Zu Besuch bei André Wegmann
Heute verschlägt es den Skoutz-Kauz und mich in den hohen Norden, wo wir Horror-Spezialist André Wegmann besuchen. Grund unserer Reise ist seine Nominierung für den Horror-Skoutz und darum bin ich wie immer, wenn ich einen Horror-Autor besuche, etwas aufgeregt. Aber erfahrungsgemäß legt sich das schnell nach den ersten Sätzen.
Mal sehen, wie das heute wird.
Zu Besuch bei André Wegmann, der mit Sherlock Tee trinken will
Moin, André, schön, dass wir dich besuchen dürfen. Mal sehen, welche düsteren Geheimnisse wir dir als Horror-Autor entlocken können. Fangen wir gleich an, bevor mich der Mut verlässt …
Wie würdest du dich in einem Wort beschreiben?
Feinfühlig.
Das kann ich mir gut vorstellen. Um Abgründe wirklich gut beschreiben zu können, bedarf es gewiss eines gerüttelt Maß an Empathie. Ich könnte nur danach nicht mehr schlafen. Aber andererseits, wenn eine Geschichte aufgeschrieben werden will, gibt es kein Entrinnen.
Beruf oder Berufung – was macht dir an deinem Job als Autor am meisten Spaß?
Aus einem leeren Word-Dokument ein Produkt zu erschaffen, das später hoffentlich viele Menschen mitreißt, berührt und unterhält.
Das ist ein Schöpfungsakt, bei dem wir Autoren so ein bisschen Mini-Gott spielen können. Also Berufung. Und wie ist es mit dem Spaß?
Wenn man dann hört, dass das eigene Buch gefallen und der Leser unterhaltsame Stunden genossen hat, ist das ein wirklich schönes Gefühl.
Und wann hat deine schöpferische Glücksjagd begonnen? Mit anderen Worten …
Wann hast du dein erstes Buch veröffentlicht?
Ich habe mich da langsam vorgetastet.
Wie darf ich das verstehen?
Die erste Veröffentlichung war 2011 eine Kurzgeschichte, dann kam mit „Kutná Hora“ eine Novelle und dann mit „Infam“ und „Albino Devil“ die ersten Geschichten, die die Länge von kurzen Romanen hatten.
Und wie lange hast du gebraucht?
Bei „Infam“ waren es drei, vier Monate und bei „Albino Devil“, ich glaube, ein knappes halbes Jahr.
Bleiben wir beim Schreiben …
Wie läuft ein typischer Tag als Autor bei dir ab?
Bei den letzten Projekten hatte ich immer zwei Schreibtage pro Woche, die für das Schreiben an dem Buch reserviert waren. An diesen Tagen habe ich dann meist um die 4 bis 5 Stunden geschrieben.
Wow! Das klingt ja mega-organisiert. Wie überaus beeindruckend. Und dieser tolle Plan hält der Begegnung mit Praxis stand?
Manchmal fällt auch ein Termin aus, weil das Leben dazwischenkommt, aber dann wird er schnellstmöglich nachgeholt. Beständigkeit ist wichtig beim Schreiben, sonst wird man nicht fertig.
Ich gehöre ja, schon dank Skoutz und meinem Haupt-Beruf, eher zu der Fraktion derer, die einfach immer dann schreiben, wenn sie gerade mal ein paar Minuten Zeit haben, aber ja – auch bei mir wird es zäh, wenn ich zu lange pausiere.
Die Arbeit an dem Buch umfasst nicht nur die beiden Schreibtage pro Woche.
Was kommt denn in dieser … nennen wir es Manuskriptphase … noch dazu?
Zwischendurch brüte ich, ob ich will oder nicht, ständig, wie ich den Roman bestmöglich fortsetze und welche Details ich noch einflechte. Ich habe nämlich, wenn ich mit einer Geschichte anfange, nur ein Grundgerüst im Kopf und weiß nur vage, wohin der Weg führt. Zwischendurch muss ich also immer erst die nächste Szene brainstormen.
Wie ein Tourist, der an jeder neuen Kreuzung auf die Karte oder das Navi schaut. Das Bild mag ich. 🙂
Tourist ist allerdings in diesem Jahr eher ein schlechter Vergleich. Irgendwie passt ja nichts mehr wie früher.
Wie sehr beeinflusst Corona deinen Schreiballtag?
Zum Glück beeinflusst Corona mich da kaum. Ich gehöre eh nicht zu den Autoren, die zum Beispiel im Café am Laptop arbeiten und darauf jetzt verzichten müssen. Das Schreiben im heimischen Arbeitszimmer ist davon unbeeinflusst. Ich bin ja recht froh, dass ich dabei nicht auch noch eine Maske tragen muss. 😉
Ich sehe schon – du ziehst deine zwei Schreibtage gnadenlos durch. Auch in einer Pandemie. Aber mal zum eigentlichen Kreativprozess …
Kreativ oder doch eher regeltreu? Wie flexibel bist du beim Schreiben?
Schon eher regeltreu, die Kreativität hebe ich mir für die Szenen an sich auf.
Das musst du mir bitte etwas genauer erklären.
Ich bleibe schreibtechnisch gerne bei dem, was sich für mich bewährt hat. Es gibt natürlich ein paar Kniffe, derer ich mich schon mal bediene, zum Beispiel Spielereien mit den Zeiten, um den Leser im Präsens direkter am Geschehen teilhaben zu lassen, aber ansonsten mach ich, was meinen Stil angeht, keine allzu großen Experimente.
Nun, bekannt und bewährt. Ist ja nicht so, dass du damit nicht sehr erfolgreich wärst.
Welches war dein erstes selbstgelesenes Buch? Und hast du es heute noch?
Oha, welches das allererste war, weiß ich leider nicht mehr. Das würde mich jetzt selbst brennend interessieren.
Lass uns gemeinsam überlegen …
Ich erinnere mich, dass ich als Kind die Karl-May-Romane einen nach dem anderen verschlungen habe.
Ja, ich auch. Erst die aus dem Wilden Westen und dann die Kara ben Nemsis. Meine Eltern hatten diese klassischen grünen Hardcover und durch die hab ich mich gewühlt.
Ha! An die kann ich mich auch noch erinnern!
Und wie kamst du dann zum Horror?
Mein erstes Horrorbuch war „Alien“, der Roman zum Film.
Ich muss ja gestehen, dass ich, obwohl ich echt ein Kino-Junkie bin, die Alien-Filme noch nie gesehen habe. Ergab sich irgendwie nie. Das ist mir jetzt peinlich. Auch, weil ich gar nicht wusste, dass es da ein Buch dazu gibt. Hast du das noch?
Das müsste noch irgendwo vergilbt und zerschlissen in irgendeiner Kiste liegen, ja. 😉
Bei der nächsten Frage bin ich jetzt gespannt …
Stell dir vor, du könntest eine beliebige Figur aus einem Buch zum Essen treffen. Was würde passieren?
Ich würde mich mit Sherlock Holmes zu einer gepflegten Tasse Tee treffen. Dazu gibt es natürlich klassische englische Scones.
Eine gute Wahl. Nicht nur in Bezug auf die Verpflegung. Holmes ist so strukturiert wie du, und Doyle schreibt ja Krimis durchaus mit Horror-Einschlag, wenn ich mir die Baskerville-Geschichte anschaue. Worüber würdet ihr reden? Außer über Tee und Scones?
Dabei könnte er mir sicher viel Interessantes über Ermittlungsmethoden erzählen, die ich dann wiederum an Christian Harms, dem Privatdetektiv in „Dschinn“, weitergeben kann. Der ist ja erklärtermaßen ein Verehrer des Meisterdetektivs.
Nicht nur er. 🙂
Kommen wir zu einer Frage, die Holmes so nie gelten lassen würde …
Auf welche Frage hattest du in letzter Zeit keine Antwort und hast du sie finden können?
Das ist eher ein trauriges Thema. Was einem nach dem Tod erwartet, habe ich mich gefragt.
Das klingt, als sei der Anlass traurig gewesen. Die Frage an sich nicht, oder? Das ist das letzte garantierte Abenteuer. Aber hast du was rausgefunden?
Nein. Wüsste ich die Antwort, wäre ich nun sicher berühmt. 😉
Und zu beschäftigt, um mit mir zu plaudern. Was bin ich doch für ein Glückspilz.
Widmen wir uns alltäglichen Dingen …
Wie oft schaust du täglich auf dein Handy?
Schon sehr oft. Wenn ich arbeite oder unterwegs bin, ist es aber meist stummgeschaltet und ich lasse es dann auch öfter ne Weile liegen. Sonst käme man bei den ganzen digitalen Ablenkungen ja zu gar nichts mehr, ihr kennt das sicher.
Ja! Darum hat der Skoutz-Kauz auch kein Handy. Der ist so schon eher von der Aufmerksamkeit eines Eichhörnchens auf Ecstasy. 🙂
Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?
Ketchup. Ich habe so einen Tick, mir zu fast allem noch etwas Ketchup drauf zu klatschen.
Blutersatz für den Horror-Autor? Was noch?
Energy Drinks sind in letzter Zeit auch häufige Gäste in meinem Kühlschrank, vor allem Rockstar und Monster mit ihren schön gestalteten bunten Dosen.
Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?
Gesundheit. Ein paar wenige Menschen zu haben, auf die ich zählen kann. Und meine Selbstständigkeit, also frei und flexibel arbeiten zu können.
Das sind schöne Dinge. Freiheit und Rückhalt und die Möglichkeit, beides zu genießen.
Zeitreisen – ein spannendes Mysterium. Bei welchem historischen Ereignis wärst du gern dabei gewesen?
Ich hätte gerne mal hautnahe Einblicke in so manche dunkle Epoche des Mittelalters erhalten.
Puh! Da ist er wieder der Horrorautor. Aber nur mit Rückfahrschein und aus sicherer Entfernung. Ich möchte weder die Inqusition, noch Kriege oder die Pest am eigenen Leib erleben.
Eigentlich bin ich aber froh, in der jetzigen Zeit zu leben.
Meine Rede!
Durch die Digitalisierung leben wir doch in einer echt spannenden Zeit und dank Corona haben wir nun sogar eine Ahnung davon, wie es sich zu Zeiten der Pest oder anderer Epidemien lebte.
Sehr reduziert, nehme ich an. Aber ich finde auch, dass wir in sehr spannenden Zeiten leben und in einer sehr spannenden Branche arbeiten. So durchgewirbelt wie gerade wurde die Buchwelt ja seit Gutenberg nicht mehr. Das ist schon alles echt aufregend.
Über welches Thema könntest du eine 30-minütige Präsentation halten, ohne jede Vorbereitung?
Hm, ich kenne mich mit vielem ein bisschen, aber mit wenig richtig gut aus.
Na, es ist ja nur eine halbe Stunde und kein Wochenend-Workshop. 🙂
Über das Schreiben vielleicht und in manchen Gegenden ersetze ich jeden Reiseführer. Nicht, weil ich so viel in Urlaub fahre, eher zu wenig, aber weil ich schon sehr viele Artikel zu Reisezielen, Sehenswürdigkeiten etc. verfasst habe. Ich arbeite ja auch als Texter.
Wenn du mir da eine Liste gibst, würde ich dich engagieren. Ich unterhalte mich echt gern mit dir.
Was würdest du rückwirkend ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?
Es gibt eigentlich wenig, was ich wirklich bereue. Sicher ist man hinterher immer schlauer, aber konkret fällt mir da soviel nicht ein.
Das ist schön! Deutet auf ein einigermaßen geglücktes Leben hin. Dann frag ich noch in die andere Richtung …
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Gesundheit und Zufriedenheit für meine Lieben und mich … und einen Skoutz-Award! 🙂
Lieber André, das kriegen wir sicher hin. Wenn nicht mit Dschinn, dann mit einem deiner anderen Bücher. Aber ich drücke dir jetzt schon die Daumen und hoffe sehr, dass wir uns bald mal wieder unterhalten. 🙂
Dankeschön!
Hier könnt ihr André Wegmann erreichen?
Skoutz-Lesetipp:
Infam: Die Nacht hat tausend Augen – Horror von André Wegmann
Es könnte alles so perfekt sein. Die Studentin Sarah ist frisch verliebt und kann auch noch zusammen mit ihrer Freundin Denise einen Job als Babysitter ergattern.
Die beiden jungen Frauen freuen sich auf die gemeinsame Arbeit und der Vater des Kindes macht einen freundlichen und charmanten Eindruck. Doch schon bald geschehen merkwürdige Dinge im Haus. Schnell ist klar, dass außer ihnen und dem vierjährigen Sid noch jemand auf dem abgelegenen Anwesen im US-Bundesstaat Delaware sein muss. Jemand, der Hunger hat und nach ihrem Fleisch und Blut giert.
Der Abend verwandelt sich in einen Albtraum und in einen brutalen Kampf ums nackte Überleben …
Skoutz meint: André Wegmann schreibt sehr direkt und bildhaft und führt durch eine Story, die man vom Set meint, schon zu kennen. Vielleicht … Aber die Art, wie die Geschichte erzählt wird, ist schon echt … Infam. Die Kombination aus Thrill, Erotik und Horror geht auf. Immer dann, wenn man meint, das reiche jetzt, kommt ein Twist daher, der wirklich überrascht. Und wenn dann obendrein der Bösewicht noch psychologisch spannend ist und nicht nur ein Splatter-Auslöser, dann gibt es echt nichts zu meckern. Außer vielleicht, dass das Buch länger sein dürfte, weil es Spaß zu lesen macht.
Falls ihr neugierig geworden seid – weitere Infos gibt’s über unseren Affiliate-Link auf Amazon*.
Hinweis:
Dschinn – Paranormaler Horrorthriller von André Wegmann
Ein Dämon, die Angst um ein junges Opfer, eine Nonne und ein Ermittler mit eigenen Problemen – klingt nach einer bewährten Mischung für ein spannendes Buch. Die Kunst besteht darin, aus diesen Zutaten etwas Besonderes zu machen und das gelingt André Wegmann wirklich meisterhaft. Immer spannend mit schockierenden Überraschungen – Keine Frage, so soll sich ein Horror-Thriller anfühlen. Darum hat es das Buch auch zurecht auf die Midlist Horror von Mari März geschafft und gilt damit als heißer Anwärter auf den Horror-Skoutz 2020.