zu Besuch bei: Oke Gaster
Normalerweise besuche ich Horror-Autoren gerne in den Abendstunden. Finde ich irgendwie passend und da habe ich auch nicht so viele andere Termine. Oke Gaster wollte mich unbedingt frühmorgens treffen. Und das ist bei weitem nicht das einzig Ungewöhnliche an diesem Gespräch mit dem Beschwörer des Alltags-Horrors, der in Mietshäusern, am Straßenrand oder überall um uns herum auf seine Opfer lauert …
Zu Besuch bei Oke Gaster – dem Meister alltäglichen Horrors
Was ist dein »Sprit« beim Schreiben, woher nimmst du deine Ideen?
Die Ideen kommen einfach. Meistens aus heiterem Himmel. Sowohl die Ideen für das Grundgerüst zu einer Story, als auch die Ideen, wie eine Geschichte weitergehen soll. Ich bin also – wenn man so will – mein eigener Sprit :-). Aber ich gebe zu, dass Kaffee und Nikotin sich den zweiten Platz teilen. Da ich immer in den frühen Morgenstunden schreibe, wäre ich ohne diese kleinen Hilfsmittelchen gar nicht denk- und lebensfähig ;-).
Da begänne für mich schon der Horror. Die frühen Morgenstunden sind jener Teil des Tages, denen ich mich freiwillig nur von der anderen Seite nähere.
Was würdest du tun, wenn du nicht mehr schreiben könntest?
Das ist schwer zu sagen, denn eigentlich habe ich in meinem Leben immer irgendetwas geschrieben. Seien es nun Briefe, Liedtexte, Gedichte oder Romane. Mir würde wirklich etwas fehlen, wenn ich nicht mehr schreiben könnte.
Liedtexte und Gedichte? Das bewundere ich. Mir fehlt da leider jegliches Talent. Ich bin sozusagen taktlos bis ins Mark. Aber im Ernst – was würdest du machen?
Vermutlich würde ich stattdessen lesen ;-).
Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?
Ernsthaft darüber nachgedacht, mit dem Schreiben aufzuhören, habe ich eigentlich noch nie. Da ich aber nebenbei Familienvater bin und auch noch einen Hauptberuf habe, das Schreiben aber einen immensen Part in meinem Leben eingenommen hat (selbst an Weihnachten, zu Ostern oder im Urlaub gönne ich mir da keine Auszeit) und ich an jedem Tag im Jahr viele Stunden vor meinen Lieben wach bin um zu schreiben, habe ich mir schon hin und wieder mal die Frage gestellt: „Junge, was zur Hölle machst du hier eigentlich?“
Hehe… kann ich mir denken. Und wie geht es dann weiter?
Sobald ich dann aber ein, zwei Tassen Kaffee getrunken, die erste Zigarette geraucht habe und vor meinem Buch sitze, sind diese Gedanken auch schon wieder wie weggeblasen. Das Schreiben ist kräftezehrend und mitunter sehr, sehr anstrengend und fordernd. Dennoch schreibe ich viel zu gerne, um jemals damit aufhören zu wollen.
Das zu hören, dürfte deine wachsende Fangemeinde beruhigen.
Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?
Zugegeben hat das nicht direkt etwas mit dem Schreiben zu tun – emotional war das Erlebnis dennoch.
Dann erzähl. Ich bin bei der Auslegung meiner Fragen seeeeehr großzügig.
Immer wieder wurde mir schon von verschiedenen Leuten gesagt: „Mach immer eine Sicherungskopie von dem, was du zuletzt geschrieben hast. Sicher ist sicher!“
Jo, das klingt vernünftig, nicht wahr?
Habe ich mir irgendwann auch mal zu Herzen genommen und es gemacht. Zumindest ein oder zwei Mal.
Oh Gott! Ich ahne, was kommt. Du bist echt ein Meister des Alltags-Horrors. Aber erzähl, wie ging es weiter?
Dann, eines schönen Tages, ging ich an meinen PC um zu schreiben. Und was war? Das Teil ging nicht an. Irgendwie hatte sich über Nacht die Festplatte komplett zerschossen. Clever wie ich war, hatte ich natürlich eine Sicherungskopie gemacht. Allerdings zu einem Zeitpunkt, als ich ca. 20 Seiten geschrieben hatte. Mittlerweile waren gut und gerne 60 weitere dazugekommen. Ihr könnt mir glauben: Ich hätte heulen, schreien, kotzen und Amok laufen können! Aber das hätte auch nichts an der Misere geändert.
Immerhin konnte ich daraus erlernen, wie wichtig es ist, nach jedem Beenden eine Sicherungskopie des zuletzt geschriebenen zu machen……… Das habe ich daraufhin auch getan…. zumindest ein oder zwei Mal 😉
Memo an Kay: Backup machen, sofort, wenn ich wieder zu Hause bin.
Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?
Das kann ich nicht so genau sagen.
Lass dir Zeit…
Es gibt natürlich immer Dinge, die man aus seinem persönlichen Erfahrungsschatz zieht. Seien es nun Reaktionen von Personen auf gewisse Ereignisse, oder Erlebnisse, die man selbst oder jemand anderes gemacht hat, die man in seine Werke mit einfließen lässt. Aber selbst autobiografisches ist eher halbautobiografisch bei mir. Es ist immer irgendwie modifiziert oder ausgeschmückt. Würde man mich hier um konkrete Zahlen bitten, würde ich sagen, dass circa 10% des Inhalts meiner Geschichten autobiografischer Natur sind, die restlichen 90% frei erfunden beziehungsweise angelesen.
Wobei ja das Lesen auch Teil deiner Biografie wäre… Von daher finde ich das Wechselspiel zwischen Fantasie, Wahrnehmung und Wirklichkeit sehr, sehr spannend.
Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Autor machen kann?
Das größte Kompliment ist für mich, wenn man meinen eigenen Stil anerkennt.
Wie meinst du das?
Ich hasse es, wenn Leute Vergleiche ziehen. Ich will nicht „wie Stephen King“ schreiben oder „der neue, deutsche Sowieso“ oder sonst was sein.
Erstaunlich. Viele Kollegen werten so etwas als großes, vielleicht das größte Kompliment. Warum siehst du das anders?
Nur mal rein theoretisch. Ich möchte weder vom Genre noch vom Schreibstil her in irgendeine Schublade gesteckt werden. Ich möchte mein Ding machen. Und wenn die Leute sagen, dass ihnen mein Ding gefällt, in meinem Stil und meiner Art verfasst, ohne mich dabei mit irgendwem auf eine Stufe zu stellen, dann ist das für mich das größte Kompliment.
Wow. Das überzeugt mich. Aber ja,ich freue mich auch immer sehr, wenn ein Rezensent schreibt, das Buch sei wieder im „typischen Kay Noa-Stil“ geschrieben. Allerdings wurde ich auch noch nicht mit irgendwelchen Genre-Größen verglichen. Also fehlt mir der Vergleich (im doppelten Wortsinn).
Wer ist für dich dein idealer Leser?
Ich finde die Leserinnen und Leser toll, die mir ganz offen und ehrlich ihre Meinung sagen. Es ist mir lieber zu hören, dass ich etwas Scheiße gemacht habe, als dass mir jemand aus Höflichkeit den Hintern pudert, um mich nicht zu verletzen oder so.
Naja… Höflichkeit ist die Verpackung, Ehrlichkeit der Inhalt. Das schließt sich nicht aus. Mich ärgert immer, wenn jemand seine Grobheit damit entschuldigt, dass er nur ehrlich sei. Aber bist du echt ein Rezi-Masochist?
Natürlich wurmen einen kritische Rezensionen immer. So ein Buch ist irgendwie ja doch wie ein eigenes Baby, das man über viele Monate mit sich herum getragen hat, und von dem man hören möchte, dass es wirklich sehr gut geraten ist. Aber man selbst findet sein Baby immer toll, gar keine Frage, und natürlich will man nicht, dass jemand kommt und dem Baby (und somit einem selbst) wehtut. Ganz klare Sache. Aber im Gegensatz zu einem menschlichen Kind, kann man hier aus in der Vergangenheit gemachten Fehlern lernen und es beim nächsten „Baby“ besser machen.
Okay. Das verstehe ich. Aber um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen …?
Leser, denen mein Schreibstil gefällt, aber die mir auch sagen können, wenn ihnen etwas nicht gefallen hat – die finde ich ideal.
Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?
Hmmmmmmm… diese Frage ist mir zu schwammig formuliert. Mit anderen Worten: Ich kann damit nichts anfangen :-D.
Kein Problem. Wir haben Zeit. Tasten wir uns gemeinsam an das Thema heran.
Ich habe alle meine Protagonisten total lieb^^.
Ups. Ich weiß nicht, ob mir das aus dem Munde eines knallharten Horror-Autors gefällt?
Also, nachdem ich kurz in mich gegangen bin habe ich die Frage nun so verstanden, dass ihr wissen wollt, welcher meiner bisher erschaffenen Protagonisten mir unsympathisch war, oder? Korrigiert mich bitte, wenn ich damit falsch liege ;-).
Nicht notwendig. Viele Kollegen haben auch mit den „Guten“ Schwierigkeiten, einfach weil sie anders als der Autor wollen, sich gegen den Plot auflehnen, oder es schwer fällt, sich wirklich in sie hineinzuversetzen. Schwierigkeiten können vielfältig sein. Aber okay – Antipathien sind ein guter Ansatz.
Ich denke „Onkel Sven“ aus meinem Roman „Benny“ ist für mich eine sehr angsteinflößende Gestalt.
Warum?
Er ist im einen Moment noch nett und freundlich, der totale Kumpel-Typ, den man irgendwie schräg findet und dennoch mag, während er im nächsten Augenblick total abkackt und einem einfach nur einen Kloß in den Hals jagt, weil er so unberechenbar ist. Für mich ist er eine schwer zu beschreibende „Kreatur“, ein fleischgewordener Teufel, der definitiv ganz schön einen an der Waffel hat…
Diese Art von Horror ist aber tatsächlich der „Alttäglichste“ von allen. Ich arbeite viel mit Tieren und Kindern und setze mich daher mit Erziehung und Lehrmethoden auseinander. Und natürlich auch mit Strafen und Regeln. Dabei stelle ich bei Kindern, Hunden und Pferden übereinstimmend fest, dass vor allem Verlässlichkeit gefragt ist. Regeln müssen Sicherheit bieten. Man muss die Konsequenzen seines Tuns einschätzen können. Nichts verunsichert, ja ängstigt mehr, als nicht zu wissen, wie der andere, speziell der Mächtigere, die Verlass- und Bezugsperson, reagieren wird. Angst gedeiht auf Unsicherheit. Das scheint mir eine sehr wichtige Erkenntnis zu sein. Auch für unsere Zeit.
Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?
Auf die Frage: „Hey Oke, möchtest du vielleicht eine eisgekühlte Coca-Cola aus der 0,2 Liter Glasflasche trinken und dazu eine rauchen, während wir dieses Interview führen?“ Vielleicht solltet ihr diese Frage einfach auf Platz 1 setzen ;-).
Die spendiere ich dir gern! Und hey, wenn wir uns auf der Gala zum Skoutz-Award in Frankfurt sehen, lade ich dich auf eine Cola (oder wahlweise einen Kaffee) ein. Versprochen!
Vielen Dank auf jeden Fall für dieses hocherbauliche Gespräch. Viel Erfolg im weiteren Wettbewerb.
Hier könnt ihr Oke Gaster treffen:
Das ist relativ schwierig, weil Oke Gaster weder auf Facebook ein Profil noch eine eigene Autorenhomepage unterhält.
Ersatzweise können wir anbieten:
Oke Gaster auf Amazon
Oke Gaster per E-Mail kontaktieren
Skoutz-Lesetipp: Per Anhalter – monumentaler Psychohorror von Oke Gaster
Steige niemals zu Fremden ins Auto…
Per Anhalter fahren ist gefährlich! Jedes Kind kriegt es von seinen Eltern gesagt. Man weiß nie, zu wem man ins Auto steigt und ob man je ans Ziel kommt. Auch David weiß um die Gefahr. Er ist 16 und auf dem besten Weg als Versager zu enden. Sein Hauptschulabschluss ist miserabel, seinen Ausbildungsplatz hat er verloren und zu Hause gibt es nichts als Ärger mit seiner Mutter. Über das Internet hat er Lena kennengelernt. Sie lebt in Flensburg, er in Rendsburg. Nur eine knappe Autostunde entfernt, doch für einen mittellosen Teenager eine endlose Distanz. David will das Mädchen endlich treffen, das seinem so trostlosen Leben den einzigen Farbakzent verleiht. Als der Streit zu Hause eskaliert, fasst er einen heiklen Entschluss: Er fährt zu ihr! Auf eigene Faust! Per Anhalter! Es ist keine besonders schlaue Idee, das weiß er selber, aber die einzige Möglichkeit, schnell zu ihr zu kommen.
Doch schon auf dem Weg zur Autobahnauffahrt, von wo aus er mitgenommen werden möchte, überkommt den Jungen ein seltsames Gefühl. Einsamkeit, das Gefühl verloren zu sein, ganz allein auf weiter Flur. Niemand scheint sich für ihn zu interessieren, während er am Straßenrand steht. Sein tollkühner Plan entpuppt sich als weit schwieriger als erwartet und das Treffen mit Lena droht zu platzen. Als er die Hoffnung schon fast aufgegeben hat, hält doch noch ein Fahrzeug an. Es ist ein dunkler Geländewagen, der nicht gerade vertrauenserweckend aussieht. David steigt trotzdem ein. Der größte Fehler seines Lebens! Es wird nicht lange dauern bis er sich wünscht, sich nie auf diese haarsträubende Reise begangen zu haben, denn ihn erwartet ein unausprechlich entsetzliches, atemloses Grauen, wohingegen jeder noch so trübe Tag zu Hause ihm bald wie das Paradies erscheinen wird.
Skoutz meint: Ein Roman von fast 1.000 Seiten Umfang über eine einstündige Autofahrt klingt nach Längen. Doch weit gefehlt – Per Anhalter ist ein Pageturner reinsten Wassers, der den Leser nicht auf eine deutsche Autobahn, sondern auf eine Off-Road-Piste entführt, voller Schlaglöcher, unberechenbarer Kurven und Wendungen und dem Gefühl, dass sie nur in der Katastrophe enden kann. Rasante Action, kranke Ideen und immer das Gefühl, dass das jedem von uns passieren könnte. Jederzeit … Alltags-Horror vom Allerfeinsten.
Hinweis:
Mit seinem beklemmend düsteren Horrorroman „Das Mietshaus“ konnte Oke Skoutz-Jurorin Demetria Cornfield so begeistern, dass sie das Buch über das Grauen, das sich in eine Mietskaserne schleicht, auf die Midlist Horror für den Skoutz-Award 2016 nominiert hat.
Grund genug für Skoutz, das Buch ins Skoutz-Buchregal zu stellen und sich selbst vorzunehmen. Wie es uns in den langen Mietshausfluren ergangen ist, könnt ihr hier weiterlesen.
2 Comments
Roland Zinke
Hallo!
Ich lese hier das es richtige Bücher von Oke Gaster gibt.
Ich finde nur ebooks.
Wo gibt es den die Bücher zu kaufen?
Mit freundlichen Grüßen
Roland Zinke
Kay
Lieber Herr Zinke,
wir wissen nicht, wo man Prints von Oke Gaster erwerben kann. Unsere im Text angegbenenen Seitenzahlen beziehen sich auf Angaben bei Amazon.
Am einfachsten ist es, wenn Sie den Autor direkt kontaktieren. Wir kennen Oke und wissen, dass er sich sehr über den Kontakt zu seinen Lesern freut und Ihnen gerne persönlich weiterhelfen wird. Am besten per Mail
okegaster@yahoo.de
Bleiben Sie skoutzig!
Ihr Skoutz-Team