zu Besuch bei: Marion Johanning
Im Auftrag von B.C. Bolt besuche ich heute eine Autorin, die für die Midlist History des Skoutz-Award nominiert wurde. Das ist das Schöne an meinem Job, nicht nur, dass ich quer durch die Welt reisen darf – ich lerne auch noch laufend spannende Menschen kennen. Wenn man einer Historikerin die Auswahl für die Midlist History überlässt, spielt natürlich ein gewisser Mindestanspruch an historische Genauigkeit eine große Rolle. Marion Johanning wurde mir da wärmstens empfohlen – auch (oder gerade) weil sie Geschichte beschreibt, die irgendwie auch die unsere ist. So spielen ihre Geschichten in Trier oder in Köln, also quasi um die Ecke.
Zu Besuch bei Marion Johanning, die Geschichten mit Geschichte schreibt.
Was ist dein »Sprit« beim Schreiben, woher nimmst du deine Ideen?
Ich liebe das Schreiben, das ist mein „Sprit“.
Okay, Schreiben als Selbstzweck. Und worüber schreibst du dann?
Die Ideen liegen sozusagen auf der Straße, sie sind überall, man muss sie nur sehen – und rechtzeitig auffangen.
Oder im Fall der umherliegenden Ideen aufheben…. Ich stell mir das gerade so ein bisschen wie Socken aufsammeln vor. Heute bin ich albern. Entschuldige. (*ernst schauend*)
Wenn bei einem neuen historischen Roman allmählich meine eigenen Ideen mit dem historischen Stoff der Geschichte verschmelzen, finde ich das sehr schön.
Ein schönes Bild, bei dem meine Autorenseele sofort „Haaaaach“ schreit.
(Da stehe ich jetzt mit meinem Arm voller Ideen-Socken dumm da…
Was würdest du tun, wenn du nicht mehr schreiben könntest?
Das ist ein Gedanke, den ich lieber nicht zu Ende denken möchte!
Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?
Zu keinem.
Das ist mit Blick auf die vorherige Antwort nur konsequent.
Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?
Mit dem Schreiben verhält es sich oft merkwürdig.
Das ist richtig, aber beantwortet die Frage nicht.
Wenn man glaubt, man hat etwas Schönes geschrieben, eine tolle Szene z.B. oder einen guten Dialog, dann sind die meistens gar nicht so toll oder allenfalls Durchschnitt.
Die besten Sätze entstehen immer dann, wenn man nicht denkt, dass man schreibt, sondern einfach dabei ist. Sie ergeben sich wie von selbst, als Abfallprodukte des täglichen Ringens um die besten Worte.
🙂 Das ist ein lustiges Interview. Die Ideen findest du auf der Straße und die Emotionen im Abfall. Mal sehen, woher die Antworten auf die nächsten Fragen kommen.
Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?
Ein kluger Mensch hat einmal gesagt, alles Schreiben sei autobiografisch.
Ich nehme an, dass du jetzt nicht mich zitierst, aber da ich das auch immer sage, fühle ich mich einfach mal geschmeichelt – oder zumindest verstanden.
Damit hat er auch Recht, denn man steckt als Autor natürlich in seinen Romanen, aber gleichzeitig löst man sich auch darin auf, wenn man neue Figuren und fremde Charaktere erschafft.
Jetzt wird aufgelöst statt gefunden. Wobei das ein absolut faszinierender Gedanke ist, den ich so in gut 100 Antworten auf immer dieselbe Frage noch nie präsentiert bekommen habe. Dominik Forster und Jana Cramer, die beide autobiografisch schreiben, sprachen in dem Zusammenhang davon, dass sie sich etwas von der Seele schreiben, sich frei schreiben mussten … Aber der Gedanke, dass man in jedem Buch ein kleines Stück von sich selbst zurücklässt ist irgendwie… schaurig schön.
Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Autor machen kann?
Zum Glück durfte ich mich schon über viele schöne Komplimente freuen, die mir Leserinnen und Leser zu meinen Büchern gemacht haben.
Völlig verdient würde ich sagen. 🙂
Ein Ranking möchte ich da nicht aufstellen.
Na gut! Dann versuchen wir es anders …
Wer ist für dich dein idealer Leser?
Den idealen Leser oder die ideale Leserin kann ich mir nicht vorstellen.
Na komm schon!!!
Generell fühle ich mich mit Menschen verbunden, die Bücher lieben.
Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?
Eigentlich bei keinem, denn ich liebe meine Protagonisten, schließlich habe ich sie doch erfunden!
Wenn das so ein Grund wäre, keine Schwierigkeiten mit ihnen zu haben, dürfte es ja das Wort „Problemkind“ nicht geben. Letztlich entwickelt ja der Protagonist in der Geschichte ein Eigenleben und auch in sich selbst hat man Eigenschaften und Gewohnheiten, die man als „schwierig“ bezeichnen kann.
Wie steht es denn mit den Bösewichten?
Auch die Antagonisten sind mir sehr nah. Sie haben alle ihre eigene Geschichte und Gründe für ihr Handeln.
Das gehört sich auch so für eine gute Geschichte! Ich finde das in Filmen immer ganz schrecklich, wenn man sich mitten drin fragt, was der Held denn jetzt macht – oder warum? – und es darauf keine bessere Antwort gibt, als die, dass es im Drehbuch steht.
Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?
Wünschst du dir, dass die Leser deine Bücher lieben?
Diese Frage betrachte ich als rhetorisch. Vielen Dank für das wunderbare Gespräch!
Hier könnt ihr Marion Johanning treffen
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Autorenhomepage von Marion Johanning
Skoutz-Lesetipp: „Die honigsüßen Hände“ – Mittelalter-Roman von Marion Johanning
1266: In einer Burg in der Eifel wird die junge Beatrix von ihrem Gemahl Arnold von der Ahe gefangen gehalten.
Der skrupellose Ritter, der nur ihre Mitgift wollte, lebt mit seiner Geliebten zusammen. Eines Nachts gelingt Beatrix die Flucht nach Köln. In der aufstrebenden Stadt lebt sie unerkannt und hofft, sich eine Existenz als Bäckerin aufbauen zu können. Dabei lernt sie den reichen Patrizier Daniel Jude kennen und lieben, obwohl auch Daniel verheiratet ist. Als Köln auch noch von den Kämpfen zweier verfeindeter Bürgerparteien erschüttert wird, muss Beatrix mehr denn je fürchten, von ihrem Gemahl entdeckt zu werden. Doch verzweifelt kämpft sie um ihre Liebe und ihr neues Leben.
Skoutz meint: Der spannend erzählte historische Streit zwischen dem Erzbischoff und den Bürgern im aufstrebenden Köln bietet eine fabelhafte Kulisse für die wendungsreiche Geschichte von Beatrix, die nachvollziehbar und glaubhaft an den „unumstößlichen“ Regeln ihrer Zeit rüttelt, um sich sodann den Raum für ihr persönliches Glück zu schaffen. Ein bisschen Romantik, viel Geschichte und 490 Seiten Lesezeit, die tatsächlich wie im Flug vergehen.
Achtung!
Der im antiken Trier spielende Roman „Aelia, die Kämpferin“ wurde von Skoutz-Jurorin B.C. Bolt in die Midlist History des Skoutz-Award 2016 gewählt. Anschließend wurde es im Juli von den Lesern und der restlichen Jury in die Shortlist gewuppt. Damit tritt Aelia nun im September in der Endrunde an. Dann entscheidet sich schließlich, welcher der 3 im Wettbewerb verbliebenen Titel den History-Skoutz 2016 im Oktober zur Frankfurter Buchmesse bekommt.
Natürlich haben wir die Zeitreise ins weströmische Reich nicht gescheut, dann uns das Buch vorgeknöpft und ausführlich besprochen (weiterlesen).