Skoutz-Interview Annemarie Bruhns, Autoreninterview

Zu Besuch bei Annemarie Bruhns (Jury Contemporary 2023)

Heute sind der Skoutz und ich unterwegs um die Autorin Annemarie Bruhns zu besuchen. Schon im letzten Jahr war ich bei ihr, sie stand mit ihrem Buch „Zwischen Scherben“ auf der Shortlist und in diesem Jahr hat sie den Juryposten im Bereich Contemporary übernommen. Wir sind schon sehr gespannt, was wir heute alles von ihr erfahren können und freuen uns schon auf unser Gespräch.

Zu Besuch bei Annemarie Bruhns, mit der wir in der Küche plaudern!

Hallo liebe Annemarie. Schön, dass wir uns wiedersehen! Wir freuen uns sehr, dass du dir für uns Zeit genommen hast und wir dich bei dir besuchen dürfen und weil der Skoutz-Kauz notorisch neugierig ist, möchten wir uns gerne bei dir als erstes etwas umschauen …

 

Wo sitzen wir denn, also wo willst du uns empfangen?

Leider ist es noch etwas kühl draußen, deswegen lasst uns in der Küche Platz nehmen.

In der Küche ist es immer am schönsten, das war bei uns früher schon so. 

Am großen Tisch kann man es sich bequem machen und ich habe leckere Chocolate Chip Cookies für dich. Möchtest du Tee, Kaffee oder lieber etwas Kaltes?

Oh …. hm ich mag gerne zwischendurch ein paar Chocolate Chips und sehr gerne einen Kaffee. 

Nachdem wir jetzt gemütlich beisammen sitzen und bei einem duftenden Kaffee ein bisschen Zeit mit dir und deinen Büchern verbringen dürfen … kommen wir zu den eigentlichen Fragen:

Nach welchem Motto lebst du? Und wirkt sich das auch auf dein Schreiben aus?

Carpe diem! Ich mag es nicht Sachen vor mich herzuschieben, wenn ich sie doch gleich erledigen kann.

Ja da ist etwas dran, obwohl ich mich oft dabei ertappe genau das zu tun …. 

Anpacken und abarbeiten, anstatt zu prokrastinieren. Es gibt täglich genug Verpflichtungen, die nicht weniger werden, nur weil man sie ignoriert.

Ja, da hast du absolut Recht. Es ist aber auch manchmal verführerisch, sie trotzdem zu ignorieren. Bist du dann nicht furchtbar durchgetaktet?  

Gleichzeitig schaffe ich mir bewusst Freiräume. Ein Sonnenbad auf der Terrasse mit einem leckeren Heißgetränk oder ein Spaziergang, um durchzuatmen. In diesen Momenten begleiten mich meist die Protagonisten meiner Bücher und ausgerüstet mit Notizbuch und Stift schreibe ich ihre Gedanken nieder. Nichts kann besser meine Batterien auftanken, als in eine Geschichte einzutauchen. Eine eigene, wie eine fremde.

Allzeit bereit, hat selten gereut, sagte schon meine Oma immer. So stelle ich mir das Autorendasein auch immer vor, bewaffnet mit Notizblock und Stift raus in die Natur und dann auf die Muse warten und einfach alles aufschreiben. Jetzt haben wir ein Wunsch-Setting besprochen, drehen wir den Spieß um …  

Was ist dein erster Gedanke, wenn ich dich frage, was du GAR NICHT magst?

Warten. Sinnlos auf etwas zu warten und keinen Einfluss zu haben, wann es endlich soweit ist. Das kann mich rasend machen, weil ich nichts von dem kostbarsten Gut „ZEIT“ verschwenden möchte.

Verstehe ich sehr gut! Ich bin auch furchtbar ungeduldig. Und dann will ich dich auch gar nicht länger aufhalten … 

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Was hat dich bewogen, bei der Skoutz-Jury mitzumachen (Vielen Dank dafür, ohne Euch ginge das Konzept nicht auf!)

Ich durfte letztes Jahr das erste Mal als Autorin mitfiebern und jede Runde, die Zwischen Scherben weiter gewählt wurde, wuchs die Nervosität. Gleichzeitig fragt man sich, nach welchen Kriterien wohl entschieden wird und wie es hinter den Kulissen aussieht. Jetzt habe ich die Möglichkeit, das hautnah mitzuerleben. Es wird bestimmt herausfordernd, all den Einreichungen gerecht zu werden, aber ich freue mich auf viele tolle Werke.

Für dich ein ganz anderes Gefühl in diesem Jahr, verständlich. Aber wir freuen uns immer aufs neue den Award mit unserer Jury zu „wuppen“ und auf viele schöne Geschichten. Zwischen Scherben war aber auch ein wirklich toller Beitrag, der den Award sehr bereichert hat. 

Was macht für dich ein gutes, was ein sehr gutes Buch aus?

Ich muss es fühlen können. Die Protagonisten, die Szenen und das Setting müssen in meinem Kopf lebendig werden. Ich will es nicht mehr aus der Hand legen und bei jedem Kapitelende entscheide ich mich weiterzulesen, weil es mich fesselt. Ein sehr gutes Buch schafft dies auch über das Ende hinaus und bleibt im Kopf.

Gut ausgedrückt, das ist es ja was wir alle möchten. 

Wie kann ein Buch deine Aufmerksamkeit erregen?

Persönlichen Empfehlungen kann ich nicht widerstehen. Wenn jemand meinen Geschmack kennt, dann lese ich auf jeden Fall rein.

Das mache ich auch so und habe viele wunderbare Geschichten entdecken können. Und wenn du gerade keine Tipps bekommst?

Titel und Cover sind eine Einheit, an der man schwer vorbeikommt und auch wenn man lieber nach den inneren Werten geht, sieht man nun mal erst das „oberflächlich“ äußerliche. Wenn mich das Äußere neugierig macht und der Klappentext mich fesselt, dann lese ich die Leseprobe.

Das ist ein gutes Vorgehen auch für die Longlist. Ich schlag dann meist sofort zu und kaufe 😀 wenn ich das Buch dann toll fand, besorge ich mir später noch das Taschenbuch. 

Aber natürlich möchten wir auch noch etwas übers Schreiben wissen. Ich hätte da jetzt die ein oder andere Frage für dich.

Als Klischee wird man nicht geboren, sondern muss sich den Titel erarbeiten. Klischees sind so praktisch wie lästig. Wie gehst du persönlich mit ihnen um? Beim Schreiben wie im Leben?

Ich versuche sie gerne zu brechen.

Oder zu ignorieren?

Zu ignorieren? Zu gerne würde ich auf sie verzichten. Es scheint einfach, sie zu nutzen, um einer gewissen Erwartungshaltung gerecht zu werden, aber ich würde lieber etwas Originelles schreiben und lesen. Nichts ist langweiliger, als im ersten Kapitel schon das Ende zu erahnen und deswegen fasziniert mich alles, das bis zur letzten Seite (und darüber hinaus) fesselt, das schaffen Klischees leider nur selten.

Das sehe ich nicht ganz so, ich finde, es kann sehr amüsant sein, mit Klischees zu spielen. Wenn man also dank Klischee meint, zu wissen, was kommt und dann enttäuscht (oder besser: überrascht) wird. Mir gefallen gerade solche Bücher sehr, wenn sie gut durchdacht und ausgearbeitet sind. 

Das hat auf jeden Fall seinen Reiz, aber es ist für mich dann nicht mehr das typische Schubladendenken, weil es ja aufgebrochen wurde 😉

In welchen Genres schreibst du? Hast du dich bewusst dafür entschieden oder hast du nachher überlegt, wie du deine Geschichte einordnest?

Ich musste ein Genre finden, um mein Buch zu veröffentlichen, weil es in irgendeine Schublade gesteckt werden muss, um auffindbar zu sein.

Ja, das ist nicht so einfach, wenn man sich schwer tut, ein passendes Genre zu finden. Also eindeutig folgt das Genre der Geschichte …

Ich schreibe simple Romane, deswegen nutze ich die klassische Bezeichnung Gegenwartsliteratur. Es ist kein Liebesroman, es ist kein Krimi, es ist kein Familienroman, es ist kein Young oder New Adult. Es ist einfach ein Roman und enthält viele Elemente, der einzelnen Subgenres, bricht aber aus dem Korsett aus. 

Und das macht seinen Reiz aus. 🙂

Von wem kommt deine strengste Kritik? Und wie gehst du mit ihr um?

Familie, Freunde, Bekannte, Unbekannte. Ich denke alle Leser und Leserinnen sind Kritiker und ich bin auf jede Meinung neugierig.

Ja das kann ich mir gut vorstellen. Und wie gehst du dann mit der Vielzahl dieser Meinungen um? Wird man da nicht in den Wahnsinn getrieben?

Was ich davon annehme und wie ich es umsetze, ist dann immer von der Situation abhängig. Welche Ratschläge ich aber immer annehme, sind die meiner besten Freundin und meiner Lektorin. Ich finde, dass ergibt eine gesunde Mischung an Intuition und Professionalität.

Da sagst du was, das ist eine gute Mischung, denke ich. 

Und wie sieht das bei dir mit dem Lesen aus? Ich hätte da auch ein paar Fragen im Gepäck.

Ein Sprichwort sagt „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.“ – Wie findest Du diesen Satz?

Ich habe mit Grünpflanzen nicht so viel zu tun.

Oh, dann hast du keinen grünen Daumen?

Nein, überhaupt nicht, eher tief schwarz 🙂

Ich würde lieber sagen, ein Buch lässt einen reisen und Grenzen überqueren, ohne dass man sich bewegen muss.

Das gefällt mir auch gut!

Mit welchem Buch wurde deine Liebe zu Büchern geweckt?

Ich kann kein konkretes Buch benennen. Meine Mutter ist Bibliothekarin und ich habe schon früh viel gelesen und ihren Bestand verschlungen. Ich weiß noch, dass Sophies Welt ein Werk war, dass ich sehr aufmerksam und bewusst gelesen habe.

Genau wie ich nicht an „Der kleine Prinz“ vorbeikam.

Ja beide Bücher mag ich auch sehr, die habe ich mir auch mehrfach vorgenommen. Sophie muss noch warten, aber den kleinen Prinzen haben wir auch in unserer Classics-Liste schon besprochen. 

 

 

 

 

Wie sortierst du deine Buch-Regale?

Streng nach Alphabet, nach Nachnamen der Autorinnen und Autoren. Mit einer Farbsortierung kann ich mich nicht identifizieren, vielleicht sind meine Cover deswegen auch immer sehr schlicht und einfach, eben schwarz-weiß. 😉

OK, da ist ja auch jeder anders. Vermutlich kann man auch nur bei einer eher überschaubaren Büchermenge nach Farbe sortieren, wenn man jemals ein Buch wiederfinden will. Ich muss mindestens 3 Mal im Jahr neu sortieren … Peppst du deine Regale sonst irgendwie auf?

Eigentlich möchte ich auch keine Dekoration, sondern nur sauber geordnete Buchrücken sehen, aber seit wir Kinder im Haus haben, musste ich hier leider ein wenig zurückstecken.

Ja, das kenne ich auch. Kinder lehren Kompromisse. 

Lass uns doch mal ein paar aktuelle Themen streifen: 

Kunstfreiheit auf dem Prüfstand
Die gesellschaftliche Diskussion über das, was man in der Kunst tun und lassen darf, ist zur Zeit sehr hitzig. Wie stehst du dem gegenüber und wie beeinflusst das deine eigene Arbeit?

Ich finde es schwierig, scharfe Grenzen zu schaffen. Was ist erlaubt und was nicht, ist abhängig von vielen Faktoren.

Welche?

Wenn eine Romanfigur einer gewissen Ideologie folgt und dies glaubhaft wiedergeben soll, müssen Sprache, Gedankengut und auch Äußeres im Roman schlüssig sein. Dann werden Wörter benutzt, die sonst nicht erlaubt sind. Aber die Frage ist ja, wie die anderen Figuren agieren und wie das Setting ist.

Ja das ist wohl wahr. Intertextualität wird in der Debatte leider oft vernachlässigt. Und allgemeiner gehalten?

Kunst hat schon immer provoziert und mit Subtexten gearbeitet. Sie hat Tabuthemen aufgegriffen und sollte dies auch weiter tun dürfen.

Tabu ist ein guter Punkt, um zur nächsten Frage überzuleiten:

Chat GPT und andere KI-Apps sind gerade in aller Munde. Was hältst du davon, dass KI Geschichten, ja ganze Bücher alleine verfassen kann? Sind das für dich überhaupt richtige Werke?

Hauptberuflich bin ich in der IT Branche zu Hause und Künstliche Intelligenz begleitet mich in verschiedensten Ausbaustufen schon seit Jahren.

Oh, dann ist das für dich ein vertrautes Gebiet. Umso interessanter deine Antwort als Doppelprofi. 

Was man mit Daten tun kann und wie ein Algorithmus auswerten und neuen Inhalt schaffen kann, in dem es aus vorgegebenen Strukturen lernt, ist eine faszinierende Wissenschaft. Aber das Ergebnis wird immer noch von den Abfragekriterien in Bezug zur Datenbasis beeinflusst und enthält somit weiterhin den Stempel der (Co-)Autorin oder des (Co-)Autors. Deswegen wäre ich neugierig auf einen künstlich generierten Roman und vielleicht gefällt er mir sogar?

Nun, das werden wir sicherlich erleben. Bald vermutlich. Deine Kollegin Fenna Williams wartet auf einen künstlichen Shakespeare. 

Mit unseren Fragen sind wir damit durch und ich finde, es war ein richtig schönes Interview mit dir. Zum Abschluss aber doch noch eine Frage:

Welche Frage sollen wir dir nächstes Jahr im Interview stellen?

Ihr habt mich schon gut ins Schwitzen gebracht mit den Fragen, da fällt mir gerade keine weitere Herausforderung ein.

Danke für euren Besuch. Ich freue mich auf eine spannende Zeit in der Jury und auf viele großartige literarische Werke.

Liebe Annemarie, wir haben uns sehr gefreut, dich heute zu besuchen. Wir haben uns bei dir sehr wohl gefühlt und dein Kaffee war großartig. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit und wer weiß, vielleicht können wir dich bald wieder besuchen. Dann befragen wir dich nochmals ausführlicher zu deiner Meinung zu KI-Büchern. 🙂 

 

Hier gibt es mehr über Annemarie Bruhns:

Im letzten Jahr haben wir Annemarie schon einmal besucht und haben ein sehr schönes Interview mit ihr geführt, hier könnt ihr weiterlesen.

 

 

Skoutz Lesetipp:

IOSUA: Ein Leben im Schatten – aufwühlender Gesellschaftsroman von Annemarie Bruhns 

Ein Kampf gegen kriminelle Machenschaften. Für ein selbstbestimmtes Leben. Für Momente des Glücks.

Joshua ist ein Krimineller mit Migrationshintergrund. Jedenfalls ist das der Stempel, der ihm aufgedrückt wird. Er selbst hat sich nichts davon ausgesucht. In Berlin geboren und aufgewachsen, versucht er seinen Namen Iosua ebenso wie seine rumänische Herkunft zu verdrängen. Aber sein Vater ist der brutale Kopf einer Diebesbande und Joshua steckt tief in einem Strudel von Unterdrückung und Gewalt. Als Taschendieb trifft er auf Isabelle. Wie ein Hoffnungsschein dringt sie in seine Welt voller Dunkelheit. Er kann ihrer Anziehung nicht widerstehen und erfährt zum ersten Mal Momente des Glücks. Doch sein Doppelleben ist gefährlich und ein erbitterter Kampf für seine Freiheit beginnt.

Ein sozialkritischer Gesellschaftsroman mit einer fesselnden und berührenden Geschichte, die den Leser in Berlins Schattenwelt entführt.

Gewinner des Innocent Award „Buch des Jahres 2021“

„Eine bis zum Ende realistische und gefühlvoll erzählte Geschichte, die berührt, traurig macht und schockiert.“ (Seehases Lesewelt)

 

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Und wenn ihr uns, Annemarie Bruhns  und vielen anderen Lesern einen Gefallen tun wollt, rezensiert das Buch doch anschließend bei unserer Skoutz-Buchsuche. Mit 5 Klicks statt 5 Sternen entsteht eine Buchbeschreibung, die anderen hilft, das für sie richtige Buch zu finden. Also sei dabei!

 

 

 

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