde es wichtig, dass man Schreiben ein Stück weit auch als Handwerk betrachtet, das  man mit Schweiß und Fleiß erlernen kann und muss. Es schadet nicht, Regeln zu kennen, bevor man sie bricht.

 

Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?

Da fällt mir sofort der Wärter aus meinem Thriller „Das Opfermesser“ ein. Auch wenn sein Motiv am Ende nachvollziehbar wird, konnte ich es nicht erwarten, ihn mit bloßen Fäusten halb tot zu prügeln. Ups, war das jetzt ein Spoiler? ?

Nur ein bisschen. Ich wollte ihn nicht totprügeln, sondern erwürgen. Aber ja, er weckt Emotionen …

 

Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?

Möchtest du dein Leben dem Schreiben widmen?

Das ist mit Blick auf deine ersten Antworten doch eher rhetorisch. Das hast du doch längst, zumindest im Herzen.

Ich danke für das spannende Gespräch und wünsche dir und dem Opfermesser noch viel Erfolg beim Wettbewerb.

 

Hier könnt ihr Simon Geraedts treffen:

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Skoutz-Lesetipp: Wächter der Erinnerungen 1: Das Band der Freundschaft – fantastisches Jugendbuch von Simon Geraedts

Geraedts - Wächter d. Erinnerungen„Bei der Freundschaft verschmelzen zwei Seelen und gehen derart ineinander auf, dass sie die Naht nicht mehr finden, die sie einte.“ (Michel de Montaigne)
Seit dem Tod seiner Mutter ist Kevin verängstigt und still. In der Schule ist er ein Außenseiter und wird gehänselt. Nur Daniel schließt mit ihm Freundschaft. In den Weizenfeldern am Stadtrand entführt Kevin ihn in wundervolle Träume und Gedanken. Er spricht von höheren Welten und von Wächtern, die sie beschützen. Lange glaubt Daniel, diese Geschichten seien erfunden. Doch eines Nachts zeigt Kevin ihm einen märchenhaften Ort jenseits von Raum und Zeit – das Wunderland der Erinnerungen.

Sieben Jahre später erinnert Daniel sich nur noch vage an die besondere Nacht von einst. Doch die Vergangenheit holt ihn ein, als Kevin ihm ein furchtbares Geheimnis anvertraut: Die Welt, wie wir sie kennen, ist dem Untergang geweiht. Daniel erfährt, dass sein Freund ein Wächter der Erinnerungen ist und eine dunkle Macht das Jenseits bedroht. Kevin ist ausersehen, ins Reich der Toten zu reisen und den Kern des Bösen zu zerschlagen. Doch er braucht Daniels Hilfe. Nur das besondere Band ihrer Freundschaft kann die kosmische Ordnung bewahren.

Skoutz meint:  Ein ungewöhnliches Buch, das Freundschaft und das, was sie im Zeitalter von virtuellen Flüchtigkeitsfreunden ausmacht. Ein Buch über das Erwachsenwerden und über den Tod. Die komplexen Themen werden von den Protagonisten sehr nachvollziehbar und glaubwürdig  transportiert und sind in eine wunderschöne Handlung verwoben, die zwar zum Nachdenken anregt, aber nie aufdringlich Meinungen postuliert, sondern einfach eine angenehme Lesezeit beschert. So soll das sein. Wir werden garantiert den zweiten Band auch noch lesen.

 

Das OpfermesserHinweis:

Simon Geraedt, der auch ganz hervorragende Thriller schreibt, wurde von Demetria Cornflied für sein Buch „Das Opfermesser“ in die Midlist Horror des Skoutz-Awards 2016 gewählt. Von dort aus hat er es geradewegs mit Hilfe der Leser und restlichen Jury in die Shortlist geschafft. Das heißt, er tritt im September in der Finalrunde gegen 2 weitere Titel für den Horror-Skoutz 2016 an, der im Oktober zur Buchmesse verliehen wird.

Wer Simon also auch von einer ganz anderen Seite kennenlernen möchte, der sollte sich unsere ausführliche Vorstellung seines nominierten Horror-Thrillers unbedingt zu Gemüte führen (weiterlesen).

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