Skoutz-Autoreninterview Sascha Braun

Zu Besuch bei Sascha Braun

Wir sind heute unterwegs um mit Autor Sascha Braun zu sprechen. Marcel Riepegerste hat seinen Titel „Proband 63“ auf die Midlist Crime gewählt und da wurde wir natürlich neugierig auf den Menschen hinter dem Buch. Persönlich kennen wir Sascha noch nicht, umso mehr freuen wir uns, ihn heute kennenlernen zu dürfen und ihn mit unseren Fragen zu löchern. Ich muss mich gerade nochmal orientieren, ja, hier sind wir richtig. Auch der Skoutz flattert schon aufgeregt ums Haus herum, auf geht’s ins Gespräch.

Zu Besuch bei Sascha Braun, der mit Technik keinerlei Geduld hat

Hallo lieber Sascha, wir freuen uns sehr, dass du heute Zeit für uns hast und wir dich besuchen dürfen. Wir sind immer sehr gespannt, wenn wir neue Autoren kennenlernen dürfen. Unser Skoutz-Kauz ist notorisch neugierig, er schaut sich gerade schon einmal um, das macht er bei jedem Interview ….

Wo sitzen wir denn, also wo willst du uns empfangen?

Ich empfange euch auf meinem kleinen Balkon. Der ist zwar klein und der Ausblick ist nicht gerade der Schönste, aber dafür sitzt man Richtung Norden und daher auch bei den aktuellen Temperaturen angenehm.

Oh ja, das tut heute sehr gut, auf dem Hinweg haben wir einiges an Sonne abbekommen. Ach, der Ausblick ist aber in Ordnung, erinnert mich an meinen kleinen Balkon. Von hier oben aus hat man den Überblick. 🙂 Da sind auch die Probleme, die mich am Boden der Tatsachen so beschäftigen, immer viel kleiner. Nutzt du den Balkon intensiv?

Hier sitze ich gerne im Sommer und schreibe am nächsten Buch. Oder genieße die Abende bei einem Glas Wein.

Wunderbar, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich lese abends immer gerne auf dem Balkon und hab dann auch öfter mal ein Glas Wein dabei. Das bringt mich auch gleich zu meinen Fragen…  

Nach welchem Motto lebst du? Und wirkt sich das auch auf dein Schreiben aus?

Da muss ich euch jetzt aber gleich zu Beginn enttäuschen.

Nein, warum?

Ein echtes Lebensmotto habe ich nicht. Zumindest habe ich mir nie darüber Gedanken gemacht. Ich müsste mir jetzt echt was aus den Fingern saugen.

„Lass uns den Abend mit einem Glas Wein genießen“, genügt mir im Augenblick völlig. Fragen wir mal was nach ganz Alltäglichem …

Was ist dein erster Gedanke, wenn ich dich frage, was du GAR NICHT magst?

Was mich binnen Sekunden zur Weißglut bringt, ist Technik, die nicht so funktioniert, wie ich es von Ihr erwarte.

Ha, das kenne ich! Diese fiesen Computer etwa! Können nicht bis drei zählen und lehren einen dennoch Demut! 

Da kann ich echt aggro werden. Und als Autor ist man ja heutzutage auf eine ganze Menge Technik angewiesen.

Das stimmt, aber auch im „normalen“ Alltag gibt es einiges an Technik, die mich echt kirre machen kann. 

Und was ich als leidenschaftlicher Radfahrer auch nicht mag, sind zugeparkte Radwege.

Das ist ein Thema für sich, da könnte ich aus der Haut fahren. Wobei das ein komplexes Problem ist, wo man irgendwie Lösungen für alle braucht. Wenn die Straßen so eng gebaut werden, dass Lieferwägen nirgends mehr halten können, ist es auch doof. Irgendwie hält im Verkehr jeder jeden für einen Trottel. Was mich von Missverständnissen und Vorurteilen zu deren friedlicher Cousine bringt …

Als Klischee wird man nicht geboren, sondern muss sich den Titel erarbeiten. Klischees sind so praktisch wie lästig. Wie gehst du persönlich mit ihnen um? Beim Schreiben wie im Leben?

Beim Schreiben finde ich Klischees sehr hilfreich, weil sie mir helfen, eine Figur und ihre Eigenheiten schnell in groben Zügen zu charakterisieren.

Ja, der erste Eindruck … Und wie geht es dann weiter?

Meine Aufgabe als Autor ist es dann aber natürlich, mit diesen Klischees ein Stück weit zu spielen, die damit einhergehenden Erwartungen zu brechen oder diese Klischees in eine unerwartete Richtung weiterzuentwickeln.

Solche Geschichten mag ich besonders gerne! Das macht die Spannung aus. Gerade im Krimi. Der Butler ist der Mörder. Oder der Detektiv. 🙂  Und wie ist es jenseits der Geschichten?

Im echten Leben falle ich natürlich auch regelmäßig auf gängige Klischees rein. Ich glaube, dass es mir aber mittlerweile recht gut gelingt, dies zu bemerken und dann zu reflektieren, in wieweit das Klischee tatsächlich zutrifft.

Ja, ich glaube, dafür ist ein Klischee ja da. Man darf sie nur nicht aus den Augen lassen, wie Odine Raven sehr schön gesagt hat, weil sie sonst übergriffig werden und uns über diese Ersteinschätzung hinaus beeinflussen. Du wurdest ja in der Kategorie Crime von Marcel Riepegerste für den Skoutz-Award nominiert. Da arbeitet man viel mit Verdachtsmomenten und Indizien. Schreibst du auch in anderen Bereichen? Oder mit anderen Worten: 

In welchen Genres schreibst du? Hast du dich bewusst dafür entschieden oder hast du nachher überlegt, wie du deine Geschichte einordnest?

Ich schreibe im Genre Thriller. Das war dann auch eine bewusste Entscheidung. Ich hatte über viele Jahre den Wunsch, selbst Bücher zu schreiben, bevor ich mich das tatsächlich getraut habe.

Oh, spannend. Ich wollte als Jugendliche gerne Gruselgeschichten schreiben, dabei ist es dann aber geblieben. Hast du diese Entscheidung je bereut oder dich in anderen Genres versucht? 

Über diese Zeit hat sich dann auch für mich gezeigt, dass ich in diesem Genre schreiben möchte. Über die Jahre hatte ich ganz unterschiedliche Ideen für Geschichten in allen möglichen Genres. Meine Thriller-Storys haben mich selbst dann aber am meisten fasziniert. Hier hatte ich den meisten Spaß, mit den Ideen zu spielen und die Storys weiterzuentwickeln. Und damit war klar, dass ich Thriller-Autor werde.

Toll, das klingt so als hättest du da deine Leidenschaft für dich entdeckt. Eine, die du mit deinen Fans teilen kannst. Finde ich richtig gut. 

Von wem kommt deine strengste Kritik? Und wie gehst du mit ihr um?

Von mir selbst.

Das habe ich jetzt in den Interviews immer wieder gehört. Ich glaube, wir gründen mal eine Selbsthilfegruppe für Perfektionistas. Hast du denn irgendwann das Gefühl, jetzt ist es genug? 

Nein. Ich könnte im Grunde ewig an den Texten feilen. Und wäre doch nie zufrieden. Bei Dingen, die mir Spaß machen und für die ich eine Leidenschaft hege, neige ich zu übertriebenem Perfektionismus und zur Pedanterie.

Na gut, manchmal kann das aber auch sehr hilfreich sein. Ich habe mal gehört, nur ein mit sich unzufriedener Künstler könne richtig gut werden, denn nur so käme er an seine Grenzen. Andererseits ist es eben auch sehr aufreibend und man beraubt sich im Prinzip des schönen Gefühls, etwas geschaffen zu haben, weil man nie fertig ist.

Zum Glück habe ich in den letzten Jahren gelernt, meinen Perfektionismus ein wenig hintenanzustellen und dass es wichtiger ist, auch mal ein Projekt zu Ende zu bringen.

Das stimmt wohl. Auch aus Sicht deiner Fans, die auf neue Geschichten warten. 

Ein guter Freund hat mir dazu gesagt: „Lieber unperfekt gestartet als perfekt gewartet“ und mir erklärt, dass Perfektionismus auch nur eine Ausrede ist, um seine Ziele nicht zu erreichen. Das hat gesessen. Seither fällt es mir wesentlich leichter, mit mir als meinem strengsten Kritiker entspannt umzugehen.

Super, und zugleich haben wir da zumindest durch die Hintertür auch ein Arbeitsmotto gefunden. 🙂  Bleiben wir also noch bei diesen Weisheiten. 

Ein Sprichwort sagt „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.“ – Wie findest Du diesen Satz?

Zugegeben, dieses Sprichwort kannte ich bisher nicht. Aber ich finde es sehr schön, irgendwie passend. In einem guten Buch kann man, genau wie in einem schönen Garten, im etwas unterwartetes, faszinierendes oder überraschendes entdecken.

Genau, das finden wir auch. Bleiben wir beim Lesen …

Mit welchem Buch wurde deine Liebe zu Büchern geweckt?

In Erinnerung sind mir da noch Geschichten der drei Fragezeichen. Aus der Reihe habe ich ein paar Bücher gelesen und da hatte es mir vor allem der erste Band mit dem Geisterschloss und dem verschwundenen Stummfilmdarsteller angetan.

Oh ja, die mochte ich früher auch so gerne. Damals hat mich auch die Idee, mit Infraschall, also unserhalb des bewussten Hörens, eine gruselige Stimmung zu „zaubern“, ungemein fasziniert. So sehr, dass ich es auch heute noch, Jahrzehnte später!, in Erinnerung behalten habe. Und sonst?

An die anderen kann ich mich aber gar nicht mehr so erinnern.

An gar nichts? 

Dann kann ich mich noch an ‚Das Bernsteinzimmer‘ von Konsalik erinnern, dass ich meinem Vater abgeluchst hatte.

Haha, von Konsalik habe ich meiner Mutter auch eins gemopst aber ich weiß gar nicht mehr welches. 

Wie sortierst du deine Buch-Regale?

Eigentlich gar nicht wirklich.

Oh, OK. Warum eigentlich?

Ich habe Belletristik und Sachbücher getrennt und ansonsten ist das alles recht chaotisch.

Das überrascht mich jetzt ein bisschen … 🙂

Die zuvor beschriebene Pedanterie lege ich bei meinem Bücherregal nicht an den Tag. Aber ich habe auch gar nicht so viele Bücher. Ich bin hier erst vor knapp zwei Jahren eingezogen. Und vor dem Umzug habe ich mich schweren Herzens von ganz vielen Büchern getrennt. Aber ein Umzug bietet ja immer die Gelegenheit, einiges loszuwerden und Platz für Neues zu schaffen.

Das stimmt. Wobei Bücher für mich irgendwie Meilensteine meines Lebens sind. Da fällt mir das Loslassen schwer. Zum Glück kann man auf den Reader unbegrenzt Bücher packen, da muss ich nicht mehr wählen und sieben. Sieben und Sortieren sind aber Stichworte, die mich auf ein Thema bringen, das fast so vehement diskutiert wird wie das richtige Verhalten im Berufsverkehr:

Die gesellschaftliche Diskussion über das, was man in der Kunst tun und lassen darf, ist zur Zeit sehr hitzig. Wie stehst du dem gegenüber und wie beeinflusst das deine eigene Arbeit?

Das ist ein superschwieriges Thema und es fällt mir schwer, da eine eindeutige Aussage zu treffen.

Genau deshalb stellen wir die Frage. Und bei inzwischen fast hundert Interviews hatten wir nur sehr wenige Antworten, die sich wiederholten. Man kann sich da nur individuell herantasten und im Grenzbereich streng und stetig kontrollieren. Darum sprechen wir auch so gern darüber. 

Generell bin ich der Auffassung, dass Kunst recht viel darf und auch mal weh tun muss. Das muss man als freies Individuum als auch als liberale Gesellschaft aushalten können.

Ja, oder? Und doch schwingt da das Bedürfnis nach einer Einschränkung mit? 

Gerade in einer Zeit, in der Krisen scheinbar Hochkonjunktur haben und die Populisten, die Reaktionären und Braunen überall Morgenluft schnuppern, finde ich, dass es umso wichtiger ist, dass Kunst nicht in die Schranken gewiesen wird.

Finde ich auch extrem wichtig, aber gilt das auch, wenn diese Populisten diese Freiheit nutzen? Wenn man Rücksichtslosigkeit mit diesen Freiheitsrechten bemäntelt?

Schwierig finde ich es aber, wenn gezielt ausgeteilt wird, bestimmte Personen diffamiert und erniedrigt werden und man das Argument der Kunstfreiheit als Ausrede für mangelnden Anstand und Respekt nur vorschiebt. Das ist verlogen und hat dann auch nix mit Kunst(freiheit) zu tun.

Womit wir bei Lichtenberg wären, der Freiheit mit Verantwortung ausbalancieren will. Ich würde inzwischen nach all diesen Gesprächen dazu tendieren, dass Kunst zwar alles darf, auch mal wehtun, aber nicht ohne Not. Das heißt, jeder Kunstschaffende sollte sich die Frage stellen, ob das jetzt hier und an dieser Stelle für die Aussage, den Zweck oder die Botschaft sein muss, oder ob man vielleicht nur faul, respektlos oder gedankenlos war. Das ist eine Art von Herzenskompass, der unserer Zeit allerdings unter lauten Parolen verloren zu gehen scheint.

Was vielleicht auch daran liegt, dass herzlose Posts zunehmend wörtlich zu verstehen, weil der Schreiber tatsächlich kein Herz hat.

Chat GPT und andere KI-Apps sind gerade in aller Munde. Was hältst du davon, dass KI Geschichten, ja ganze Bücher alleine verfassen kann? Sind das für dich überhaupt richtige Werke?

Naja, ganz alleine verfassen kann die KI die Stories ja nicht. Dazu muss sie richtig gefüttert werden, also die richtigen Anweisungen an die Maschine gegeben werden. Ich sehe es vielmehr als Interaktion zwischen Autoren und Maschine. Ich finde es gerade super spannend zu beobachten, was da gerade passiert.

Ah, OK. KI als neues Schreibwerkzeug. Dann wäre das also auch kein Thema für dich, den Werksbegriff zu hinterfragen?

Natürlich sind das richtige Werke, die KI produziert. Aber KI kann sich (derzeit jedenfalls) nur auf das beziehen, was schon da war und was es schon gibt. KI kann, in durchaus origineller Weise, nur reproduzieren.

Aber endet da nicht auch die Kunst? Das Schöpferische? Die KI bedient sich ja auf Anweisung des Fütterers nun der Texte anderer Menschen, die das weder wissen noch erlaubt haben. Insofern ist das keine Kunst. Und die Idee an sich – also der Plot, der ihr vorgegeben wird, ist kein Kunstwerk im Sinne des Urheberrechts, sondern nur sein Rahmen. Ich vermisse da die Fantasie in dem Prozess. Das Erschaffende. Du nicht? 

Kreativität besitzt sie keine. Diese bleibt bei uns Autoren. Und ich gehe davon aus, dass das auch noch eine ganze Zeit lang so bleiben wird.

Je nach Qualitätsanspruch. Amazon hat angekündigt, als Schutz vor KI-generierten Massenwerken, den Upload auf 3 Titel pro Tag und Account zu beschränken. Das sind ja auch knapp 100 Bücher im Monat. Und das zeigt doch, was da auf uns als Autoren, aber eben auch als Leser zukommt. Und ich möchte Bücher von Menschen lesen, die nicht nur einer Maschine einen Auftrag gegeben haben, sondern beim Schreiben so in der Geschichte waren wie ich beim Lesen.

Im Moment kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, von einer Maschine genauso viele Emotionen etc. als Lesestoff zu bekommen. Machst du dir da als Autor keine Sorgen?

Wichtig wird sein, dass wir Autoren in der Zukunft ganz neue Ideen umsetzen, neue Welten erschaffen und Themen aufgreifen, die vielleicht bisher noch gar nicht so gefragt waren. Dann sind wir der KI auch immer einen Schritt voraus.

Definitiv, das ist der Ansatz, den Tobias Bachmann auch vertritt. Er hofft sogar, dass sich so der Markt wieder mehr zu individuelleren Geschichten hin orientiert, weg vom Schablonen-Mainstream. Das geht ja in deine Richtung. Das würde mir gefallen. Und mit diesem schönen, tröstlichen Ausblick, bin ich mit meinen Fragen schon fast durch … lass mich also meine Abschlussfrage stellen:

Welche Frage sollen wir dir nächstes Jahr im Interview stellen?

Woher nehme ich meine Ideen?
Wie sieht für mich der ideale ‚Schreib-Tag‘ aus?
Wie wähle ich meinen eigenen Lesestoff aus?

Jau, das sind interessante Fragen, die wir uns natürlich notieren und aufschreiben werden. Lieber Sascha, leider ist unser Interview schon beendet, wir haben uns hier bei dir sehr wohl gefühlt und es sehr genossen. Hab vielen lieben Dank für deine Zeit und deine vielen Antworten. Für den weiteren Wettbewerb wünschen wir dir viel Erfolg. 

Hier gibt es mehr über Sascha Braun:

 

Proband 63 - Sascha Braun - Skoutz-BuchfieberkurveHinweis:

Sascha Braun steht mit seinem Debüt „Proband 63“  auf der Midlist Crime von Marcel Riepegerste. Der paceknde und fesselnde Medizin-Thriller, der neben großartiger Spannung auch mit interessanten Fragen aufwartet, hat damit natürlich beste Aussichten auf den Award im Bereich Crime.

Wir haben das Buch gelesen und euch hier auch schon vorgestellt.

 

 

 

Und wenn ihr uns, dem Autor und vielen anderen Lesern einen Gefallen tun wollt, rezensiert die Bücher doch anschließend bei unserer Skoutz-Buchsuche. Mit 5 Klicks statt 5 Sternen entsteht eine Buchbeschreibung, die anderen hilft, das für sie richtige Buch zu finden. Also sei dabei!

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