Skoutz-Wiki: Die Epoche der Moderne
Ein im Feuilleton-Bingo oft auftauchender Begriff ist „Literatur der Moderne„. Man hört ihn oft und öfter noch in einander widersprechenden Aussagen. Die Moderne ist eine Epoche, die allein deshalb schon wichtig ist, weil mittlerweile schon von der Post-Modernen gesprochen wird, was man naturgemäß nicht verstehen kann, solange man das Erste schon nicht kennt.
Wir haben uns gedacht, dass dann eben wir einmal genauer hinsehen müssen:
Die Moderne in Kürze
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Die Moderne ausführlich
Ihren Namen hat die (heute gar nicht mehr so) Moderne erhalten, weil sie sich allgemein von Altem, Traditionellen, ja von der Vergangenheit als solcher abgrenzen und konsequent neue Wege gehen will. Damit ist sie, plastisch ausgedrückt, der ewige Teenager unter den Literaturepochen. Zeitlich wird sie überwiegend zwischen 1890 und 1920 eingeordnet. Es gibt aber auch Fundstellen, die sie in der Romantik einsetzen lassen und bis in die Gegenwart fortführen, und so mit der „Postmodernen“ verbinden.
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Das Umfeld
Um die Moderne zu verstehen, muss man sich zunächst die damalige Zeit vor Augen führen. Es war die Zeit der großen Umbrüche auch in der Wissenschaft, die unser Weltbild nachhaltig verändert haben. Die Quantenphysik und die Relativitätstheorie von Planck und Einstein veränderten unser Verständnis vom Universum, Sigmund Freud revolutionierte unser Bild von uns selbst. Durch die Industrialisierung und eine überbordende Bürokratisierung wuchs das Bedürfnis nach Individualismus enorm. Ehemals unerschütterliche Grundsätze mussten nun aufgrund neuer Erkenntnisse überdacht werden. Es kam daher in der Gesellschaft zu einem Perspektivwechsel, der dann auch die Literatur nachhaltig beeinflusste. Eine Situation, die uns auch heute bei der Digitalisierung bekannt vorkommen dürfte.
„Auf nichts kann man sich mehr verlassen.“ Die Jahrhundertwende wird von einer pessimistischen Weltsicht geprägt, kommende Kriege werfen ihre Schatten voraus. Reaktion hierauf ist einerseits ein Gefühl der Ohnmacht, zugleich aber auch der Wunsch, das, was man hat, zu genießen.
Literatur
Diese Haltung beeinflusst auch die Geschichten, die man hören will. Inhaltlich, aber mehr noch die Art der Erzählung. Das Interesse verlagerte sich von der Handlung (Was passiert) auf die Protagonisten und deren Empfinden in der jeweiligen Situation. Wechsel der Erzählperspektive, innere Monologe und Montagen gewinnen folgerichtig an Bedeutung. Die Wahrnehmung wird von der Wahrheit getrennt und ganz im Sinne Freuds relativiert. Inhaltlich drehen sich die Stoffe der Moderne häufig um das Scheitern in einer unverständlich gewordenen Welt, um Verfall und Dekadenz.
Dazu kommen – speziell im Expressionismus – starke Sprachbilder und Symbole, Chiffren. Gleichzeitig aber in anderen Strömungen auch der Versuch Empfindungen präzise und mit klaren Worten zu analysieren. Dabei ist den Autoren durchaus bewusst, dass Denken nicht immer in Worte zu fassen ist und sich eine absolute Wahrheit schriftstellerisch nicht darstellen lässt.
Der Freude am Experimentellen sind daher kaum Grenzen gesetzt. Das Chiffre als Stilmittel wird beliebt und von Kafka zur Meisterschaft gebracht. Aphorismen als Kurzform der Literatur erfreuen sich großer Beliebtheit, man wagt sich an Kunstmärchen frei von traditionellen, alten Grundlagen…
Typisch Moderne: Freiheit
Konsequent entwickelte sich ein experimentellerer und flexiblerer Umgang mit der Sprache. Das erklärt dann auch, warum diese Epoche so schwer zu beschreiben ist. Die Uneinheitlichkeit, das Untypische ist gerade ihr Charakteristikum. Die Literatur der Moderne hat daher kein verbindliches Stilverständnis, keine Regeln für Erzählstrukturen, keine Zensur. Die Epoche der Moderne ist im Gegensatz zu allen vorangegangenen Literaturepochen stilistisch nicht mehr einzugrenzen. Alles war erlaubt und alles für jeden verfügbar.
Bis dann die Nationalsozialisten eingriffen und wertvolle Literatur von entarteter unterschieden …
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Werke und Autoren der Moderne
Bedingt durch die Vielfalt der Epoche ist die Liste der prägenden Autoren relativ lang.
Sicherlich gehören die radikalen Werke von Franz Kafka, wie etwa „Die Verwandlung“ (1912), in diese Epoche. Oft hört man auch Alfred Döblin (Berlin Alexanderplatz, 1929), Thomas Mann (Die Buddenbrocks, 1901) oder Rainer Maria Rilke (Die Aufzeichnungen des Malte Laurid Brigge, 1910), aber auch mit seinen Gedichten. Regelmäßig fällt auch der Name von Hermann Hesse, dessen Siddharta (1922) das Lebensgefühl seiner Zeit auf den Nerv traf.
International fiel uns als erstes James Joyces „Ulysses“ (1922) ein, aber auch Virginia Woolf mit „Mrs. Dalloway“, (1925).
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Bonuswissen: Moderne (Klugscheißmodus)
Die literarische Moderne ist übrigens nicht auf Europa beschränkt. Auch in der Lateinamerikanischen Literatur spricht man ab Ende des 19. Jahrhunderts vom sogenannten Modernismo (Wikipedia-Link), mit dem die Emanzipation dieser Literatur und ihrer Literaten von fremden Vorbildern bezeichnet wird.