zu Besuch bei: Jannes C. Cramer
Heute war ich zu Besuch bei dem Autor Jannes C. Cramer, zu dem mich Andreas Adlon
geschickt hat, nachdem er dessen Psychothriller „(W)ehe du gehst“ in die Midlist Crime des Skoutz-Awards 2016 gewählt hat. Und das ist gut so, denn wir haben ein sehr, sehr entspanntes Gespräch geführt, über das Schreiben und das Schreiben wollen, das vielleicht viel besser wird, wenn es kein Schreiben müssen ist.
Es war ein Interview, das mich nachdenklich zurückgelassen hat und das ich nicht nur Lesern, sondern auch Autoren empfehlen möchte, einfach weil es eine erfrischend andere Sicht auf den Schreibprozess zulässt.
Zu Besuch bei Jannes C. Cramer, einen Autor aus Spaß an der Freud.
Was ist dein »Sprit« beim Schreiben, woher nimmst du deine Ideen?
Mein »Sprit« ist einfach der Spaß, die Lust am Schreiben. Da ich nicht vom Schreiben leben muss, kann ich mir mit meinen Geschichten Zeit lassen und habe keinen Druck, zu einem bestimmten Termin fertigzuwerden.
Das freut mich sehr, dass es endlich auch mal ein Autor positiv sieht, vom Schreiben nicht zu leben. Bei den weitaus meisten Kollegen ist das ja ein eher unfreiwillig erlebter Zustand.
Die Ideen kommen zum Glück immer mal wieder zwischendurch ganz von allein. Natürlich kommen nur ein paar davon in die engere Auswahl, zu einer vollständigen Geschichte ausgebaut zu werden. Die Einzelheiten entwickeln sich dann während des Schreibens.
Da interessiert mich jetzt die nächste Frage ganz besonders.
Was würdest du tun, wenn du nicht mehr schreiben könntest?
Das kommt ganz darauf an, aus welchem Grund ich nicht mehr schreiben könnte. Liegt es nur daran, dass ich keine Ideen habe? Dann würde ich einfach abwarten, ob mir noch einmal eine gute Idee zufliegt.
Ich sehe schon, diese Lockerheit zeichnet den wahren Künstler aus.
Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?
Bisher war ich noch nicht in der Situation, darüber nachzudenken.
Irgendwie logisch, wenn man das so unverkrampft und nur aus dem „Weil ich will“ heraus angeht.
Allerdings habe ich mir von Anfang an gesagt, dass ich nur so lange schreibe, wie es mir auch Spaß macht und ich mich nicht zwingen muss. Ich glaube, dass bei mir keine guten Bücher herauskommen würden, wenn ich ohne Spaß an der Sache daran arbeite.
Daraus schließe ich jetzt im Umkehrschluss, dass du an „(W)ehe du gehst“ eine Menge Spaß hattest.
Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?
Eigentlich war es nicht direkt beim Schreiben, sondern nur im Zusammenhang damit.
Macht nix.
Ich würde es vielleicht auch nicht als emotional, sondern eher als aufregend bezeichnen. Es war einfach der Moment, in dem die Verlagsanfrage für meinen ersten Roman kam und ich realisiert hatte, dass es keine Spam-Nachricht war.
Das ist doch absolut emotional. Eine der Gelegenheiten, zu denen man sich fragt, warum es eigentlich keinen eingebauten Drama-Button gibt, den man dann für passende Hintergrundmusik drücken kann. Weißt du, wie viele Kollegen von einem solchen Moment träumen?
Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?
In den Geschichten selbst nichts.
Das finde ich bei einem doch blutlastigen Thriller immer sehr beruhigend.
Aber ich baue immer mal wieder Kleinigkeiten aus meinem Alltag ein. Sei es das Automodell, bestimmte Vorlieben oder Gegenstände, die in meinem Leben eine Rolle spielen. Dem Leser wird das allerdings nicht auffallen.
Ach, du ahnst ja gar nicht, zu welchen detektivischen Meisterleistungen ein entschlossenes Fandom fähig ist.
Meine Familie interpretiert zwar in manche Charaktere meiner Bücher ein paar meiner eigenen Wesenszüge hinein, so ganz kann ich diese Einschätzung aber nie teilen.
Eine meiner Reitbeteiligungen war die Enkelin von Max Frisch, die mir für den Deutschunterricht einen Brief aus dem Nachlass zur Verfügung stellte, indem sich Frisch anlässlich der Veröffentlichung von „Mein Name sei Gantenbein“ über die Kritiker lustig macht, die „herauslesen“, was er „nie hineingeschrieben“ hat. Mein Deutschlehrer meinte damit nur mit oberlehrerhafter Miene, dass man daran sehen könne, wie sich das Genie aus dem Unterbewusstsein heraus am Bewusstsein vorbei einen Weg in die Feder bahne, um dort seine Wirkung zu entfalten.
Aber neben dem gerade gezogenen Vergleich mit Max Frisch …
Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Autor machen kann?
Das größte Lob ist für mich, wenn mir gesagt wird, dass das Buch gefesselt hat und nicht zur Seite gelegt werden konnte.
Das ist so die vorwiegende Meinung in Autorenkreisen …
Natürlich! So eine Reaktion zeigt mir, dass ich eine spannende Geschichte zustande gebracht habe, denn ich finde es schwer, als Autor die Spannung des eigenen Buches zu beurteilen. Immerhin gibt es für mich keine unerwarteten Wendungen in der Handlung.
Haha! Selbstgespräche sind auch nur solange okay, wie man durch sie nichts Neues erfährt.
Wer ist für dich dein idealer Leser?
Ein Glücksgriff ist es, wenn einem Leser das Buch gut gefallen hat und er/sie es aus eigenem Antrieb regelmäßig weiterempfiehlt. Persönliche Empfehlungen sind um ein vielfaches wertvoller als eigene Werbung seitens des Autors.
Und abgesehen von allen werbestrategischen Erwägungen die ehrlichste Form eines Kompliments, weil man seine eigene Reputation mit deinem Buch verbindet.
Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?
So richtig schwer hatte ich es bislang mit meinen Protagonisten nicht, allerdings gab es Juliane aus »(W)ehe du gehst«, der ich eigentlich eine kleine Nebenrolle zugedacht hatte, die sich damit jedoch nicht abfinden wollte und etwas mehr Raum gefordert hat.
Das würde ich jetzt auch nicht unbedingt als Querulanten-Protagonisten bezeichnen. Aber wenn eine Figur nach mehr Platz verlangt, dann ist das doch ein wundervolles Zeichen dafür, dass die Geschichte lebt. Aber vielleicht bin ich da kein Maßstab, ich leide sehr beim Schreiben darunter, dass ich offenbar einen extrem anti-autoritären Umgang mit meinen Figuren pflege.
Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?
Wird es noch weitere Bücher von dir geben?
Das wollen wir doch alle schwer hoffen!! Vielen Dank für das tolle Gespräch.
Hier könnt ihr Jannes C. Cramer treffen:
Jannes C. Cramer auf Facebook
Jannes C. Cramer Autorenhomepage
Skoutz Lesetipp: Die Frauenkammer – Thriller von Jannes C. Cramer
In einem abgelegenen, unbelebten Teil der Stadt wird eine Frauenleiche gefunden, doch die Ermittlungen liefern keine verwertbaren Spuren ‒ weder zum Opfer noch zum Täter. Wenige Wochen später sorgt eine zweite Tote für offene Fragen. Ein tragischer Unfall oder ein weiterer Mord? Wie sich schnell herausstellt, scheint es eine Verbindung zwischen beiden Fällen zu geben. Für Kommissar Frank Holper beginnt eine mühsame Ermittlungsarbeit, für die er schon bald die Hilfe eines externen Beraters in Anspruch nimmt. Ein verhängnisvoller Fehler …
Skoutz meint: Die „Frauenkammer“ ist ein Roman aus dem Jahr 2013, den wir in der 2016 neu aufgelegten Fassung vorstellen. Es geht um einen Serientäter, der seine Opfer in einen kleinen, fensterlosen Raum sperrt und sie dort auf ihr ungewisses, aber gewiss grausames Schicksal warten lässt. Die claustrophobische Atmosphäre hält den Leser bis zur letzten Seite gefangen und wird durch die klugen Perspektivwechsel zwischen Täter, Ermittler und Opfer gekonnt gesteigert wird. Ein Buch zum Fingernägelknabbern.
Wer sich für dieses Buch interessiert, kann es hier bei Amazon näher anschauen oder auch gleich kaufen.
Hinweis:
Wie eingangs schon erwähnt, wurde der 2015 erschienene Thriller „(W)ehe du gehst“ von Skoutz-Juror Andreas Adlon für die Midlist Crime des Skoutz-Awards 2016 nominiert.
Grund genug für Skoutz, den abgründigen Psychothriller näher zu untersuchen und ihn ausführlich zu besprechen (weiterlesen).