Skoutz-Wiki: Schreibblockade
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Heute befassen wir uns im Skoutz-Wiki mit einer garstigen Plage, die Autoren mehr fürchten, als die vier apokalyptischen Reiter. Mit einer großen Gefahr, die wie ein Damoklesschwert über jeden von ihnen hängt. Obwohl in Fanforen und den sozialen Medien Fans oft erstaunlich wenig Verständnis zeigen, wenn Autoren nicht wunschgemäß Nachschub liefern, kann es jeden treffen, der in irgendeiner Form gefordert ist, Worte zu Papier zu bringen.
Wir sprechen von der Schreibblockade. Es ist die Angst, die lähmt und sich aus sich heraus verstärkt und uns überwältigt. Ein Teufelskreis, der sich immer schneller dreht und nur schwer zu durchbrechen ist.
Die Schreibblockade kurz und knapp:
Eine Schreibblockade ist ein psychisches Phänomen, bei dessen Auftreten die Autoren dauerhaft oder vorübergehend nicht in der Lage sind, zu schreiben. Es ist unbekannt, wie viele theoretisch produktive Stunden sinnlos vor dem leeren Bildschirm oder einem jungfräulich weißen Blatt Papier vergeudet werden und den Untätigen in den düsteren Abgrund der Verzweiflung stürzen. Psychologen erkennen die Schreibblockade als psychische Erkrankung an und unterscheiden unabhängig von den verschiedenen Symptomen und Formen zwischen inhaltlichen und psychologischen Ursachen.
Die Schreibblockade genauer betrachtet:
Nicht schreiben können? Das klingt zunächst lächerlich, wenn man nicht am Schreiben von außen gehindert ist. Entsprechend rigoros ist auch die Diskussion hierüber in entsprechenden Foren. Wer nicht so krank ist, dass er nicht einmal mit Texterkennungssoftware arbeiten kann, sollte nicht „schreibunfähig“ sein. Doch so einfach ist das nicht. Wir leben alle in unserer Wahrnehmung und Ängsten sind objektive Faktoren häufig herzlich egal. Wer sich vor dunklen Räumen, Spinnen oder Mäusen fürchtet, weiß wovon wir sprechen.
Tatsächlich fürchten viele Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit dem Erstellen von Texten bestreiten, dauerhaft oder zeitweise nicht produktiv sein zu können. Obwohl diese Sorge wirklich jeder kennt, wird wenig darüber gesprochen. Im Gegenteil, auch wenn selbst die größten Schriftsteller nicht davor geschützt sind, in eine Schreibblockade zu geraten, ist es außerordentlich uncool, sich bei einer solchen erwischen zu lassen. Das erschwert aber auch den Umgang mit ihr.
Da ihre Ursachen vielfältig sind und zudem eine Schreibblockade oft äußerst kreativ vertuscht wird, gibt es kaum offizielle Studien. Ärzte und Psychologen kennen dieses Problem auch von anderen psychischen Erkrankungen und bemängeln zunehmend, dass die wenigsten Erkrankten ihre Schreibblockade akzeptieren und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, z.B. spezielle Coachings oder individuelle psychotherapeutische Maßnahmen.
Ursachen der Schreibblockade:
Ursachen dafür, dass der Stift oder auch die Tastatur streikt, gibt es viele. Vermutlich mehr als Autoren. Wer sich professionell mit diesem nicht nur Autoren betreffenden Phänomen befasst (Psychologen, Studien-Mentoren etc.), unterscheidet zwischen zwei Hauptgründen, psychologischen und inhaltlichen.
Die psychologischen Blockadeursachen beruhren grob vereinfacht auf zu großen Selbstzweifeln und/oder einem überhöhten Selbstanspruch, also übertriebenem Perfektionismus. Beides kann man darauf zurückführen, dass der betroffene Autor sich selbst und die an ihn gestellten Erwartungen falsch einschätzt und sich davon lähmen lässt.
Die inhaltlichen Ursachen einer Schreibblockade sind dagegen eher handwerklicher Natur und liegen fast immer in einer falschen Herangehensweise an die konkrete Aufgabe begründet. Wenn man beim Schreiben bemerkt, dass man zu viel weiß und auswählen muss, was wichtig genug ist, um in den Text zu kommen, kann das ebenso lähmend sein, wie die Erkenntnis, dass man auf die vielen, sich beim Schreiben ergebenden Fragen, spontan keine Antwort weiß. Ebenso können zu komplexer Aufbau (zu viele Protagonisten, komplexe Handlungsstränge, ungünstige Perspektivwahl etc.), den kreativen Prozess erlahmen lassen.
Skoutz hat bei seinen Autoren eine kleine anonyme Umfrage gestartet und einige typische Ursachen feststellen können, die aber alle im Prinzip mindestens zu einem der beiden Hauptgründe passen (weiterlesen).
Formen der Schreibblockade
Wer bisher mitgelesen hat (danke hierfür), ahnt es bereits, die Schreibblockade ist ein Meister der Tarnung und vermag sich in vielerlei Formen anzuschleichen, um den unaufmerksamen Autor dann hinterrücks zu befallen. Wir von Skoutz versuchen uns hier an notwendiger Aufklärungsarbeit und wollen euch für die verschiedenen Erscheinungsformen von Schreibblockaden sensibilisieren:
Startschwierigkeiten
Oft fällt es schon schwer, auch nur einen Textanfang zu finden.
Das liegt oft daran, dass die Ideen und das Konzept noch nicht sehr konkret sind, tausend Ideen ungeordnet herumschwirren und man vor lauter Tatendrang gar nicht weiß, wie – oder wo! – man beginnen soll.
Wenn man dann in tausend Schreibratgebern gesagt bekommt, wie unfassbar wichtig für künftigen Ruhm die erste Seite, der erste Satz und überhaupt der Anfang sind, dann wird das natürlich nicht leichter, denn Perfektionszwang und Missfallensangst sitzen dem armen Autor sofort begeisternd jubelnd im Genick.
Das SuM-Phänomen
Der SuM (Stapel ungeschriebener Manuskripte) ist für den Autor das, was der Leser als SuB (Stapel ungelesener Bücher) kennt. In seiner Friedform ist der SuM harmlos, ein wertvolles Reservoir für Inspiration und Schreibzeit. Doch das kann kippen. In seiner pathologischen Form wird der SuM aggressiv. Unter seinem negativen Einfluss stehende Autoren planen ihre Texte, immer mehr Texte, aber es gelingt nicht, sie dann auch zu schreiben.
Der Autor erstickt förmlich an der Vielzahl seiner Ideen, die alle laut „hier, hier!“ schreien, wann immer man etwas schreiben möchte. Die Entscheidung fällt schwer, man liebt ja alle seine Kinder. Schlimm wird es, wenn man nach ein paar Zeilen das Interesse verliert, oder feststellt, dass die Story doch komplexer ist als erwartet und nichts für zwischendurch, oder wenn Kollegen posten, dass sie an derselben Story schreiben nur mit viel cooleren Details. Tja… Und schon frohlocken Perfektionszwang und der innere Rebell.
Der Fluchtreflex
… ist erstaunlicherweise keine Erfindung des „inneren Rebellen“, sondern wird von allen Blockierern gerne bemüht. Bei aller Begeisterung für Geschichten und das Schreiben, kann es schon auch mal als qualvoll empfunden werden. Um das schlechte Gewissen zu beruhigen, weicht man auf andere Tätigkeiten aus. Psychologen sprechen in dem Zusammenhang von Übersprungreaktionen. Im günstigsten Fall hat man danach einen generalstabsmäßig durchorganisierten Kühlschrank, keine Bügelwäsche mehr oder ein blitzblankes Bad. Manchmal aber auch hat man nur seinen Score beim aktuellen Online-Spiel verbessert.
Das „TILT“-Phänomen
Schwieriger ist dem TILT-Phänomen beizukommen. Die Symptome sind leicht beschrieben. Man ist voller Tatendrang, guter Vorsätze und genialer Ideen und setzt sich mit einer Kanne frisch aufgebrühtem Kaffe an den Schreibtisch, fährt den PC hoch und …. Gnaaaaaaah.
Gähnende Leere. Das Gehirn ist so leer wie der Monitor und es fehlt nur noch der klischeebeladene Dornbusch, der durch die endlosen Weiten geweht wird. Ideen und/oder Formulierungen bleiben jedenfalls aus. Da wird man ausgebremst, noch bevor man sich auch nur an die Startlinie begeben hat. Kein Wunder, dass man dann schnell zum Fluchtreflex wechselt, bevor diese Leere von Bildschirm und Kopf unerträglich werden. Hiergegen gibt es Mittel und Kuren, aber man sollte aufpassen, dass das TILT-Phänomen nicht den Perfektionszwang und die Missfallensangst um Verstärkung bittet.
Schwieriger ist es, wenn man in einer Szene feststeckt und nicht weiter kommt. Es ist, als hätte man ein Auto in den Graben gefahren, wo noch so viel Gas geben auch nicht mehr weiterhilft. Das ist der Punkt, wo man tatsächlich versuchen sollte, sich Anschubhilfe zu holen. Ob das im Aufgreifen von Kollegenvorschlägen besteht (man kann das redigieren, es geht nur darum, überhaupt die nächsten zwei Absätze zu schreiben) oder darin, etwas neues in den Plot einzuführen… egal. Alles, was weiterführt, ist gut.
Das „KNÜLL“-Phänomen
… verdanken wir vor allem den Perfektionisten. Was auch immer man schreibt, es scheint einfach nicht gut genug zu sein. Was auch immer man sich im Kopf zurechtlegt, sobald man es festhalten will, verliert alles an Glanz und Glamour, wird schal und laaaaangweilig. Und schon streikt die Schreibhand. Das Geschriebene wird nochmals gelesen und man ist entsetzt, was man da verbrochen hat. Solche Stümperei muss ausgemerzt werden, sofort und auf der Stelle …
Der Blick zurück ist ein perfider Trick, mit dem der innere Rebell uns gelegentlich vom Schreiben abhält, weil man gar nicht merkt, dass man sich drückt. Schließlich arbeitet man ja am Manuskript, nicht wahr? Doch zwei Seiten schreiben, um drei Seiten zu löschen, führt nicht weiter. Man sollte daher nicht löschen, sondern lieber nur ausschneiden, vielleicht kann man die Schnippsel an anderer Stelle brauchen, oder findet sie, wenn man den Anfall überwunden hat, gar nicht mehr sooo schlecht. Das Wissen um Schwächen im Text sollte einen jedenfalls nicht am Weiterschreiben hindern, denn dafür gibt es ja den Überarbeitungsdurchgang. Genauso hinterhältig ist der Versuch, dann vorschnell in einem anderen Manuskript weiterzuschreiben. Das kann natürlich helfen und ist ein gutes Mittel, aber es kann auch schnell zum SuM-Phänomen führen und einem Berg frustrierender Textbaustellen, ohne Aussicht auf ein „Ende“.
Der Plot-Rebell
Hier kommt man sehr schnell an den Punkt, wo man sich und seinen Arbeitsstil selbst kritisch analysieren muss. Ein mehr oder minder detailliert ausgearbeiteter Fahrplan ist eine große Arbeitserleichterung und kann sehr hilfreich sein, auch an großen Schreibblockaden vorbeizusteuern. Viele (nicht alle!) Spontanschreiber, die vehement solches Vorplotten ablehnen, haben sich darauf noch nicht wirklich eingelassen und scheuen eher die Vorarbeit Aber wieder einmal gibt es auch hier Nebenwirkungen. Allzu dispzipliniertes Schreiben tötet schon auch mal die Kreativität und prompt hat man hat keine Lust mehr, entlang der Storyline zu schreiben. Und schreibt dann eben gar nicht, sondern checkt nur mal eben schnell die News auf Facebook …
Der Revisions-Verweigerer
Das Buch ist fertig, die Geschichte erzählt, nun kommt die Überarbeitung. Es ist deprimierend, aber vollkommen egal, ob man Verlags- oder SP-Autor ist, mit „Ende“ hat man nur einen Zwischenstand erreicht. Das war die Kür. Jetzt kommt die Pflicht und die macht etwa 40% der Gesamtarbeit aus. Einen erheblichen Anteil daran hat die Überarbeitung, das Ausmerzen all der kleinen und großen Flüchtigkeitsfehler, das Nachpolieren, Feinschleifen, Nachschminken. Gerade, wenn man erst mal einen Rohentwurf runterschreiben wollte, um anschließend nachzuziehen, hat man sich mit dem Tefel eingelassen. Und genau dann hat man so überhaupt keine Lust, sich all das nochmal anzusehen, Wort für Wort durch das Manuskript zu fieseln, sich um Kommata und Semikolons zu sorgen, wenn dort draußen doch so wunderbare neue Geschichten locken … Der innere Rebell duelliert sich dann mit dem Perfektionisten und schwupps … schreibt man gar nicht.
Kreativer Prozess oder Schreibblockade?
Eine Schreibblockade sicher und zuverlässig zu erkennen ist mitunter schwierig, da sie eben in unterschiedlichen Erscheinungsformen und Schweregraden vorkommt. Kreativität gibt es nicht auf Knopfdruck, weshalb ein gewissen Maß an Prokrastination untrennbar mit jedem schöpferischen Prozess verbunden ist. Das heißt, all das, was wir oben vorgestellt haben, kann völlig normal sein. Oder eben auch nicht. Es ist schwierig. Daher kommt der Autor nicht umhin, selbstkritisch in den Spiegel und auf seinen Word-Count zu schauen und sich selbst zu fragen, wieviel Inneffizienz und Eigenverwaltung er in seinem Schaffensprozess tolerieren kann. Allerdings nicht, bevor er nicht den Perfektionisten bewusstlos geschlagen oder gefesselt und geknebelt weggesperrt hat.
Das richtige Maß an Selbstkontrolle
Zweifel sind berechtigt.
Vermutlich wird nur ein mit sich unzufriedener Künstler wirklich über sich selbst hinauswachsen können, aber man darf es nicht übertreiben. Fairness auch sich selbst gegenüber sollte auch eine gewisse Fehlertoleranz beinhalten und auch wenn wenige Gedanken klebriger und hartnäckiger sind als Zweifel, sollte man sich davon nicht vom Schreiben abhalten lassen. Das Etappenziel ist das Ende der Szene, des Kapitels, das „Ende“ des Buchs. Danach kommt die Revision und dann darf der Perfektionist in seine Trillerpfeife pusten.
Meist bringen Ärzte und Forscher eine Schreibblockade mit übertriebenem Perfektionismus und geringem Selbstwertgefühlen in Zusammenhang. Ist ein Texter erst einmal an diesem Punkt, wo Missfallensängste sein Handeln lähmen, kommt er aus der Abwärtsspirale von zu hohen Selbstansprüchen, ineffizienten Schreibstrategien, (vermeintlich) mangelhaften Texten und verdrossenen Verlegern und Lesern nicht mehr ohne fremde Hilfe heraus.
Wege an der Schreibblockade vorbei (oder aus ihr heraus)
Um Schreibblockaden gar nicht erst entstehen zu lassen,sollte man sich mit sich selbst und dem persönlichen Arbeitsstil befassen. Das gehört zum professionellen Schreiben genauso dazu wie Kennntis der handwerklichen Anforderungen. Dann erkennt man auch schnell, ob es sich um eine Schreibblockade oder ob man sich nur gerade im Leerlauf befindet. Letztlich hilft gegen Schreibblockaden nur Schreiben. Aber es gibt viele Möglichkeiten, sich das leichter zu machen. Außerdem kann man auf viele Tricks zurückgreifen, wie man einen abgewürgten Schreibmotor wieder zum Laufen bekommt.
Skoutz hat für euch ein paar Tipps zusammengestellt (weiterlesen).
Bonuswissen (Klugscheißmodus):
Wem unsere Tipps jetzt so geholfen haben, dass er förmlich einem Schreibzwang erliegt, leidet unter Hypercalligraphie. 🙂
Alle anderen können sich trösten, denn getreu dem Motto, dass Autoren keine Schicksalsschläge erleiden, sondern Feldstudien betreiben, sind Schreibblockaden auch immer wieder Thema in Romanen. Warum also nicht die eigene als Anreiz für das nächste große Werk begreifen? Sehr gelungene Beispiele haben wir in unserer Skoutz-Classics Buchliste: Bücher über Schreibblockaden (weiterlesen)
Dieser Artikel entstand übrigens auch nur, weil sein Autor sich vor dem Überarbeiten eines dringlichen Textes drücken wollte. q.e.d.