Zu Besuch bei Marie Dölling

Skoutzi und ich haben beschlossen, dass heute ein guter Tag ist, um eine Autorin zu besuchen, die wir bisher noch nicht persönlich kennen. Marie Döling steht mit ihrem Titel „Kein Ort dieser Welt“ auf der Midlist Contemporary von Annemarie Bruhns.

Wir sind sehr gespannt auf das Gespräch und noch neugieriger, was sie uns alles zu erzählen hat. Der Skoutz-Kauz hat die Führung übernommen und winkt mir hektisch zu, er hat die richtige Adresse gefunden.

Lyrikerin und Autorin Marie Dölling im Skoutz-InterviewZu Besuch bei Marie Dölling, die keinen Kaffee mag

Hallo liebe Marie, wir freuen uns sehr, dass wir dich heute bei dir besuchen dürfen. Das gefällt uns sehr an unserem Job, mit Autoren zusammenzusitzen und nette Gespräche zu führen. Sieh mal, unser Skoutz-Kauz fühlt sich schon heimisch und schaut sich gerade bei dir um …

Wo sitzen wir denn, also wo willst du uns empfangen?

Wir sitzen in meinem Büro und Bücherzimmer, das Fenster ist angeklappt, sodass wir die Fähre von Zeit zu Zeit hupen hören, die in 250 Metern Entfernung Menschen und Autos über die Havel bringt.

Die ist mir beim Hinweg schon aufgefallen, ich lebe auch an einem Fluss, wo im Sommer eine Fähre Radfahrer und Fußgänger befördert.  Da fühle ich mich gleich heimisch. Auch mit den vielen Büchern …

Mehr als 300 Bücher umgeben uns und meinen Arbeitsplatz, an dem nicht nur meine eigenen Gedichte und Geschichten entstehen, sondern auch viele Manuskripte anderer Autoren und Autorinnen für die Veröffentlichung vorbereitet werden. Ich bin Lektorin, Korrektorin und Buchsetzerin. 😉

Oh ja, ich sehe es. Man spürt förmlich, dass hier fleißig gearbeitet wird. Darf ich mir deinen Bücherschrank mal anschauen, während ich dir die ein paar Fragen stelle? 

Nach welchem Motto lebst du? Und wirkt sich das auch auf dein Schreiben aus?

Mein Motto: Hinterlasse schöne Worte in Menschen, die dir begegnen, dann hinterlassen sie auch solche in dir.

Das hört sich richtig schön an und gefällt mir sehr! Verwendest du das auch in deinen Büchern?

Wie die Protagonistin meines Buches „Kein Ort dieser Welt“ glaube ich fest daran, dass jeder Mensch, dem ich begegne, ein Wort in mir hinterlässt. Worte, die ich als Lyrikerin und Autorin in Gedichte und Texte baue oder in meine Notizbücher schreibe.

Das ist eine schöne Vorstellung. Das hat mich schon in deinem Buch fasziniert. Und was machst du dann mit all den Worten?

Andere sammeln Muscheln oder Briefmarken, ich sammle Verben, Nomen und Adjektive – und erschaffe im Idealfall etwas Neues damit. Etwas, das ich wiederum in anderen hinterlassen kann.

Das klingt so richtig schön und gefällt mir total gut der Gedanke. Worte als Stafette. Mal andersherum gefragt …

Was ist dein erster Gedanke, wenn ich dich frage, was du GAR NICHT magst?

Kaffee – ein Autorenklischee, das ich nicht erfülle. 😀

Da hast du echt ein (Fast-)Alleinstellungsmerkmal 😀 Ich liebe ja Kaffee und kann das gar nicht verstehen. Aber weil du Klischees erwähnst …

Als Klischee wird man nicht geboren, sondern muss sich den Titel erarbeiten. Klischees sind so praktisch wie lästig. Wie gehst du persönlich mit ihnen um? Beim Schreiben wie im Leben?

Klischees existieren aus einem bestimmten Grund – weil sich eine gewisse Gegebenheit, Eigenschaft oder Handlung in der Vergangenheit als beliebt und funktional erwiesen hat. Dass Klischees derart negativ behaftet sind, verstehe ich daher tatsächlich gar nicht.

Da sind wir schon 2, ich kann das auch nicht wirklich verstehen. Wir brechen auch immer für sie eine Lanze. Was magst du an Klischees?

Normalerweise sind wir Menschen ja meistens dem zugeneigt, was wir kennen und für gut befunden haben. Daher arbeite ich in Teilen auch gerne mal mit gewissen Klischees in meinen Geschichten und habe gar kein Problem damit, ab und zu auch selbst eines zu sein. 😉

Ich mag gerne, wenn Klischees in Büchern verwendet werden und damit gespielt wird. Und auch als Mensch stehe ich zu meinen Klischees. Solange die Mischung individuell bleibt, beanspruche ich keine Zutat für mich allein. Inwiefern arbeitest du denn dann auch mit Klischees?

Kreativität ermöglicht aber den Schritt weiter – dem gezielten Bruch mit dem Bekannten und Bewährten. Ich persönlich verstehe beides als Stilmittel, die man gezielt und punktuell anwendet, um der Geschichte – und vielleicht sogar seinem Leben – die richtige Note zu verleihen.

Diese Note hängt ja in hohem Maße von der Geschichte und der Erwartung ab, die das Publikum an sie knüoft. Das wiederum hängt oft vom Genre ein, in das die Geschichte eingeordnet wird. 

In welchen Genres schreibst du? Hast du dich bewusst dafür entschieden oder hast du nachher überlegt, wie du deine Geschichte einordnest?

Mein Herz schlägt für Poesie – daher bezeichne ich mich selbst zuallererst auch immer als Lyrikerin und erst dann als Autorin. Denn über meine Gedichtbände hinaus spielt Lyrik auch in meinen Romanen eine wichtige und teils tragende Rolle.

Ich bin für Gedichte auch sehr zu haben, ich habe einige Gedichtbände im Regal stehen. Wir versuchen auch bei Skoutz immer wieder für Gedichte zu werben und würden uns sehr freuen, wenn wir auch mal von dir eines vorstellen dürften.
Genre hängt ja in hohem Maße vom Thema ab – wie suchst du deine aus?

Davon abgesehen schreibe ich über Themen, die mich bewegen – und entscheide anhand dessen, in welchem Genre ich ihnen am besten gerecht werden kann. Jugendbuch, New Adult, Fantasy – es gibt nur Grenzen, wenn ich sie mir selbst setze. Und genau das liebe ich.

Ja, da hast du Recht. Wenn man sich keine Grenzen setzt, dann ist alles möglich. Hast du dafür ein Beispiel?

Bei „Kein Ort dieser Welt“ habe ich mich bewusst für den Genremix aus Jugendbuch, Poetry und Contemporary entschieden. Allerdings nicht vorrangig, weil ich unbedingt in diesen Genres schreiben wollte, sondern weil es für die Themen, die in dem Buch behandelt werden, die richtige Entscheidung gewesen ist.

Es ist ein wunderbarer Mix! Ich erwähnte ja schon, dass ich von diesem Buch schwer beeindruckt war.

Von wem kommt deine strengste Kritik? Und wie gehst du mit ihr um?

Wenn man die richtigen Menschen um sich hat, tut Kritik nicht weh, sondern bereichert.

Da sagst du was. Dann kannst du immer das beste rausziehen. Und wer bereichert dich?

Mein Mann ist tatsächlich mein erster und letzter Leser – und der Mensch, mit dem ich bei so vielen Autofahrten, Abendessen, auf Reisen oder beim Wäschewaschen über alle Ideen und Umsetzungen spreche.

Finde, hört sich wirklich sehr gut an. Hast du noch weitere Kritiker im Team?

Darüber hinaus habe ich in zwei Kolleginnen auch echte Freundinnen gefunden. Die Autorinnen Jennifer Ebbinghaus und Anna Konelli sind aufgrund ihrer Ehrlichkeit, aber auch ihres Rückhaltes meine Lieblingskritikerinnen. 😉 An dieser Stelle will und muss ich meine Lektorin P.J. Ried ebenfalls erwähnen, denn sie bereichert meine Bücher auf unheimlich vielen Ebenen.

Ehrlichkeit finde ich ganz wichtig; auch damit es dir weiterhilft. Und ja, ein gutes Lektorat gibt dem Buchjuwel die rechte Fassung. Wo wir schon so bildhaft werden, passt die nächste Frage ja perfekt:

Ein Sprichwort sagt „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.“ – Wie findest Du diesen Satz?

Wenn ich diesen Satz lese, kommt mir sofort Mary Poppins und ihre fabelhafte Handtasche im Sinn. 😀

Ach, wie schön. Da bin ich bis jetzt noch gar nicht drauf gekommen. Aber nachdem du es gesagt hast, kriege ich das Bild nicht mehr aus dem Kopf. 

Die Vorstellung, aus einem Buch die schönsten und fantastischsten Dinge herauszuziehen, ist noch wundervoller. Und es passt perfekt.

Ich stehe ja immer noch vor deinem Buchregal …

Mit welchem Buch wurde deine Liebe zu Büchern geweckt?

Ich habe ungefähr mit elf begonnen, sehr viel und ständig zu lesen. Damals habe ich die Fear Street Bände von R.L.Stine (Jugendthriller) inhaliert.

Die sind aber auch echt toll gewesen und haben mich sehr begeistert. Was hat dich da gepackt und wie ging es weiter?

Es waren die ersten Bücher, bei denen ich in einen echten Rausch geraten bin. Die Selection-Reihe von Kiera Cass und vor allem die Twilight Saga von Sephanie Meyer haben dann später meine Fantasyliebe entfacht.

Die haben damals bei mir auch unbedingt dazugehört. 

Wie sortierst du deine Buch-Regale?

Ich sortiere die einzelnen Regale nach Genre und innerhalb der Regalbretter nach Größe. Ich mag es tatsächlich gar nicht, wenn die Buchhöhe nicht linear ist. 😀

Das mag ich auch nicht gerne – leider habe ich im Moment wieder extremen Platzmangel … Büchertetris verlangt nach dreidimensionaler Ordnung. Lineare Sortierung hatten wir aber bisher tatsächlich noch nicht. Deine Deko ist aber auch sehr schön.

Da hat wohl jeder seine eigene Angewohnheit. 😉 Buchkerzen, Charakterillustrationen und Tassen dürfen in meinen Regalen auch nicht fehlen. So sieht es einfach lebendiger aus. 😊

Ich bin selbst Buchtassensammler 😀 – verstehe ich also sehr gut.

Lass uns aber mal über Aktuelles sprechen. 

Die gesellschaftliche Diskussion über das, was man in der Kunst tun und lassen darf, ist zur Zeit sehr hitzig. Wie stehst du dem gegenüber und wie beeinflusst das deine eigene Arbeit?

Kunstfreiheit ist ein unheimlich wichtiges Gut, das wir uns in jedem Fall bewahren sollten und müssen, doch sie gerät für mich an moralische Grenzen, sobald sie missbraucht wird, um beispielsweise marginalisierten Gruppen zu schaden oder in unverhältnismäßiger Respektlosigkeit ausartet.

Da bringst du etwas sehr treffend auf den Punkt: Ich denke, Kunst muss auch provozieren dürfen. Bis zu einem gewissen Grad auch rücksichtslos sein können, um sich Raum zu schaffen. Aber wenn der Schaden das Ziel, also Absicht ist, ist sicherlich eine Grenze überschritten, weil dort ein Missbrauch beginnt. Das ist ein präzise zu ermittelnder Punkt, der das Dilemma balanciert. Kunstfreiheit ist wirklich ein sehr wichtiges Gut.

Kunst ist ein Gut – vielleicht sollten wir es auch vorrangig für Gutes benutzen.

Wenn wir schon über Motive und Effekte sprechen, bin ich sehr gespannt, was du zu meiner nächsten Frage sagst:

Chat GPT und andere KI-Apps sind gerade in aller Munde. Was hältst du davon, dass KI Geschichten, ja ganze Bücher alleine verfassen kann? Sind das für dich überhaupt richtige Werke?

In meinem Literaturstudium habe ich gelernt, dass alles Geschriebene Texte sind – und folgen diese Texte einem gewissen Muster, sind sie ganz automatisch Geschichten. Für mich fallen daher auch von Chat GPT geschriebene Werke unter diese Definition.

Und wie stehst du persönlich zu diesen Texten und ihren Urhebern?

Ich finde es erstaunlich, in einer solchen Zeit geboren zu sein. Wenn am Ende ein Buch entsteht, das jemandem Freude, Spannung und eine Auszeit verschafft, sehe ich hier keine Schwierigkeit. Problematisch wird es nur dann, wenn KIs auf bereits existierende Werke zurückgreifen und Passagen inhaltlich und/oder wörtlich kopieren.

Da sehe ich auch ein großes Problem. Die KIs sammeln ja im Internet aus allem, was sie finden.

Meiner Meinung nach sollte es bei dieser Debatte nicht primär um eine mögliche Konkurrenz gehen, sondern vielmehr um moralische Aspekte.

Naja, wie Brecht schon sagte: Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Daher fürchte ich, dass die Ersparnis die Moral überwiegt, wenn nicht das Recht das wieder ausbalanciert. Der an sich gut funktionierende Urheberrechtsschutz wird aber vielfach negiert und zudem stehen einer Geltendmachung von Ansprüchen derzeit noch Beweisprobleme entgegen. Wie soll denn den KI-Textmaschinen nachgewiesen werden, aus welchen Werken sie ihre Texte zusammengestückelt haben. 

Schwierig, aber faszinierend. Na, das werden wir heute nicht mehr lösen. Und es ist ja auch schon spät geworden. Nur eine Frage habe ich noch: 

Welche Frage sollen wir dir nächstes Jahr im Interview stellen?

Wenn wir uns im nächsten Jahr wiedersehen, liegt die Frage nahe, was sich in 365 Tagen verändert hat. Und ich hoffe, dass eine Antwort lauten wird, dass sich der bronzefarbene Skoutz-Award Sticker in ein anderes Metall geändert hat. 😉

Da müssen wir warten, wie es weitergeht. Natürlich drücken wir dir weiterhin die Daumen.

Vielen Dank für alles – und für die Chancen, die ihr ebnet.

Liebe Marie, wir haben uns hier bei dir sehr wohl gefühlt und das Interview war total schön mit dir. Wir danken dir für deine Zeit und dass wir dich heute besuchen durften. Für den weiteren Wettbewerb wünschen wir dir viel Erfolg. 

Hier gibt es mehr über Marie Döling:

 

Skoutz Lesetipp:

Sequenzen der Wirklichkeit - Marie Dölling - Skoutz-BuchvorstellungSequenzen der Wirklichkeit: Lyrik und Kurzprosa von Marie Dölling 

72 Gedichte treffen auf 10 Kurz- und Kürzestgeschichten, Aphorismen treffen auf Strophen, Reime auf Verswaisen. Doch jedes Wort in diesem Buch hat etwas mit dem nächsten gemein: Es ist zeitgenössisch und hinterfragt, was zu oft als selbstverständlich genommen wird. Im Vordergrund stets die Wirklichkeit, die Themen wie Selbstreflexion, Moral, Zwischenmenschlichkeit, Umwelt und Nachhaltigkeit eine Fläche bietet, sie einfängt und poetisch in vier Sequenzen miteinander verknüpft.

Nur du, ich und die Wirklichkeit.
Bist du bereit?

Skoutz meint: Marie Döllings Begeisterung für schöne Worte schwingt hier in jeder Zeile. Kluge Texte, schöne Reime, Lyrische Zeilen, die schöne Bilder beschwören. Ein Buch wie eine edle Tasse Tee, die man ein bisschen ziehen lassen und dann in Ruhe genießen sollte. (kn)

 

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Hinweis: 
Marie Döling  steht mit ihrem Titel „Kein Ort dieser Welt“ auf der Midlist Contemporary von Annemarie Bruhns.
Ein bewegender und aufwühlender „Coming of Age“-Roman über eine ungewöhnliche Freundschaft, die erste Liebe und die tiefsten Wunden, die das Leben reißen kann.
Wir haben das Buch auch gelesen und es hier vorgestellt.
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