zu Besuch bei Christopher Derayes
Heute sind wir zu Besuch bei Christopher Derayes und schon sehr gespannt, was uns da erwarten wird.
Denn über den Horror-Autor, der nach dem Motto schreibt: wenn Angst und Ekel Spaß machen …, war bei der Recherche nicht wirklich viel herauszufinden. Aber nun wollen wir mal sehen, in welche Abgründe sich Kay begeben muss, um Christopher zu treffen …
zu Besuch bei Christopher Derayes, für den der wahre Horror im Alltag steckt …
In einem Wort: Was bedeutet für dich „Schreiben“?
Wenn ich Dinge in einem Wort beschreiben könnte, würde ich doch keine Bücher schreiben, sondern Kurzgeschichten.
Wobei Kurzgeschichten per Definition auch aus mehr als einem Wort bestehen *Klugscheisser-Modus off* Entschuldige, das musste raus 🙂
Schreiben beinhaltet so vieles. Ich erschaffe Welten, ich erschaffe in gewisser Weise sogar Leben. Ich erzähle Geschichten. Ich betreibe sogar so etwas wie Magie, weil ich meine Leser ein Bild sehen lasse, dass es eigentlich nur in meinem Kopf gibt. Schreiben ist also für mich viel zu wichtig, um es nur mit einem Wort zu beschreiben.
Okay, fassen wir zusammen: Schreiben bedeutet für dich „ALLES“.
Was ist der seltsamste Ort, an dem du je geschrieben hast?
Kommt darauf an, wie man „seltsam“ definiert.
Stimmt, aber da lasse ich dir ganz freie Hand 🙂
Als zweifacher Vater gewöhnt man sich irgendwann an, immer zu schreiben, wenn die Kleinen einem ein paar Minuten Zeit lassen. Ich schreibe in der Arbeit, während der nachmittäglichen Zeichentrickserien, sogar in der Badewanne.
Okay, Badewanne ist schon ungewöhnlich. Mit Laptop wäre es Leben am Limit oder lebensmüde, je nachdem … Die Papiervariante wäre harmloser, aber dennoch durch Spritzwasser … oh, entschuldige, ich neige immer dazu, abzuschweifen … Bitte erzähl weiter ….
Eine Szene aus „Sünde“ entstand sogar auf der Toilette.
Diente das Feldstudien oder war das eher Flucht vor den Kleinen? Hm. Was mach ich mit der Info? Kopfkino kann manchmal hinderlich sein.
Diese Information ist besonders für die literarische Elite unter den Kritikern interessant, die ohnehin meinen, Horrorautoren würden nur Mist produzieren, *haha*
🙂
Wie entstehen deine Geschichten?
Am Anfang steht meistens eine Idee, die sich in einem Satz zusammenfassen lässt. Darauf aufbauend entsteht so nach und nach ein grober Plot. Auf dieser Basis beginne ich dann meine Recherche. Gleichzeitig entsteht so ein erster Eindruck davon, wie die handelnden Figuren charakterisiert werden sollen. Meistens lasse ich die Story zu diesem Zeitpunkt mal etwas ruhen und notiere mir nur spontane Ideen, die evtl. dazu passen.
Und wie geht es dann weiter?
Erst nach drei, vier Wochen krame ich den ersten Plot wieder vor und beginne, die Handlung zu planen. Dazu teile ich die Story schon mal grob in Kapitel ein und verfasse zu jedem Kapitel eine kurze Inhaltsangabe. Mit dieser Liste als Leitfaden beginne ich zu schreiben.
Auch wenn du der Story Raum und Zeit lässt, klingt das doch irgendwie strukturiert. Wie geht es weiter, wenn du das Manuskript zu Ende getippt hast?
Wenn das Buch dann fertig geschrieben ist, lege ich es erst mal eine Weile zur Seite und arbeite an etwas anderem. Erst, wenn sich die eigene Geschichte dann anfühlt, als hätte sie jemand anderes geschrieben, beginne ich mit dem Überarbeiten. Also alles in allem nicht gerade der wirtschaftlichste Weg, aber für mich funktioniert es so am Besten.
Ich glaube, das ist die Hauptsache …
Wobei das auch nicht ineffizient ist. Wenn du zwischendrin dann jeweils versetzt am nächsten Projekt arbeitet, bist du ja nicht langsamer als andere, sondern nur anders getaktet.
„Es wird immer weniger gelesen“ – Wie reagierst du auf diesen Satz?
Gar nicht, weil ich nicht sagen kann, ob es stimmt.
Mal angenommen, es würde stimmen … So rein hypothetisch …
Was ich denke ist, dass sich die Lesegewohnheiten ein wenig verändert haben. Dicke Bücher mit tausend Seiten sind nicht mehr so gern gesehen, statt dessen scheinen die Leute kürzere Bücher zu bevorzugen, die man mal eben an einem Tag auslesen kann. Wobei auch hier Ausnahmen die Regel bestätigen.
Du gehst also davon aus, dass sich die Schnelllebigkeit unserer Zeit auch im Buchmarkt widerspiegelt. Denkst du denn auch, dass neben den Gewohnheiten generell auch die Bereitschaft zu lesen weniger geworden ist?
Ich für meinen Teil empfinde es jedenfalls nicht so, dass weniger gelesen wird. Vielleicht wirkt das auch nur so, weil gerade in den letzten Jahren durch die Möglichkeiten des Selfpublishments die Konkurrenz eben größer wurde.
Wie stehst du zu Schreibregeln, die bestimmen, was der 1. Satz auf keinen Fall enthalten darf, welche Worte man verwenden soll und welche zu vermeiden sind, wie lang ein Satz sein darf, etc.?
Oh, ich liebe es, diese Regeln konsequent zu ignorieren. Schreiben ist meiner Meinung nach Kunst, und Kunst funktioniert nicht nach solchen Regelungen.
Somit liegt die wahre Kunst darin, mit den Regeln der Kunst zu brechen … 🙂
Wobei Picasso ja sehr treffend und oft zitiert bemerkt, dass man die Regeln erst mal lernen muss, um sie gut brechen zu können.
Einige meiner Lieblingsbücher müssten nach eben diesen Vorgaben ein stilistisches Desaster sein. Trotzdem, oder besser gerade deswegen, ziehen einen diese Geschichten aber in ihren Bann und lassen einen in die Handlung eintauchen. Ich denke also, wenn etwas funktioniert, dann sollte man es auch so schreiben. DAS wäre doch mal eine gute Regel.
Ich sage in dem Kontext immer: Regeln sind dazu da, dass man nachdenkt, bevor man sie bricht. Aber weiter …
Welches Buch hat dich am meisten geprägt und warum?
Da gäbe es so einige.
Das kann ich mir gut vorstellen, aber gibt es Beispiele zu Büchern, die dich nachhaltig beeindruckt haben?
Besonders hervorheben möchte ich z.B. Clive Barkers „Blutsbücher“.
Clive Barker, jaaaa! Die sind auch auf der Skoutz-Classics Liste für Horrorbücher. Ich kam nur noch nicht dazu, sie zu besprechen. Seufz ToDo-Listen sind ein Horror ganz eigener Art.
Die Geschichte „Moloch Angst“ zählt bis heute mit zu den gruseligsten Geschichten, die ich je gelesen habe. Ebenso war Stephen Kings „ES“ sehr prägend, weil es der erste Horrorroman war, den ich als damals noch kleiner, unschuldiger Schüler gelesen habe.
Klar, „ES“ ist schon ein Meisterwerk. Hat allerdings bei mir dazu geführt, dass ich erst mal jahrelang einen Riesenbogen um Horrorbücher im Allgemeinen gemacht habe. King war zuuuu gut.
Die „Necroscope“-Reihe von Brian Lumley war ebenfalls sehr wichtig für mich, weil dort gezeigt wurde, wie man sogar ein angestaubtes Thema wie Vampire in einem neuen, aufregendem Gewand präsentieren kann. Aber diese Liste könnte ich noch lang fortsetzen.
Nur zu, ich liebe es, über Bücher zu reden. Das bringt mich gleich zur nächsten Frage …
Wenn du für einen Tag in ein Buch reisen könntest, in welches würde es dich ziehen?
Ganz klar. „Der dunkle Turm“ von Stephen King.
Der Altmeister des Horrors … Was fasziniert dich daran?
Zum einen, weil ich dieses Werk einfach grandios finde, zum anderen würde ich diese Welt gerne so sehen, wie sie tatsächlich ist, anstatt der verstümmelten Version davon, die in der Verfilmung gezeigt wurde.
Bist du ein mutiger Mensch? Wann hast du das letzte Mal was zum ersten Mal gemacht und was war das?
Gerade erst voriges Jahr habe ich zum ersten Mal ein Buch veröffentlicht. Zählt das? *haha*
Wieso nicht? Wenn du dafür Mut aufbringen musstest …
Ich weiß zwar nicht, ob Mut dafür wirklich das richtige Wort ist, aber ich bin ein sehr offener Mensch, der gerne mal etwas Neues versucht und neue Erfahrungen sucht. Die meisten davon belegen aber weniger meinen Mut, sondern mehr eine fast schon naive Neugierde darauf, was dieses Leben wohl noch alles bereithält.
Neugier ist ja bekanntlich der Humus, auf dem Mut gedeiht. Passt doch.
Für welches Produkt würdest du als Testimonial Werbung machen? Warum?
Das ist leicht. Für Filme von „Dirt n Dust Films“.
Die kenne ich nicht. Kannst du mir das ein wenig erläutern?
Zum einen, weil Dominik, der kreative Kopf hinter „Dirt n Dust“, ein begnadeter Künstler ist, der mit seinen Filmen durchaus auch außerhalb gängiger Klischees arbeitet und sich so vom Einheitsbrei abhebt. Zum anderen deshalb, weil „Dirt n Dust“ gerade an einer Verfilmung meiner Kurzgeschichte „Der Bulle und das Mädchen“ aus „Ekstasen des Todes“ arbeitet.
Okay, da hatten wir dann auch sehr charmantes Product Placement. 🙂
Die Seite von Dirt n Dust Films sieht zumindest mal nach etwas aus, dass sich Indie-Film-Fans bookmarken sollten. Finde ich sehr spannend. Letztlich erzählt ein Film ja auch nur eine Geschichte mit anderen Mitteln. Eines Tages setzen wir den Skoutz noch vor die Glotze.
Was machst du, wenn du eine Nacht im Kaufhaus eingeschlossen wärst?
Na, ich nutze die kinderfreie Zeit und schreibe an meinem Buch weiter *haha*
Verständlich, sinnvoll, und konsequent weiterentwickelt.
Aber dennoch etwas enttäuschend. Von einem Horror-Autor hätte ich jetzt irgendwie mehr erwartet, so was in die Richtung wie sie sich Robert Bloch oder Stephen King bei Shining ersonnen haben könnten …
Was ist der erste Gedanke nach dem Aufstehen? Was machst du in der ersten Stunde nach dem Aufstehen?
Ich nehme ein Gesicht aus dem Schrank und setze es auf 🙂
Das erklärt einiges 🙂 Sieht bissel „verrutscht“ aus *lacht*
Nein, ernsthaft, mein Morgen ist so langweilig wie bei jedem anderen.
Langeweile ist auch so ein Begriff, denn man sehr variabel definieren kann …
Aus dem Bett klettern, auf allen vieren zur Kaffeemaschine kriechen und darauf warten, dass das Koffein mich langsam aber sicher in so etwas ähnliches wie einen sozial kompetenten Menschen verwandelt.
Da könnten wir uns in die Quere kommen. Ich könnte auch jederzeit vor dem ersten Kaffee ohne Maske in The Walking Dead mitspielen.
Welche Superkraft hättest du gerne?
Oh, am liebsten gar keine.
Warum? Das wäre doch die einmalige Chance?
Ich denke, egal, welche Superkraft ich bekommen würde, ich würde damit nur Unfug anstellen und Chaos verbreiten *haha*
So selbstlos … Das hätte ich nicht erwartet, wobei du uns jetzt wieder um eine kurzweilige Eskapade bringst. Ich hatte gehofft, du hättest den Hinweis in der Kaufhaus-Frage verstanden… *Muahaha*
Welcher Irrtum kursiert über dich?
Gute Frage.
Danke 🙂
Das müssten wir die Leute fragen, die solche Irrtümer verbreiten.
Was meinst du, wo finden wir die? Treffen die dich vielleicht immer in Gossip-Lounges oder in Tratsch-Cafés? Schau nicht so … Ich hör ja schon auf …
Ich denke aber mal, ich bin einfach noch nicht bekannt genug, um ein solches Gesprächsthema zu sein, dass sich irgendwelche berühmten Irrtümer überhaupt bilden hätten können.
Okay, wir arbeiten daran und kommen dann zu gegebener Zeit auf diese Frage zurück und machen einen voll krassen Enthüllungsbericht. Ich könnte mir persönlich ja gut vorstellen, dass ein Autor derart kontroverser Bücher sehr schnell Spekulationen provoziert, die unweigerlich zu Irrtümern führen werden.
Was würdest du deinem 10 Jahre jüngeren Ich raten?
Alles nochmal GANZ genau so zu machen. Es war zwar nicht immer schön oder einfach, aber unterm Strich hat es mich alles zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Und dieser Mensch gefällt mir. Warum also riskieren, dass ich ein anderer werde?
Okay, damit hast du mich nun überrascht. Man trifft selten jemanden, der rundum zufrieden zu sein scheint …
Wobei … eines würde ich meinem 10 Jahre jüngeren Ich dann doch ans Herz legen: Bestell kein Essen bei diesem einen, ganz speziellen Dönerladen in Wien! Und wenn doch sorg wenigstens dafür, ausreichend Toilettenpapier zuhause zu haben. Du wirst es nämlich brauchen!
Das Thema würde ich gern außerhalb des Interviews nochmals aufgreifen. Ich esse nämlich gern an Standln und ich bin oft in Wien.
Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!
Das ist jetzt wohl die Stelle, an der ich irgendetwas zutiefst sinnvolles oder philosophisches sagen sollte, nicht wahr?
Das ist eine Möglichkeit, ja. Aber irgendwie … bin ich skeptisch. Gewiss machst du es wieder anders.
So etwas liegt mir leider gar nicht. Aber einfach nur zu sagen: „Kauft mein Buch!“, das wäre auch etwas plump, nicht wahr?
Streich in dem Satz „etwas“ 😉
Ich denke, statt der ganzen Welt richte ich mich an eine ganz spezielle Gruppe von Menschen:
Vielen Dank an alle meine Leser, die Blogger und Zeitschriften, die meine Bücher besprochen haben und ganz besonders an meine treuen Kritiker und Testleser! Ihr alle tragt einen gewaltigen Teil dazu bei, dass ich mir diesen Traum vom Schreiben erfüllen darf! Ich weiß nicht, wo ich ohne euch heute wäre, aber ich weiß, es wäre nicht halb so wunderbar wie jetzt!
Okay, das hat mich jetzt nach der Einleitung auch wieder überrascht. Und auch gerührt. Ich bin immer wieder fasziniert, dass die Horror-Leute so ein überaus herzlicher Haufen sind. Aber vielleicht können sie das auch sein, weil sie all das Grässliche und Gruselige schon in ihre Bücher geschrieben haben.
Vielen Dank, lieber Christopher Derayes, dass du dir die Zeit genommen hast, mich zu treffen und mir meine Fragen zu beantworten. Ich hatte viel Spaß und würde mich freuen, wenn wir das wiederholen könnten. Deinem Buch wünsche ich für den weiteren Wettbewerb alles Gute und wer weiß, vielleicht sehen wir uns bereits in Frankfurt zu Verleihung des Skoutz-Awards wieder.
Mehr von Christopher Derayes und seinen Büchern findet ihr auf:
Skoutz-Lesetipp: Ekstasen des Todes – Extremer Horror von C. Derayes und Pjotr X
Geschlechtsteile sind nicht nur zur Fleischeslust gut, sie können auch gegessen werden … Und ein zerstückelter Körper kann als perfektes Sexspielzeug dienen. Die Autoren Pjotr X und Christopher Derayes gehen in ihren Geschichten nicht nur bis an Grenzen, sondern überschreiten die auch gerne.
Es beginnt mit Psychokillern, von denen der erste im Gegensatz zu dem Folgenden fast harmlos wirkt. Eine Sugarmummy vereint die Einzelteile ihres untreuen Toyboys und seiner Geliebten. Und Lena träumt davon, auf einer Kannibalenparty gegrillt und gegessen zu werden.
Streng ab 18 – Warnung: nicht für jeden geeignet, nur für aufgeschlossene Erwachsene
Skoutz meint: Vorneweg: Es geht um Extrem-Horror und genau das bekommt man von dem Autorenduo mit diesen vier, sich stetig steigernden Kurzgeschichten serviert. Es ist, wie erwartet, ein Ausloten der eigenen Belastbarkeit und Toleranz und von daher … kein Anfängerbuch. Wer sich aber in die Abgründe der menschlichen Fantasie wagen will, findet hier großartige Begleiter, die handwerklich ansprechend das Unaussprechliche niederschreiben. Sie bewegen sich mit ihren Geschichten in der Tradition großer Vorbilder aus Crime und Horror, die uns alle schon an Kannibalen, Psychopathen und Rächerinnen mit Küchenmessern herangeführt haben. Aber selten war man so nah am Geschehen dabei, selten musste man so detailliert aushalten, was die Opfer erleiden und das vor allem, weil die Autoren mit abartiger Akribie aber eben auch handwerklichem Geschick tun, was sie am besten können: Schreiben.
Wer sich das Buch ansehen will, kann das auf Amazon über unseren Affiliate-Link.
Hinweis:
„Sünde“, ein intensiv geschriebener Thriller, der seine Horror-Elemente aus dem ganz normalen Wahnsinn zieht, mit dem wir unseren Alltag bestreiten, überzeugte auch Michael Barth, den Dungeon-Master unserer Jury.
Wir sind jedenfalls überhaupt nicht überrascht, dass Sünde es aus der Longlist Horror direkt auf die Midlist Horror 2019 geschafft hat.
Mehr Informationen zum Buch findet ihr in der ausführlichen Buchvorstellung. (Weiterlesen)