Skoutz-Classics: Rot und Schwarz – Liebesroman von Stendhal

 

Der bis heute polarisierende Roman des französischen Autors Stendhal aus dem Jahr 1830 beschreibt den Werdegang des eiskalten Karrieristen Julien vom Land in die Kreise der gehobenen postnapoleonischen Gesellschaft, der dabei von seinen Beziehungen zu der deutlich älteren Madame de Rênal und der jüngeren, ihn leidenschaftlich begehrenden Mathilde geprägt wird. Die Art, wie Stendhal die Liebesbeziehungen zwischen seinen Figuren schildert, wird als frühester Beleg des Realismus gedeutet, der sich durch eine subjektiv durch die Sicht des jeweiligen Protagonisten eingefärbte Schilderung der Vorgänge auszeichnet.
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Um was geht es in Rot und Schwarz?

Rot und Schwarz (französischer Originaltitel: Le Rouge et le Noir) behandelt in zwei Teilen (Büchern) die Geschichte von Julien Sorel, der aus der französischen Provinz stammend unbedingt Karriere machen will. Trotz seiner Begabung und Entschlossenheit steht ihm seine niedere Herkunft im Wege.

Beim Bürgermeister

Seine einzige Hoffnung ist eine geistliche Laufbahn und so täuscht er Frömmigkeit vor. So gelingt es ihm, den Posten als Hauslehrers beim Bürgermeister zu ergattern. Als er aus Kalkül ein Verhältnis mit dessen Frau. Madame de Rênal, beginnt, verursacht er einen Skandal, vor dem er sich in ein Priesterseminar rettet.

Im Priesterseminar

Dort lernt er, dass die meisten Seminaristen den angenehmen Lebensstandard des Priestertums schätzen und an theologischen Themen, nicht anders als Julien, allenfalls am Rande interessiert sind. Obwohl er von seinen Kommilitonen verachtet wird, gelingt es Julien, die Sympathie des Rektors, Abbé Pirard, für sich zu gewinnen, der ihm eine sehr gute Position als Sekretär bei dem Marquis de la Mole in Paris verschafft.

In Paris

Zu Beginn des zweiten Teils wähnt sich Julien am Ziel seiner Wünsche, kann er sich schnell für den Marquis unentbehrlich machen, den er in die damals so beliebten Salons der feinen Gesellschaft von Paris begleiten darf. .Stets angenehm plaudernd, charmant und bestens gekleidet, lernt er Mathilde, die umschwärmte Tochter des Marquis kennen. Julien, der fürchtet, von Mathilde für seine einfache Herkunft verachtet zu werden, ignoriert die junge Frau. Doch genau damit erregt er ihr Interesse. Sie meint in Julien, einen Rebellen zu erkennen, der sich von den sie umgebenden Langweilern abhebt. Man würde heute wohl von einem geheimnisvollen Bad Boy sprechen.

Obwohl Julien sich durchaus zu Mathilde hingezogen fühlt, hält er sich aus Angst vor Spott und Zurückweisung von ihr fern und zweifelt auch an ihren Liebesbeteuerungen. Das aber spornt Mathilde nur immer weiter in ihrer Liebe gegen alle Konventionen an. So kommen sie sich zwar näher, aber inzwischen hat auch Julien Gefallen an seiner Machtposition gefunden, die er nur aufrecht halten kann, wenn er Mathilde immer wieder zurückweist. Als sie jedoch schwanger wird, zieht sie ihren Vater ins Vertrauen. Obwohl der sich von Julien hintergangen fühlt, will er ihm seiner Tochter zuliebe eine falsche Identität geben, damit sie „standesgemäß“ heiraten können. Doch dann holt ihn mit einem Brief von Madame de Rênal die Vergangenheit ein …

Zitat: 

„Ich sehe Männer vor mir, die ohne Rücksicht auf meine Jugend eine Klasse junger Menschen strafen und entmutigen wollen, die niedrig geboren und durch Armut unterdrückt sind, aber das Glück haben, gute Bildung zu besitzen und die Kühnheit, sich in Dinge zu mischen, die der Stolz der Reichen die Gesellschaft nennt. Sie sehen in mir einen Bauern, der sich gegen sein Schicksal aufgelehnt hat.“
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Wie hat uns Rot und Schwarz gefallen?

Rot und Schwarz ist die tragische Geschichte eines Underdogs, der daran zerbricht, nie wirklich eine Chance gehabt zu haben, seine Ziele zu verwirklichen.  Damit behandelt Stendhal ein Thema, das auch heute, 150 Jahre später, kaum von seiner Brisanz verloren hat, wenn man nur ein paar Attribute austauschen würde und aus dem einfachen Jungen vom Land einen Menschen mit Migrationshintergrund machen würde. Rot und Schwarz kommt ohne Schwarz-weiß-Malerei aus und wirkt beim Leser nach.

Stendhal schildert minutiös, warum und wie sich die allseits umschwärmte, gelangweilte Mathilda ausgerechnet in Julien verliebt, den einen Mann, der sie zurückweist. Sie, die sich ihrer Schönheit und Stellung wegen vor Gunstbeweisen nicht retten kann, sehnt sich nach einem Rebellen, der will, was man nicht kaufen kann. Und so landet sie unweigerlich bei Julien, der gegen eben jenen Frust so vehement ankämpft. Die Liebesgeschichte ist ein Ringen um Macht und Beherrschung, die sich im anderen vor allem selbst finden wollen. Leidenschaft und Verachtung sind untrennbare Teile eines faszinierenden Ganzen. Wer Liebe zulässt, schwächt seine Position. Also unterdrückt Julien seine Gefühle und taktiert als Verführer, um an Geld, Adel und Ansehen zu kommen. Und damit ist er im modernen Geschlechterkampf erschreckend modern.

Um Julien als Menschen zu verstehen, kommt man an seinem Hunger nach Anerkennung nicht vorbei. Ein vielseitig begabter Mensch, der all seine Stärken nur daran bemisst, dass sie von anderen anerkannt werden, wird unweigerlich zum Sklaven der Gesellschaft. Er tut alles, um anerkannt zu werden, verleugnet seine Moral, seine Meinung, seine Gefühle und erstickt an seiner eigenen Verachtung. Wäre Julien ein Egoist, der nur sich dienen will, wäre er Monstrum. Aber er will als Analyst umsetzen, was er als Bedingung für seinen Herzenswunsch sieht: Dazuzugehören. Und er will es nicht geschenkt, denn auch dann wäre er ein Teil nur von fremden Gnaden. Und damit bringt er alles mit, was auch einen modernen Terroristen auszeichnet.

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Was macht Rot und Schwarz zum Klassiker?

Letztlich sucht Stendhals Held nach dem Glück in einer Welt, die sich in der Nachnapoleonik neu definiert. Auch wenn er es nicht findet, findet er doch wenigstens eine Antwort: „Wir sind nicht glücklich, weil wir eitel sind.“

Darüber kann man in allen Zeiten nachdenken, und das macht Stendahls Werk zum Klassiker. Es sind Menschen, die nachvollziehbar handeln, sich an großen Gefühlen abarbeiten und dabei zu immerwährenden Aussagen kommen, die uns heute so wenig gefallen, wie Stendahls Zeitgenossen. Der literarische Realismus, der mit Stendahls analytischen Charakterstudien begründet wird, prägt unser Lesen und Leben bis heute in vielerlei Hinsicht. Auch die Situation in einer Gesellschaft im Umbruch ist vergleichbar.

Die political correctness jener Tage führt dazu, dass in Rot und Schwarz das Denken und Sprechen so weit auseinanderfallen, wie heute auch. Wo Stendahl jede Aussage politisiert und dem einen oder anderen Lager zurechnet, wird heute moralisiert. Man sagt nicht, was man denkt, sondern was der eigenen Position, dem eigenen Anspruch dienlich ist. Stendahls bitterböse, ätzende Gesellschaftskritik trifft auch heute noch ins Schwarze.

 

Wem verdanken wir Rot und Schwarz?

Marie-Henri Beyle, heute bekannt unter seinem Pseudonym Stendhal, kam 1783, kurz vor der französischen Revolution in Grenoble als Kind eines Juristen zur Welt. Als sein Vater nach dem Tod der Mutter deren Schwester heiratet, kommt es mit Stendahl zum Bruch. Sein Großvater begeistert ihn für die Kunst und die Ideen der Aufklärung. Doch statt wie geplant in Paris Mathematik zu studieren, zieht er als Offizier unter Napoleon in den Krieg. Nach Napoleons Niederlage ist er viel in Italien unterwegs und schreibt – erfolglos – Bücher über Musik und Malerei. Auch seinen größten Erfolg – Rot und Schwarz – erlebt Stendahl nicht. Seine Anerkennung als bedeutender Vertreter des Realismus kommt erst 60 Jahre später. Seine Zeitgenossen dagegen empfinden seinen Stil als nüchtern und kalt.

Mehr zu Rot und Schwarz:

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