Skoutz-Wiki: Spoiler-Alarm

Der Spoiler-Alarm

Der Spoiler, also der Verrat der Wendungen und Geheimnisse einer Geschichte, aus der diese ihre Spannung ziehen, gilt seit jeher als besonders heimtückische Gefahr in der modernen Buchwelt. Skoutz hat in diesem Wiki-Beitrag einmal untersucht, wie groß die Gefahr überhaupt ist und wie man dieser Gefahr als Gefährder ebenso wie als Gefährdeter am besten begegnet.

 

Gefahrenpotential des Spoilers

Zunächst einmal muss man festhalten, dass es viele Anlässe gibt, bei der Spoiler tatsächlich zwingend dazu gehören. Wir meinen dabei nicht nur Anklageschriften bei Gericht, die natürlich den Täter benennen sollen, wissenschaftliche Abhandlungen und Lexika-Einträge, sondern auch und vor allem echte Rezensionen (in Abgrenzung zu Buchvorstellungen und Lesermeinungen). Oft kann man einen Text, ohne seinen wesentlichen Inhalt zu benennen gar nicht richtig beschreiben.

Daneben gibt es auch Literaturformen, die mit Spoilern ganz bewusst spielen, wie etwa der Suspense, wo der Reiz der Geschichte darin liegt, dass der Leser mehr als die Protagonisten weiß. Oft erfährt wird man vom Autor persönlich bereits im Titel gespoilert: „Dantons Tod“ von Georg Büchner oder „Der Untergang des Hauses Usher“ von E.A. Poe oder im Kino „Kill Bill“ von Q. Tarantino sind wunderbare Beispiele hierfür.

Ebenso häufig wird auch in der Geschichte gleich eingangs das eigentliche Element vorangestellt (wer ist der Mörder). Damit wird die Frage, an der das Spannungselement hängt, nicht mehr „Wer“ lauten, sondern „Wie“.

Die Spoilergefahr im wissenschaftlichen Test

Dazu passt, dass wissenschaftliche Studien nicht belegen können, dass Spoiler wirklich die Freude an einer Geschichte nachhaltig verderben. Dies zeigt sich ganz einfach an Klassikern, von denen man weiß, wie sie ausgehen, den regelmäßigen Neuverfilmungen von Stoffen, deren Plot man längst kennt, dem erneuten Griff zu einem Buch, das man schon gelesen hat, dem Bedürfnis beim Lesen vorzublättern, etc.

Tatsächlich zeigen diese Studien, dass eine „gespoilerte“ Testgruppe nicht weniger Spaß an der Geschichte hatte, sondern sogar nach eigener Einschätzung mehr als die nicht vorbelastete Vergleichsgruppe. Die Gründe dafür waren vielfältig:

  • entspanntere Haltung gegenüber der Geschichte,
  • mehr Blick für die Details,
  • Vorfreude auf das Eintreten des bekannten Ereignisses (bzw. Hilflosigkeit ebenjenes kommen zu sehen ohne es verhindern zu können)
  • größere Gelassenheit im Umgang mit anderen Fans

Lesenswert in diesem Zusammenhang der englische Artikel: Spoilers freshen up Stories  in „Psychological Science“.

Spoiler-Alarm – Spoilerwarnungen

Gleichwohl ist es ein Gebot von Toleranz und Höflichkeit, Spoiler mit einer Warnung, einem sog. Spoiler-Alarm, zu versehen, so dass Leser selbst entscheiden können, ob sie die folgende Information haben wollen oder nicht. Dies gibt es übrigens schon lange.

  • So wurden und werden bei Ratespielen die Lösungseinblendungen im Fernsehen akustisch angekündigt, damit Ratewillige einfach wegschauen können.
  • Zeitschriften setzen Rätsellösungen gerne auf den Kopf um versehentliches Spoilern zu vermeiden.
  • In London wird seit 1952 am Ende jeder Aufführung von „Die Mausefalle“ das Publikum gebeten, nichts zu verraten, damit künftigen Besuchern der Spaß nicht verdorben wird.

Sinnvollerweise ist eine Spoilerwarnung so zu gestalten, dass sie auch ihre Wirkung entfalten kann.

Z.B. innerhalb eines Textes mit entsprechenden Leerzeilen nach dem optisch gut hervorgehobenen Spoiler-Alarm, die dann die eigentlichen Spoiler nicht gleich sichtbar werden lassen. Auf Homepages kann man auch schön mit einem „Highlight2Read“ arbeiten. Dabei wird der Spoiler-Text in der Hintergrundfarbe geschrieben. Wer ihn lesen will, muss ihn mit der Maus markieren und kann ihn so sichtbar machen.

Klugscheißmodus: Trigger – der garstige Bruder des Spoilers

Trigger ist auch wieder so ein Modewort, das man dem Englischen entrissen hat. („trigger“ = „Auslöser“). Ursprünglich ist das ein Begriff aus der Psychologie, mit dem man Reize beschreibt, die ein bestimmtes Verhalten auslösen; etwa die Glocke, die Pawlovs Hund zum Sabbern veranlasste oder das Wort „Buchladen“, bei dem Skoutze wuschig werden. Nicht immer aber werden angenehme Emotionen getriggert. Im Umgang mit Menschen, die traumatische Erlebnisse zu verarbeiten haben, lernen Psychologen schnell solche Trigger zu vermeiden, die unerwünschte Reaktionen (Nervenzusammenbrüche etc.) hervorufen können. Entweder werden vor dem Text entsprechende Warnhinweise gegeben oder aber „böse“ Worte verfremdet (F***k!)

Ähnlich wie ein Spoiler-Alarm haben sich auch Triggerwarnungen in psycholgischen Foren und Selbsthilfegruppen eingebürgert, um ungewollte Konfrontationen zu vermeiden. Inzwischen wird dies auch mehr und mehr in sozialen Netzwerken oder allgemein im Internet gefordert. Grundsätzlich ist die Idee, aufeinander Rücksicht zu nehmen, auch löblich und vernünftig.

Kritik am Trigger („Vorsicht dies kann Triggerwarnungsbefürworter ver****en).

Allerdings kann man auch gut den Standpunkt der Kritiker nachvollziehen, die an dieser Stelle einen normalen unverkrampften Umgang miteinander, eine offene Kommunikation und letztlich auch die Meinungsfreiheit, die ein Stück weit eben nicht nur den Inhalt, sondern auch die Form der Äußerung betrifft, gefährdet sehen. Kunst etwa will ja zum Beispiel oft konfrontieren, provozieren – allgemein Stilmittel jeder Kommunikation.

Wo zieht man die Grenzen? Die Konfrontation mit  Krieg, Missbrauch, Gewalt sind nie angenehm und können traumatisierten Menschen schwer auf den Magen schlagen. Doch gilt das nicht auch für Menschen, die panische Angst vor Schlange, Spinnen oder auch Hunden haben? Darf man ohne Triggerwarnung keine Hundebilder mehr posten?

Geht es wirklich nur um den Schutz der Traumatisierten? In Fachforen, wo genau solche Menschen Schutz und Hilfe suchen, sind Triggerwarnungen sicherlich hilfreich und erforderlich. Doch gilt das auch in Facebook?

Oder ist es dort nicht auch ein Stück weit Bequemlichkeit? Besteht nicht letztlich durch das Triggern die Gefahr, dass immer mehr Mitmenschen sich ihre spezielle Wohlfühlfilterbubble zimmern und reale Probleme ausblenden, bei denen sie als mündige Bürger der Gesellschaft zur Bekämpfung verpflichtet wären? Versagt man mit der Rücksicht auf potentielle Stimmungskiller nicht tatsächlich den Hilfsbedürftigen die Hilfe, weil man ihre Realität einfach ausblendet?

Wird mittlerweile mit „Triggerwarnungen“ nicht gerade click-baiting betrieben und die Sensationslust animiert?

Wir halten Triggerwarnungen für prinzipiell gut und richtig in einem fachlichen Kontext. Aber der inflationäre Gebrauch hat letztlich genau die gegenteilige Wirkung. Da setzen wir eher auf Abhärtung.

Sehr lesenswert in diesem Zusammenhang der Artikel in der Neuen Züricher Zeitung.

 

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