Skoutz-Wiki: Plagiat

 

Von all den Dingen, die Autoren so treffen können, ist das Plagiat sicherlich das ärgerlichste. Schon der Name verheißt Ungemach ((lat. plagiarius = Menschenraub, Seelenverkäufer)! Es ist sozusagen Pest, Cholera, Stau, Funkloch, Fußpilz und Steuerprüfung in Personalunion.
Wo man sich so aufregt, wird aber schnell auch wild drauflosgeschimpft. Wir von Skoutz haben uns daher einmal in Ruhe angesehen, was ein Plagiat nun genau ist. Und was es vor allem nicht ist.

Das Plagiat in Kürze:

Ein Plagiat ist das Gegenteil von einer Fälschung, bei der man sein eigenes Werk einem (meist) berühmten Anderen unterjubeln will, Goethe oder in besonderen Fällen dem verstorbenen Erbonkel, zum Beispiel. Der Plagiator hingegen gibt eine fremde Leistung als seine eigene aus.
Unter einem Plagiat versteht man also, untechnisch ausgedrückt, den Diebstahl geistigen Eigentums. Oder, präziser formuliert, die unrechtmäßige Aneignung von fremden Gedanken, Ideen und anderer kreativer Leistungen auf künstlerischem oder wissenschaftlichem Gebiet und ihre Veröffentlichung.

Das Text-Plagiat ist dabei eine spezielle Form der Urheberrechtsverletzung, bei der es um urheberrechtlich geschützte Bestandteile von Texten geht. Dabei deklariert der Plagiator das fremde Geistesgut als eigenes, indem er den fremden Ursprung (im Gegensatz zum Zitat) verheimlicht – obwohl ihm hierfür die Erlaubnis fehlt (im Gegensatz zum Ghostwriter).

 

Das Plagiat gründlich betrachtet:

Wie oben schon gesagt, ist das Plagiat die Anmaßung fremder geistiger Leistungen. Plagiate können, müssen aber nicht gegen das Gesetz verstoßen.

Es gibt jeweils von einander abweichend ein umgangssprachliches, ein künstlerisches und ein juristisches Verständnis dieses Begriffs. Wenn man seine Rechte verteidigen will, ist jenseits der moralischen Entrüstung allein die jurististische Auslegung maßgeblich. Dabei unterscheiden sich wissenschaftliche und künstlerische Plagiate, die jeweils anderen Regeln unterliegen (auch das wird in der erbosten Diskussion gern übersehen).

Die Entstehung des Plagiatbegriffs

Von Plagiaten sprach man überhaupt erst auf gesellschaftlicher Breite nach der Erfindung des Buchdrucks, als Autoren und Verleger ihr geistiges Eigentum vor dem nun ohne weiteres möglichen Nachdruck schützen wollten. Bis dahin waren die offene aber auch versteckte Bezugnahme auf Vorlagen in Bezug auf Stoff oder Formulierung üblich und wurden meist als Anerkennung der künstlerischen Leistung verstanden. Shakespeare, Moliere, Goethe – sie alle haben sich bei Vorbildern und Zeitgenossen bedient.

Der Kampf der Verleger gegen den unautorisierten Nachdruck im 18. Jahrhundert hat verdächtige Ähnlichkeit mit dem, der heute gegen die verschiedenen Piratenbörsen geführt wird. Das Ergebnis damals war das Urheberrecht, das bis heute gilt.
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Ausgangspunkt ist also stets die Vorlage und die Frage, ob sie geschützt ist. Nach § 2 Abs.2 UrhG sind „persönliche geistige Schöpfungen“ geschützt. Die Schöpfung hebt sich ab von einer bloßen Routinearbeit oder Durchschnittsleistung, die exakt so von jedem mit vergleichbarer Ausbildung und Begabung erbracht werden könnte.

Übereinstimmungen und Wiederholungen sind unvermeidlich

Banale, übliche Formulierungen wie ein schlichtes „Ja“ oder „Ich komme gleich“ sind in hunderten von Büchern enthalten und kommen vermutlich in allen Sprachen dieser Welt vor.
Auch in Bezug auf den Plot selbst ist nur eine sehr überschaubare Zahl von Konstellationen überhaupt möglich. Mag man auch darüber streiten, ob es 100 oder nur 2 Typen von Geschichten gibt, es sind jedenfalls viel weniger als Bücher erscheinen.
Die „Heldenreise“ als ein berühmter Plot-Typ kann mit minimalen Änderungen auf sehr verschiedene Geschichten angewandt werden, ohne dass hier irgendwer unzulässig abgeschrieben hätte.

Das wissenschaftliche Plagiat

In Forschung und Lehre ist die Lage noch vergleichsweise einfach, denn natürlich müssen für eine wissenschaftliche Weiterentwicklung Erkenntnisse aufeinander aufbauen dürfen. Es wäre unsinnig, jedesmal das Rad neu erfinden zu müssen, um sich Gedanken zur Bereifung zu machen. Dabei ist es jedoch Pflicht, sämtliche Quellen, aus denen man für die eigene Mühle schöpft, zu zitieren. Zum Beispiel in Fußnoten. Wo sie fehlen, spricht man von einem Plagiat. Dabei kommt es auch nicht darauf an, was man mit dem geschöpften Wasser macht, ob man es einfärbt, verdampft oder einfriert, bevor man es verwendet – es muss zitiert werden. Mit anderen Worten: Auch wenn man das Gelesene umformuliert, nur die Idee aufgreift oder nur Teile verwendet, an der Kennzeichnungspflicht kommt man nicht vorbei.

Das literarische Plagiat

In der Kunst ist das schwieriger. Kunst entsteht aus sich selbst. Woher kommt eine Idee, was hat unser Denken beeinflusst? Autoren ziehen ihre Inspiration aus allem Möglichen – und gar nicht so selten auch aus Unmöglichem. Plotideen entzünden sich an einer Szene, einer Geste, einem Bild oder eben auch einer Passage in einem Buch. Oft kann man wirklich nicht mehr sagen, wann aus der Idee ein Plan wurde, woher der Funke kam …

Anders als in der Wissenschaft wird deshalb in der Literatur, die Paraphrasierung nicht als Plagiat angesehen. Es ist also in einem Text durchaus erlaubt, ohne Quellennennung und Genehmigung eine vorhandene Struktur aufzugreifen und selbst nachzubilden, umzuformulieren und darauf aufbauend etwas eigenes zu schaffen. Bloß, weil also Ubereinstimmungen zu älteren Texten festgestellt werden können, ist ein Werk noch kein Plagiat.

Unser Bild von High Fantasy mit Elfen und Orks verdanken wir J.R. Tolkiens Herrn der Ringe, der da übrigens auch alte Quellen bemüht hat, und wie sich ein Vampir benehmen soll, hat Bram Stoker in Dracula festgelegt. Wir sind in unserem Denken und Fühlen von unserer Kultur geprägt, zu der – in welcher Form auch immer – vor allem Geschichten gehören.

Es gibt eine ganze Reihe von rechtlich wie gesellschaftlich absolut anerkannten Formen der literarischen Verwertung fremder Texte, wie etwa bei Adaption, Parodie oder Montage. Auch einzelne Passagen fremder Texte können als versteckte Zitate, Anspielungen oder Hommagen durchaus zulässig im eigenen Werk verwendet werden.

Intertextualität

Intertextualität ist also der Stolperstein für alle Plagiatsjäger, denn darunter werden erkennbare Verweise auf ältere, ebenfalls literarische Texte gefasst. Zum Teil gehen Literaturwissenschaftler sogar so weit, dass sie sagen, ein Text könne gar nicht ohne Einflüsse anderer Texte entstehen. Einzelheiten zu diesem sehr komplexen, aber auch spannenden Thema bietet z.B. die Freie Universität Berlin in einem Beitrag.

Ein berühmtes Beispiel für offensichtliche Intertextualität ist Umberto Ecos Meisterwerk „Der Name der Rose“. In diesem Mittelalter-Thriller verwebt Eco eine große Zahl alter Texte zu einer packenden Kriminalgeschichte um verbotenes Wissen und Aberglauben.

Kryptomesie

Daneben kann eben ein Gedanke grundsätzlich auch von mehreren Köpfen unabhängig voneinander gedacht werden. Zwei Deppen, ein Gedanke weiß der deutsche Volksmund oder etwas schmeichelhafter auch der englische: Great minds think alike. Wissenschaftlich nennt man die darüber hinaus auch noch vorstellbare unbewusste Entlehnung von Gedanken und Formulierungen Kryptomesie.

 

Das Plagiat in der Rechtsprechung

Natürlich sind sich die Juristen nicht einig. Deshalb gibt es einen engen und einen weiten Begriff. Entweder handelt es sich immer dann um ein Plagiat, wenn die Herkunfstangabe unterbleibt, wenn also Fremdanteile in einer eigenen Arbeit nicht kenntlich gemacht werden (enge Auslegung). Oder ein Plagiat liegt immer vor, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk unerlaubt benutzt und als eigenes ausgegeben wird. In diesem Fall wäre das Zitat nur ein Weg, die Nutzung zu einer erlaubten zu machen.

Juristisch kann man gegen Plagiatoren zunächst strafrechtlich vorgehen, daneben aber auch zivilrechtlich auf Unterlassung und Schadensersatz klagen. Auch die gefürchteten Abmahnungen stehen dem Verletzten offen. Hier ist aber professioneller Rechtsrat meist unabdingbar, da die Beurteilung im Einzelfall schwierig sein kann.

In Betracht kommt eine Urheberrechtsverletzung (v.a. wenn das plagiierte Werk noch nicht so alt ist, dass es gemeinfrei ist). Die Details regelt das Urheberrechtsgesetz. Daneben kann ein Plagiat auch einen Betrug darstellen und oft auch eine Vertragsverletzung, z.B. gegenüber dem Verlag oder dem Distributor. Auch Self-Publisher müssen z.B. in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen von Amazon versichern, Rechteinhaber des hochgeladenen Werkes zu sein.

Auch das Moralempfinden der Buchwelt ist dabei abstrakt in der Regel weiter gefasst als die vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen. Etwas anderes scheint jedoch in konkreten Fällen zu gelten, wenn Fans unverbrüchlich ihren mehrfacher Urheberrechtsverletzungen überführten Idolen die Treue halten und ihre Bücher immer wieder in die Charts kaufen.

Bei inhaltlichen Verweisen oder Ähnlichkeiten ist der Grat zwischen Plagiat und Hommage oft ein sehr schmaler. Während Helene Hegemanns Axolotl Roadkill als dreistes Plagiat verrissen wurde, wurde E.L. James “Fan Fiction” der “Twilight”-Reihe ein Welterfolg.

Tipps zur Vermeidung von Plagiatsvorwürfen

  • Wenn euch beim Lesen oder Fernsehen eine Idee kommt, notiert sie euch. So vergesst ihr nicht, woher ihr die Idee hattet.
  • Man muss nicht in Fußnoten jede fremdinspirierte Passage mit wissenschaftlicher Genauigkeit zitieren. Aber im Anhang oder in der Danksagung sollte man seine Vorbilder nennen. Dan Brown, dem vorgeworfen wurde, seine Weltbestseller abgeschrieben zu haben, hatte seine Vorlagen in der Danksagung genannt. Das hat ihm im Prozess geholfen.
  • Wer sicher sein will, dass er das Erlaubte nicht überschritten hat, kann sich mit spezieller Software selbst kontrollieren. Im Netz wird häufig PlagScan oder Plagtracker empfohlen.

Bonus-Wissen (Klugscheiß-Modus):

Berühmte Plagiatoren waren neben den oben erwähnten Größen auch moderne Autoren von Weltruhm wie Thomas Mann und Bertold Brecht.

Thomas Mann wirft man vor, in seinem Roman „Doktor Faustus“ (der übrigens die durch Goethe weltberühmte Faust-Legende aufgreift) die Zwölftontechnik zu beschreiben ohne dabei deren Schöpfer Arnold Schönberg zu nennen.

Bertolt Brecht hingegen hat wohl unwiderlegbar in der Dreigroschenoper gleich mehrere Verse von F. Villon übernommen. Er begründete das wenig originell mit einer gewissen Laxheit in Fragen des geistigen Eigentums, das er in einer kapitalistischen Gesellschaft für überholt hielt. Auch diese Argumentation ist auch heute noch gebräuchlich und damit insoweit ein … Plagiat.

 

Lesetipp:
„Plagiat. Eine Unoriginelle Literaturgeschichte“

In der Antike beginnt Philipp Theisohns Zeitreise zu unrühmlichen oder jedenfalls unoriginellen Werken der Literatur. Dabei zeigt er anhand Beispielen aus allen Epochen höchst vergnüglich, wie wandelbar und schwierig der Umgang mit einem literarischen Plagiat letztendlich ist.

 

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