zu Besuch bei: Michael Dissieux
Ich weiß nicht, ob ihr es wusstet, aber ich bin eigentlich zu fantasiebegabt für Horrorbücher. Dachte ich.
Bis meine liebe Freundin und Skoutz-Jurorin Demetria Cornfield kam und lauter wirklich verdammt spannend klingende Horror-Bücher in die Midlist Horror für den Skoutz-Award gepackt hat. Das hatte nicht nur verheerende Folgen für meinen SUB, sondern führt mich auch auf meiner Interview-Reise zu diversen Horror-Autoren, die alle für sich ungeachtet ihrer abgründigen, tiefsinnigen, hinterhältigen, garstigen Geschichten außerordentlich sympathisch sind. Ein wunderbares Beispiel ist Michael Dissieux …
Zu Besuch bei Michael Dissieux, dem Herrn wahrlich abgründigen Horrors
Was ist dein »Sprit« beim Schreiben, woher nimmst du deine Ideen?
Es mag sich abgedroschen anhören, aber meine Ideen fliegen mir zu.
Originalitätspreis bekommst du dafür tatsächlich keinen. Aber sprich ruhig weiter …
Sei es durch einzelne Sätze, die ich lese, durch Filmszenen oder alltägliche Beobachtungen auf der Straße. Aus kleinen Schnipseln bastelt sich mein Verstand dann schnell eine Geschichte zurecht … und das am liebsten in der Badewanne.
Das klingt so harmlos und so unschuldig. Wenn ich nicht wüsste, was du schreibst …
Was würdest du tun, wenn du nicht mehr schreiben könntest?
Darüber wage ich nicht nachzudenken, denn es wäre der erste Schritt auf dem Weg zur Depression.
So ein bisschen Wahnsinn steht einem Horror-Autor doch gut zu Gesicht, jetzt sei nicht kleinlich. Andererseits wärst du dann kein Autor mehr. Stehen wir hier vor einem literarischen Paradoxon? Aber lass uns erst mal weitermachen. Die nächste Frage kommt da gerade recht.
Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?
Als ich ungefähr 18 Jahre alt war, habe ich eine zweijährige Schreibpause eingelegt, da mich zahlreiche Absagen von Verlagen demotiviert haben, man in dem Alter jedoch alles, und zwar sofort, erreichen will.
Ich würde sagen, dass die Verlagsabsagen (und auch die Art und Weise wie abgesagt wird), auch später noch demotivierend sind, also altersunabhängig. Wie ging es weiter?
Nach den zwei Jahren hat es mich aber wie eine Sucht zurück an die alte Schreibmaschine meines Vaters getrieben. Seitdem kann ich mir ein Leben ohne Schreiben nicht mehr vorstellen.
Sehr zur Freude deiner Leser. Wobei in der Tat Schreiben schon zur Sucht werden kann. Diese Rast- und Ruhelosigkeit, die bei Untätigkeit einsetzt, beschreiben viele Kollegen.
Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?
Mein emotionalstes Erlebnis war mit Sicherheit die Zusage des Bastei-Verlages, eine Kurzgeschichte von mir zu drucken. Das war Mitte der Neunziger Jahre und hat mir zum ersten Mal gezeigt, dass meine Geschichten ja nicht so schlecht sein können.
Das ist aber auch der Traum der allermeisten Kollegen – einmal wenigstens von einem Großverlag „erhört“ zu werden. Fraglos ein Champagner-Moment. Und sonst? Unmittelbar am Buch?
Zudem gehört wohl jede Beendigung eines Romans zu den emotionalen Erlebnissen.
Ja, das Gefühl, mit dem man „E N D E“ unter einen Text tippt, ist einfach und im reinsten Wortsinne unbeschreiblich.
Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?
Jede meiner Figuren trägt einen kleinen Teil in mir. Sei es deren Weltanschauung, ihre Einstellung zu Gott oder die Art, mit einer Situation umzugehen.
Das ist auch meine These, wobei sehr viele Autoren meinen, dass sie sich aus ihren Büchern raushalten könnten.
Ich glaube, sonst könnte man sich als Autor nicht in die Gedankenwelt und die Beweggründe der Protagonisten hineinversetzen.
Absolut, denn vergleichen wir nicht unweigerlich mit unseren eigenen Gefühlen jene unserer Figuren? Und wirken sie auf uns nicht nur dann echt, wenn wir sie nachfühlen können? In der Hoffnung, dass es auch die Leser tun.
Ach, wenn wir schon von Hoffnungen im Zusammenhang mit Lesern sprechen ….
Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Autor machen kann?
Das größte Kompliment ist jede positive Resonanz.
In letzter Zeit seid ihr alle so bescheiden. Christopher Ecker, ein wirklich großartiger Autor, der nicht nur die Leser, sondern auch Literaturkritiker begeistert, meinte knapp, ihm würde reichen, wenn dem Leser das Buch sehr gut gefällt. Gib du mir etwas Futter …. Bitte.
Zu wissen, dass es Menschen gibt, die abends im Bett meine Geschichten lesen, ist die größte Motivation, die es gibt.
Deine Geschichten im Bett lesen? Michael, ich bin ja echt kein Feigling, aber da steig ich aus. Also abends jedenfalls. Morgens wäre das was anderes. Denn danach wäre ich fraglos für viele Stunden wach. *lach*
Wer ist für dich dein idealer Leser?
Der ideale Leser sind keine Splatterhorror-Fans, sondern Menschen, die gerne tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der Charaktere eintauchen und dennoch den unheimlichen oder trostlosen und manchmal auch depressiven Faden der Geschichte finden
Also eher Edgar Alan Poe als Brett Easton Ellis? Ich sag ja, dass deine Bücher lesenswert sind, auch wenn wir uns über die rechte Lesezeit noch mal unterhalten müssen.
Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?
Bei keinem, denn wie bereits erwähnt, beherbergt jeder von ihnen einen kleinen Teil von mir, auch wenn er manchmal verschwindend gering ist.
Hmhm … also ich persönlich finde den Beziehungsstatus mit mir selbst öfter mal als durchaus schwierig. Bist du am Ende doch normaler als ich?
Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?
Herr Dissieux, sind sie nach Jahren harter Arbeit, Frustrationen und Schreibblockaden endlich am Ziel ihrer Träume angelangt?
Oder
Herr Dissieux, haben sie Stephen King einmal persönlich kennengelernt?
Michael, beides würde ich dir von Herzen gönnen und hoffe sehr, dass der Skoutz-Award ein kleiner Schritt auf der Leiter zum Ziel deiner Träume wird. Das Gespräch hat mir viel Spaß gemacht und gerne berichten wir weiter von dir und deinen Büchern.
Hier könnt ihr MIchael Dissieux treffen (wenn ihr euch traut )
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Michael Dissieux Autorenhomepage
Verlagsseite von Michael Disseux (Luzifer-Verlag)
Skoutz-Lesetipp: Der Schuppen – Horrorthriller von Michael Disseux
Der Schuppen … stand schon immer hinten im Garten vor der großen Dornenhecke.
Der Schuppen … birgt seit Generationen das schreckliche Geheimnis meiner Familie.
An einem kalten Tag im Februar 1986 verliere ich meine Kindheit, als ich in den alten Schuppen im Garten gehe und in einer staubigen Ecke die Falltür entdecke. Davor stehen ein schäbiger Sessel und eine Flasche Whiskey. Jemand hatte sich hier gemütlich eingerichtet.
Als ich die Stufen hinab in die Erde steige, spüre ich mit jedem Schritt, wie sich etwas in mir verändert. Am Ende der alten Holztreppe angelangt, bin ich ein anderer. Ich bin kein Kind mehr …
Skoutz meint: So, wie schon der Klappentext den Leser mitten ins Geschehen wirft, so geht es dann auch im Buch weiter. Es ist das Dilemma, zwischen „Nichtweiterlesen-Wollen“ und „Unbedingtweiterlesen-Müssen“, das diese atmosphärisch dichte Geschichte zu einer absolut empfehlenswerten macht und eindeutig über den normalen Thriller hinaus zu einem echten Horror-Buch hinaus erhebt.
Hinweis:
Da Michael Dissieux mit seiner abgründigen Horror-Reihe „Die Legende von Arc’s Hill“ von Skoutz-Jurorin Demetria Cornfield in die Midlist Horror des Skoutz-Awards 2016 gewählt wurde, haben wir es uns natürlich nicht nehmen lassen und Band 3 der Reihe, „Auferstehung“ (jener, der konkret ausgewählt wurde), mal genauer angesehen und ausführlich vorgestellt.