zu Besuch bei: Jana Oltersdorff (Skoutz-Juror 2017 – Anthologie)

Banner Jana Oltersdorff

 

Jana Oltersdorff kenne ich schon länger und auch persönlich, was in diesen Tagen, in denen man doch mehr virtuell als real abhängt, keineswegs selbstverständlich ist. Und daher war ich besonders glücklich, dass sie sich vom Skoutz-Team überreden ließ, dieses Jahr beim Skoutz-Award die neue Kategorie „Anthologie, Kurzgeschichte“ zu betreuen. Erstens weil sie nett und pflichtbewusst ist und sicher eine ganz tolle Mentorin für die hoffentlich vielen am Wettbewerb teilnehmenden Bücher sein wird, und zweitens, weil sie ein absoluter Anthologien-Liebhaber und Kenner ist und daher eben auch die erforderliche Professionalität mitbringt. Mit „Des Nachts im finsteren Wald“ ist es ihr im letzten Jahr gelungen, mit der einzigen Anthologie in die Shortlist des Awards zu kommen und musste sich in der hammerharten Kategorie Horror (mit Märchenadaptionen) dann nur in einem Fotofinish Kollegen Simon Geraedts geschlagen geben.

 

Doch jetzt wollen wir sie noch einmal zu Wort kommen lassen:

Zu Besuch bei Jana Oltersdorff, Skoutz-Jurorin 2017 für Anthologie/Kurzgeschichte

jana OltersdorffBeschreibe dich in einem Wort!

Pflegeleicht.

Wer oder was hat dich zum Schreiben gebracht? Und was hat sich durch das Schreiben verändert?

Zu schreiben war irgendwie seit meiner Jugend ein inneres Bedürfnis, nur so richtig ausgelebt habe ich es erst, als ich vor etwa acht Jahren einen Aufruf zu einem Wettbewerb für Hobby-Autoren entdeckte. Gesucht wurden fantastische Geschichten mit Bezug zu Frankfurt und zum Rhein-Main-Gebiet. Ich hatte damals schon länger eine Idee mit mir herumgetragen und immer gedacht: Musst du mal aufschreiben. Was ich nie getan habe. Aber durch diesen Wettbewerb habe ich es endlich getan, habe die Story eingereicht und schaffte es in die Anthologie, noch dazu als beste Einsendung.

Okay, wir sehen schon – du bist ein Wettkampf-Autor!
Und wie ging es dann weiter?

Da hatte ich Blut geleckt und wollte das wiederholen und fortführen. Was sich verändert hat? Ich bin nicht mehr nur Leserin, nicht mehr nur Konsumentin, ich gestalte die Bücherwelt aktiv mit, plane den Besuch der großen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig in meinen Urlaubskalender ein und leide unter Schlafmangel, da ich vor allem abends und nachts schreibe und das alles neben Vollzeitjob, Familie und Haushalt.

 

Wie schreibst du?

Ich bin – zumindest bisher – eine lupenreine Kurzgeschichtenautorin.

Deshalb haben wir dich ja auch für Anthologien in die Jury gelockt… *räusper*

Für die meisten meiner Kurzgeschichten plotte ich nicht besonders aufwändig. Auch Dinge wie Charakterbögen und Zeitlinien etc. spielen für mich keine große Rolle. Oft aber ist es so: Ich habe eine Idee, eine Szene, ein Bild vor Augen und beginne, es aufzuschreiben. Das flutscht dann wunderbar, bis ich an einen Punkt komme, wo ich merke: Okay, ich weiß schon, wie es enden soll, aber wie komme ich dahin? Dann muss pausiert werden, dann wird überlegt, recherchiert und manchmal auch umgeschmissen und neu geschrieben. Und dann brauche ich ein bisschen Anlauf, bevor es wieder flutscht und die Story im Kasten ist.

Und was brauchst du beim Anlauf nehmen? Man muss ja nicht nur losrennen, sondern auch irgendwie die Richtung wissen und – um im Bild zu bleiben – die Kurve kriegen?

Was mir hilft, sind übrigens Deadlines und Rahmenbedingungen, die ich nicht selbst setze. Deshalb habe ich immer gern an Ausschreibungen teilgenommen, denn da gibt es feste Termine und mehr oder weniger genau definierte Vorgaben, was das Thema oder Genre angeht, und das hilft mir, meine Idee entsprechend auszuarbeiten und rechtzeitig fertig zu werden. In diesem Jahr werde ich übrigens etwas Neues versuchen: Ich werde ein Gemeinschaftsprojekt mit einer lieben Autorenkollegin starten, die mich eingeladen hat, mit ihr gemeinsam ein Buch zu schreiben. Das könnte mein erster (Gemeinschafts-)Roman werden. Eine verdammt große Herausforderung, aber ich freue mich darauf, mich ihr zu stellen.

So geheimnisvoll wie du das anmoderierst, willst du uns noch nichts Genaueres sagen… (Habe ich erwähnt, dass Jana bevorzugt Horror schreibt?!). Aber versprich wenigstens, dass wir es gleich erfahren, wenn es publik wird und das dann auch skoutzig herausträllern dürfen (Trällern Skoutze? Fragen über Fragen …)

 

Wie steht eigentlich dein Umfeld zum Schreiben?

Es gibt immer noch eine Menge Leute im Freundes- und Bekanntenkreis, die gar nicht wissen, dass ich schreibe.

Da solltest du mal mit deiner Marketing-Abteilung sprechen. Oder auch nicht? Wie reagieren, denn die, die es wissen?

Aber die, die es wissen, staunen nicht schlecht und fragen mich fast immer, wenn wir uns treffen, was denn die „Schreiberei“ macht. Ein paar Freunde und Verwandte haben meine Geschichten auch schon gelesen, die waren dann immer ganz platt, warum ausgerechnet ich ausgerechnet solche Geschichten schreibe und woher ich bloß die Ideen nehme. Das kennen bestimmt die meisten Autoren aus eigener Erfahrung. Schreiben scheint immer noch eine recht exotische Beschäftigung zu sein. Wenn ich Gleichgesinnte treffen will, fahre ich zur Buchmesse oder tausche mich mit ihnen bei Facebook aus. Im direkten Umfeld gibt es keine anderen Autoren.

 

Wenn eine Fee dir einen perfekten Autorentag anböte, wie sähe der aus?

Null Störungen, keine Termine, nur gute Musik im Radio, das Essen macht sich von selbst, und der Kaffeebecher wird niemals leer oder kalt. Und die Wörter fließen und fließen und fließen …

 

Welche Gefahren lauern im Alltag auf deine Manuskripte, was kann dich von deiner Geschichte trennen?

Simple Antwort: Der Alltag.

Okay, wir haben eine Ahnung. Geht es trotzdem noch detaillierter? Wie sieht der Alltag einer Horror-Kurzgeschichtenautorin aus?

Mein Vollzeitjob, meine Kinder, mein Mann, der Haushalt, sonstige Verpflichtungen, all das geht meist vor. Früher konnte ich besser abschalten und mich auf mein Manuskript konzentrieren. Inzwischen fällt es mir schwer, wenn ich weiß, dass ich eigentlich noch das und das erledigen muss. Und dann ist da noch mein Engagement als Lektorin und Korrektorin. Ich bin da vor etwa drei Jahren mehr oder weniger ungeplant hineingerutscht. Mittlerweile habe ich Stammautoren, mit denen ich regelmäßig zusammenarbeite und die teilweise so produktiv sind, dass ich echt aufpassen muss, meine eigenen Schreibprojekte nicht aus den Augen zu verlieren. Aber es macht eben auch verdammt viel Spaß und erfüllt mich ähnlich wie das Schreiben.

Das ist auch ein unfassbar wichtiger Schritt im Leben einer Geschichte. Ich vergleiche das Lektorat mit der Schule. Die Geschichten werden von ihren Autoren wie von Eltern erzeugt und aufgezogen, aber den Feinschliff den erhalten sie vom Lektor. Wir würden da auch gerne eine Kategorie beim Skoutz-Award schaffen, haben aber leider noch kein System gefunden, dass eine unseren Ansprüchen genügende Bewertung erlaubt.
(Vorschläge sind willkommen)

 

Wie gehst du mit Schreibblockaden (großen und kleinen) um?

Von einer richtigen Schreibblockade war ich noch nie betroffen. Wenn ich tatsächlich mal während des Schreibens nicht weiterkomme, dann mache ich Pause, gucke einen Film, schaue in meine sozialen Netzwerke oder nehme ein Bad. Oder ich beantworte Interviewfragen. *hüstel*

Das ist seeeeeeeeehr löblich.

Ablenkung hilft.

Lustig. Bei vielen Kollegen ist das überreiche Ablenkungsangebot der Hauptgrund für (kleinere) Blockaden. („Ups, wo ist denn mein Schreibnachmittag geblieben?“)

 

Welchen Anteil hat das reine Schreiben im Autorenjob und was gehört noch dazu?

Das reine Schreiben nimmt bei mir, gemessen am Ergebnis, schon einen relativ großen Anteil ein, schon weil vieles erst durch das Schreiben entsteht. Aber ich vergesse immer gern, wie viel Zeit ich doch in die Vorbereitung und Planung stecke, die bei mir vor allem im Kopf stattfindet und oft in Form eines Selbstgespräches im Auto während der Fahrt zur Arbeit passiert.

Wenn die Arbeit Spaß macht, mogelt man gerne. Aber genau genommen gehört das schon auch dazu. Wie geht es dann nach dem Schreiben weiter?

Überarbeitung und Korrektur kosten auch noch einmal ordentlich Zeit. Meine Cover habe ich am Anfang selbst gebastelt, aber inzwischen lasse ich sie nur noch von Leuten erstellen, die Ahnung haben. Und dann kommt die Werbung. Ach du liebes Bisschen! Ich mache vergleichsweise wenig Werbung. Ich führe ein Blog, pflege eine Autorenseite, habe einen recht aktiven Twitter-Account und streue meine Infos gezielt in passenden Facebookgruppen. Das war es fast schon. Mal sehen, ob ich für das nächste Buch mehr Aufwand betreiben werde. Aber das muss dann auch erst einmal geschrieben werden, nicht wahr?

Im Namen deiner Leser bitte ich darum!

 

Wie groß ist dein SUM (Stapel ungeschriebener Manuskripte) und wie gehst du mit ihm um? 

Oh, das ist mal ein neuer Begriff. SUM. Kannte ich gar nicht. Gut, dass du gleich erklärt hast, wofür er steht, sonst hätte ich erst doof fragen müssen.

Weil ich den aus dem SUB (Stapel ungelesener Bücher) logisch entwickelt habe, erkläre ich ihn immer noch. Vielleicht werde ich mal berühmt damit… Kay Noa, Erfinderin des SUM…. Hmhmhm… 🙂
Aber zurück zu deinem SUM…

Ich habe tatsächlich ein unfertiges Romanmanuskript, das 2012 während meines ersten und bisher einzigen NaNoWriMo-Versuches entstand. Den NaNo-Wordcount hatte ich erfolgreich gemeistert, aber das Buch war da noch lange nicht fertig, und inzwischen müsste ich es komplett neu schreiben, wenn ich die Arbeit daran doch noch einmal aufnehmen möchte, denn es gefällt mir nicht mehr.

Sonst nix?

Ansonsten dümpeln zwei angefangene Schauermärchen bei mir herum und warten darauf, von mir vollendet zu werden.

Oh ja! Bitte. Ich war so begeistert von „Des Nachts im finsteren Wald“. Und sonst?

Es existiert eine eigentlich fertige Halloween-Gruselgeschichte. Eigentlich fertig, weil ich nach dem Feedback einer ersten Testleserin angefangen habe, die Geschichte auszubauen. Da wird wohl dennoch kein Roman draus, aber ich denke, eine Novelle wäre durchaus drin. Naja, das nächste Halloween kommt bestimmt.

Ja, ziemlich sicher. Ende Oktober.

Und dann habe ich – wie wahrscheinlich jeder Autor – einen Ordner auf dem Rechner, der heißt „Ideen“, und da tummeln sich noch etliche feine Einfälle und Überlegungen. Das ist mein Fundus, und der wächst manchmal schneller als ein richtiges Manuskript. Also es mangelt nicht an Ideen, eher an der Zeit und Gelegenheit, diese auch mal alle umzusetzen.

 

Wie stehst du zu Bestseller-Listen und anderen Rankings?

So richtige, richtige Bestseller-Listen wie die vom Spiegel?

Welche auch immer. Wir sind da nicht festgelegt, wobei wir uns gerne mit dir an einer Definition versuchen.

Die sind mir ziemlich egal. Ich gehe auch meist in den großen Buchhandlungen am Bestseller-Regal vorbei, ohne es eines Blickes zu würdigen. Da stehen selten die Themen drin, die ich gerne lese. Ich suche mir meine Perlen lieber selbst. Bei Amazon gucke ich natürlich schon noch regelmäßig, ob sich bei meinen Kurzgeschichtensammlungen rangtechnisch etwas getan hat. Aber das hat inzwischen nicht mehr so viel Bedeutung, da diese Titel schon älter sind (ja, zwei Jahre alte Titel gelten bereits als alt). Vielleicht werde ich wieder hibbeliger, wenn ich etwas Neues an den Start bringe.

Also unterscheidest du zwischen Autoren- und Leserranking?

Doch, ganz bestimmt messe ich den Rankings dann wieder mehr Bedeutung bei, aber eben nur in Bezug auf meine eigenen Titel und wo die im Vergleich zum Wettbewerb stehen, nicht so sehr als Entscheidungshilfe, welches Buch ich als nächstes lese.

 

Zum Schluss: Gibt es in deinen Geschichten eine zweite Ebene zu entdecken?

In erster Linie möchte ich unterhalten. Da ich im Genre Horror unterwegs bin, hoffe ich natürlich immer, dass meine Leser sich gruseln oder wenigstens ein bisschen vom Monster im Schrank beobachtet fühlen, wenn sie meine Geschichten lesen.

Soweit es mich betrifft, kann ich diesen Effekt bestätigen.

Interessant wird es, wenn ich Rückmeldungen von Lesern erhalte, die irgendeine zweite Ebene, eine Botschaft oder was auch immer, entdeckt haben. Da staune ich nicht schlecht und lese meine eigene Geschichte unter diesem neuen Aspekt noch einmal durch und stelle fest: Ja, da ist noch mehr. Bewusst baue ich diese zweite Ebene nämlich nie ein.

Ich hatte mal die Enkelin von Max Frisch als Reitbeteiligung. Sie hat mir für den Deutsch-LK einen Originalbrief ihres Opas zur Verfügung gestellt, in dem er sich darüber lustig macht, dass die Kritiker aus „Mein Name sei Gantenbein“ herauslesen, was er nie hineingeschrieben habe. Dies unserem interpretationsverliebten Deutschlehrer vorgelegt, antwortete der: „Da sehen Sie mal, was ein wahres Genie ausmacht, das in der Lage ist, sich am Tagesbewusstsein vorbei seinen Weg in die Feder zu bahnen.“
Das hast du also mit den ganz Großen unserer Zunft gemeinsam.

 

Hier erreicht ihr Jana Oltersdorff:

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Jana Oltersdorff auf Facebook-Autorenseite:

Und Jana Oltersdorff auf Twitter

 

 

Horror2 IconBesessenSkoutz-Lesetipp: Bloody Qindie präsentiert: Besessen (Haloween-Special), eine Anthologie

Höllenmäßiger Besuch …
Kampf gegen innere und äußere Geister …
Bedrohung der Menschheit … oder nur eines Einzelnen.

Bloody Qindie präsentiert erneut deutsche Dark Fantasy-Kurzgeschichten mit Gänsehautfeeling. Eine davon ist die blutig-böse Scifi-Story „Rent a Body, Inc.“ von Jana Oltersdorff.

Skoutz meint: Wer in das Genre hineinschnuppern möchte, ist hier gut aufgehoben. Die Geschichten haben unterschiedliche Horrorgrade von sanftem Grusel bis hin zu zittrigen Weiterblättern bei Festbeleuchtung und zeigen, wie vielfältig und nuanciert doch auch die dunkle Seite der Literatur ist.

Ein bisschen mehr über das Buch gibt es auch hier auf der Seite von Qindie als Herausgeber.

 

Des Nachts im finstren WaldHinweis:

Wir hatten Jana Oltersdorff anlässlich ihrer Nominierung durch Demetria Cornfield für die Midlist Horror 2016 bereits einmal besucht und uns mit ihr sehr nett unterhalten. Wer mag, kann hier weiterlesen.

Davon unabhängig wurde ihr Shortlist-Titel „Des Nachts im finsteren Wald“ von uns auch ausführlich vorgestellt und besprochen. Das könnt ihr hier nachlesen.

Award Icon swUnd bitte vergesst nicht, noch bis zum 28.02.2017 Jana Oltersdorff und ihren Jury-Kollegen eure Vorschläge in die Skoutz-Longlist 2017 hier einzutregen (geht ganz schnell und gibt euren Lieblingsbüchern eine Chance!)

 

 

 

 

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