Zu Besuch bei Dominik A. Meier
Heute sind der Skoutz-Kauz und ich zu Besuch bei einem sehr skoutzigen Autor und alten Bekannten: Dominik A. Meier. Die Reise nach Oberfranken ist ja nicht so weit, da haben wir ein bisschen mehr Zeit für ausgiebiges Plaudern, auf das ich mich schon sehr freue, weil Dominik nicht nur sehr sympathisch, sondern auch außerordentlich vielseitig in Bezug auf seine Geschichten ist.
Doch lassen wir uns überraschen.
Zu Besuch bei Dominik A. Meier, der mit Lego schreibt
Lieber Dominik, vielen lieben Dank, dass wir auf einen Kaffee bei dir vorbeischauen dürfen, so zwischen Familie, Corona und Veröffentlichungsterminen ist das ja nicht selbstverständlich, einen Termin zu finden. Fangen wir also gleich an!
Wie würdest du dich in einem Wort beschreiben?
Ehrgeizig
Das ist für einen Autor ja nicht das Schlechteste. Unsere Branche ist hart geworden und immer schneller, da ist Entschlossenheit erforderlich. Wie stehst du denn zu deinem Schreiben …
Beruf oder Berufung?
Zum einen habe ich mein Hobby und meine Leidenschaft zum Beruf machen können. Das ist schon mal ein riesiger Pluspunkt. Dazu gehört die totale Kontrolle über meine Arbeit und meine Zeit. Aber das sind eher „Nebensächlichkeiten“, die das eigentliche Schreiben abrunden.
Wenn das nebensächlich ist, was ist dann das Wichtigste?
Ich liebe es, zu schreiben. Klar, hätte man sich vermutlich denken können. 🙂
Nun, das ist jetzt nicht die allerkreativste aller möglichen Antworten … Erklär dich mal noch ein bissen, bitte.
Ein bisschen ist es wie beim Legospielen. Man hat ganz viele einzelne Bauteile und setzt damit nach und nach das zusammen, was man in seiner Fantasie bereits sieht. Das ist ein unglaublich befriedigendes Gefühl. Ich kann die Welten, Charaktere und Geschichten erschaffen, die mir durch den Kopf schwirren.
Oh, das verstehe ich gut. Als Göttin meiner eigenen Fantasy-Welt … Wobei ich spontanverliebt in das Lego-Bild bin. Das ist super!
Wann hast du dein erstes Buch veröffentlicht?
Mein Debüt war ‚Tumor‘ im August 2018.
Und mit dem warst du dann gleich das erste Mal auf unserer Midlist. Respekt! Man merkt, das mit dem Ehrgeiz zahlt sich aus! Wie lange hast du daran gearbeitet?
Geschrieben habe ich daran – mit Unterbrechungen – seit 2011.
Hui! Das ist aber eher lang, oder?
Damals war das alles noch ein Hobby und entsprechend hatte ich keinen Druck dahinter. Im Lauf der Zeit habe ich den Roman drei- oder viermal komplett umgeschmissen und neu geschrieben, bis er mir schließlich gefallen hat.
Okay, dann haben wir also Tumor 4.0 gelesen? Was hat sich jetzt nach dem Wechsel ins hauptberufliche Schreiben geändert?
Wie läuft ein typischer Tag als Autor bei dir ab?
Wenn es mein Leben zulässt, ist es ziemlich routiniert.
Und wie sieht diese Routine aus?
Aufstehen, meine Tochter zur Tagesmutter bringen und schreiben, bis ich sie wieder abhole. Da ich allerdings im Homeoffice bin und erstmal keine festen Arbeitszeiten habe, bin ich allerdings schnell an vorderster Front, wenn irgendetwas ansteht.
Die bunte Welt und ihre Verlockungen… Das kennt jeder Autor! Wie gehst du damit um, dass das nicht ausufert (wir sammeln da sehr willig Tipps, um die mal in einem Wiki-Eintrag zusammenzufassen. Die Nachfrage ist enorm!)
Damit ich meine Wochenarbeitszeit einigermaßen halten kann, heißt das oft Nachtschicht oder am Wochenende nacharbeiten. Berufliches Schreiben hängt stark von Disziplin und Zeitmanagement ab.
Oh ja! Seufz!
Wie sehr beeinflusst Corona dabei deinen Schreiballtag?
Vor allem hat es mich viel Zeit gekostet. Die Kinderbetreuung ist bei uns drei Monate lang ersatzlos weggefallen. Das hieß viel improvisieren und Zähnezusammenbeißen, da auch die Verwandtschaft nicht einspringen durfte.
Das Problem hatten wir in der Skoutz-Redaktion auch. Da wir sehr viele Jung-Eltern im Team haben, saßen wir voll in der Home-Schooling-Falle. Wie hast du dich da durchgewurstelt?
Meine Frau hatte damals zum Glück die Möglichkeit auf Homeoffice und konnte mir so einiges abnehmen. Da ich zudem ein Buch auf Halde hatte, konnte ich den Ausfall an Zeit einigermaßen überbrücken.
Ja, das war bestimmt eine enorme Entlastung. Ich kenne einige Autoren, die massive Probleme bekommen haben, weil sie plötzlich nicht mehr zum Veröffentlichen kamen. Es geht ja nicht nur ums Schreiben an sich, sondern eben auch um das Drumherum, die ganze Marketingstrategie musste im Lockdown angepasst werden, wobei man nicht wusste/weiß, wie …
Mir ist auch aufgefallen, dass die Leute deutlich weniger gelesen haben. Ab dem Beginn des Lockdowns konnte ich einen regelrechten Knick bei den Verkäufen sehen.
Nun, die Leser trifft das genauso wie die Autoren. Lesezeit ist das Erste, was gestrichen wird. Da haben viele halt auch nicht mehr „ihre“ Bücher gelesen, sondern Kinderbücher mit den Kleinen. Vielen stand auch nicht der Sinn danach. Wenn man Existenzängste hat, vergeht einem schon mal die Lust auf Unterhaltung. Und dann haben mir sehr viele Leser ganz stolz erzählt, dass sie jetzt endlich mal ihre SUBs abbauen wollen. Das ist zwar löblich, aber für die Verkaufszahlen halt auch nicht optimal.
Seufz. Lass uns lieber wieder vom Schreiben sprechen …
Kreativ oder doch eher regeltreu? Wie flexibel bist du beim Schreiben?
Vollkommen kreativ. Wer mich kennt, weiß, dass ich Schreibratgeber und feste Erzählstrukturen vollkommen bescheuert finde.
Hm. Sehe ich etwas differenzierter. Ich denke schon, dass es Techniken und Handwerk gibt, die grundsätzlich mal dem eigentlichen Anliegen, eine möglichst originelle Geschichte zu erzählen, besser machen. Das beginnt mit Rechtschreibung und Grammatik und führt dann auch zu einer Strukturierung des Erzählstoffs. Oder um mit deinem Lego-Bild zu sprechen – wenn man die Steinchen ein bisschen sortiert, baut es sich leichter. Woran genau also störst du dich?
Schreiben ist keine Fließbandarbeit, aber es wird immer öfter so gesehen.
Okay, Fließband ist für mich aber kein Qualitätskriterium, sondern steht für Kontinuität und Geschwindigkeit der Veröffentlichungen. Da gab es große Kollegen wie Edgar Wallace oder Karl May, aber auch Goethe, die ein enormes Tempo vorlegten ohne nun schlechter als Autoren zu sein, die Jahre über einem Buch brüten. Was genau meinst du damit?
Man muss sich nur mal mit Literaturagenten oder Verlagslektoren unterhalten. Spätestens nach dem dritten Satz hört man „Schreiben Sie denn wie der und der Autor?“
Ach so! Ja, das finde ich auch sehr nervig. Man kann natürlich Parallelen ziehen, um ungefähr den Stil beschreiben zu können, aber seit Jahren schon wird ja förmlich verlangt, sich am Stil der Genre-Größen zu orientieren und das ist weder der Vielfalt noch dem Kunstgedanken zuträglich. Wie hältst du das?
Wenn ich schreibe, ist alles offen. Das Schreiben ist ein Weg, ein Abenteuer voller Überraschungen. Ich weiß nie, wohin meine Bücher führen oder wie sie enden. Das kommt alles auf dem Weg. So bleibt es nicht nur für mich spannend, sondern auch für die Leser.
Viele Autoren plotten grob vor, halten sich dann aber nicht daran. Andere, zum Beispiel Anja Marschall, die nun durchaus erfolgreich ist, brauchen dieses Gerüst, damit sie den Kopf für die Details frei haben. Ich glaube, da muss sich jeder seinen persönlichen Weg vom Anfang zum Ende der Geschichte suchen. Ist ein bisschen wie bei Reiseplanung. Die einen buchen daheim alles durch, damit sie entspannt reisen können, die anderen (wie ich) fühlen sich schon eingeengt, wenn sie nur den Rückflug gleich mitbuchen müssen.
Aber bevor das jetzt zu fachsimpelnd wird, lass uns mal über eine andere Art des Reisens sprechen?
Welches war dein erstes selbstgelesenes Buch? Und hast du es heute noch?
Ich glaube, das war damals der erste Band von Harry Potter. Und ja, den habe ich noch. Irgendwo 😀 Ich mochte die Bücher früher wirklich gerne.
Früher? Freust du dich nicht schon darauf, Harry mit deiner Tochter neu zu entdecken? Wer ist denn dann heute Liebling deiner Bücher?
Ja, das verstehe ich. Ich mag diese satirisch überhöhten Helden, die alles, sofort und auch noch besser können, auch nicht. Oder eben Figuren, die gar nicht scheitern könnten, weil das Schicksal sie als Weltenretter will …
Stell dir vor, du könntest eine beliebige Figur aus einem Buch zum Essen treffen. Was würde passieren?
Das ist eine wirklich schwierige Frage.
Danke. Wir bemühen uns, denn darauf bekommen wir die besten Antworten!
Ich glaube, das wäre am ehesten Alva aus ‚Insomnia‘.
Warum? Ich finde es immer spannend, wenn ein Autor sich eine Begegnung mit seiner eigenen Figur wünscht. Die hat er doch quasi immer dabei! Wo liegt da die spezielle Faszination?
Alva ist ein sehr komplexer Charakter, der unglaublich viel ertragen muss. Als Figur habe ich großen Respekt vor ihr. Reden würden wir vermutlich über so ziemlich alles, aber hauptsächlich über ihr Leben im Schleier und die Abenteuer, die sie dort erlebt.
Also Stoffsammlung für Insomnia 2? Das freut mich zu hören!
Auf welche Frage hattest du in letzter Zeit keine Antwort und hast du sie finden können?
Ich habe erst vor ein paar Tagen meine Arbeit an meinem neuesten Roman ‚Requiem‘ beendet, der mit Zeitreise-Thematik teilweise in der Antike spielt.
Oh! Dazu kommen wir gleich noch. Was für eine Frage hattest du da?
Da hatte ich ein paar tiefergehende Detailfragen zum römischen Heerwesen, die ich jedoch beantworten konnte. Für irgendetwas muss es ja gut sein, Geschichte studiert zu haben. 😀
Ich denke, dass es da mehrere Vorteile gibt. Vor allem für einen Schriftsteller. Aber bleiben wir für einen Moment noch in der Gegenwart und beim Alltag …
Wie oft schaust du täglich auf dein Handy?
Meistens nur dann, wenn es klingelt. Mich nervt die grassierende Smartphone-Sucht tierisch, aber es geht auch nicht ohne.
Damit gehörst du allerdings zu einer Minderheit. Wobei die zumindest in Autorenkreisen gar nicht so klein ist. Am krassesten ist da Kollege Detlef Klewer, der hat gar kein Handy!
Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?
Milch. Ich trinke sehr viel Kaffee, aber immer nur mit Milch.
Ich auch!
Genau! Ohne geht gar nicht.
Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?
Für meine Frau, meine Tochter und unsere Gesundheit.
Ich frage mich immer, ob wir letztes Jahr mit dieser Frage auch so oft Gesundheit gehört hätten? Die aktuelle Situation hat unser Wertesystem schon erschüttert. Aber wenn wir schon wieder in die Vergangenheit schauen, dann gleich richtig. Du hast da vorhin deine Römer erwähnt …
Bei welchem historischen Ereignis wärst du gern dabei gewesen und warum?
Das ist die gemeinste Frage, die ihr einem Historiker stellen könnt, echt.
Ich kann an dieser Stelle nur versichern, dass wir dich nur im Interesse eines unterhaltsamen Gesprächs so quälen. Also?
Es gibt so vieles, was auf so unterschiedliche Arten interessant wäre, dass ich gerade ernsthaft überlege, einfach gar nichts zu antworten, um mich nicht entscheiden zu müssen. 😀
Das wäre gemein!
Ich tue es aber trotzdem und sage: 1918, als der erste Weltkrieg zu Ende geht. Tag des Waffenstillstands, irgendwo an der Front. Ich habe zu dem Thema viel an der Uni gearbeitet. Es würde mich unglaublich interessieren, wie ein einfacher Soldat das wahrgenommen hat.
Faszinierend. Ich habe mir das, als ich die Frage zu beantworten hatte, auch überlegt. Den Moment, an dem nach einem langen, traumatisierenden Krieg plötzlich Friede ist und so viele Möglichkeiten in der Luft liegen.
Über welches Thema könntest du eine 30-minütige Präsentation halten, ohne jede Vorbereitung?
Über eine ganze Reihe geschichtlicher Themen.
Das habe ich schon vermutet, kam so raus bei den Fragen bisher. 🙂 Und was genau?
Das war schon immer ein großes persönliches Interesse und eben auch mein Studium. Griechisches Theaterwesen, römisches Staatswesen, Kreuzzüge, Kirchengeschichte und Weltkriege. Das waren meine Schwerpunkte. Sucht euch etwas aus. 😀
Sei vorsichtig mit solchen Angeboten! Wir kommen darauf zurück!
Was würdest du rückwirkend ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?
Ich würde meine Tumor-Reihe nochmal komplett neu schreiben und von Anfang an darauf hinweisen, dass es mehrere Bücher der Reihe gibt.
Tumor 5.0? Warum nicht? Aber den Hinweis könntest du ja jetzt auch noch geben. Warum eigentlich?
Die meisten Leute haben als erstes ‚Tumor‘ gelesen und klappen danach das Buch zu, ohne die Fortsetzung anzurühren. Das finde ich sehr schade, weil die Geschichte eben nicht abgeschlossen ist. Die Reihe ist sehr stark auf die jeweilige Erzählperspektive fokussiert und gibt daher nicht viele Geheimnisse und Erklärungen direkt von Anfang an preis. Dafür müssen alle Bücher gelesen werden und selbst dann liegt es oft noch beim Leser, was er daraus macht.
Das klingt doch außerordentlich faszinierend.
Ich habe leider einiges an negativem Feedback bekommen, weil die Leute glauben, ich lasse sie mit ‚Tumor‘ sitzen.
Nun, ich habe gerade mal auf Amazon vorbeigeschaut. Da steht zwar schon unten, dass es eine Reihe ist, aber oben im Titel nicht und auch die Titel der Reihe sind nicht einheitlich. Vielleicht könntest du das minimalinvasiv optimieren? Ich mag Tumor nämlich und würde mir wünschen, dass die Reihe noch viele Leser findet.
Aber nun zu deinen Wünschen …
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Meine Frau und ich stehen zur Zeit an der Startlinie des Projekts Hausbau. Ich hoffe, da geht alles gut und wir bleiben weiterhin gesund. ☺
Lieber Dominik, das wünsche ich dir auch. So ein Hausbau ist ja immer noch ein enormes Abenteuer. Es war wie erwartet wieder wunderbar, mit dir zu plaudern und ich hoffe, dass wir nicht wieder ein Jahr brauchen, bis wir das wiederholen. Eher unwahrscheinlich. Wir melden uns wegen der Geschichtsthemen. 🙂
Dankeschön!
Hier könnt ihr Dominik A. Meier erreichen:
Wenn ihr mögt, könnt ihr hier das Interview nachlesen, das wir letztes Jahr mit Dominik A. Meier geführt haben und Spannendes über Verkehrssicherheit, Horror und Tränen beim Schreiben lernen durften.
Skoutz-Lesetipp:
Weltenbrand (Tumor 2) – Atmosphärisch dichte Fortsetzung der erfolgsverwöhnten Dystopie von Dominik A. Meier
Das Institut liegt in Trümmern. Das große Leuchtfeuer der Menschheit ist erloschen. Unendliches Feuer hat Stahl und Beton zu Staub zerschmettert. Zero und Nora gelingt es gerade noch, aus seinen einstürzenden Korridoren zu fliehen – doch mit ihnen entkommt noch etwas anderes. Ein unsichtbarer Schatten, der sich aus den qualmenden Trümmern erhebt und droht, die gesamte Welt zu verschlingen.
Skoutz meint: Hat uns der Verdacht am Ende von Band 1 (Rezi hier) doch nicht getrogen. Das war noch lange nicht alles! Weltenbrand belegt das eindeutig und setzt die Geschichte logisch fort, hinterfragt sich selbst und entwickelt ein faszinierendes Geflecht aus Aktion und Reaktion.
Tumor ist eine der gelungensten Weltuntergangs-Reihen, die wir in den letzten Jahren in die Hände bekommen hatten. Actiongeladen, sarkastisch, düster, wendungsreich. Und mit einer moralischen Botschaft, die wirklich nachwirkt.
Wenn ihr hoffentlich neugierig geworden seid, könnt ihr über unseren Affiliate-Link bei Amazon* das Buch nicht nur probelesen, sondern auch kaufen.
Hinweis:
Tumor! Totgeburt – Das Prequel zur erfolgreichen Zombie-Apokalypse von Dominik A. Meier hat Horror-Expertin Mari März so beeindruckt, dass sie aus gut 200 Vorschlägen der Longlist Horror auf ihre Midlist Horror gepackt hat.
Kein Wunder, denn wenn die Entwicklung in der Zukunft fehlschlägt, landet man beim Horror. Was eindrucksvoll belegt, dass Science Fiction nicht nur schlecht gelaunter Aliens wegen eng mit Horror verknüpft ist. Nicht nur deshalb rührt Dominik A. Meiers Tumor-Reihe mit ihrer überaus düsteren und gewaltsamen Idee einer gar nicht so fernen Zukunft an Ängsten, die so alt wie aktuell sind.
Wir haben das Buch natürlich längst gelesen und ausführlich vorgestellt (weiterlesen).