Nie nie wieder! Bücherverbrennung

Liebe Skoutze,

Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz Quelle: Bundesarchiv

heute möchten wir mit euch eines sehr traurigen Themas gedenken. Der Bücherverbrennung durch die Nazis.

Am 10. Mai 1933 wurden in einer frühen Art eines akribisch geplanten Flashmobs unter dem Motto „Aktion wider den undeutschen Geist“ hunderttausende Bücher demonstrativ verbrannt.

Es war eine von der Deutschen Studentenschaft geplante Aktion, an der sich neben den Studenten und Professoren auch nationalsozialistische Parteifunktionäre wie Joseph Goebbels (einem Germanisten, der bei einem jüdischen Professor promovierte) beteiligten.  Die zentrale Veranstaltung war die vom Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) auf dem damaligen Berliner Opernplatz als Auftakt einer großen Säuberungskampagne inszenierte Verbrennung von über 20.000 Büchern. 21 weitere deutsche Universitätsstädte beteiligten sich an dem grässlichen Spektakel gegen Toleranz, Meinungs- und Kunstfreiheit.

Toleranz, Meinungs- und Kunstfreiheit

Flugblatt aus Würzburg. Quelle: Wikipedia

Das alles sind Begriffe, die uns heute so selbstverständlich geworden sind, dass wir gar nicht mehr über sie nachdenken, dass wir sie nicht mehr bewusst bemerken und darum auch  nicht mehr verteidigen.

Noch brennen keine Bücher. Gegenwärtig schreiben wir nur um, was uns nicht politisch korrekt erscheint. Oder leugnen es einfach. Fake News und so.
Noch brennen keinen Menschen, denn wir verbieten ihnen nur den Mund. Oder unterstellen ihren Meinungen eine Gesinnung, die wir, aber nicht notwendig sie damit verbinden. Wer das sagt, ist ein Nazi, ein Terrorist, oder ein Frauenfeind (Muss ich mich festlegen?).

Wohin soll das also führen, wenn nicht bestimmte Aussagen, sondern bereits die Diskussion über diese Aussagen verboten werden soll? So z.B. aktuell bei der Aufregung um die sogenannte Kopftuch-Debatte in Frankfurt (Link zu FAZ-Artikel vom 08.05.2019)? Wann beginnen wir wieder, das, was wir nicht hören wollen, nicht nur niederzubrüllen, sondern auch niederzuschlagen?

Es ist eine steile, eine bewusst provokante These, aber wo genau liegt der Unterschied, zwischen den damals Empörten, die ihre Weltauffassung, ihr Bild von Anstand und Moral, mit allen Mitteln durchsetzen wollten, zu denen, die es heute tun? Heute wie damals wird das als „richtig“ empfundene erzwungen. Die Themen mögen gewechselt haben, der „undeutsche Geist“ ist zu akzeptieren, die „politisch unkorrekte Haltung“ hingegen nicht. So ist ja auch die Bücherverbrennung keine Erfindung der Nazis. Es gab und gibt sie überall dort, wo man verlernt hat, missliebige Meinungen auszuhalten. Und zwar obwohl man E-Books nicht so gut verbrennen kann.

Damals ging es bei der Bücherverbrennung um die „Gleichschaltung der Literatur“. Darum, was und wie man zu schreiben hatte. Sind das nicht Fragen, die heute auch wieder diskutiert werden? Und zwar wieder unter dem Deckmantel der richtigen Moral. Wir wollen nicht die Themen vergleichen. Wir wollen über die Mittel sprechen, mit denen sie verbreitet oder unterdrückt werden. Und zur (Selbst)Kritik aufrufen.

Skoutz steht für Toleranz

Wir wollen eine bunte Welt, voller unterschiedlicher Geschichten, voller Kunst und Meinungen in allen denkbaren Farben und Mischungen. Wir wollen auf niemanden mit dem Finger zeigen, aber wir wünschen uns, dass jeder einzelne von uns überlegt, wie radikal und vehement wir unsere Meinung vertreten, und mit welcher Legitimation wir fordern, dass unsere Meinung nicht nur toleriert, sondern als „richtige“ oder „bessere“ auch übernommen wird. Um die Gleichschaltung, ein „SO muss es sein“ zu fordern, bedarf es nicht nur der unumstößlichen Überzeugung, dass diese Meinung die Richtige ist. Sie muss die einzig richtige sein.

Es geht dabei nicht darum, jede Meinung unwidersprochen  zu lassen. Es geht nicht darum, jeder persönlichen Meinung ein Podium zu bieten. Wir sollten uns im Gegenteil bewusst machen, dass wir oft erst dadurch, dass wir uns über eine Meinung aufregen, dieser ein Podium bieten. Wie viele abstruse Thesen hätten wir nie erfahren, wenn sie unsere Freunde nicht geteilt hätten? Die Araber sagen, Scheiße fängt erst an zu stinken, wenn man darin herumrührt. Das trifft in hohem Maße auf Social Media zu.

Natürlich muss man vielen Thesen sachlich entgegen treten. Es kommt eben immer auf den Kontext an. Kopftuchhäme auf unseren Privatprofilen ist etwas anderes als die Diskussion seiner Symbolkraft im universitären Umfeld. Es geht darum, unsere tolerante, werteorientierte Diskussionskultur zu pflegen, zu schützen und zu praktizieren.

Ob das jetzt die Debatte um Kopftücher, Gewaltverherrlichung in Romance-Büchern, Gleichberechtigung und ihre sprachliche Unterstützung oder die richtige Typografie sind. Wir sollten unsere Meinungen, das diffuse Bauchgefühl, etwas so oder so zu wollen, nur dann zu Aussagen machen, wenn wir sie mit Fakten begründen können. Denn dann kann man auch diskutieren. Und das dürfen wir nicht verlernen.

Vertreten, nicht Zutreten

Wir haben damals in der Schule Archivmaterial zur Bücherverbrennung angesehen und ich weiß noch, wie mir die Tränen in die Augen traten (was in der Mittelstufe bei einer sonst sehr auf ihren Coolness-Faktor bedachten Schülerin sehr peinlich war). Nicht, weil da Bücher brannten, die ich selbst kannte und liebte. Sondern weil die Menschen, die meine Papier-Freunde in die Flammen warfen, so sicher waren. Wie sie voller Hass „London“ oder „Kästner“ brüllten. Menschen, die sie doch gar nicht kannten. Deren persönliche Haltung sie nur aus ihren Werken erahnten, wenn sie sich – und das bezweifle ich – sich überhaupt mit ihr befasst haben.

Jeder persönliche Groll birgt das Potential, einen Funken überspringen zu lassen, einen Flächenbrand auszulösen, der so nicht gewollt war, dessen Dynamik und Themen wir schnell nicht mehr kontrollieren können. Schon die französische Revolution wendete sich am Ende gegen jene, die sie begonnen hatten.

Die Opfer der Bücherverbrennung

Mehr dazu, sehr differenziert und mit vielen Zitaten von Zeitzeugen schreibt die Wikipedia. Dort gibt es auch eine Liste der verbrannten Bücher. Sie ist erschütternd lang.

Erich Kästner berichtet als Betroffener und Augenzeuge: „Ich stand vor der Universität eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniform, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners. Begräbniswetter hing über der Stadt. (…) Es war widerlich.“

Die Liste der indizierten Autoren ist auch sonst nicht ohne, denn dazu zählen z.B.:

  • Henri Barbusse
  • Bertold Brecht
  • Otto Dix
  • Alfred Döblin
  • Albert Einstein
  • Maxim Gorki
  • Lion Feuchtwanger
  • Sigmund Freud
  • Heinrich Heine
  • Ernest Hemingway
  • Franz Kafka
  • Erich Kästner
  • Egon Erwin Kisch
  • Karl Liebknecht
  • Jack London
  • Rosa Luxemburg
  • Heinrich und Klaus Mann
  • Karl Marx
  • Robert Musil
  • Upton Sinclair
  • Erich Maria Remarque
  • Joachim Ringelnatz
  • Nelly Sachs
  • Anna Seghers
  • Arthur Schnitzler
  • Bertha von Suttner
  • Leo Trotzki
  • Kurt Tucholsky
  • Grete Weiskopf
  • Stefan Zweig

Liebe Skoutze, bleibt bunt und tolerant. Seid – wie Cinderella sagt – mutig und höflich. Und zündelt nicht.

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