zu Besuch bei Dominik A. Meier
Im schönen Oberfranken treffe ich heute Dominik A. Meier, der seine Leser in fantastische Welten entführt und sich dennoch nicht auf ein Genre beschränken lässt. Ob Science Fiction, Fantasy, Thriller oder All-Ager – seine Kreativität hat viele Gesichter. Viel konnte ich nicht über den freischaffenden Autor und Papa in Vollzeit mit Abschluss in Geschichtswissenschaften herausfinden. Umso neugieriger bin ich auf unser Gespräch und die vielen Antworten, die ich ihm hoffentlich gleich entlocken werde …
zu Besuch bei Dominik A. Meier, der mit vollem Einsatz schreibt
In einem Wort: Was bedeutet für dich „Schreiben“?
Erfüllung
Den Eindruck habe ich schon bei meiner Recherche gewonnen …
Was ist der seltsamste Ort, an dem du je geschrieben hast?
Auf dem Fahrersitz meines Autos.
Ähhm … auf einem Parkplatz?
Während der Fahrt und auf ein Taschentuch.
Leben am Limit? Wäre ein Memo mit dem Handy nicht einfacher gewesen???
Keine Sorge, die Straße war gerade und außer mir war niemand unterwegs und ich bin auch ganz brav langsam gefahren.
Anhalten war keine Option? *lach* War dieser Gedankenblitz so wichtig?
In dem Moment ist mir ein ganz toller Satz eingefallen, den ich dringend aufschreiben musste. Leider hat er es am Ende doch nicht ins Buch geschafft.
Du gibst echt alles für deine Bücher 🙂 No risk, no fun …
Und ich hoffe, dass der Satz noch seine Chance bekommt. Bei dem Einsatz …
Wie entstehen deine Geschichten?
Ich schreibe immer, wenn ich kann.
Den Eindruck habe ich nach der Geschichte eben auch gewonnen.
Da ich hauptberuflich Autor bin, schreibe ich so gut wie jeden Tag – selbst große Teile meiner Freizeit investiere ich gerne, schließlich ist es auch ein Hobby.
Und wie gehst du dabei vor? Strukturiert oder eher kreativ?
Ich plotte meine Geschichten so gut wie nie, sondern baue sie ausgehend von einer Szene oder einer Idee aus.
Und wie kommst du dann durch die Story zum glücklichen – oder bei Horror eher unglücklichen – Ende?
Auf dem Weg schaue ich , was dabei rauskommt und verbinde es so gut wie möglich. Das klappt deutlich besser, als man vielleicht glaubt, aber ab und zu muss ich natürlich etwas rausnehmen, was einfach nicht passt.
Wie den armen Taschentuchsatz von gerade. Ist das Verhältnis zu deinen Protagonisten entspannter als zu deinen Formulierungen?
Meine Bücher und meine Charaktere bedeuten mir sehr viel und ich baue zu den Geschichten auch eine sehr intensive Bindung auf, aber ich denke, das geht den meisten Autoren so. Es gibt immer Charaktere, die ich mehr mag, und welche, die mir weniger zusagen. Wenn mal einer stirbt, dann verdrücke ich schon auch mal ein Tränchen.
Man merkt beim Lesen durchaus, wie viel Herzblut du in deine Arbeit steckst. Wie intensiv recherchierst du Hintergründe?
Recherche oder sonstige Vorbereitungen hängen vom Buch ab. Bei meinem jüngsten Roman „Doppelwelt“, der 1987 in Tschernobyl spielt, musste ich tatsächlich einiges recherchieren, um es historisch akkurat zu halten. Da ich von Haus aus aber studierter Historiker bin, hält sich das in Grenzen.
Du hast somit eine fundierte Wissensgrundlage. Das ist sicher viel wert. Sobald dein Manuskript steht, wie geht es damit weiter?
Wenn ich ein Buch fertig geschrieben habe, lasse ich es in der Regel zwei Wochen ruhen, überarbeite es dann inhaltlich und schicke es anschließend noch durch zwei Korrekturdurchläufe. Sobald es dann passt, geht es an die Testleser und schließlich zur Veröffentlichung. Aber letzten Endes ist es immer gefühlsabhängig.
Was bedeutet das genau?
Ein Buch, das sich nicht richtig anfühlt, wird erst mal nicht veröffentlicht.
„Es wird immer weniger gelesen“ – Wie reagierst du auf diesen Satz?
Sehe ich tatsächlich nicht so.
Spannend. Wieso nicht?
Es wird nur anders gelesen. Früher hat man sich noch nach Feierabend hingesetzt und ein Buch in die Hand genommen. Das machen heute nur noch wenige. Lesen wird vielmehr zur Zeitüberbrückung genutzt, beim Pendeln beispielsweise. Das ist eine Geschichte für sich und man könnte ganze Studien darüber aufstellen, aber Lesen wurde schon oft totgesagt. Und als Historiker darf ich versichern: Totgeglaubte leben fast immer deutlich länger, als man ihnen zugesteht.
Wie stehst du zu Schreibregeln, die bestimmen, was der 1. Satz auf keinen Fall enthalten darf, welche Worte man verwenden soll und welche zu vermeiden sind, wie lang ein Satz sein darf, etc.?
Halte ich für ausgemachten Stuss.
Knallharte Aussage. Kannst du mir das als Wissenschaftler noch etwas näher ausführen?
Eine Geschichte erfordert die Worte, Sätze und Eröffnung, die sie braucht. Das weiß der Autor am besten. Natürlich können solche Regeln helfen, wenn sich ein Nachwuchsautor nicht sicher ist, und selbstverständlich sollte man einen gewissen Grundaufbau verfolgen, da man sonst sehr schnell in experimentelles Schreiben rutscht, aber letzten Endes sollte es jeder so machen, wie er es für richtig hält.
Du plädierst also eher dazu, auf das Gefühl zu achten, anstatt blind irgendwelchen Regeln zu folgen.
Meine Bücher brechen auch immer wieder mit klassischen Schemata und werden trotzdem gut aufgenommen. Außerdem: Zu einem Maler geht ja auch keiner und sagt: „Du, Horst, hör mal, also dass du jetzt mit rot anfängst, das macht man nicht. Du musst doch erst blau malen!“
Welches Buch hat dich am meisten geprägt und warum?
„Picknick am Wegesrand“ von Boris und Arkadi Strugazki.
Wow! Die russischen Klassiker kriegen wir hier selten. Was ist an diesem Buch für dich so besonders?
Der Roman ist ein unerreichtes Meisterwerk, ein Klassiker der sowjetischen Phantastik und ein wortgewaltiges Epos, das mit unzähligen Nuancen von Grau ein Bild malt, das die Abgründe des menschlichen Verhaltens aufzeigt. Das muss erst einmal jemand nachmachen.
Wenn du für einen Tag in ein Buch reisen könntest, in welches würde es dich ziehen?
Uh, extrem schwierige Frage.
Na ja, wir wollen doch ein wenig mehr über euch erfahren … und es ist doch nur ein Tag 🙂
Viele Titel hätten da etwas für sich: Charaktere, die man treffen will, Orte, die man bereisen möchte, vielleicht sogar Raumschiffe oder Besen *hust*, die man fliegen will.
Es gäbe eventuell einen speziellen Besen? *sich neugierig nach vorne beugt* Jetzt hast du mein Interesse geweckt …
Hm. Nein, ich kann das wirklich nicht beantworten, aber ich glaube, es wäre für mich ein Titel, der mich mit ganz vielen Fabelwesen zusammenführt. Ich würde so gerne mal einen Greif flauschen oder einen Drachen streicheln! 😀
Dann könnten wir doch Harry Potter oder Die fantastischen Tierwesen nehmen … Da hättest du sogar den Besen als Zugabe!
Bei dieser Begeisterung für Fabelwesen ist die nächste Frage schon fast beantwortet …
Bist du ein mutiger Mensch? Wann hast du das letzte Mal was zum ersten Mal gemacht und was war das?
Ich würde mich schon als mutig bezeichnen, was bei mir allerdings auch schon zu einigen Verletzungen geführt hat.
Du überraschst mich immer wieder. Läuft das dann unter Kollateralschaden?
Solange es am Ende gut ausgeht gibt das allerdings die besten Geschichten.
Und die zweite Frage …?
Und wenn ich jetzt ehrlich sagen muss, was das letzte war, was ich zum ersten Mal gemacht habe … Hm. Ich habe vor ein paar Wochen beim Asiaten Fleisch von einigen Tieren gegessen, von denen ich nicht wusste, dass man sie überhaupt essen kann. Zählt das?
Klar … Wenn du jetzt noch aus einem Gummi, einer Schnur, einer alten Blechbüchse und einer Büroklammer eine Bombe bauen kannst, nenne ich dich MacMeier 🙂
Für welches Produkt würdest du als Testimonial Werbung machen? Warum?
Äh… Kwas!
Gesundheit! *sucht nach einem Taschentuch in ihrer Tasche*
Leute, trinkt mehr Kwas, dann gibt es den im Supermarkt und ich muss nicht mehr ständig in einen russischen Laden fahren, um welchen zu kaufen!
Ach so … Wie peinlich *rotwerd*
Was machst du, wenn du eine Nacht im Kaufhaus eingeschlossen wärst?
Mit Handy? Polizei rufen. Ohne Handy? Genervt sein, dass mir Zeit geklaut wird.
Du bist mutig genug, beim Asiaten exotische Tiere zu probieren, würdest aber die Chance sausen lassen, in einem Kaufhaus deiner Wahl die Sau rauszulassen? In der Spielabteilung Plüschdrachen knuddeln, dazu laut Musik auf fünfzig Boxen hören, Klamotten anprobieren, mit denen man nie in die Öffentlichkeit ginge, und erst im Baumarkt? Oder du haust dich in der Bettenabteilung aufs Ohr, nachdem du den Süßigkeiten-Megastore geplündert hast.
Aber wenn wir schon beim Aufstehen und Zeit sparen sind?
Was ist der erste Gedanke nach dem Aufstehen? Was machst du in der ersten Stunde nach dem Aufstehen?
Ich fluche in der Regel erst mal, dass die Nacht schon wieder zu kurz war.
Ohhh, ich versteh dich so gut … und die meisten jungen Eltern wahrscheinlich auch …
Dann mache ich meiner Tochter Frühstück … und mir einen Kaffee, füttere die über Nacht halb verhungerten Katzen, mache in der Küche Klarschiff und bringe meine Tochter zur Tagesmutter, damit ich vormittags ein paar Stunden lang konzentriert arbeiten kann.
Welche Superkraft hättest du gerne?
Ich würde mich gerne in alles verwandeln können, was ich will.
Nicht die Polizei rufen??? Sorry, ich bin noch nicht über die Kaufhausfrage hinweg. Aber weiter im Text, Metamorph 🙂 Was für ein cooler Name … Der würde perfekt in die Reihe der Marvel-Helden passen …
Welcher Irrtum kursiert über dich?
Über mich als Schriftsteller wäre mir keiner bekannt. Aber da müsste ich mich mal umhören.
Ich halte auch die Ohren offen … Aber zurück zur Frage. Deine Antwort klingt so, als würdest du mir gleich ein Geheimnis verraten 😉
Über mich als Menschen heißt es gerne, dass ich aufbrausend sei. Leider habe ich eine laute und tiefe Stimme und sage auch klar meine Meinung, was heutzutage gerne als aggressiv aufgefasst wird.
Auf mich wirkst du sehr sympathisch 🙂
Was würdest du deinem 10 Jahre jüngeren Ich raten?
Nimm nicht immer alles so ernst, lass mal locker und leb dein Leben. Die Welt dreht sich auch dann noch weiter, wenn du nicht alle Sorgen auf deinen Schultern trägst. Und deine Disziplin ist zwar toll, aber im Studium kriegen eh alle die gleichen Noten, da kannst du dir das Ackern sparen. Ach und nimm bloß nicht den erstbesten Job an, der dir angeboten wird.
Spannend … Auf welcher Uni warst du? Ähhh … ich schweife schon wieder ab. Eine letzte Frage hätte ich noch …
Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!
Leute, entspannt euch mal. Man muss sich nicht immer empören und nicht immer jedes Wort auf die Goldwaage legen. Lass die Kirche im Dorf, kommt mal runter und atmet erst mal tief durch, bevor ihr euch gegenseitig an die Gurgel geht. Dann wäre die Welt ein sehr viel angenehmerer Ort.
Das kann ich nur unterschreiben. Tausend Dank, lieber Dominik A. Meier, dass du dir die Zeit genommen hast, mir all meine Fragen zu beantworten. Es war wirklich toll bei dir und ich hoffe, wir können das irgendwann wiederholen. Deinem Roman wünsche ich für den weiteren Wettbewerb alles Gute und wer weiß, vielleicht sehen wir uns bereits in Frankfurt zur Verleihung des Skoutz-Awards wieder.
Mehr über Dominik A. Meier und seine Bücher erfahrt ihr auf:
Skoutz-Lesetipp: Doppelwelt – spannendes Mystery-Drama von Dominik A. Meier
Wie konnte etwas, das nur zerstören konnte, Leben erschaffen? Lag der radioaktiven Hölle des Reaktors womöglich eine Schöpfungskraft inne, die der Mensch nicht verstand?
Prypjat, 1987. Der Reaktor des Kernkraftwerks Tschernobyl liegt unter einem Sarkophag aus Stahl und Beton begraben und endlose Stille hat sich über die Sperrzone gelegt. In der toten Stadt Prypjat lebt nur noch die sterbenskranke Anastasija Sorokin, die in der Einsamkeit dieser verlassenen Welt ihre letzten Wochen verbringen möchte. Doch als sie beim verwaisten Sarkophag auf ein seltsames Wesen trifft, ändert sich alles. Das atomare Feuer hat ein Loch in die Welt gebrannt, das groß genug ist, um hindurchzufallen. Anastasija muss nun erkennen, dass die Krankheit, die sie schon so lange quält, sie einzigartig macht. Und plötzlich fällt ihr, der sterbenden Reisenden, die Verantwortung für das Leben von so vielen zu – denn die Leere zwischen den Welten weckt nicht nur den Machthunger der Menschen, sondern auch die Aufmerksamkeit von Wesen, die niemand außer ihr verstehen kann.
Skoutz meint: Tschernobyl als Setting ist herausragend, hinterlässt jedoch einen bitteren Beigeschmack. Besonders die extrem passenden und eingehenden Kapitel-Einführungen lassen einen schon mal schlucken. Neben einer spannungsgeladenen und interessanten Handlung überzeugt vor allem die sympathische Protagonistin, die der Story Tiefe und Emotionen verleiht. Trotz des bedrückenden Hintergrunds liest sich das Buch unglaublich flüssig und zeigt, dass man nicht immer alles in Schubladen stecken muss. Drama, Mystery, SciFi, vielleicht auch etwas Thriller – kurzum der perfekte Lesegenuss, den ihr euch nicht entgehen lassen solltet.
Hinweis:
In seinem Debütroman “Tumor”, den er im August 2018 im Selbstverlag veröffentlicht hat, kreiert Dominik A. Meier ein ebenso verstörendes wie mitreißendes Zukunftsszenario. Seit Jahren versuchen uns Wissenschaftler die Gentechnik schmackhaft zu machen, doch dieser Roman zeigt auf 610 Seiten was passieren kann, wenn alles aus dem Ruder läuft. Nach einer Katastrophe bevölkern gefährliche Wesen das zerstörte Forschungsinstitut, überall wuchern toxische Pflanzen. Und nur eine kleine Gruppe Söldner kämpft unerbittlich darum, die Bedrohung auszumerzen …
Unseren Skoutz Juror Michael Barth konnte Dominik A. Meier mit seinem düsteren Dystopie-Auftakt überzeugen. “Endstation Hölle” ergatterte aus über 100 Titeln der Horror-Longlist einen der begehrten Midlist-Plätze und damit vielleicht die Chance auf den Skoutz Award 2019.
Weitere Informationen zum Buch findet ihr wie immer in der ausführlichen Buchvorstellung. (Weiterlesen)