Zu Besuch bei Roxane Bicker und Sarah Malhus
Heute freue ich mich sehr auf den Besuch bei zwei sehr lieben Buchmenschen, Sarah Malhus und Roxane Bicker.
Grund des Besuchs ist, dass die beiden von Juror Sascha Eichelberg mit dem von ihnen herausgegebenen Buch „Kürbisgemetzel“ auf die Midlist Anthologie des Skoutz-Awards 2021 gewählt wurden, von wo aus das Buch die Shortlist 2021 und damit das Finale erreicht hat.
Wie der Titel schon verheißt, handelt es sich hier um eine herbstliche Sammlung mehr oder minder schauriger Kurzgeschichten, die vor allem auch Neugier auf die Menschen hinter den Geschichten machen …
Kay zu Besuch bei Roxane Bicker und Sarah Malhus, die für alles offen sind
Ihr Lieben, wie schön, dass das geklappt hat. Ich freue mich immer sehr, wenn ich neue Kontakte knüpfen kann oder die Menschen hinter den Social-Media-Profilen kennenlerne. Und wenn die dann auch noch so wie ich München-Fans sind, ganz besonders. Auf das persönliche Treffen mit Roxane habe ich mich sogar ganz besonders gefreut, weil du mich in einem Moment – ohne mich zu kennen – sehr aufgebaut hast, als ich wirklich etwas Zuspruch brauchen konnte. Dafür nochmals vielen Dank.
Aber jetzt geht es ja nicht um mich, sondern um euch und eure Bücher.
Lass uns anders anfangen …
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Welches ist die größte Herausforderung, der man sich beim Herausgeben von Büchern stellen muss?
Roxane: Als Herausgebende und noch dazu im Selfpublishing begleitet man die Entstehung eines Buches von Null bis Hundert und ist in jeden Prozess des Werdens eingebunden. Man kann sich nicht wie beim Schreiben irgendwann zurücklehnen, nachdem das Manuskript abgegeben ist. Damit fängt unsere eigentliche Arbeit nämlich erst an.
Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Ich habe nur einmal eine Anthologie am Rande begleitet und allerhöchsten Respekt vor dieser Aufgabe. Wo sind da für dich die besonderen Herausforderungen, Sarah?
Sarah: Keine Scheu zu haben, mit ein oder zwei Dutzend Menschen zusammenzuarbeiten, die man (größenteils) noch nicht kennt. Die Verantwortung, aus ihren Texten das bestmögliche Buch zu machen, ist Antrieb und Herausforderung zugleich.
Umso schöner muss dann der Moment sein, wenn man das Produkt all der Mühen und Abenteuer in Händen hält. Nehme ich an. Aber bleiben wir noch einem Moment in der Entstehungsphase.
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Habt ihr Lieblingsworte in euren Skripten, die vom Lektorat regelmäßig angestrichen werden?
In unserem Fall sind wir ja die Lektorierenden …
Ja, in Bezug auf das Kürbisgemetzel schon, aber ihr schreibt selbst ja auch. Andererseits, wenn ich jetzt schon mal zwei Rotstifte am Tisch habe … worauf achtet ihr denn besonders?
Wir sind sehr hart, was Hilfsverben angeht.
Ups … okay, heißt?
„War“ und „Hatte“ werden bei uns gnadenlos angemerkt!
Das ist allerdings wahrlich ein Dienst am Buch, der das Lesen deutlich komfortabler macht. Da passt ja die nächste Frage wunderbar …
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Was ist eure präferierte Erzählform?
Roxane: Ich habe keine präferierte Erzählform. Es kommt immer auf die Geschichte an und was sie fordert.
Da lockt mich jetzt die Frage, woran man erkennt, was die Geschichte fordert, aber wir können hier leider keinen Workshop machen.
Roxane: Ich habe z.B. aktuell eine Horror-Kurzgeschichte geschrieben, da bietet sich die Ich- und Gegenwarts-Perspektive an, weil man da viel dichter in die Story eintaucht.
Sarah, wie ist es bei dir?
Sarah: Dritte Person Präteritum, aber ich mag den Ich-Erzählstil auch sehr gern.
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Seid ihr im Team Adjektiv oder bevorzugt ihr eher einen „schnörkellosen“ Stil?
Roxane: Auch da lasse ich mich von der Geschichte und ihrem Tonfall leiten. Das Schöne am Schreiben ist ja, es gibt kein Muss und auch kein Entweder/ Oder. Alles ist offen und bietet unendliche Möglichkeiten. Wieso sollte ich mich also festlegen?
Sarah: Wie es gerade passt. Ich schreibe meine Geschichten so, wie sie erzählt werden möchten und lege mich nicht fest, ob ich immer blumig umschreiben oder möglichst ohne große Beschreibung den Plot vorstellen will.
Nun, es geht ja nicht darum, wie man letztendlich schreibt, sondern wo die persönlichen Vorlieben liegen. Ich habe zum Beispiel viel Spaß an blumigen Passagen und schönen Vergleichen, aber sehe natürlich ein, dass das in einem Action-Teil eher störend ist, wenn sich (hoffentlich) das Lesetempo beschleunigt und man mit angehaltenem Atem wissen will, wie es weitergeht. Von daher halte auch ich es mit Dürrenmatt: In der Eröffnung bist du wie beim Schach auch beim Schreiben frei, alles andere folgt logischen Zwängen. So auch in Stilfragen.
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Habt ihr einen speziellen Trick, um aus Figuren echte Persönlichkeiten zu machen?
Roxane: keinen Trick, denn meist kommen die Figuren schon gut entwickelt zu mir.
Das ist ein Segen. Und wie gehst du dann weiter mit ihnen um, wie stellst du sie ihrem Publikum vor?
Ich reize gerne ihre Grenzen aus, indem ich sie in Schwierigkeiten bringe.
Sarah: Ich glaube, ein solcher „Trick“ würde sich auf die Individualität meiner Charaktere auswirken und sie somit zunichtemachen.
Okay, dann ist Trick vielleicht das falsche Wort. Hast du Techniken, mit denen du dich mit deinen Figuren bekannt machst? Oder eben Methoden, um sie dann anderen vorzustellen, im und vor dem Buch sitzend?
Ich führe an einem gewissen Punkt ein kleines Interview mit ihnen mit Fragen, die ich mir bis dato aus dem Kontext noch nicht selbst beantworten konnte.
Da bist du auf jeden Fall deutlich netter mit deinen Figuren als Roxane mit den ihren. 🙂
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Welchen Fehler darf man beim Schreiben keinesfalls machen?
Roxane: Nie sagen: ich kann schon alles. Denn mit jeder Geschichte lernt man immer wieder dazu. Nie sagen: das will doch eh niemand lesen. Irgendwo gibt es einen Menschen, der auf genau deine Geschichte gewartet hat.
Da sprichst du wahre Worte gelassen aus. Gerade, weil sie so viele betreffen.
Was meinst du, Sarah?
Sarah: Nicht über den Tellerrand blicken und nur in der eigenen Komfortzone schreiben.
Wie meinst du das?
Ab und an neue Elemente, Themen, Genres auszuprobieren kann dafür sorgen, dass man sein eigenes Spektrum erweitert und so viele neue Möglichkeiten hat, zu schreiben.
Da hast du natürlich recht. Ist diese Freiheit nicht das Allerschönste an unserem Beruf?
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Welches Buch liegt gerade auf eurem Nachttisch?
Also, eurem jeweiligen.
Roxane: Neal Stephenson, Seveneves; Ulrike Stamm, Der Orient der Frauen; Mary MacLane, Ich erwarte die Ankunft des Teufels; Das Schwarze Auge, Fesseln der Lust. Auf dem Sofa liegt: Laura Lehmann, Der Legende dunkles Herz. Im Smartphone läuft: Jacqueline Carey, Kushiel’s Chosen.
Okay, du hast einen großen Nachttisch. 🙂 Und stimmt … du bist ja auch Fan des gepflegten Pen&Paper. 🙂
Sarah: Berlin: Rostiges Herz von Sarah Stoffers und die Dampfbein-Anthologie vom Verlag ohneohren
Die Dampfbein-Anthologie schlummert bei mir auch noch im SuB, seufz. So viele Bücher, so wenig Zeit. Zumal es ja immer noch ein Leben außerhalb der Bücher gibt. Und das bringt mich gleich zur nächsten Frage …
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Welche 3 Dinge sind euch aktuell am wichtigsten im Leben?
Roxane: Familie, Gesundheit, Schreiben
Sarah: Gesundheit, Sicherheit, Schreiben
Liebe Skoutze, ihr müsst euch diese Antwort jetzt so als Kanon vorstellen, der spontan und ohne Zögern einsetzte. Beweist das nicht höchst anschaulich, wie gut Sarah und Roxane harmonieren? 🙂
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Wenn du wählen könntest, wärst du lieber extrem intelligent oder gut im Umgang mit Menschen?
Roxane: Was brauche ich mir etwas zu wünschen, was ich definitiv schon bin? (you choose)
Da hast du natürlich recht, und wie ich eingangs schon erwähnte, mir diese Fähigkeiten auch schon bewiesen.
Sarah: Ich kann nicht wählen, aber etwas dafür tun, mein Wissen zu erweitern UND gut mit meinen Mitmenschen umgehen.
Damit hast du dich auch sehr elegant um die Frage gedrückt, was beweist, das du beides ziemlich gut kannst. 🙂
Aber ich finde es gerade in diesen Tagen wichtig, nicht dort, wo der Umgang mit den Mitmenschen sub-optimal läuft, zu unterstellen, das sei immer bewusst gewählt worden. Ich würde nicht sofort Vorsatz oder Bosheit unterstellen, wo Dummheit, oder wertschätzender Unwissenheit oder Fahrlässigkeit als Erklärung genügen.
Aber bevor das jetzt zu philosophisch wird …
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Wofür würdet ihr mitten in der Nacht aufstehen?
Roxane: Wenn mich jemand braucht, oder ich aufs Klo muss.
Sarah: Für Menschen, die mir wichtig sind und die mich genau jetzt brauchen.
Sonst nichts?
Sarah: Und für ein hartnäckiges Plotbunny, das mich nicht schlafen lässt.
Ja, das passt perfekt zum Stellenwert, den Schreiben in deinem Leben einnimmt.
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Was ist eure größte Stärke?
Roxane: Ich ruhe in mir selbst.
Sarah: Selbstreflektion
Das ist viel wert. 🙂
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Wenn euer fünf-jähriges Selbst plötzlich euren jetzigen Körper bewohnen würde, was wäre das Erste, das passieren würde?
Roxane: Sich wundern, wie es dahingekommen ist.
Hahaha, das habe ich nicht kommen sehen. Und wenn das überwunden ist, was würde die kleine Sarah machen?
Sarah: Zum Kühlschrank gehen und das rausholen, auf das es am meisten Lust hat (wahrscheinlich Champignonwurst).
Guten Appetit!
Bleiben wir noch kurz bei Fantasie-Spielereien
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Welcher fiktionale Charakter ist in Geschichten unglaublich, wäre aber in banalen alltäglichen Situationen unerträglich?
Roxane: Fast alle, denn wir lernen fiktive Figuren meist nur in Extremsituationen kennen.
Sarah: Da gehe ich mit Roxane konform.
Nun, es gibt ja durchaus Geschichten auch außerhalb von Katastrophen. Und auch dann stellt sich die Frage, wie man sich eine Figur außerhalb ihres Biotops vorstellen kann. Aber kommt, einen Vorschlag gebt ihr mir … (ganz lieb schauend!)
Sarah: Wenn ich einen nennen soll, dann wäre es Lucifer Morningstar.
Den hatten wir jetzt noch nicht, aber ich gebe dir insofern recht, als er mir schon ab Staffel 3 auf die Nerven ging. Und live … also ohne die Möglichkeit abzuschalten und eine Pause einzulegen. Puh!
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Stellt euch vor, ihr würdet einen Geheimbund gründen, wie würdet ihr ihn benennen und was wäre eure Mission?
*pst* Wir haben bereits einen Geheimbund: er heißt „Münchner Schreiberlinge“ und will Menschen für das geschriebene Wort begeistern.
Der ist doch gar nicht so geheim! Zum Glück!
Ich feiere den absolut, und zwar als Hardcore-Fan! Ich hoffe, ihr gebt die Kontaktdaten dazu unten mit an!
Gibt es etwas, das du kannst, die meisten anderen Menschen aber nicht?
Roxane: Ich kann Altägyptisch / Hieroglyphen lesen.
Was?
Sarah: Egal, was ich hier antworte, dass Roxane Hieroglyphen kann ist einfach cooler!
Ich fürchte ja!
Da fallen mir auch gleich keine Fragen ein – oder vielmehr sehr viele, die dann aber nicht zu diesem Interview passen. Egal! Zeit für’s Schlusswort:
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Was wolltet ihr der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!
Schreibt und lest offen und divers, nehmt Rücksicht aufeinander, zeigt Respekt für eure Mitmenschen. Hört marginalisierten Menschen zu und setzt euch für Gleichberechtigung ein.
Außerdem solltet ihr die tollen Bücher der Münchner Schreiberlinge kaufen und damit auch gleich noch etwas Gutes tun, denn die Erlöse unserer Bücher kommen einem guten Zweck zu!
Ihr Lieben, es war mir wie erwartet ein Vergnügen. Ich hoffe, dass wir noch öfter Gelegenheit zum Plaudern haben und dann gerne auch vertieft über die Münchner Schreiberlinge oder mal konkret über Vorschläge, wie man euren Schlussapell gut umsetzen kann.
Jetzt erst einmal viel Erfolg für das Kürbisgemetzel im weiteren Verlauf des Wettbewerbs.
Dankeschön!
Hier könnt ihr Roxane Bicker und Sarah Malhus erreichen:
- Homepage* der Münchner Schreiberlinge
- Die Münchner Schreiberlinge auf Facebook*
- und Twitter*
- und Instagram*
- Homepage* von Roxane Bicker
- Roxane Bicker auf Facebook*
- Roxane Bicker auf Youtube*
- und Twitter*
- und Instagram*
- Homepage* von Sarah Malhus
- Sarah Malhus auf Facebook*
- und Twitter*
- und Instagram*
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Skoutz-Lesetipp
München Legenden – Sagenhaftes aus der Weltstadt mit Herz, herausgegeben von Roxane Bicker
Der Lindwurm, Wolpertinger, eine Isarnixe: seltsame Gestalten, die München bevölkern und von den meisten unbemerkt in den Sagen weiterleben.
Der Alte Peter, der Schöne Turm, das Fausttürmchen: Münchner Orte, um die sich wundersame Legenden ranken.
Franz von Stuck, der heilige Onuphrius, Studenten der Kunstakademie: historische Persönlichkeiten, deren Geschichten vergessen oder nie erzählt wurden.
20 Münchner Autorinnen und Autoren begeben sich auf eine Reise in die Vergangenheit, die Gegenwart und die ferne Zukunft. Dabei kommen sie spannenden, lustigen, tragischen und verstörenden Mythen auf die Spur.
Skoutz meint: Für interessierte Münchner trifft man natürlich in vielen Geschichten auf alte Bekannte. Doch das ist keineswegs langweilig, weil die Adaptionen so unterschiedlich sind wie die Menschen, die hinter ihnen stehen. Das äußert sich in Erzählstil, Sprache und Perspektive und darin liegt der Reiz dieser Sammlung, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass diese enorme Vielfalt dennoch ein homogenes Ganzes gibt. So entspinnt sich ein Reigen quer durch meine geliebte Stadt, der mich aus ganz anderer Richtung zu Bekanntem brachte und auch zu völlig neuen Ecken. Neben den vielen Details in den Geschichten haben mir auch die Einführungen zum „Original-Stoff“ sehr gut gefallen. Ein großes Lob an Roxane Bicker, der nicht nur eine wunderbare Auswahl gelungen ist, sondern auch eine sehr, sehr schöne Präsentation. Und eine Leseempfehlung für alle Münchner nah und fern. (kn)
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Mehr Info
„Kürbisgemetzel“ – die wunderschöne Anthologie von Roxane Bicker und Sarah Malhus ist nicht nur für Kürbisfans ein Genuss und bereichert für einen guten Zweck die Midlist Anthologie des Skoutz-Awards. Und jetzt steht das Buch auf der Shortlist 2021 und damit im Finale!
Wir haben das Buch näher untersucht, die Geschichten genossen und euch vorgestellt (weiterlesen).
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Hinweis:
Wenn ihr die Bücher schon kennt, würdet ihr uns, den Autoren und allen lektüresuchenden Lesern einen großen Gefallen, wenn ihr das Buch in der Skoutz-Buchdatenbank mit einer Skoutz-Buchfieberkurve bewerten würdet. 5 Klicks statt 5 Sterne. Einfacher lässt sich eine Rezension nicht schreiben, bequemer kann man sein nächstes Buch-Date nicht finden. Und so helft ihr, dass unsere Buchfindemaschine weiter wächst.