Skoutz-Schreibstube: Wie lange braucht ein gutes Buch?

In einer Autorengruppe stieß ich heute auf die Frage, ob ein Autor, der alle 2 bis 3 Monate ein Buch veröffentlicht, überhaupt gute Bücher schreiben kann oder ob das ein Hinweis auf „Schund“ ist.

Das ärgert mich aus mehreren Gründen, denn in der Frage ist schon dieses leicht hochnäsige „Das kann ja nichts sein“ enthalten. Tatsächlich ist der Veröffentlichungsintervall der allerdümmste Ansatz, um Qualität zu beurteilen, und warum das so ist, möchte ich euch hier mit einem Blick in die Schreibstube erklären:

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Wie lange braucht ein gutes Buch?

Das kommt darauf an, wie man die Zeit bemisst. Die nach außen sichtbare Zeit zwischen zwei Veröffentlichungen besagt jedenfalls nichts darüber, wie lange man an einem Buch gearbeitet hat.

Kurz geantwortet

Die reine Schreibzeit ist grundsätzlich nicht der Löwenanteil beim Buch herstellen. Auch nicht beim Autor. Denn die Zeit für Recherche, für das Plotten, die Charakterplanung steht bei vielen Schreibtypen dem reinen Schreiben in nichts nach. Und natürlich ist es gerade bei umfangreichen Werken auch die Regelmäßigkeit, mit der man Schreiben kann, ein wichtiger Aspekt.

Dazu kommt dann noch die Überarbeitung, das Korrektorat und das Lektorat und dann die Buchfertigung mit Satz, Klappentext, Cover und vielem mehr. Schaut euch mal auf unseren S4S-Seiten um, da steht, was alles zu tun ist. 🙂

Wenn man im Team – z.B. im Verlag – arbeitet, ist zwar die reine Arbeitszeit genauso lang, aber es geht schneller, weil man die Aufgaben verteilt. Ein Einzelkämpfer im Self-Publishing kann natürlich nur eins nach dem anderen machen.

Wie lange ein Buch braucht, hängt natürlich auch vom Schreibstil und dem Autor selbst ab. Manche sind schneller, brauchen geradezu den Druck einer Deadline, um sich nicht zu verzetteln und andere geraten schon beim Wort „Abgabetermin“ in eine Schreibblockade.

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Ausführlicher betrachtet

Ein gutes Buch braucht seine Zeit, und zwar genau seine Zeit. Das ist ziemlich sicher. Aber wie viel Zeit das ist, hängt von sehr verschiedenen Faktoren ab.

Schauen wir sie uns mal an:

Das Werk

  • Kunst oder Kitsch
    Es ist nicht „leichter“, Groschenhefte zu schreiben, sondern anders. Der Schreibprozess ist deutlich straffer organisiert, die Erwartungshaltung der Leser viel präziser erfasst. In diesem auf Effizienz und Struktur getrimmten Umfeld zu schreiben, ist jedenfalls deutlich schneller möglich und erforderlich.
  • Rechercheaufwand
    Auch hier ist es ein Unterschied, ob man einen anspruchsvollen Historienroman schreibt, dessen Sekundärliteratur schon mal zwei Regale und den Schreibtisch belegt, oder einen Chick-Lit-Roman aus seiner Heimatstadt.
  • Umfang
    Klar, dass man für „Krieg und Frieden“ länger braucht als für „die Verwandlung„, obwohl beides unbestritten Weltliteratur ist. Der reine Umfang der Geschichte ist natürlich auch ein Aspekt, der „Zeit“ relativiert.

Das Schreiben

  • Neuanfang oder SuM
    Was dem Leser der SuB ist dem Autor der SuM, der Stapel (mehr oder minder) ungeschriebener Manuskripte. Wer schon mehrere Manuskripte in der Schublade hat, veröffentlich natürlich schneller, und zwar auch, wenn er vorher Jahre gearbeitet hat. Das merkt der Leser nicht und wundert sich, wenn der Autor, dann in Monatsintervallen neuen Lesestoff liefert.
  • Turbo oder Diesel
    Es hat nichts mit Qualität zu tun, ob man schnell oder langsam schreibt. Es gibt Kollegen, die schreiben sich regelrecht in einen Rausch, die Finger fliegen nur so über die Tasten und 10.000 und mehr Worte am Tag sind durchaus nicht selten. Und dann gibt es Autoren wie mich, die wirklich jeden einzelnen Satz nur unter Presswehen hervorbringen und immer die Art von Szene, an der sie gerade sitzen, am Schwierigsten finden. Ich schreibe mit viel Disziplin durchaus schnell, aber ich werde nie das Tempo dieser Turbo-Autoren aufbringen – und das hat absolut nichts mit der Qualität des Endergebnisses, sondern mit der Arbeitsweise zu tun.
  • Scharfschütze oder Treibjäger
    Es gibt Autoren, die schreiben ein Manuskript mehr oder minder druckreif runter. Das Originalskript von „Ben Hur“, das zu einer Zeit geschrieben wurde, als man noch Tinte und Papier bemühte, zeigt auf den ersten 80 Seiten nicht eine einzige Ausbesserung! Und dann gibt es Autoren, die einfach mal ein Gerüst runterfetzen und dann zweimal, dreimal, fünfmal überarbeiten und vorne einfügen, was sie hinten brauchen. Auch das hat nichts mit Qualität zu tun, sondern damit, wie strukturiert man an die Geschichte herangeht.

 

Der Autor

  • Vollzeitautor oder Nebenbei-Schreiber
    Von einem Autor, der 8h täglich seinem Beruf widmen kann, ist selbstverständlich ein anderer Umsatz zu erwarten, als von einem Autor, der neben einem Vollzeitjob noch die Familie versorgen will und nur in der raren nebenbei Zeit schreiben kann.
  • Ingenieur oder Abenteurer
    Ein Autor, der seine Geschichten bis ins Detail vorab anlegt und dann nur noch ausformulieren muss, ist in den meisten Fällen schneller als ein Autor, der einfach losschreibt und sich von seiner eigenen Geschichte überraschen lässt. Wieviel Mitspacherecht räumt der Autor den Protagonisten ein? Wie bereit ist er, eine Szene umzuschreiben?
    Auch das ist kein Qualitätskriterium, sondern eine Persönlichkeitsfrage. Denn es ist beileibe nicht gesagt, dass Version 18 besser ist als Version 1
  • Stress-Resistenz
    Es gibt Autoren, die brauchen Ruhe und Muße, um zu schreiben.  Deren Netto-Schreibzeit dürfte niedriger sein als bei Autoren, die einfach überall und immer kurz mal eben ein paar Zeilen weiterschreiben können. Ebenso gibt es Autoren, die wie ich einen gewissen Druck brauchen, um zum Schreiben zu kommen. Ohne einen Releasetermin im Nacken, der so bald ist, dass andere Autoren vermutlich schon panisch würden, wenn nur die Schlagworte noch nicht da sind, schreibe ich gar nicht. Dann recherchiere ich, albere mit den Protas herum, verkünstele mich in Nebenszenen, die ich nachher beim Straffen sehr wahrscheinlich wieder streiche, oder ratsche mit Kollegen.

Der Arbeitsprozess

  • Vorratshaltung
    Wie gesagt, es ist nicht gesagt, dass man ein Buch erst beginnt, wenn das erste Buch fix und fertig ist. Viele Bücher liegen bei Autoren unveröffentlicht auf Halde. Die Zeit zwischen zwei Veröffentlichungen hat also nur zufällig etwas mit der Schreibzeit zu tun.
  • Planung
    Es gibt Bücher, die haben Saison. Grusel geht zu Halloween besser und zu Weihnachten sind alle für Märchen und Winter zu haben. Die veröffentlicht man also dann. Unabhängig davon, wann man sie geschrieben hat. Hinzukommt, dass die Frage, wie schnell veröffentlicht wird, auch stark davon abhängt, wie groß das Team hinter dem Autor ist (oft sind es ja sogar mehrere Autoren, die hinter einem Pseudonym stecken!), wie viel parallel an Lektorat, Marketing etc. schon während des Schreibens gearbeitet wird.
  • Angebot und Nachfrage
    Tatsächlich kann es sinnvoll sein, vorzuarbeiten, um dann z.B. die Leser bei einer Reihe bei Laune und im Lesefluss zu halten. Auch, weil die Algorithmen der Online-Shops es sehr gerne mögen, wenn ein Autorenname regelmäßig mit neuen Werken aufwartet. Auch hier kann es taktisch klug sein, lieber zwei kurze mit wenig Abstand als ein langes Buch zu veröffentlichen.

Bonuswissen (Klugscheiß-Modus)!

Wie lange braucht ein gutes Buch?

Auch in der Weltliteratur wird das uneinheitlich beantwortet. Goethe hat an Faust 1 über 15 Jahre gefeilt, aber Joyce hat Ulysses in 5 Tagen niedergeschrieben. Edgar Wallace hat als König der Unterhaltungsliteratur das Fließbandschreiben geradewegs erfunden – sehr zur Freude seiner Leser. Von anderen Autoren gibt es genau ein Werk, mit dem sie unsterblich wurden, Sturmhöhe etwa, an dem auch etwas länger geschrieben wurde. Manchmal muss man nicht mal schreiben. Frankenstein etwa hat Mary Shelley in einer Gruselerzählrunde erfunden und erst nachher aufgeschrieben.

Und auch in anderen Bereichen sind aus der Not geborene Schnellschüsse die Klassiker von morgen. Stille Nacht lässt grüßen!

 

Fazit:

Also macht euch locker. Es ist völlig egal, wie lange ein gutes Buch braucht. Auch hier gilt, was Skoutze ja schon immer sagen:

Nur die Geschichte zählt!

Lasst euch den Spaß am Lesen nicht verderben. Und am Schreiben auch nicht.

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