Skoutz-Schreibstube: Wie spannt man den Spannungsbogen?

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Über Spannung haben wir uns ja schon im Skoutz-Wiki unterhalten. Heute geht es in der Schreibschule darum, wie man Spannung erzeugt. Neben der sprachlichen Gestaltung von spannenden Szenen, bewährten Tricks wie Plottwist, Suspense und Verzögern, ist der Spannungsbogen das wichtigste Instrument des besorgten Autors, der seine Leser mit seiner Geschichte nicht langweilen will.

Gespannt wie ein Flitzebogen – der Spannungsbogen in einer Geschichte

Der Spannungsbogen, teils auch als Spannungskurve bezeichnet, meint die Darstellung des Steigens und Fallens der Spannung in einer Geschichte. Man hört ihn meist in der Literatur, aber im Prinzip auch in anderen Medien wie Film und Fernsehen.

Literaturwissenschaftlich korekt besteht der Aufbau einer Geschichte darin, anfangs die Figuren vorzustellen (Exposition), dann die Spannung stetig zu erhöhen, bis sie ihren Höhepunkt erreicht und schließlich in sich zusammenfällt (Peripetie).

Eine ausführliche Abhandlung hierzu bietet Wortwuchs an (externer Link).

Das klingt sehr schlau, aber stirnrunzelnd starrt man mit solchem Wissen auf seinen Text und frägt sich vermutlich, was das jetzt konkret heißen soll.

Ich möchte das Thema an meinem Buch „Schwerttanz-Saga“ erklären, weniger des Werbeeffekts wegen, als weil es sich um ein komplexes Beispiel handelt, das so ziemlich alle Probleme beinhaltet.

Der Spannungsbogen für den Leser

Spannung entsteht überall dort, wo sich dem Leser Fragen aufdrängen, die er beantwortet haben möchte. Etwa, was mit Izmaban geschieht und ob Xeroan ihr helfen kann? Oder ob Punyka es gelingt, das Komplott gegen Balean zu verhindern? Oder wie es Lyri auf der Reise geht, die sie unverhofft in die winterliche Nordmark führt.

Das können kleine Dinge sein, etwa wie ein Protagonist auf eine Nachricht reagiert, aber eben auch weltenbewegende Schicksalsfragen.

Der Leser hofft, dass die Figur ihre Ziele erreicht – bzw. dass ihre Gegner scheitern. Doch der Weg dorthin ist wendungsreich und schwierig – und an der Frage, „ob“ der Held es schafft, oder auch „wie“ es ihm gelingt, führt der Autor seine Leser an das Buch heran, durch den Text hindurch und auch zum nächsten Band. Und zum nächsten…

Die Konstruktion des Spannungsbogens

Die Schwerttanz-Saga ist eine Buchserie aus 12 Einzelbänden, mit verschiedenen Handlungssträngen, die aus einzelnen Szenen aufgebaut sind. Entsprechend viele Handlungsstränge habe ich zu bieten. Ein Spannungsbogen für das Gesamtwerk der Schwerttanz-Sage, einen für den jeweiligen Einzelband und einen für jeden meiner Handlungsstränge, wobei sinnvollerweise auch die einzelnen Szenen dramaturgisch aufgebaut sein sollten. Das schaut insgesamt dann so aus:

Bei genauerer Betrachtung gibt das einen ziemlichen Knoten. Teppichweben ist vermutlich einfacher. Aber nicht so spannend. Weshalb ich auch überzeugt bin, dass sich die Mühe lohnt.

In meinem Fall achte ich also darauf, dass

  1. jeder Handlungsstrang seinen ausgebauten Spannungsbogen erhält,
  2. diese einander abwechseln, sodass über das Buch immer irgendwo „Spannung“ besteht,
  3. die verschiedenen Spannungsbögen dem großen Spannungsbogen des Bandes dienen,
  4. dieser Spannungsbogen wiederum sich in den großen Bogen der Reihe einfügt.

Rückwärts geht es leichter. Wobei das nicht viel heißt. Von „schier unmöglich“ habe ich mich jetzt doch immerhin zwei bis vier Nanometer in eine ermutigende Richtung bewegt.

Der Spannungsbogen im Detail

Wie gestaltet man nun den einzelnen Spannungsbogen einer Szene, worauf achtet man bei der Konstruktion des Gesamtwerks?

Informationsverknappung

Ein Leser liest weiter, wenn er wissen will, wie es weitergeht. Mit anderen Worten, wenn ihm interessante Antworten vorenthalten werden. Ein schlauer Autor wird also seinen Informationsfluss so takten, dass vor der Zielgerade immer genug Fragen offen sind (Geheimnisse, drohende Gefahren, Figurenkonstellationen, Rätsel). Dazu braucht man nicht notwendig mehrere Perspektiven und Handlungsstränge, sondern kann auch innerhalb einer einheitlichen Struktur abwechseln, z.b. weil man zwar ahnt, wer der Mörder ist, aber nicht, ob der Detektiv sein Mädchen retten kann.

Dabei sollten die im Text versteckten Fragen offen gestaltet sein, „Wie, Wer, Was“ statt „Ja und Nein“. Wie der Detektiv zur Rettung schreitet ist viel länger und kleinteiliger spannend, als wenn man genau weiß, was geplant ist, und nur noch offen ist, ob der Plan auch funktioniert.

Hinweis:
Bei Serien, also auf Fortsetzung angelegten Mehrteilern, wird eine Folge zumeist an einem Punkt unterbrochen, an dem die Spannung noch besteht. Dies wird gemeinhin als Cliffhanger bezeichnet. Das funktioniert aber auch bei Kapiteln, was den Leser zum Weiterlesen verleitet. Dieses Phänomen nennt man neudeutsch Pageturner.

Grundkonflikt

Zudem sollte das große, die Handlung beherrschende Thema frühzeitig bekannt sein. Eine Grundgefahr sozusagen, mit der die Aufmerksamkeit des in der U-Bahn oder der Arztpraxis sonst womöglich abgelenkten Lesers gnadenlos ins Buch gezerrt wird.

Action – Aktionen, Reaktionen und Pausen

Das hat nicht notwendig etwas mit vordergründiger Action zu tun. In der Schwerttanz-Saga fanden meine Leser die Frage, wie einige Protagonistinnen eine Hochzeit mit List und Tücke verhindern, genauso spannend wie die Kämpfe in einem anderen Handlungsstrang. Im Gegenteil, wenn in einer Geschichte die Spannungskurve durch verschiedene Mittel gesteigert wird, ist das für den Gesamteindruck meist sehr bekömmlich. Einmal, weil man verschiedenen Lesertypen etwas bietet, zum anderen weil alle vielschichtige Geschichten mögen. Man sollte also zwischen aktivem Handeln (suchen, verfolgen, angreifen), Reaktionen (fliehen, verheimlichen, verteidigen) abwechseln und zwischendrin seinen Lesern wie auch den Figuren Ruhepausen gönnen, damit das Gefühl der Gefahr und damit die Spannung sich nicht abnutzt und den Leser abstumpft.

Druck ist immer gut, um eine Grundspannung zu erhöhen. Zeitdruck, Gelddruck, Risikopotential, Entdeckungsgefahr … Lauter Multiplikatoren um eine im Ansatz angelegte Spannung weiter zu erhöhen und den Spannungsbogen stetig ansteigen zu lassen.

Identifikation

Das stärkste Motiv, um Spannung beim Leser zu erzeugen, ist tatsächlich aber Mitleid. Und das meine ich wortwörtlich: Der Leser muss mitleiden. Sonst wäre nämlich Mitgefühl das bessere, weil weiter gefasste Wort. Das gelingt, wenn er sich mit dem Helden identifiziert. Wenn er gemocht wird, und sich in einer Situation befindet, die auch den Leser belasten würde (z.B. der Verlust eines geliebten Menschen, Angst vor Jobverlust, Ärger mit Freunden …)

Der Spannungsbogen des Autors

Mit dieser Hoffnung entsteht dann auch für den Autor ein gerüttelt Maß an Spannung. Mehr noch als beim Leser vermutlich, wenn man nicht eine so derart treue Fanbase hat, dass man eh weiß, dass man gelesen wird.

Nein, ich glaube, selbst wenn man Millionen von Lesern hat, wenn man international gehypt wird und seine Bücher die Eingangshallen aller Buchkonsumtempel dieser Welt schmücken… Man fürchtet sich trotzdem davor, mit seinem Herzenswerk abgelehnt zu werden.

Mir geht es jedenfalls immer so. Wenn ich höre, dass jemand eins meiner Bücher gekauft hat, dann freue ich mich. Und wenn er es nicht liest, weil er keine Zeit hat, keine Lust, erst was anderes dran ist… dann macht mich das traurig, weil ich mich doch so gefreut habe. Wenn er es aber liest – dann fiebere ich mit, hänge an seinen Lippen, warte auf ein erlösendes Lächeln, auf ein rasches Weiterblättern, auf ein Zeichen, dass es ihm gefällt, was ich in vielen langen Nächten geschrieben habe. Das ist nervenzerfetzender Suspense, sage ich Euch. Ein Sturm von Gefühlen, dem ich mich ausliefere.

 

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