Skoutz-Schreibstube – Motiv, der Grund für eine gute Figur

Kennt ihr das? Es gibt Figuren – gute und böse – die wir nie wieder vergessen, die uns auch Jahre nach der Lektüre noch emotional nachhängen. Warum ist die Begegnung mit der einen Buchfigur geradezu schicksalhaft, während wir viele andere, vergleichbare zwar mögen, aber vergessen?

Wir haben uns das in der Skoutz-Schreibstube einmal genauer angesehen und denken, dass das Geheimnis einer guten Figur ihr Motiv ist.

Mit anderen Worten:

Es gibt gute Gründe für eine gute Figur

Damit meine ich zuerst nicht nur, dass die Figur einen Grund haben sollte – dazu gleich. Es geht auch darum, dass es lohnt, sich mit dieser Frage zu befassen, weil eine Geschichte gute Figuren braucht. Ein noch so ausgefeilter Plot, ein noch so faszinierendes Setting helfen nichts, wenn uns die Geschichte nicht berührt. Dafür brauchen wir Figuren zum Anfassen, zum Mitfiebern, zum Mitfühlen. Dazu muss die Figur interessant sein. Wie macht man sie interessant?

Uns faszinieren Figuren, die so beschrieben sind, dass wir verstehen, warum sie das tun, was sie tun. Auch (oder gerade) wenn wir selbst ganz anders sind und das ganz anders lösen würden. Dazu bedarf es Empathie. Das ist die eigentliche Kunst des Geschichtenerzählens, Figuren zum Leben erwecken. Mitgefühl ist das Zauberwort. Wem das gelingt, seinen Lesern für die Figuren zu entlocken, hat es geschafft.

Aber wie?

Gib deiner Figur einen guten Grund

Dieser Grund setzt sich aus zwei Elementen zusammen, nämlich dem Motiv und dem Ziel. Da ist zunächst das Motiv, die Grundeinstellung oder Wertevorstellung, die den Protagonisten antreibt und bestimmt, wie er eine Sache anpackt. Und dann sein Ziel, das er in der jeweiligen Geschichte erreichen will. Während die Motivation etwas ist, was die Figur vorher bereits hat und danach wahrscheinlich auch, ist das Motiv etwas, dass sich oft erst in der Geschichte ergibt.

Das Motiv

Was wünscht sich die Figur vom Leben, wie sieht sie sich, was treibt sie an? Ist es der Wunsch nach Unabhängigkeit oder nach Geborgenheit? Will sie frei sein oder möchte sie gebraucht werden? Es gibt Figuren, die um ihre Selbstständigkeit ringen und solche, die einfach rücksichtslos sind. Das muss jetzt nicht von jedem Protagonisten ausführlich erklärt werden, aber es sollte spürbar sein, wie er „tickt“. Das sind Fragen, die wir uns auch zu uns oder unseren Freunden stellen könnten, weil das ein wesentlicher Bestandteil dessen ist, was einen Person zu einer Persönlichkeit macht.

Je mehr die Motivation der Figur für den Leser nachvollziehbar ist, desto besser. Entweder, weil er so ist (unabhängig davon, ob er das gut oder schlecht findet), oder weil er gerne so wäre.

Etwas, dass wir uns zum Beispiel alle wünschen, ist der Wunsch, seine eigene Meinung vertreten zu können. Darum sind seit jeher die Rebellen beliebt. Ob das Outlaws wie Robin Hood, brummige Biker oder zynische Milliardäre sind – unangepasst ist sexy. Gilt übrigens auch für weibliche Protas. Wobei die leider, weil sie sich ja in den Helden verlieben sollen (und meist aus der weiblichen Sicht geschrieben wird), dann schnell inkonsequent und zickig rüberkommen.

Der Umgang mit der Motivation einer Figut ist wieder so eine Gespürsache – es gibt Gelegenheiten, da ist ein Skalpell besser als eine Axt (und umgekehrt). Oft werden gute Ansätze kaputt geschrieben, weil der Autor es zu gut meint und seine Figuren zwingt, bei jeder sich bietenden Gelgenheit, seine Motivation unter Beweis zu stellen. Das muss nicht sein.

Für eine gute, eine berührende Geschichte solltet ihr nicht zu sehr auf Abziehbilder (harter Rebell, verwöhnte Zicke, schweigsamer Rächer, pflichtbewusste Effizienztante) setzen, sondern euch die weniger verbrauchten Aspekte näher ansehen.

Was für Menschen in eurem Umfeld bewundert ihr? Wofür?
Gebt euren Figuren solche Eigenschaften. Überzeichnet nur in einzelnen Szenen und nicht durchgängig. Das ist wie mit Salz. Zuviel macht es ungenießbar.

Das Motiv

In der Geschichte wird die Figur mit etwas konfrontiert, was sie aus ihrer Komfortzone holt. Wenn sie ein Ziel hat, das der Leser kennt (Den Mörder finden, das heiße Mädel daten, die Katastrophe überleben …), dann wird der Leser sich üblicherweise dafür interessieren, ob sie das Ziel auch erreicht.

Das Schöne dabei ist, dass wir eigentlich alle Menschen bewundern, die sich vom Herzen leiten lassen, die für die Liebe, Frieden, Freundschaft eintreten, die im Großen oder Kleinen etwas besser machen wollen. Karriere, Macht und Reichtum sind erstaunlich oft dagegen die Motive der Antagonisten. (Sollten wir uns vielleicht alle auch jenseits der Buchdeckel mal bewusster machen).

Entwicklungssache

Wir erwarten unbewusst von einer Geschichte, dass sie uns etwas lehrt, dass sie eine Aussage trifft, mit der sich der Leser auseinandersetzen kann. Wenn der Leser sich fragt, was er an Stelle der Figur tun würde, hat der Autor ihn an der Angel.

Das passiert meist dann, wenn die Figuren schwere Entscheidungen treffen, die auch den Leser fordern würden. Wenn es schwer wird, das Ziel zu erreichen. Wenn man kämpfen und sich durchbeißen muss. Dabei darf es gar nicht schwer genug sein. Kein Stein zu groß, als dass er nicht in den Weg des Protagonisten passen würde. Wenn der Leser meint, dass könne gar nicht gehen, dann will er wissen, ob nicht vielleicht doch …

Mindestens ebenso spannend ist das Überwinden der eigenen Schwäche. Wenn der Protagonist ein Politiker ist, ist es keine Leistung, wenn er die Menschen im zufällig vorbeifahrenden Bus in einer flammenden Rede überzeugen muss, ihm zu helfen. Aber wenn es eine Figur ist, die schon ins Schwitzen gerät, wenn sie im Lokal nach dem Verbleib der dreimal angeforderten Rechnung fragen soll, sieht das anders aus. Aber mit dem richtigen Motiv kann eine Figur über sich hinauswachsen und ihr Ziel erreichen oder scheitern. Das ist spannend.

Ebenso schön sind die Fälle, wo man sich selbst im Weg steht. Wenn die Motivation und das Motiv miteinander konkurrieren, weil das Ziel nur zu erreichen ist, wenn man über seinen eigenen Schatten springt. Es geht hier nicht um Schwächen, sondern um die Entscheidung zwischen Grundsätzen und Zielen. Wenn man sich zwischen Liebe und Karriere entscheiden muss, zum Beispiel.

Natürlich gibt es noch viele weitere Entwicklungswege für eure Figuren, also probiert euch und eure Kreativität aus.

Eine gute Figur wird also den Leser nicht über seine Motivation und seine Motive in der Geschichte im Unklaren lassen. Denn dann wird sie der Leser willig durch die Geschichte begleiten und sie dabei anfeuern und mit ihr mitfühlen. wenn sie sich den Aufgaben zwischen den Seiten stellt.

Wie ist es bei euch? Welche Motivation und Motive haben eure Figuren? Welche Hürden müssen sie überwinden?

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