zu Besuch bei Ellen Norten

Heute bin ich zu Besuch bei Ellen Norten, die als promovierte Biologin und weithin respektierte Wissenschaftsjournalistin einen für humoristische Fantasy eher ungewöhnlichen Hintergrund hat. Auch das zeichnet ihre Midlist-nominierte Science Fiction/Fantasy-Anthologie aus. Und umso gespannter sind Skoutzi und ich, was uns in Gelsenkirchen erwartet.

Zu Besuch bei Ellen Norten, die auch Aliens zum Tanz bittet

Was bewegt dich Anthologien herauszugeben?

Da ist die Kurzgeschichte schlechthin, die in der deutschen Bücherwelt ein Schattendasein fristet.

Ja, die auch. Was ich gar nicht verstehe. Kurzgeschichten sollten doch in unserer ungeduldigen Zeit der Renner sein.

Kurzgeschichten haben für mich ihren eigenen Reiz, sie ziehen mich in eine Handlung hinein, doch der literarische Umfang bleibt übersichtlich, ich kann die Lektüre komplett an einem Abend, z.B. vor dem zu Bett gehen genießen.

Was uns zur Anthologie bringt …

Eine Anthologie bietet mir zudem den Vorteil, dass ich in einem Buch eine ganze Reihe verschiedener Autoren kennen lernen kann. Sie haben ihren eigenen Schreibstil, ihre eigene Herangehensweise an ein Thema und ihre besondere Phantasie.

Das ist tatsächlich das Hauptargument für Anthologien, das so ähnlich Grit Richter oder Jana Oltersdorff auch gebracht haben. Aber ein bisschen mehr gehört dann doch zu einer guten Anthologie dazu.

Was macht für dich eine gute Anthologie, ein gutes Anthologie-Thema aus?

Die Anthologie braucht für mich eine gute Überschrift, sprich ein gutes Gesamtthema, wie z.B. bei der Kasatschok-Anthologie, da ist es die heitere SF und Fantastik.

Zugegeben, der Titel stach mir schon auf der Longlist ins Auge. 🙂

Aber das Thema kann ebenso gut Klimaschutz, Hardcore Technik oder Erotik lauten. Natürlich kann man auch eine thematisch ungebundene SF- oder beispielsweise Krimianthologie herausgeben, was generell funktioniert.

Da würde  jetzt Kollege Alex Jahnke zum Beispiel widersprechen. Er sagt, man braucht ein konkretes Thema. Warum sieht du das anders?

Die Geschichten erfüllen dann ein Überraschungselement. Durch den Zusatz Erotik oder eben heiter zu der Literaturgattung wird eine zwar weit gefasste, aber dennoch vorhandene Teilmenge abgebildet, was ich besonders spannend finde. Würde das Anthologiethema jedoch sehr schmal gewählt, so würden sich die Geschichten zu stark ähneln und die Vielfalt kommt abhanden.

Anthologien sind in Deutschland – anders als in vielen anderen Ländern – relativ schwer an den Leser zu bekommen. Woran liegt das?

Kurzgeschichten sind bei uns nicht in Mode, was eigentlich erstaunlich ist, da sie sich schnell lesen lassen und damit genau in unsere kurzlebige Zeit passen sollten.

Spannend, genau das war gerade auch mein Gedanke. Wenn es so naheliegend wäre, was hindert die Leser?

Aber der Computer mit seinen schnellen Spielen, die Interaktion per Mausklick ist eine große Konkurrenz zum Buch, sprich füllt die Freizeit vieler Leute, da bleibt schon mancher Roman auf der Strecke.

Das spricht jetzt gegen „Krieg und Frieden“, aber für U-Bahn-gerechte Lesehäppchen. Es muss noch andere Gründe geben.

Zudem setzten die großen Verlage kaum oder gar nicht auf Anthologien. Es gibt keine Werbung und auf den „Grabbeltheken“ der Supermärkte findet man sie auch nicht.

Und die Folge?

Damit rücken sie aus dem Bewusstsein. Die Kleinverlage, die den Anthologien heute ein Zuhause geben, können Werbung und teure Buchhändlerrabatte dagegen kaum bezahlen. Trotzdem oder gerade deshalb ist es wichtig dieses Standbein der Kleinverlage zu stärken.

Das ist auch der Grund, warum wir auf Initiative von André Skora diese Kategorie beim Skoutz-Award aufgenommen haben. Und ich persönlich bin begeistert, welch unglaubliche kreative Kraft da aus der Midlist funkelt. Mehr als in jeder anderen Kategorie.

Nach welchen Kriterien wählst du die Geschichten aus?

Für mich steht tatsächlich die Vielfalt zu einem Thema an erster Stelle. Ich möchte nicht fünf Varianten einer Geschichte lesen, da können die Idee dahinter und der Plot noch so gut sein. Auf Namen versuche ich beim Lesen nicht sonderlich zu achten. Allerdings lade ich manche Autoren, die ich schätze, weil mir andere Geschichten von ihnen sehr gut gefallen haben, persönlich zu einer Anthologie ein. Und ich mag es, einige Protagonisten wiederzutreffen, die ich bereits aus einer anderen Anthologie her kenne. Berühmte Namen sind zwar ein Zugpferd, aber letztendlich mehr für den Verleger, der ja schließlich Bücher verkaufen soll und will.

Und wo kommt dann die Handschrift des Herausgebers zum Tragen?

Natürlich spielt mein persönlicher Geschmack auch eine Rolle, das muss sogar so sein und macht die Einzigartigkeit eines Herausgebers aus. Die Geschichten in „Das Alien tanzt Kasatschok“ passen zu meiner ganz speziellen heiteren Gemütsart und die möchte ich gerne mit den Leserinnen und Lesern teilen.

Gelungen! Ich kann nur sagen, dass mir das Buch Spaß gemacht hat. Ich musste ja erst mal Kasatschok googeln.

Was war dein emotionalstes Erlebnis als Herausgeber?

Es berührt mich, wenn ich eine Geschichte lese, die genau das trifft, was ich mir vorgestellt habe, auf die ich aber selber so nie gekommen wäre. Da fühle ich dann eine Art Seelenverwandtschaft zu dem Autor, der Autorin.

Ja, ich bin auch immer glücklich, wenn ich beim Lesen das Gefühl habe, verstanden zu werden. Ebenso wenn das Leserfeedback meine Intention beim Schreiben spiegelt. Das bringt mich gleich zur nächsten Frage

Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Herausgeber machen kann?

Das man schon auf das nächste „tanzende Alien“ wartet.

Liebe Ellen, wir würden uns sehr freuen, wenn wir nächstes Jahr da Alien in der Longlist, Midlist, Shortlist wiederfänden. Es sei denn, du gewinnst dieses Jahr, denn dann hätten wir dich lieber in der Jury. 🙂

Wer ist für dich der ideale Leser?

Ein Leser, der erst einmal offen für den Text ist, der sich mit den Geschichten überraschen lassen möchte und keine (modischen) Erwartungen hegt, die dann beim Lesen nur noch abgehakt werden sollen.

 

Was macht für dich ein gutes Anthologie-Cover aus?

Das Cover ist der Hingucker, die erste Fußangel, die nach einem potentiellen Leser ausgeworfen wird und sie muss überzeugen.

Fußangel? Hui! Ich hätte nicht gedacht, das du beim Buchmarketing zu solchen Mitteln greifst. Aliens sind rabiat.

Ästhetischer Reiz und die Neugier, was sich dahinter verbergen wird sind hier besonders wichtig, das gilt für die Anthologie genau wie für den Roman.

Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Buchinterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?

Möchtest Du weitere Anthologien herausgeben?

Liebe Ellen, das wollen wir schwer hoffen! Ich danke dir für dieses vergnügliche Interview und hoffe sehr, dass wir uns in Frankfurt wiedersehen und dann auf den Anthologie-Skoutz anstoßen. Was trinken Aliens eigentlich?

 

Hier könnt ihr Ellen Norten treffen:

  • Ellen Norten auf Facebook
  • Conni Mainzelmann (aka Ellen Norten) auch auf Facebook

 

Skoutz-Lesetipp:

Conni Mainzelmann: Wie ich die Welt sehe – ein ungewöhnliches Reisebuch

Der Gipskopf verfolgt mich. Schon von Weitem trifft mich sein schwermütiger Blick und ich höre den Sirenengesang wie einst Odysseus bei seinen Irrfahrten. Mir kommen die Rheinschiffer in den Sinn, die sich nicht weit von Mainz entfernt von den lieblichen Klängen aus dem Mund der Loreley anlocken ließen, um dann am Felsen zu zerschellen. Am letzten Tag folge ich den inneren Rufen und gehe ganz nah an den Schönling heran. Der wackelige Kopf schmiegt sich mir entgegen – sehnsuchtsvoll, als ob ich ihn in meinen kleinen Armen über die Straße tragen könnte. Welche Tragik, ich schließe die Augen und halte mir die Ohren zu und nur mit festem Willen kann ich mich von dem Kobold wieder losreißen und eile die Straße entlang, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Conni Mainzelmanns Weltreisen – in seinen Worten, seinen Bildern. Wie er die Welt sieht.

Skoutz meint: Die Mainzelmännchen dürften für viele von uns die ersten TV-Freunde gewesen sein und allein deshalb freut uns, wenn sie nun endlich geehrt werden. Das Reisebuch des Begleiters ist tatsächlich ungewöhnlich, denn ein Mainzelmann sieht die Welt eben anders und das sagt er auch. Der Perspektivwechsel ist gut gelungen, das Buch ist so unterhaltsam wie liebenswert. Ein bisschen nostalgisch, oft überraschend und mehr als einmal denkt man sich beim Lesen: Ja genau!

Wer reinlesen mag, kann dies über unseren Affiliate-Link bei Amazon tun, wo man das Buch auch kaufen kann.

Hinweis:

Das Alien tanzt Kasatschok, die humorvolle SF/Fantasy-Anthologie von Ellen Norten und vielen anderen bekannten Autoren aus SF und Fantasy wurde anlässlich ihrer Nominierung für den Skoutz-Award Anthologie 2018 von uns ausführlich untersucht und hier besprochen.

Wer das Buch schon kennt, kann (und soll!) es auf Skoutz.net bewerten, damit  unsere Buchsuche besser werden kann (weiter).
Mit der Skoutz-Buchfieberkurve bewertet ihr mit fünf einfachen Klicks ein Buch anhand von fünf Kriterien statt fünf Sternen. Auf einen Blick seht ihr dann, wie das Buch wirklich ist. So schön kann Bücher suchen sein.

 

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