zu Besuch bei: Jana Oltersdorff

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Heute bin ich bei einer weiteren Autorin, die es versteht, den Leser mit leisen Tönen zu packen. Jana Oltersdorff schreibt wundervolle Horrorgeschichten, bei denen das Grauen einen weniger aus den Zeilen heraus anspringt wie ein Schachtelteufel (was auch ein Erlebnis ist), sondern sich eher heimtückisch in den Kopf schleicht und dann von hinten zu wirken beginnt. Noch schöner finde ich allerdings ihre Gruselgeschichten, die man auch als Horror-Feigling lesen kann. Grusel, ist eben die kleine, feine, kluge Schwester des Horrors.

Horror2 Icon

Zu Besuch bei Jana Oltersdorff, die Grusel zaubert.

Jana Oltersdorff Portrait

(c) Divina Michaelis

Was ist dein »Sprit« beim Schreiben, woher nimmst du deine Ideen?

Manchmal brauche ich einen Anreiz, so etwas wie eine Schreibaufgabe oder ein Thema für eine Ausschreibung, damit ich etwas habe, auf das ich mich konzentrieren kann.

Das ist spannend, weil das hat so jetzt noch kein Autor erzählt. Die meisten nutzen Ausschreibungen nur für Bekanntheit und Marketing – oder eben in der Hoffnung auf einen Verlag.

Manchmal kommen die Ideen von ganz allein, sie springen mich an in Form von kleinen Dingen im Alltag oder Sätzen, die jemand sagt und die mein Kopfkino zum Laufen bringen.

Das hingegen habe ich schon öfter gehört. :)

 

Was würdest du tun, wenn du nicht mehr schreiben könntest?

Platzen? Wahnsinnig werden?

Ah, noch eine für die Autorenselbsthilfegruppe.

Da ich längst nicht so viel und so oft schreibe, wie ich gern möchte, habe ich gelernt, damit umzugehen, auch längere Phasen der Unproduktivität zu überstehen.

Und gleich als Kursleiterin! Respekt! Gerade fällt mir auf, dass dieser Posten bislang trotz langer Anmeldeliste noch unbesetzt war.

Richtig unproduktiv bin ich dann aber auch nicht, schließlich rattern die Ideen weiter durchs Hirn, oder ich bearbeite ein Manuskript im Lektorat. Irgendwas ist immer. Aber komplett aufhören? Nie wieder auch nur ein Wort schreiben? Ich würde mich unvollständig fühlen und wohl sehr unglücklich sein.

Steht ja zum Glück nicht an. Glück für dich und auch für deine Leser.

 

Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?

Seit ich aktiv schreibe und veröffentliche, hatte ich diesen Gedanken noch nie. Das kommt mir völlig abwegig vor. Pausieren, verschieben – alles okay, aber doch nicht aufhören!

 

Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?

Wenn mit Emotionalität auch gemeint ist, dass ich mich diebisch freue, mir die Hände reibe und wie eine Hexe kichere bei dem Gedanken daran, wie das, was ich gerade geschrieben habe, beim Publikum ankommen wird – das ist mir schön öfter passiert.

Da springt jetzt mein Kopfkino an. Du hattest bei deinem Grusel-Märchenbuch gewiss öfter solche Momente.

Ich hatte auch schon Gänsehaut bekommen, wenn ich meine eigenen Texte noch einmal durchlas – für mich ein gutes Zeichen, denn wenn ich mich selbst mit meinen Texten zum Gruseln bringen kann, dann doch bestimmt auch andere Leser!

Als Leser deiner Bücher kann ich nicht sagen, ob es dieselben Stellen sind, aber ja.  Frösteln und Schaudern (selbst in der Sonne! Ich lese so was nur untertags!) ist durchaus vorgekommen. Das bewundere ich. Meine eigenen Texte kann ich nur als Lektor lesen. Das ginge besser, die Formulierung kann man nachfeilen, der Plot hat da oder dort einen Hänger. Schade eigentlich.

 

Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?

Mehr als man glauben möchte, immerhin schreibe ich Horrorgeschichten und Schauermärchen.

Ha! Und wieder antwortest du gaaaaanz anders als alle anderen Autoren vor dir. Die meisten sagen an der Stelle „weniger als man meinen möchte.“ Verzeih meinen Ausbruch und sprich weiter.

Aber es finden sich in fast allen Geschichten winzig kleine, mal mehr, mal weniger deutliche Parallelen zu meinem eigenen Leben. Wer mich gut kennt, wird das wohl auch bemerken. Zum Beispiel spielen einige meiner Geschichten in meinem Wohnort Dietzenbach oder im Rhein-Main-Gebiet generell. Oder ich baue Figuren ein, denen ich Charakterzüge verleihe, die ich tatsächlich so bei Menschen erlebt habe, die ich kenne.

Ich persönlich vertrete ja die Ansicht, dass es absolut unmöglich ist, beim Schreiben nicht autobiografische Elemente einfließen zu lassen. Allein dadurch, worauf wir achten, welche Aspekte wir erwähnen, welche Szenen wichtig sind, welche Kernaussagen getroffen werden, wie ein Plot aufgelöst wird – das verrät viel mehr über uns, unsere Denkweise und darauf aufbauend auch über unsere Erfahrungen (also unsere Biografie) als uns (und hoffentlich auch dem Leser) bewusst ist.

 

Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Autor machen kann?

Wenn mir jemand sagt, dass er sich echt gegruselt hat beim Lesen meiner Geschichten. Dann weiß ich, dass ich etwas richtig gemacht habe.

Habe ich ja gerade schon gesagt. Gern geschehen.  🙂

 

Wer ist für dich dein idealer Leser?

Der ideale Leser ist aufgeschlossen und offen für Neues.

Das ist jetzt wieder eine Mainstream-Antwort. Sonst noch was? Du hast ja einen Ruf zu verteidigen.

Er ist geduldig, mag Abwechslung und besteht nicht immer darauf, dass aus jeder Idee gleich mindestens eine Trilogie gemacht wird. Ach ja, der ideale Leser liest gern Kurzgeschichten. ☺

Das mit der Geduld unterschreibe ich sofort.  Bei High Fantasy ist das ein echtes Problem. Ich finde es furchtbar, dass man heutzutage zwar überall vor ADHS warnt, und dann aber meckert, wenn eine Geschichte mal auf Seite 10 noch nicht drei dramatische Actionszenen (gleich welcher Art die Action dann ist) hatte. Ein Stück weit ist das aber auch Amazon als Verkaufskanal und den Leseproben geschuldet. Man versucht im Leseproben-Abschnitt ja als Autor automatisch irgendwie Kaufargumente unterzubringen. Schade eigentlich.

 

Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?

In „Des Nachts im finstren Wald“ mag ich alle meine Protagonisten sehr gern, die guten wie die bösen.

Das besagt ja nichts. Auch schwierige Kinder werden geliebt.

Sie waren auch alle ziemlich pflegeleicht, als ich ihre Geschichten aufschrieb. Eine besondere Beziehung pflege ich wohl zum „Kleinen Mädchen mit den Schwefelhölzern“. Es hat mir immer so leidgetan, ich fand die Originalgeschichte immer so gemein und ungerecht! Wie konnte Andersen sie so enden lassen!

Gut, dass du es erwähnst. Ich mag – obwohl ich Märchen liebe und Märchenbücher aus aller Welt sammle – Andersen nicht, weil seine Geschichten so grausam sind. Man hofft mit dem Mädchen oder auch der kleinen Meerjungfrau bis zuletzt und wird dann weinend zurückgelassen. Genau genommen ist das für mich der wahre Lesehorror. Diese Enttäuschung, mit der ich dann allein bin. Fällt mir jetzt erst auf. Du bist echt die Idealbesetzung für eine Therapiegruppenleitung. :)
Und wie ging es dir mit dem Schwefelholz-Mädel?

Als ich mein Schauermärchen „Schwefelhölzchen“ fertiggestellt hatte, kam es mir so vor, als hätte die Kleine endlich wirklich ihren Frieden gefunden – ich habe ihn dadurch auf jeden Fall mit dem traurigen Märchen gemacht.

Du therapierst dich gleich mit. Sehr praktisch.

 

Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?

Möchtest du einen Prosecco?

Ich würde sagen, du gewinnst den Skoutz-Award in deinem Genre und wir stoßen auf der Leserparty mit Champagner an.  🙂   Auf jeden Fall drücke ich dir und deinen Gruselmärchen die Daumen, vielen Dank  für das tolle Gespräch.

 

Hier könnt ihr Jana Oltersdorff treffen:

Jana Oltersdorff auf Facebook

Autorenhomepage von Jana Oltersdorff

 

Skoutz-Lesetipp: Zwischenstopp – Dunkle Geschichten von Jana Oltersdorff

Oltersdorff ZwischenstoppS-Bahnen, die aus unerfindlichen Gründen irgendwo im Nirgendwo halten. Frauen, die sich mit ihren seltsam verwandelten Ehemännern konfrontiert sehen. Leere Bücher, die sich plötzlich wie von Geisterhand füllen und merkwürdige Botschaften enthalten. Autopannen, die zu unheimlichen Begegnungen führen. Gartenpforten, die man besser niemals geöffnet hätte. Cocktails, die nur so gut schmecken, weil der Barkeeper ihnen eine sehr spezielle Zutat beimischt. Zeitreisen, die angetreten werden müssen, weil sie bereits stattgefunden haben. Treppen, die nirgendwohin führen – auf den ersten Blick. Und eigenartige Hinweisschilder am Highway, denen man vielleicht doch nicht hätte folgen sollen.

Diese Sammlung von mysteriösen, manchmal amüsanten, oft einfach unheimlichen Kurzgeschichten erzählt, was passiert, wenn man nicht aufpasst, wenn man die Warnhinweise ignoriert, wenn die Neugier über die Vorsicht siegt, wenn man einen Weg einschlägt, ohne auch nur zu ahnen, was an seinem Ende lauert.

Skoutz meint: Wer nach diesem Klappentext nicht sofort weiterlesen will, ist entweder sehr seltsam, mit nichts neugierig zu machen – oder sehr feige. In jedem Fall hat er unser Mitleid verdient, denn so wie Jana Oltersdorff schreibt, wird Grusel zum Vergnügen, will die Fantasie den Zeilen vorauseilen und lässt sich das Auge willig führen und wieder zurückrufen, wenn man wieder einmal beim Tippen völlig falsch gelegen hat.

 

Oltersdorff Cover Hinweis:

Mit ihrer Nacherzählung bekannter Märchen als Gruselgeschichte hat Jana unsere Jurorin Demetria Cornfield so begeistert, dass sie das Buch „Des Nachts im finstren Wald“ auf die Midlist Horror des Skoutz-Award 2016 gepackt hat. Von dort konnte sich Jana in der absolut hart umkämpften Horror-Gruppe mit Hilfe von Lesern und der restlichen Jury in die Shortlist kämpfen und steht jetzt unter den letzten dreien, die im September zur Wahl für den Horror-Skoutz 2016 stehen, der im Oktober verliehen wird.

Grund genug, dass wir das Buch genauer untersucht haben und allen gruselwilligen Märchenfreunden ausführlich vorgestellt haben. Wer mag, sollte hier weiterlesen.

 

 

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