Zu Besuch bei Jamie L. Farley
Im schönen Leipzig werden der Skoutz-Kauz und ich heute Jamie L. Farley treffen, der nach einer abgebrochenen Ergotherapeutenausbildung, nun sein Glück als Pokémontrainer sucht. Doch auch im Schreiben findet er ein Ventil für seine überaus kreative Ader und begeistert seine Leserschaft mit spannenden Geschichten.
Natürlich machen solche Detail neugierig, so habe ich noch ein wenig recherchiert und herausgefunden, dass der Videospiele-Fan in einer WG mit seiner besten Freundin Anika, einer Ente namens Dave und dem Hauszombie Bradley wohnt – was natürlich viele weitere Fragen aufwirft, die ich hoffentlich in diesem Interview näher beleuchten kann …
zu Besuch bei Jamie L. Farley, bei dem sich Pokémons zu Hause fühlen dürfen …
Wie würdest du dich in einem Wort beschreiben?
Komisch.
Das kann man jetzt aber auch sehr variable definieren 😉
Beruf oder Berufung – was macht dir an deinem Job als Autor am meisten Spaß?
Es ist spannend zuzusehen, wie eine Geschichte entsteht.
Kannst du mir das etwas genauer erklären?
Irgendwann komme ich beim Schreiben an einen Punkt, an dem sich meine Charaktere selbstständig machen. Ich sehe ihnen dann beim Handeln zu und schreibe quasi mit, was sie machen und sagen. Oft werde ich dann selbst von dem überrascht, was passiert. Manchmal tun die Charaktere dann etwas, was absolut nicht geplant war und ich muss dann mit den Konsequenzen klar kommen.
Wirklich spannend …
Ich denke, ich bin nicht der Einzige, dem es so geht. Für mich sind vor allem die handelnden Personen etwas, was mir beim Schreiben sehr am Herzen liegt. Sie werden im Laufe der Zeit zu guten, wenn auch fiktiven Freunden.
Sie wachsen einem ans Herz …
Ja, ich spreche gerne von ihnen, erzähle anderen von ihnen oder führe interne Dialoge mit ihnen. Es ist großartig sie auf einer Reise zu begleiten, dessen Ziel ich beim Beginn eines Projektes selbst noch nicht kenne. Da ich selten plotte, bevor ich eine Geschichte beginne, entdecke ich sie gemeinsam mit meinen Charakteren.
Wann hast du dein erstes Buch veröffentlicht und wie lange hast du daran geschrieben?
Das erste richtige Buch, das von mir veröffentlicht wurde war 2019 „Adular 1: Schutt und Asche“.
Also der Titel, mit dem du es auf die Midlist geschafft hast.
Genau. Daran habe ich etwa ein Jahr geschrieben. Es ist aber nicht mein Erstlingswerk.
Nicht?
Ich habe zuvor schon Manuskripte beendet, alle im Dark Fantasy-Bereich. Sie liegen artig in einer virtuellen Schublade und warten darauf, von mir überarbeitet zu werden. Vielleicht finden sie ja auch eine Heimat im Sternensand Verlag.
Wie läuft ein typischer Tag als Autor bei dir ab? Immer gleiche Routine oder musst du immer wieder improvisieren?
So halb, halb.
*lach* Da muss ich jetzt leider doch wieder mal nachhaken. Was heißt das denn genau?
Ich habe keine festen Schreibzeiten und keine direkten Rituale. Ich suche mir einen Schreibort aus, an dem ich mich gerade am wohlsten fühle. Das kann das Büro sein, mein Bett oder die Couch im Wohnzimmer. Manchmal auch eine Bank im Park oder ein Stuhl im Café. Dann lege ich mir Snacks und Getränke bereit und öffne eine Playlist für die musikalische Untermalung.
Und dann?
Und dann schreibe ich. Oder auch nicht. Kommt immer darauf an, ob meine Muse mir gerade zugeneigt ist.
Ja, die sollen teils extrem launisch sein, wie ich hörte …
Manchmal öffne ich OpenOffice, starre die letzten Zeilen ein paar Minuten an und surfe dann stundenlang im Internet. Alle Viertelstunde erinnere ich mich daran, dass ich schreiben wollte, nehme mir vor sofort damit anzufangen und klicke dann aufs nächste YouTube-Video. Ich bin ein Meister der Prokrastination.
Klingt danach … 🙂
Wenn meine Muse mir allerdings wohlgesonnen ist, schreibe ich meistens so lange, bis ich das Gefühl habe für diesen Tag alles erzählt zu haben. Oder bis sich mir ein Problem auftut für das sich gerade keine Lösung findet.
Das Jahr 2020 stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Was hat sich für dich als Autor durch Corona geändert?
Für mich und meinen Schreiballtag eigentlich nichts, worüber ich sehr dankbar bin.
Das kann ich mir gut vorstellen …
Ich bin ein eher introvertierter Mensch und genieße es, Zeit alleine zu verbringen. Natürlich würde ich bei schönem Wetter gerne ins Café gehen und dort schreiben oder hätte mich gefreut, auf die Leipziger Buchmesse zu gehen.
Absolut verständlich …
Die einzige Sache, die sich wirklich für mich geändert hat, war, dass ich ein geplantes Projekt auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt habe. Es wäre ein Dark Fantasy-Roman geworden, in dem es um eine Pandemie geht. Auch wenn ich mich aufs Schreiben gefreut habe, denke ich, dass wir nach Corona von Pandemien, Quarantänezonen und dergleichen alle erstmal die Schnauze gestrichen voll haben werden.
Kreativ oder doch eher regeltreu? Wie flexibel bist du beim Schreiben?
Definitiv kreativ. Ich lasse mich ungern einschränken oder mir vorschreiben, wie ich zu schreiben habe.
Ohne Ausnahme?
Abgesehen von Rechtschreibung und Grammatik, versteht sich. Bis heute habe ich noch keinen Schreibratgeber gelesen. Schreiben ist für mich immer schon eine Gefühlssache gewesen. Viel habe ich gelernt, indem ich Romane von anderen Autoren gelesen und versucht habe, mich ihrem Stil anzunähern. Es dauert ja eine ganze Weile, bis man seinen eigenen Stil entwickelt.
Seine persönliche innere Autorenstimme zu finden, das versteh ich sehr gut. Gibt es dennoch etwas, dass du vielleicht nicht ganz so spontan handhabst?
Das einzige, was ich leider nicht kann, ist durcheinander zu schreiben. Ich muss chronologisch bleiben. Aus irgendeinem Grund weigert sich mein Hirn, eine Szene, bei der ich gerade nicht weiterkomme, zu überspringen und die nächste anzufangen. Ich weiß auch nicht, warum.
Welches war dein erstes selbstgelesenes Buch?
Das war „Märchen für große und kleine Kinder“ von Friedrich Wolf.
Oh, das kenne ich gar nicht …
Es war eines der alten Bücher meiner Mutter, die sie mir gegeben hat, um mich fürs Lesen zu begeistern. Besonders gut hat mir damals die Geschichte um das Hasenjunge Purzel Weißfell gefallen.
Hast du das Buch noch?
Nein, leider befindet es sich schon lange nicht mehr in meinem Besitz.
Stell dir vor, du könntest eine beliebige Figur aus einem Buch zum Essen treffen. Wen würdest du treffen wollen (und warum) und über welche Themen würdet ihr sprechen?
Keine leichte Frage.
Leicht hatte ich glaube ich auch nie versprochen 🙂 Interessant eher …
Ich glaube, meine Wahl würde auf den Vampir Regis aus den „Hexer“-Romanen von A. Sapkowski fallen.
Gute Wahl. Warum ausgerechnet er?
Er gehört zu meinen Lieblingsfiguren und ich hoffe, dass wir ihn auch bald in der Serie zu sehen bekommen. Bei ihm muss ich mir auch keine Sorgen machen, dass ich als Essen herhalten muss. Regis ist ein sehr zuvorkommender und freundlicher Mann, der seinen Blutkonsum eingestellt hat.
Also kein klassischer Vampir. Worüber würdest du mit ihm reden wollen?
Für mich hat Regis immer etwas sehr Weises und irgendwie Väterliches ausgestrahlt. Er ist mehrere Jahrhunderte alt und hat unglaublich viel Wissen über alles mögliche angehäuft. Was er auch immer gerne zum Besten gibt. Ich glaube, ich würde mich über alles mögliche mit ihm unterhalten. Über sein Wissen als Apotheker, Heiler, Arzt, sein Leben als Vampir, sein Leben und seine Erfahrungen generell. Und natürlich würde ich ihn über seine Abenteuer mit dem berühmten Weißen Wolf Geralt von Riva ausfragen.
Auf welche Frage hattest du in letzter Zeit keine Antwort und hast du sie finden können?
Ich habe dieses Jahr endlich den zweiten Teil der „Adular“-Trilogie beenden können. Dieser Roman hat mich wirklich Nerven gekostet und würde ich mir meine Haare nicht regelmäßig grün färben, wäre ich vermutlich komplett grau auf dem Kopf.
So schlimm gleich?
Lange Zeit habe ich mich gefragt, ob ich jemals mit dem Manuskript fertig werden würde. Wann es endlich aufhört schwer zu sein und mir wieder Freude bereitet. Und es war eine gewaltige Erleichterung, als ich endlich Fuß in meiner Geschichte fassen konnte.
Wie oft schaust du täglich auf dein Handy?
Des öfteren, weil ich mein Handy als Uhr nutze.
Clever 😉
Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?
Energy Drinks.
Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?
Meine Kreativität, meine Freunde und meine körperliche Gesundheit.
Bei welchem historischen Ereignis wärst du gern dabei gewesen und warum?
Wenn ich ehrlich bin, bin ich gar nicht so erpicht darauf, bei irgendwelchen historischen Ereignissen dabei gewesen zu sein.
Nicht?
Sicherlich waren das große Momente, aber mir genügt es, von ihnen zu wissen und die Erfahrungen anderer zu lesen, die dabei gewesen sind. Mein Ziel für eine Zeitreise wäre viel kleiner und bescheidener.
Jetzt bin ich neugierig 🙂
2005 hat meine Lieblingsband „Die Ärzte“ ein Silversterkonzert in Köln gegeben. Ich war damals 15 Jahre alt und meine Mutter hat mich nicht hinfahren lassen. Bis heute bereue ich es nicht dabei gewesen zu sein.
Über welches Thema könntest du eine 30-minütige Präsentation halten, ohne jede Vorbereitung?
Über die „Hexer“-Saga von Andrzej Sapkowski. Sowohl über die Romane als auch über die großartigen Spiele von CDPR.
Das überrascht mich jetzt nicht wirklich *lach* Ist ja auch eine wirklich tolle Reihe. Gäbe es noch etwas, über das du aus dem Stegreif referieren könntest?
Und über die „Dragon Age“-Videospiele. Beides gehört zu einer meiner großen Leidenschaften über die ich stundenlang referieren könnte, was mich alles daran begeistert. Wie tiefgreifend die Story, die Welt und ihre Charaktere sind.
Was würdest du rückwirkend ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?
Ich würde meinem jüngeren Ich gerne mehr Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen mit auf den Weg geben.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Um es mit den Worten des großartigen Farin Urlaub zu sagen: „Liebe, Frieden und Reis, Baby.“
Da fällt mir spontan Helge Schneider ein mit: „Baby, es gibt Reis“ 🙂 Aber Scherz beiseite, vielen Dank, lieber Jamie L. Farley, dass du dir die Zeit genommen hast, mich so nett zu empfangen und all meine Fragen zu beantworten. Es war wirklich ein tolles Gespräch und ich hoffe, wir können das irgendwann mal wiederholen. Deinem Midlist-Titel wünsche ich für den weiteren Wettbewerb viel Erfolg.
Mehr über Jamie L. Farley und seine Bücher erfahrt ihr auf:
Skoutz-Lesetipp:
Winterstern – fantastische Anthologie von C.M. Spoerri (Hrsg.)
Was ist ein Winterstern? Ein magisches Artefakt? Ein verwunschener Ort? Eine verzauberte Person? Oder etwas, das gar nicht greifbar ist?
Lasst euch in fremde Welten entführen, lernt fantastische Legenden kennen, kämpft für die Gerechtigkeit, Liebe oder Freiheit, erlangt Ruhm und Ehre, erfahrt, was wirklich zählt im Leben. Dies ist eine Fantasy-Anthologie, die euch zum Lachen, Lieben, Gruseln, Träumen, Hoffen und Bangen einlädt.
Skoutz meint: Eine vielseitige und abwechslungsreiche Kurzgeschichtensammlung, in der uns verschiedene Autoren zeigen, wie unterschiedlich man ein Thema interpretieren kann. Lasst euch in fremde Welten entführen, euch von den Worten berühren und unterhalten. In dieser Anthologie ist mit Sicherheit für jeden Fantasy-Geschmack etwas dabei.
Hinweis:
Aus den über 300 Titeln der Longlist Fantasy 2020 hat Fantasy-Jurorin Maya Shepherd 12 Titel ausgewählt, die von der Midlist Fantasy 2020 aus ins Rennen um den Fantasy-Skoutz 2020 gehen. Einer davon ist von Jamie L. Farley.
Mit Adular 1: Schutt und Asche legt Jamie ein vielversprechendes Debüt vor, das im März 2019 im Sternensand-Verlag erschienen ist. So liest sich Fantasy wirklich fantastisch: Actionlastige High Fantasy, Charakterentwicklung und sozialkritische Themen schließen sich nicht aus.
Längst ist die Fantasy ihrem Pulp-Schmuddel-Image entwachsen und präsentiert sich mit unterhaltsam präsentierten moralischen Fragen, die absolut lesenswert sind.
Mehr Informationen bekommt ihr wie immer in der ausführlichen Buchvorstellung. (Weiterlesen)