zu Besuch bei: T.S. Orgel
Selten habe ich mich mehr auf einen Besuch bei Kollegen gefreut. Das liegt nicht zuletzt daran, weil ich Tom und Stephan, die beiden Brüder hinter dem Orgelschen T. und S., schon wirklich laaaaaange kenne, noch aus Zeiten vor Facebook. Ja, die gab’s und nochmal Ja, wir sind alle so alt, dass wir die auch erlebt haben.
Heute aber treffe ich die beiden, um sie zu ihrem ungewöhnlich symbiotischen Autorenleben zu befragen und bin schon sehr gespannt, was sie aus meinen berüchtigten Fragen machen werden:
Zu Besuch bei T.S. Orgel – zwei Vollblutfantasten, die auch mal die Würfel rollen lassen
Was ist euer »Sprit« beim Schreiben, woher nehmt ihr eure Ideen?
Tom: Whisky. Mein Sprit ist Whisk … ach so. Es ging nicht um Alkohol? Sorry.
Nur zu, Kreativität soll man nehmen, woher auch immer sie kommt…
Meine Ideen kommen aus so vielen Quellen, dass man es eigentlich nicht genau bestimmen kann. Privatleben, zufällige Begebenheiten, die Tagesnachrichten, gelesene Bücher, gesehene Filme und Serien, Computerspiele, Hörensagen … Ideen kommen von überall. Dagegen kann man sich eigentlich kaum wehren. Ich mache mir darüber keine Gedanken. Sie sind da, wenn ich sie brauche. Oft genug auch, wenn ich sie nicht brauche.
Stephan: Bei mir ist es Kaffee. Sämtliche Energien, Ideen und Inspirationen kommen bei mir aus dem Konsum von Kaffee. Habe ich mal keinen Kaffee zur Verfügung, dann kann das sehr unangenehm für meine Helden werden. Im Übrigen kann ich mich meinem Bruder nur anschließen. Meine Ideen kommen von so ziemlich überall her – wobei meine langjährige Rollenspielrunde sicherlich einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran hat, und die Urlaubsreisen in ferne Länder auch nicht schaden. Da wir demnächst nach Chile und Argentinien reisen, werden in der nächsten Geschichte wohl viele Berge vorkommen. Und Rinder. Und Kaffee.
Tom: Oh. Ja. Kaffee. Ich könnt’ schon wieder. Ist auch erst 22.50 Uhr …
Ich nehm auch einen. Mit Milch bitte.
Was würdet ihr tun, wenn ihr nicht mehr schreiben könntet?
Tom: Diktieren natürlich. Zeichnen würde ja dann auch ausfallen, denn solange ich zeichnen kann, kann ich auch Buchstaben zeichnen. Also schreiben.
Cooler Gedanke. Jetzt hab ich so oft diese Frage gestellt und sehr oft schon gehört, dass man dann evtl. wieder mehr malen oder zeichnen würde – aber auf die Verknüpfung ist vor dir noch kein Kollege gekommen. Das muss ich beim nächsten Mal gleich anbringen.
Stephan: Vermutlich mehr reisen – wobei ich mir das dann vielleicht gar nicht mehr leisten könnte. Diese Frage macht mir irgendwie Angst …
Das war nicht meine Intention … Alles gut, noch ein Käffchen?
Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?
Tom: Da war dieser eine Abend, als ich während des Schreibens eingedöst bin. Da hab ich dann auch tatsächlich aufgehört und bin schlafen gegangen. Sonst – nie.
Stephan: Die Frage hat sich mir bislang glücklicherweise noch nicht gestellt. Schreiben ist ja irgendwie nicht nur Arbeit sondern kann gelegentlich sogar Spaß machen – im Ernst: Warum sollte ich denn damit aufhören wollen?
Puh, da habe ich eine lange Liste sammeln können. Persönliche, wirtschaftliche, gesellschaftliche Gründe … Kollegen hadern gelegentlich mit ihren Figuren und Geschichten, Schreibblockaden, Erschöpfungszuständen (gerade beim nebenberuflichen Schreiben), überhandnehmender Buchpiraterie und entsprechenden Umsatzeinbußen. Familiäre Verpflichtungen, da das Schreiben ja sehr zeitintensiv ist. Aber eure Fans wird es jedenfalls sehr freuen, dass das bei Orgels kein Thema ist (Ich freu mich auch).
Was waren eure emotionalsten Erlebnisse beim Schreiben?
Stephan: Schwierige Frage.
Danke. 🙂
Stephan: So genau kann ich das gar nicht sagen. Sicherlich hat es weh getan, einen meiner Helden sterben zu lassen. Aber da das zur Geschichte gehörte, musste es eben sein. Außerdem lässt die Fantasie einem Autoren ja immer noch ein Hintertürchen offen (wer weiß denn schon so genau, ob der Held wirklich tot ist …?)
Tom: Außerdem ist das mit der Zeit im Autorenkopf so eine Sache. Nicht linear. Eher wibbly-wobbly. Selbst wenn eine Figur aus dramaturgischen Gründen den Kürzeren gezogen hat, kann man bei Bedarf problemlos zu einer anderen Zeit in ihrer Timeline springen und dort lustig weiterschreiben.
Ja, es ist wirklich eine schwierige Frage. Wirklich emotionale Erlebnisse beim Schreiben selbst hatte ich kaum. Es ist weit eher schon die konzentrierte Aufarbeitung von emotionalen Erlebnissen außerhalb des Schreibens.
Das ist jetzt eine sehr spannende Antwort, bei der ich gerne nachhaken würde. Leider ist es schon so spät geworden, dass ich das vertagen muss… Aber ich komme wieder (also, wenn ich darf).
Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?
Tom: So gut wie keine.
Das ist angesichts des doch immer eher düster-kriegerischen Settings in euren Büchern doch beruhigend.
Natürlich sind eine ganze Reihe an Szenen, Formulierungen oder auch weltanschauliche Gedanken eingestreut, die an irgendeinem Punkt aus dem „echten Leben“ entlehnt worden sind. Und in jedem Charakter steckt sicherlich auch ein ganz klein wenig von einem selbst (man kann schließlich nichts schreiben, was man sich nicht zumindest vorstellen kann), aber tatsächlich Autobiografisches ist in Büchern immer eher peinlich. Wenn es nicht gerade eine Autobiografie ist. Dann geht es. Manchmal.
Stephan: Sehe ich ganz genauso. Man schreibt seine favorisierten Charaktere gelegentlich schon so, dass sie einem irgendwie sympathisch sind und man in dem einen oder anderen Fall sogar ein Bier mit ihnen trinken gehen würde. Aber ich habe auch schon Drecksäcke geschrieben, die ich wirklich ins Herz geschlossen habe – um die ich im echten Leben aber einen riesengroßen Bogen machen würde.
Was wäre das größte Kompliment, das man euch als Autor machen kann?
Stephan: Eine Autorenkollegin erzählte mal, dass ein Freund ihres Sohnes „Orks vs. Zwerge“ in der Schule als sein Lieblingsbuch vorgestellt hatte (ich glaube, das muss so vierte oder fünfte Klasse gewesen sein). Das macht mich schon irgendwie verdammt stolz – außerdem hätte ich gern den Gesichtsausdruck der Lehrerin gesehen.
Okay… ja, die hätte ich auch gern gesehen. Ich weiß nicht, ob ich einem Viertklässler jetzt selbst eure Orks vs. Zwerge empfohlen hätte.
Tom: Ich glaube, bei mir war es, als uns ein Mitt-Vierziger erzählt hat, dass er seit mehr als 10 Jahren kein Buch mehr in der Hand hatte, bevor ihm durch Zufall ‚Orks vs. Zwerge’ in die Finger kam. Und dass er dadurch wieder den Spaß am Lesen entdeckt hat. An diesem Punkt ist mir das erste Mal klar geworden, dass wir als Autoren die Möglichkeit haben, weit mehr Leute zum Lesen zu animieren als ein durchschnittlicher Deutschlehrer in seinem ganzen Leben. Ein größeres Kompliment als das kann ich mir kaum vorstellen.
Das hat so sehr ähnlich J.K. Rowling einmal auch gesagt. Ihre größte Bestätigung sei, dass durch Harry Potter so viele Menschen, ja eine ganze Generation zum Lesen animiert wurde. Dem Vergleich haltet ihr also stand.
Wer ist für euch ein idealer Leser?
Tom: Jeder, der unsere Geschichten liest und mag. Vielleicht sogar so sehr mag, dass er anderen davon erzählt und idealerweise den einen oder anderen Hintergedanken, den wir im Text versteckt haben, erkennt. Und der unsere Geschichten auf jeden Fall so sehr mag, dass er/sie das Buch tatsächlich auch erworben und nicht etwa auf einer Download-Plattform geklaut hat. So was soll ja vorkommen.
Ja, leider. Das ist übrigens ein oft gehörter Grund, warum Autoren ernsthaft erwägen, zumindest das Veröffentlichen ihrer Geschichten bleiben zu lassen.
Ansonsten bin ich da wirklich nicht wählerisch. Je mehr, desto besser.
Ich drück euch auch weiterhin die Daumen, dass das Fandom euch gewogen sein möge.
Bei welchem eurer Protagonisten würdet ihr den Beziehungsstatus mit euch als »schwierig« bezeichnen?
Stephan: Tatsächlich war es eine zeitlang Sara aus den Blausteinkriegen. Ich glaube, weil ich krampfhaft versucht habe, sie für die Leser besonders sympathisch zu machen.
Das ist sehr interessant, weil ich tatsächlich auch beim Lesen das Gefühl hatte, dass sie „nett“ sein wollte, was da im Kontext nicht so recht gepasst hat. Und meiner Co-Leserin ging es auch so. Scheint man also irgendwie zwischen den Zeilen zu spüren, dass es da Reibungen gab.
Dabei ist das Blödsinn. Entweder es ergibt sich ganz von allein oder man lässt es gleich sein. Als ich Sara dann einfach mal habe machen lassen, klappte es plötzlich wieder (allerdings sind diese Alleingänge dann nicht ganz ohne Blessuren vonstatten gegangen).
Tom: Bei mir ist es Meister Messer. Aus genau dem umgekehrten Grund. Ich versuche immer wieder, ihn unangenehmer und abstoßender zu machen, weil das mein Plan mit dieser Figur war. Es gelingt mir nur nicht. Der Kerl wehrt sich – und die Leute mögen ihn. Das gehörte NICHT zum Plan.
Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtet ihr einfach nur mit »Ja« antworten?
Tom: Ja.
Das wäre dann „Ja ja…“ – und jeder der Werner gesehen hat, weiß, was das heißt.
Stephan: Ach Mist, das wollte ich sagen. Na gut, ich würde aber auch nicht Nein sagen, wenn Peter Jackson mich in einem Interview fragen würde, ob er unsere Bücher verfilmen darf.
Tom: Bei J.J. Abrams oder Joss Whedon würde ich auch ‚Ja’ sagen, schätze ich.
Das ist so ein „männliche Autorendings“ – die wollen überproportional häufig von Regisseuren nach ihren Büchern gefragt werden.
Im Übrigen: Wir danken für die Fragen und wünschen euch und euren Lesern einen schönen Herbst!
Wir danken, dass ihr euch die Mühe gemacht habt, euch mit unseren Fragen auseinanderzusetzen, für den Kaffee und das sehr vergnügliche Gespräch. Viel Erfolg noch mit den Blausteinkriegen und allen Projekten, die da noch kommen.
Hier könnt ihr T.S. Orgel treffen:
T.S. Orgel auf Facebook
Autorenhomepage von T.S. Orgel
Verlagsseite von T.S. Orgel (Randomhouse) mit einem schönen Trailer zu „Die Blausteinkriege“, die wir hier auch vorgestellt haben.
Skoutz-Lesetipp: Orks vs. Zwerge – High Fantasy von T.S. Orgel
Ihr Hass aufeinander wurzelt tiefer als die Gebeine der Erde – schon seit Jahrtausenden sind Orks und Zwerge erbitterte Feinde. Nun prallen sie in einer gewaltigen Schlacht aufeinander, in der sich die Zukunft beider Völker entscheiden muss. Auf der einen Seite kämpft der Orkhauptmann Ragroth erbittert um Anerkennung, Beute und das nackte Überleben, während auf der anderen Seite der Zwergenkrieger Glond für einen Geheimauftrag eingeteilt wird, der ihn mitten in die Reihen der Feinde führt. Doch auf beide wartet eine finstere Überraschung, die das Schicksal von Orks und Zwergen für immer verändern wird.
Skoutz meint: High Fantasy mit brachialen Kampfszenen und lakonischem Humor irgendwo zwischen Abercrombie und Tarantino. Es hat Gründe, warum das Debüt von T.S. Orgel so viele begeisterte Fans gefunden hat. Die Freude an spannend choreographierten Kampfszenen und dem Aushebeln gängiger Genre-Klischees ist ansteckend, auch wenn man sonst … Verträumteres … liest. Doch speziell wenn man die Trilogie als Ganzes betrachtet, machen die Figuren eine sehr nachvollziehbare Entwicklung durch und so bekommt die Geschichte auf unaufdringliche Weise auch eine moralische und psychologische Komponente, die Orks vs. Zwerge positiv von anderen Werken der aktuell gängigen „Völker-Fantasy“ abhebt.
Das Buch gibt es bei Amazon und überall im Buchhandel on- und offline.
Hinweis:
Das aktuelle Werk von T.S. Orgel, die High Fantasy-Trilogie „Die Blausteinkriege“, haben wir gesondert bei den Buchvorstellungen besprochen. Natürlich freuen wir (und T.S. Orgel) uns, wenn ihr euch auch für diese Bücher interessieren solltet… (weiterlesen)