Schreibstube – Plotten in Akten
Für alle Autoren, die nicht so recht wissen, ob sie Plotten wollen oder lieber doch spontan das niederschreiben, was ihnen die Muse in die Feder diktiert, ist das Plotten in Akten ein gesunder Kompromiss. Man hat so eine ungefähre Leitlinie, an der man sich beim Schreiben orientieren kann, ohne sich so ganz und gar im Korsett eines vorgeplanten Plotts zu bewegen.
In diesem Beitrag zeigen wir euch wie das geht:
Plotten in Akten
Dabei ist ein Akt wie auch im Theater ein in sich geschlossener Abschnitt der Handlung. Eine Etappe auf dem Weg von der ersten zur letzten Seite, wenn man so will. Wer das Thema wissenschaftlicher angehen will, kann sich mit den Lehren der Dramatik eingehender befassen, die eine Unmenge an Literatur zur Aktgestaltung bietet. Hier geht man davon aus, dass Akte nicht nur dazu da sind, dass man das Bühnenbild zwischendurch mal austauschen kann, sondern durch eine innere Erzähllogik vorgegeben sind. Jeder Akt bildet für sich eine Einheit, die zum Gesamtwerk beiträgt. Und das macht das Plotten in Akten dann auch so interessant. Details finden sie bei Wikipedia*.
Im Theater sind drei und fünf Akte die gebräuchlichste Struktur, dank Wells gibt es für unsere Buchplots auch noch eine 7-Akt-Methode.
Drei Akte
Eine Unterteilung in drei Akte (Ausgangspunkt – Hauptteil – Schluss) ist nun auch für den freiheitsliebendsten Autor noch kein Kreaktivitätsknebel, sondern im Prinzip nichts anderes als die Frage: Wo fängt dein Held an, was soll er erleben und wie wird es ausgehen?
Der Ausgangspunkt wird oft auch Exposition genannt. Hier erklärt man die Voraussetzungen, die der Leser wissen muss, um den Konflikt nachvollziehen zu können, der letztlich die Geschichte vorantreibt und Spannung aufbaut. Weil das häufig relativ viel Arbeit im Verhältnis zur weiteren Entwicklung im Hauptteil und dem guten oder auch nicht so glücklichen Ende ist, teilt man das in weitere Akte auf. Und schon hat man 5.
Ausgangssituation oder Exposition
Bei 3 Akten stellt man in der Exposition die Figuren und ihre Lebenssituation vor. Der Leser erfährt alles, was für den wieteren Verlauf der Geschichte wichtig ist. Wer die Figuren sind, wie sie zueinander stehen, wer ihre Gegenspieler sind, in welchem Setting sie sich bewegen und natürlich auch die Voraussetzungen, die zum späteren Konflikt führen …
Aschenputtel ist eine brave Tochter, die sich als Küchenmagd von ihrer Stiefmutter und deren missratenen Töchtern tyrannisieren lässt. Sie tröstet sich dabei mit dem Andenken an ihre Eltern und der Unterstützung durch die Haustiere. Das Ganze ereignet sich in einem Städtchen unweit des Königsschlosses auf dem der König für seinen Sohn eine Braut sucht.
Hauptteil
Im Hauptteil geht es dann um das eigentliche Abenteuer, das sich langsam aufbaut, womöglich in mehreren kleinen Spannungskurven, um dann auf den Höhepunkt zuzusteuern. An dem nimmt die Geschichte dann unweigerlich eine Wendung, die zum Guten oder zum Schlechten sein kann, idealerweise aber den Leser immer überraschen sollte.
Es ist soweit – der König lädt zum Ball. Aschenputtel will mit, darf aber nur, wenn sie die Arbeit schafft, was ihr (1.Spannungskurve) mit Hilfe der Tiere gelingt. Doch die Stiefmutter hält nicht Wort und lässt sie Zuhause. Das ist der Auftritt der Fee, die ihr das Kleid besorgt, mit dem sie zum Ball kann (2. Spannungskurve). Als sie im Mitternacht fliehen muss, obwohl der Prinz sie bittet, zu bleiben, scheint alles verloren.
Schluss
Am Anfang vom Ende scheint alles aussichtslos. Doch dann kommt es zu einer Wendung und Hoffnung kehrt zurück. Die losen Fäden der Handlung fügen sich zusammen und steuern auf das Ende zu, in dem sich der Konflikt löst oder eskaliert – je nachdem, ob es ein Happy End gibt oder ein tragisches Ende.
Der Prinz findet den Schuh und gelobt die Frau zu heiraten, der dieser Schuh passt. Die Schwestern versuchen zu betrügen, doch die Tiere verpetzen sie und so findet der Prinz zum Schluss sein Aschenputtel und alles geht gut aus.
Beim Plotten in Akten ist das 3er Modell für Minimalisten. Etwas ausführlicher wird es mit 5 Akten …
Fünf Akte
Bei fünf Akten wird der Weg bis zum Konflikt etwas ausführlicher strukturiert: Wir beginnen wieder mit der Exposition als Einführung. Dann geht es mit einem erregenden Element weiter – die Spannung baut sich auf. Alles steuert im dritten Akt auf den Höhepunkt zu, von dem aus sich die Spannung langsam wieder abbaut (retardierendes Element), bis die Geschichte endet.
Im 5-Akter zerfällt die Exposition in die Prämisse und den Spannungsaufbau, der zur ersten Wendung führt.
Einleitung (Prämisse)
Wieder erfährt der Leser etwas über den Held, gegebenenfalls auch sc hon seinen Gegenspieler und die anderen wichtigen Figuren. Er hat Zeit, sich in dem Setting zurechtzufinden und erfährt genug, um ein Bild vor Augen zu haben. Hier bietet es sich, mit Erzähltechniken einen lebendigen Eindruck von den Figuren und ihrer Welt zu erwecken, mit kleinen Szenen, die einen Eindruck vermitteln und idealerweise ganz unaufdringlich auch schon Informationen liefern, die wir später zur Lösung des Konflikts benötigen.
Schneewittchen lebt mit ihrer krankhaft eitlen Stiefmutter im Palast und wächst dort zu einem ebenso lieben wie hübschen Prinzesschen heran, dem man einfach keinen Wunsch abschlagen kann. Der Leser erfährt, dass das Königreich durch jede Menge Wildnis von anderen Reichen abgeschnitten ist und auch, dass die Menschen am Hof rechtschaffene Leute sind, aber vor der bösen Königin, die viel über ihren Spiegel erfährt, Angst haben.
Wandel
Wenn ihr keinen expressionisten Roman über die Freuden des Nihilismus‘ schreiben wollt, sollte jetzt etwas passieren. Ein Ereignis wirft die Figuren aus ihrer Routine, eröffnet den Weg zur eigentlichen Haupthandlung.
Als der Spiegel der Königin etwas uncharmant eröffnet, dass Schneewittchen schöner ist als sie, bekommt diese eine Sinnkrise und beschließt nach einigem Hin und Her, sich des nervigen Görs zu entledigen. Weil sie sich aber die Finger nicht schmutzig machen will, beauftragt sie den Jäger mit dem Mord. Er soll Schneewittchen diskret im Wald entsorgen und ihr zum Beweis das Herz des Mädchens bringen.
Mittelteil
Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Wir brauchen eine erneute Wendung, die der Geschichte eine neue Richtung gibt, ohne an Spannung zu verlieren. Und zwar auf eine Weise, die auch zu dem vom Autor gewünschten Ende führt.
Der Jäger bringt es nicht übers Herz, das Mädchen zu töten und verhilft ihr zur Flucht. Der Königin bringt er stattdessen ein Herz von einem wilden Tier (er ist ja immerhin Jäger), das diese im Glauben es sei Schneewittchens, verspeist. Die währendessen stolpert dramatisch geschickt durch den Wald, bis sie irgendwann auf eine einsame Waldhütte stößt. Als niemand da ist, bricht Schneewittchen ein, wundert sich über die seltsame Einrichtung, nascht ein bisschen vom Essen und bricht dann erschöpft in einem der auffallend kleinen Betten zusammen. Als die kleinwüchsigen Wohnungseigentümer nach Hause kommen und Schneewittchen schlafend vorfinden, beschließen sie, ihr Asyl zu gewähren und nehmen sie in die WG auf.
2. Wendepunkt
Eigentlich wäre jetzt alles gut (im Beispielfall) oder auch verloren. Eigentlich. Doch dann fällt dem Autor noch etwas ein, das wieder alles in ein neues Licht rückt und die Spannung nochmals ansteigen lässt … Das Unheil braut sich zusammen, die Uhr tickt, der Druck wird schier unerträglich.
Bei unserem Beispiel löst der Spiegel die Wende aus, weil er der Königin verrät, dass Schneewittchen wohlauf und munter ist.Also zieht die Königin selbst los, um die Affäre S ein für alle Mal mittels eines vergifteten Apfels zu beenden. Schneewittchen ist nicht dumm und isst erst von dem Apfel, als die Königin selbst abbeißt, doch damit, dass diese nur eine Seite des Apfels vergiftet hat, rechnet sie nicht.
Finale
Es kommt zum Showdown. Der Held stellt sich dem Gegenspieler und kann ihn bezwingen (oder nicht). Alles strebt auf das (vorläufige) Ende zu.
Schneewittchen hustet, röchelt und fällt um. Die Zwerge versuchen, sie wiederzubeleben, doch scheitern, was sehr tragisch ist. Also bahren sie Schneewittchen in einem gläsernen Sarg auf. Dabei begegnen sie einem Prinzen, der sich verliebt in die schöne Tote verliebt und sie samt Sarg mitnehmen will. Beim Abtransport des Sargs kommt es zu einem Unfall, der Sarg fällt zu Boden, Schneewittchen spuckt den Apfel aus und erwacht. Gemeinsam mit dem Prinzen reitet sie in die Stadt, fordert die Königin und besiegt sie zusammen mit ihrem Prinzen.
Spannend ist, dass die Plotstruktur bei Schneewittchen sich eignetlich nicht an ihr,sondern an der Königin aufbaut, die sich das Königreich mit ihrem Spiegel sichern konnte (1) Dann will sie will das Mädchen und ihre Konkurrentin töten lassen (2. AKt/1. Höhepunkt), scheitert (3) und versucht es erneut (4. Akt/2. Höhepunkt) und scheitert wieder, und zwar endgültig (5 – Finale).
Plotten mit dem 7-Akter
Diese Methode unterteilt beim Plotten in Akten den Ablauf nochmals etwas dezidierter.
Damit eignet sie sich vor allem für etwas komplexere Handlungen, bei der zum Beispiel der Held nicht nur eine äußere Gefahr sondern zeitgleich auch seinen inneren Schweinehund überwinden muss. Außerdem bricht sie die lineare Struktur auf. Doch der Reihe nach:
Die 7 Akte
Wir haben wieder eine Einleitung (1), von der aus der Leser mit auf die Reise genommen wird. Die eigentliche Geschichte beginnt mit einer Wendung (2), die uns aus dem Alltag löst und Spannung aufbaut. Neu ist nun eine Hürde (3), durch deren Überwindung die weitere Entwicklung angestoßen wird. Jetzt muss der Held etwas tun, um aus dem Schlamassel herauszufkommen (4). Doch das ist leichter gesagt als getan, denn die Hürden gehen nicht aus (5). Doch weil der Held nicht aufgibt, kommt eine (unverhoffte) Wendung zu besseren (6) und so mündet alles in ein spannendes Finale (7).
Ping-Pong-Plotten
Dan Wells, als prominenter Vertreter der 7-Akte, empfiehlt nun nicht linear vorzugehen, sondern sich von vorn und hinten zum Mittelteil vorzuarbeiten. Er will beim Plotten in Akten die Geschichte förmlich in die Zange nehmen. Wie soll das gehen?
Ganz einfach:
7 – 1 – 4 – 2 – 3 – 5 – 6
Von Anfang an das Ende im Blick (7)
Nicht nur für Krimi-Autoren ist es enorm hilfreich, sich als erstes Gedanken zum Schluss zu machen. Wenn man weiß, wo man hinwill, findet sich der Weg viel leichter.
Gehen wir also davon aus, dass wir eine Prinzessin haben, die aus Liebe ihrem Prinzen in eine ihr fremde Welt folgt, um sein Herz für sich zu gewinnen.
Und dann für das Ziel den Koffer packen … (1)
Dem stellt ihr den Anfang gegenüber. Dabei ist es durchaus spannend, wenn der Held anfangs die Eigenschaften, die er für das Finale hat, eben noch nicht besitzt, sondern unterwegs erst erwerben muss. Damit könnt ihr jetzt alles in die Ausgangssituation einbauen, was ihr unterwegs braucht. Das macht die Geschichte auch straffer. Wenn man weiß, wohin es geht, packt sich der Koffer leichter.
Hier brauchen wir eine Prinzessin, die für Märchenverhältnisse einigermaßen emanzipiert ist. Also sollte sie, damit es spannend wird, wirklich fremd sein. Wie wäre es mit einer Meerjungfrau? Einer neugierigen, aber etwas naiven Nixe, die von der Menschenwelt fasziniert ist.
Wo ist das dramatische Element der Geschichte? (4)
Der logisch nächste Schritt ist dann die Entscheidung, warum der Held sich ändert. Zwingt ihn eine äußere Katastrophe? Bringt ihn etwas zu einer inneren Einsicht? Das ist der Mittelteil.
Es stellt sich die Frage, wie eine Nixe an einen Menschenprinz herankommt. Sie muss also irgendwie in seine Welt kommen und sich ihm nähern. Mehr noch, sie muss ihm nahekommen! Was motiviert sie dazu?
Wie schubsen wir die Figuren in ihre Positionen? (2)
Wenn das feststeht, kann man nach vorne die erste Wendung entwerfen. Was treibt die Figuren aus der Komfortzone? Warum springt der Held über seinen Schatten? Dieser Auslöser kann sehr dramatisch sein. Oder auch nur für ihn bedeutsam. Der mitleidige Blick eines Nachbarn, der ihn aufrüttelt, endlich was zu tun?
Was wäre, wenn unsere Nixe ihren Prinzen vor dem Tod durch Ertrinken rettet. Was anfangs nur Mitleid war, wird Liebe, als sie ihn am Strand betrachtet. Der Prinz wacht auf und ist von seiner Retterin fasziniert, doch sie muss zurück ins Wasser.
Das ist natürlich nicht genug, der Held braucht eine Aufgabe, die ihn zum Mittelteil, zum Höhepunkt der Geschichte bringt. Das kann eine erste Hürde sein, die er überwinden muss, um dem Leser (und sich) seine Entschlossenheit zu beweisen.
Unsere Nixe kann bei einer Hexe Stimme gegen Füße eintauschen, damit sie zu ihrem Prinzen kann. Das klingt doch sehr verlockend, gibt aber dem misstrauischen Leser schon das Gefühl von Gefahr. Aber natürlich nimmt die Nixe das Angebot an. Damit kann sie an den Königshof und versuchen, den Prinzen wiederzusehen.
Plotten in Akten beim Endspurt: Und wie beweisen sich die Figuren?
Und weil das ja noch nicht alles sein kann, wird jetzt auch klar, dass die zweite Wendung (der 5. und 6. Akt) dazu da sind, den Helden vor dem Showdown üben zu lassen, seine Entschlossenheit auf die Probe zu stellen, ihm vielleicht einen Helfer oder eine Fertigkeit zu geben, der ihm hilft, das Finale würdig zu bestreiten.
Die Nixe stellt am Königshof entsetzt fest, dass der Prinz sie nicht wiedererkennt, weil er sich ihre Stimme gemerkt hat (der Dödel). Das ist die unerwartete Wendung zum Schlechten. Und weil das noch nicht schlimm genug ist, erkennt sie jetzt den Plan der Hexe, die den Prinzen selbst haben will und dafür die Stimme unserer Meerjungfrau nutzt!
Und wenn man sich bis hierher durchgehangelt hat, hat auch der unentschlossenste Autor eine Idee, wie er seine Figur auf die letzte Seite seines Buches bringen will.
Die Meerjungfrau setzt alles auf eine Karte, wirft sich dem Prinzen in die Arme und wird von diesem geküsst und damit befreit, was auch die Hexe besiegt (Disney-Variante). Oder sie scheitert endgültig (Andersen-Variante).
Es ist in jedem Fall eine kurzweilige und spannende Übung, sich berühmte Vorlagen einmal anzusehen und in Akte aufzudröseln. So bekommt ihr ein Gefühl für den natürlichen Rhythmus einer Geschichte und die tradierten Lesererwartungen.
Und außer dem Plotten in Akten?
Es gibt natürlich jede Menge anderer Plottechniken neben dem Plotten in Akten. Auch ist es sehr faszinierend, sich mit den Basisformen eines Plots zu befassen. Und dafür haben wir natürlich auch schon etwas vorbereitet. Lest selbst:
- Der Plot an sich
- Planung oder Zufall – was macht eine Geschichte spannender?
- 7 Basis-Plots
- 20 Master-Plots
- 36 dramatische Situationen
Natürlich stellen wir auch die anderen gängigen Plot-Methoden noch vor.