zu Besuch bei Sebastian Niedlich
Im schönen Potsdam treffe ich heute Sebastian Niedlich, der mit seiner humorvollen Satire „Der Tod ist schwer zu überleben“ die Shortlist des Skoutz-Awards 2019 stürmte. Wie immer habe ich mich natürlich wieder im Vorfeld schlau gemacht. Obwohl ich bei meiner Recherche einiges über ihn herausfinden konnte – ja, er beteuert, bei seiner Geburt über keinerlei schriftstellerisches Talent verfügt zu haben –, blieben dennoch so viele Fragen. Und mit denen im Gepäck werde ich dem gelernten Industriekaufmann, der über Webdesign bis hin zum Programmierer letztlich doch seine Bestimmung im Schreiben von Drehbüchern und Romanen fand, auf den Zahn fühlen …
zu Besuch bei Sebastian Niedlich, der mit „Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens“ seinen Durchbruch hatte …
In einem Wort: Was bedeutet für dich „Schreiben“?
Kreativität.
🙂
Was ist der seltsamste Ort, an dem du je geschrieben hast?
In einem Hörsaal während eines Seminars zu irgendwas.
Sollte man da nicht besser aufpassen? 😉
Das war so langweilig, dass ich gleich mehrere absurde Kurzgeschichten auf dem Block, der eigentlich für Notizen gedacht war, hinkritzelte, um damit meine Mitstreiter, die ebenfalls völlig gelangweilt waren, zu unterhalten.
Wie entstehen deine Geschichten?
Früher habe ich hauptsächlich nachts geschrieben, da hatte ich aber auch noch einen Job und keine
Frau/Freundin und irgendwann musste ich ja schreiben.
Und jetzt?
Mittlerweile mache ich das aber tagsüber und eher selten noch in der Nacht, weil es halt mein normaler Job ist.
Wie gehst du beim Schreiben vor? Plottest du? Lässt du es auf dich zukommen?
Ich bin sowohl „Plotter“ als auch „Pantser“, wie es in Fachkreisen so merkwürdig heißt, d.h. ich mache mir schon vorher Gedanken über den Plot und habe weite Teile davon im Kopf, aber eben nicht alles. Manches kommt dann einfach während des Schreibens zustande. Ehrlich gesagt kommen mir gerade bei diesen „Ich schreib jetzt einfach mal irgendwie drauflos“-Strecken die besten, merkwürdigsten und lustigsten Ideen. Aber so völlig ohne
Grundidee, ohne eine Ahnung, wo die Reise hingehen soll, zu schreiben, viele mir nicht ein.
Also ein gewisser Rahmen, in dem sich die Geschichte entwickeln kann 🙂 Und wie stehst du zum Thema Recherchieren?
Recherche ist mir insofern wichtig, dass ich nicht einfach irgendeinen klischeehaften Bullshit schreiben will, den man mal in irgendeiner TV-Serie oder so gesehen hat, wo es auch schon Bullshit war. Das Interessante an Recherche ist ja auch, dass man dadurch neue Dinge lernt und dadurch den Text nicht nur akkurater macht, sondern evtl. auch Dinge findet, die einem ganz neue Möglichkeiten aufzeigen.
Da hast du recht …
Allerdings muss man aufpassen, dass man nicht all die Sachen, die man als Autor gelernt hat, dem Leser in einem Infodump überhilft, weil der Leser nicht notwendigerweise die gleichen Sachen interessant findet, wie man selbst. Manchmal muss ich mich da auch zügeln. Insofern hilft auch das mehrmalige Überarbeiten.
Da kommen wir zu meiner nächsten Frage. Wenn dein Text nun fertig ist, wie geht es damit weiter? Wie viele Überarbeitungsschritte hast du?
Die erste Person, die meine Texte zu lesen bekommt, ist meine Frau. Meistens habe ich da schon vorher etwas überarbeitet, aber das ist dann wirklich noch die Rohfassung. Wenn ich dann noch die Dinge eingearbeitet habe, die meine Frau bemängelt hat, geht es an meine Agentin, die mir ebenfalls Feedback gibt, dass ich in eine Überarbeitung stecke. Ist alles mit ihr klar, geht es weiter an den Verlag, wo mir der Programmleiter und ein Lektor dann zur Seite stehen und ebenfalls mehrfach überarbeitet wird, bis man dann irgendwann sagt: „Jetzt ist aber jut.“ Eine genaue Anzahl an Überarbeitungen kann ich also nicht nennen, da ich ja auch während des Schreibens schon immer mal überarbeite. Der gesamte Text wird aber in der Regel mindestens dreimal überarbeitet.
„Es wird immer weniger gelesen“ – Wie reagierst du auf diesen Satz?
Mit einem Seufzen und einem zustimmenden Nicken.
Wie stehst du zu Schreibregeln, die bestimmen, was der 1. Satz auf keinen Fall enthalten darf, welche Worte man verwenden soll und welche zu vermeiden sind, wie lang ein Satz sein darf, etc.?
Ich bin der Meinung, dass es durchaus Regeln gibt, die sich bewährt haben. Ich bin auch ein Freund von ersten Sätzen, die einen packen oder amüsieren. Worte sollten auch schon so gesetzt werden, dass sie einen Sinn ergeben und im Kontext passend sind.
Das klingt nach einem Aber … 🙂
Aber ich bin grundsätzlich der Meinung, dass es beim Schreiben kein „Muss“ gibt.
Kannst du mir das genauer erklären?
Wenn man der Meinung ist, dass man eine Geschichte erzählen will, die von einem zwergwüchsigen Bananenpflücker handelt, der während eines Tsunamis aufs Meer gespült wird und auf einer einsamen Insel ein Internetcafé eröffnet, das Ganze im jambischen Pentameter geschrieben wird und der erste Satz lediglich aus dem Wort „Bratpfannenbeschichtung“ besteht, dann … tja, kann man das so machen.
Puh, das nenne ich mal eine Idee 🙂
Zieht vielleicht nicht das breiteste Publikum an, aber warum nicht?
Ja, warum eigentlich nicht …
Schreibregeln sind letztlich nur Dinge, von denen andere festgestellt haben, dass sie ihnen dabei helfen, selber etwas aufs Papier oder auf den Bildschirm zu bringen. Oder es kommerziell zu halten. Letztlich muss jeder für sich selber sehen, was man daraus ziehen kann. Nicht alle Tipps gelten für alle Genres. Nicht alle Tipps gelten für alle Schreiber. Man kann nur sicher sein, dass ein Schreibratgeber nichts taugt, wenn da steht, dass man irgendwas auf eine gewisse Art und Weise machen muss.
Welches Buch hat dich am meisten geprägt und warum?
Da kann ich ehrlich gesagt kein einzelnes Buch nennen.
Gibt es vielleicht etwas, das besonders heraussticht?
Am ehesten vielleicht die MAD-Hefte, mit denen ich als Kind lesen gelernt habe und von denen humormäßig anscheinend einiges haften geblieben ist.
Wenn du für einen Tag in ein Buch reisen könntest, in welches würde es dich ziehen?
In keines, vermutlich.
Echt? Das überrascht mich nun doch. Warum?
In den meisten Büchern geht es gefährlich zu und der Tod lauert hinter jeder Ecke. Ich meine, natürlich würde ich gerne mal Mittelerde aus „Herr der Ringe“ sehen wollen, aber wenn ich damit rechnen müsste von Orks, Wargen oder Trollen gefressen zu werden … nein, danke.
So gesehen … *grübel*
Ebenso „Harry Potter“. Sicher würde ich gerne sehen, wie die so vor sich hinzaubern, aber wenn
dann irgendein dunkler Zauberer meint, ich sei ein Muggel und wirft mir einen „Avada Kedavra“ entgegen … lieber nicht.
Aus der Perspektive betrachtet, hast du sicher absolut recht …
Obwohl … die Bibel wäre nicht schlecht. Da könnte ich dann herumlaufen und sagen: „Leute, ist euch
eigentlich klar, dass das alles gar keinen Sinn ergibt und sich widerspricht?“
*Lach*
Aber da gab es ja auch Steinigungen und Kreuzigungen und so … ach ach!
Bist du ein mutiger Mensch? Wann hast du das letzte Mal was zum ersten Mal gemacht und was war das?
Vielleicht errät man das schon aus meiner letzten Antwort.
Eine vage Vermutung könnte man tatsächlich bekommen, aber der Interpretationsspielraum ist einfach zu subjektiv 🙂
Ich halte mich nicht für sonderlich mutig. Ich bin kein Feigling, aber ich bin auch nicht der Typ, der sich an einer Hand in 200m Höhe von einem Felsbrocken hängen lässt. Wenn man mich aber fragen würde, ob ich zu einem Raumflug mitkommen würde, würde ich vermutlich spontan zusagen.
Spannend 🙂 Und wann war dein letztes erstes Mal?
Letztes Jahr war ich zum ersten Mal auf einem Tankstellenklo. Das fand ich extrem mutig von mir.
Für welches Produkt würdest du als Testimonial Werbung machen? Warum?
Müllers Meister-Wisch-Wasch!
Ich kann schon die fragenden Blicke der Leser sehen 🙂
Wäscht wirklich weiß! Sogar buntkarierte Hemden!
Was machst du, wenn du eine Nacht im Kaufhaus eingeschlossen wärst?
Ich würde mir das schrillste, merkwürdigste Kostüm suchen, dass ich finden kann und welches mir
passt – oder auch nicht, das wäre eigentlich noch witziger –, mir ein paar Rollschuhe anziehen und
mich dann filmen, wie ich durch die Gänge rollere.
*muss sich bemühen bei dem Kopfkino seriös zu gucken*
Eventuell würde ich dazu noch irgendeinen Song singen, der nicht passt, z.B. „My Heart Will Go On“ mit sächsischem Akzent. Dann würde ich mich wieder umziehen, die Polizei oder irgendwen anrufen, der mich da rausholen kann, und daheim dann das Video ins Internet laden und behaupten, es wäre Kunst.
Was ist der erste Gedanke nach dem Aufstehen? Was machst du in der ersten Stunde nach dem Aufstehen?
Der erste Gedanke nach dem Aufstehen?
Genau 🙂
Hm. Der erste Gedanke nach dem Wachwerden ist: „Nur noch fünf Minuten! Oder fünfzig!“ Oder „Lasst mich durch, ich muss aufs Klo!“ In der ersten Stunde nach dem Aufstehen rufe ich normalerweise erst mal alle Regierungschefs der G7-Länder an und gebe ihnen wichtige Tipps.
Ach, du bist das?
Wenn ich dann die ersten Krisen gelöst habe, klopfe ich mir auf die Schulter, rette nebenbei ein Baby, welches kurz davor ist von einem Rudel Quokkas gegessen zu werden, und halte eine Ansprache von meinem Balkon, die in der Regel mit dem Beifall der Massen endet.
*summt leise den Ohrwurm „Don’t cry for me Argentina“ vor sich hin und räuspert sich, als sie Sebastians amüsiertes Gesicht sieht*
Was man halt so so macht.
Welche Superkraft hättest du gerne?
Ich fände es toll, wenn meine Superkraft wäre, dass ich Personen den Song „Chop Suey!“ von System Of A Down ins Ohr spielen könnte, wenn ich möchte.
Meinst du, das ist wirklich eine Superkraft? *fragend die Augenbraue hochzieht*
Irgendein Politiker erzählt wieder Mist? Chop Suey. Autofahrer nimmt mir die Vorfahrt? Chop Suey. Jemand an der Supermarktkasse zahlt in Cents und bringt die Kassiererin zum Weinen? Ihr ahnt es: Chop Suey. Natürlich müsste ich dabei auch die Lautstärke kontrollieren können.
Okay, du hast recht … *hofft den Ohrwurm irgendwann wieder loszuwerden*
Welcher Irrtum kursiert über dich?
Leute halten mich für einen begnadeten Autor, der lustig ist. Aber das stimmt nicht. Ich bin auch extrem gutaussehend. Und dick.
Gut, dass wir darüber gesprochen haben 😉
Was würdest du deinem 10 Jahre jüngeren Ich raten?
„Mach mal ruhig alles so, wie du denkst. Du liegst nicht falsch. Nur mit deinem fünften Roman könntest du etwas schneller machen.“
Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!
Iss immer deinen Teller leer, dann bist du bald zwei Zentner schwer!
*Lach* Vielen Dank, lieber Sebastian Niedlich, dass du dir die Zeit genommen hast, mit mir zu plaudern und mir all meine Fragen zu beantworten. Es war wirklich toll und ich würde mich freuen, wenn wir uns mal wieder treffen. Ob du den Skoutz-Award 2019 mit nach Hause nehmen wirst, werden wir schon bald erfahren. Ich wünsche dir jedenfalls viel Erfolg.
Mehr über Sebastian Niedlich und seine Bücher findet ihr auf:
Skoutz-Lesetipp: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens – schwarze Komödie mit Herz von Sebastian Niedlich
„Meine Gabe, den Tod anderer Leute voraussehen zu können, hat schon was. Gibt ein prima Partyspiel. ‚Hey, ich sage euch, wer als Nächstes stirbt!‘ Spaß für die ganze Familie!“
Freunde sind etwas Wunderbares. Und manchmal findet man sie an den ungewöhnlichsten Orten. Martin hätte allerdings darauf verzichten können, am Sterbebett seiner Großmutter die Bekanntschaft des leibhaftigen Todes zu machen. Dieser hat sich eingefunden, um die Seele der alten Dame sicher ins Jenseits zu befördern – und ist begeistert, dass ihn endlich jemand sehen und hören kann. Für ihn steht fest: Martin und er sind dazu bestimmt, beste Freunde zu werden. Schließlich ist er ein echt netter Typ! Und hey: Niemand kann so glaubhaft versichern, dass man weder an Langeweile, noch an einem gebrochenen Herzen sterben kann … Im Laufe der Zeit gewöhnt Martin sich daran, dass der Leibhaftige stets bei ihm auftaucht, wenn er es am wenigsten gebrauchen kann. Doch als er eine ganz besondere Frau kennenlernt, muss er sich eine entscheidende Frage stellen: Macht es überhaupt Sinn zu leben, zu lieben und nach dem Glück zu suchen, wenn am Ende doch immer der Tod wartet?
Skoutz meint: Mit diesem Buch gelang dem unglaublich humorvollen und talentierten Autor der Durchbruch. Frech, überspitzt und extrem lustigt setzt er sich mit den großen Themen des Lebens auseinander. Ein kurzweiliger Angriff auf die Lachmuskeln, den man definitiv nicht mehr aus der Hand legen will.
Hinweis:
Mit seiner lustigen und doch tiefgründigen Satire “Der Tod ist schwer zu überleben”, die im November 2018 beim Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag mit 352 Seiten erschienen ist, bringt Sebastian Niedlich uns ordentlich zum Lachen.
Darf man sich über das Ende des Lebens amüsieren? Ja darf man!
Unsere Skoutz Jurorin Caroline Brinkmann ist zumindest davon überzeugt. „Der Tod ist schwer zu überleben“ wurde aus über 150 Titeln der Humor-Longlist erwählt. Sebastian Niedlich ergatterte so einen der begehrten Midlist-Plätze und kam auch auf die Shortlist. damit hat der Tod die Chance auf den Humor-Skoutz 2019.
Mehr Informationen findet ihr wie immer in der ausführlichen Buchvorstellung. (Weiterlesen)