Shortlist History: Runa von Vera Buck

 

Runa von Vera Buck (SLHi16)

 

History3 IconAward Shortlist Silber IconOb sich der Kampf der Titel, die es als Vorschläge von der Longlist History  durch die strenge Auswahl von B.C. Bolt, der Oberhistorikerin unserer Jury, auf die Midlist History und von dort weiter auf die Shortlist geschafft haben, als historisch bezeichnen lässt, wissen wir im ersten Jahr natürlich noch nicht.

Aber auf alle Fälle war es spannend und die Entscheidung fiel erst im letzten Augenblick. Jetzt steht jedenfalls fest, welche 3 Bücher es ins Finale um den History-Skoutz 2016 geschafft haben, weil es ihnen gelungen ist, die Herzen der Leser und der Jury gleichermaßen zu begeistern.

 

Runa von Vera Buck ist der Sieger-Titel in der Kategorie History 2016.

Buch PortraitBei Runa handelt es sich um einen 600 Seiten starken, im August 2015 im Limes-Verlag (Randomhouse) veröffentlichten Historienroman aus dem 19. Jahrhundert, der rund um die erste Gehirnoperation in Frankreich gekonnt historische und fiktive Elemente verwebt. Wie alle Titel der Midlists wurde auch Runa von uns genauer untersucht und ausführlich vorgestellt (weiterlesen).

Kay Noa hat Vera Buck in Zürich besucht und sich mit ihr über den richtigen Umgang mit Protagonisten, die Gefahren zu großer Nähe und die Pathologie des Schreibens unterhalten. Und über Runa natürlich auch (weiterlesen).

Doch weil wir euch natürlich alle Bücher der Shortlist noch etwas schmackhafter machen. Deshalb haben wir Spiel der Zeit noch einmal aus dem Regal geholt und die Oberhistorikerin der Jury, B.C. Bolt, gebeten, das Buch aus ihrer Expertensicht zu besprechen.

Und was sie dazu zu sagen hat, lest ihr am Besten selbst:

 

 

B.C. Bolt bespricht: Runa von Vera Buck

Runa

Mein erster Eindruck

Hier wird förmlich geklotzt, was historische Akkuratesse und Detailverliebtheit anbetrifft.

Die Geschichte

Der Roman holt aus, lässt sich Zeit und bietet eine Lesewelt voller Faszination und Grauen – einen medizinisch-historischen Roman, der das späte 19. Jahrhundert in all seiner Widersprüchlichkeit erfasst. Fortschritt auf der einen Seite – Instrumentalisierung des Menschen für die Zwecke der Wissenschaft auf der anderen. Runa spielt in der berühmten Salpêtrière, einer Klinik, in der bahnbrechende Behandlungsmethoden entwickelt werden sollen, die uns heute jedoch eher wie Handlungsanweisungen für besonders raffinierte Folter erscheinen. In der neurologischen Abteilung der Klinik bemüht sich der bekannte Arzt Charcot darum, Menschen von psychischen Krankheiten zu heilen, vor allem der Hysterie, der Modekrankheit jener Epoche, und dabei wird der Patient zum Objekt, zum Gegenstand der ärztlichen Machtausübung, des Selbstgefallens, das gar nicht mehr merkt, dass jede Grenze überschritten ist.

In diese Klinik wird die kleine Runa eingeliefert. Sie widersteht den ärztlichen Bemühungen des großen Meisters. Der junge Arzt Jori Hell hofft, dass er an Runa seine Fähigkeiten beweisen und so seinen Doktor erwerben kann. Aber Runa ist kein hilfloses Objekt, sondern versteht es selbst, andere zu manipulieren. Das ist der Auftakt einer Lesereise durch Abgründe, die teilweise schon an Horror heranreichen.

Das Besondere an dem Buch

Vera Buck hat gründlichst recherchiert – viele Leser fanden: zu gründlich. Tatsächlich reißt die Autorin nicht nur mit, sondern fast weg – diese Welt der Klinik, die Behandlung der Hysterie, die Medizin des ausgehenden 19. Jahrhunderts, das reicht für rund 600 Seiten.

Gleichzeitig klagen manche Leser, es sei wirr, es sei unergründlich und die vielen Perspektivfiguren würden es endgültig zu einem Irrgarten machen, aus dem so mancher kaum selbst mehr herausfand. Genau das ist die Schwäche – genau das ist aber auch die Stärke des Buches. Wer hier eintritt, kann viele, viele Tage seines Lebens vergessen – er wird sie im Labyrinth der Krankenhausgänge und des Geistes verbringen. Die Gedankenwelt dieser Zeit saugt die Leser auf, auch durch die sprachliche Umsetzung, und speit sie durchgeschüttelt 600 Seiten später wieder aus, erschöpft, vielleicht auch weiser geworden.

Aber es ist zweifellos eine Reise, die nicht für jedermann/frau geeignet ist, wie auch der Zauberberg oder Grube und Pendel nicht für jeden geeignet sind 

Doch wer sich auf sie einlässt, erhält ein vielschichtiges Leseabenteuer, das auch übersättigte Vielleser so wohl noch nicht in Händen hielten.

Im Anschluss an die Verleihung des History-Skoutz 2016 hat B.C. Bolt es sich nicht nehmen lassen, ihren „Schützling“ nochmals besonders zu würdigen. Wer das lesen will, kann dies hier auf der Homepage der Jurorin tun (weiterlesen).

Weitere Informationen zu diesem Buch gibt es auch Amazon. Und das Buch selbst natürlich auch. ?

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