zu Besuch bei: Per Sander

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Heute bin ich endlich, endlich zu Besuch bei Per Sander. Das ist einer jener Autoren, die ich persönlich sehr, sehr gerne mag und auch mit viel Vergnügen lese. Wobei ich mit Per eigentlich viel lieber ratsche. Über dies und das und jenes … was daran liegt, dass wir den gleichen Autogeschmack haben und vor allem, den gleichen schrägen Humor.

So, aber jetzt Fangirl-Modus wieder aus. Ich will ja ein seriöses Interview führen.

 

 

Zu Besuch bei Per Sander, einer ziemlich coolen Socke unter den Crime-Autoren

Per Sander PortraitWas ist dein »Sprit« beim Schreiben, woher nimmst du deine Ideen?

Bei mir sind’s oft kleine Beobachtungen von möglicherweise semi-legalen Umständen, die mich auf Ideen bringen.

Semi-legal gefällt mir. Das spricht den Anarchisten und den Rechtsanwalt in mir zu gleichen Teilen an. Bitte ein Beispiel …

Frau Rabengut-Kingsley und ich haben früher in Duisburg-Duissern gewohnt, als wir noch studiert haben. Eine Querstraße weiter war eine Werkstatt direkt unter einem Bahnübergang – hat zumindest das ausgeblichene Schild behauptet, denn »Werkstatt« ist wirklich mehr als optimistisch formuliert für eine Einzelgarage mit rostigem Tor.

Ach was. Werkstatt ist alles, wo gewerkt wird. Da gibt es zum Glück noch keine DIN-Norm und Markenschutz auf dem Titel…  Aber gut, das Tor war rostig, was schon mal nicht für die Sorgfalt der Betreiber spricht.

In den sieben Jahren, die wir dort gewohnt haben, hatte diese »Werkstatt« nur einmal geöffnet und die Fläche hinter dem Tor war dermaßen zugestellt mit scharfem und spitzem Gerät, dass nicht einmal ein Motorrad hineingepasst hätte. Da kommt man natürlich nicht umhin, sich zu fragen, was in dermaßen ansprechender Atmosphäre überhaupt »repariert« wird, während der Regionalzug in Richtung Aachen alle Geräusche übertönt.

Kopfkino ist an …Wobei ich mich dann wundere, warum da überhaupt ein Schild auf die „Werkstatt“ aufmerksam macht?

Solche fragwürdigen Details sorgen jedenfalls dafür, dass mein Kopf wie von selbst anfängt, eine Geschichte zu bauen.

Ja, klar… Ich bin auch schon am Grübeln.

 

Was würdest du tun, wenn du nicht mehr schreiben könntest?

Lektorieren – mache ich für Frau Rabengut-Kingsley ja sowieso schon zu Genüge.

Im Namen ihrer Leser vielen Dank an dieser Stelle. Nicht, weil ich Natalie nicht zutraue, auch allein ein gutes Buch zu schreiben, sondern weil ich finde, dass der Lektor schon sehr am Erfolg oder auch Misserfolg eines Buchs Anteil hat. Traurig eigentlich, dass er im Vergleich zum Übersetzer so ein Schattendasein führt. Ich bin gelernte Fremdsprachenkorrespondentin und finde trotzdem, dass ein gutes – gefühlvolles – Lektorat mindestens ebenso anspruchsvoll wie eine gute Übersetzung ist. Das ist auch einer der Gründe, warum wir hierfür beim Skoutz-Award eine technische Kategorie einführen wollen.

 

Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?

Wirklich nie. Ich werde ganz unangenehm kribbelig, wenn ich längere Zeit nicht schreibe.

Ich würde dich jetzt gern mal „kribbel-hibbelig“ sehen. Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen …

 

Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?

Das mag jetzt etwas dröge klingen, aber ich bin beim Schreiben nicht emotional. Ich brauche eine gewisse Distanz zu meinen Figuren und Geschichten, sonst wird das nix, weil ich mich verheddere.

Das deutet jetzt für mich aber darauf hin, dass du ohne diese aus Disziplin gewonnene Distanz durchaus zu dicht an deine Figuren (und ihre Emotionen) herankämst, denn worin wDas vürdest du dich denn sonst verheddern?

Dazu muss ich sagen, dass ich sowieso ein eher rationaler Typ bin.

Jaja … 🙂

 

Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?

Natürlich verarbeite ich hier und da Details aus meinem Leben, immerhin hat die alte Regel, über das zu schreiben, was man kennt, durchaus Berechtigung, und wahrscheinlich passiert das oft auch unbewusst.

Das vermute ich auch. Wir können ja Wertungen nur aus unseren Erfahrungen heraus vornehmen, und dadurch kommt indirekt immer auch Autobiografie zwischen die Zeilen. Aber wie ist es bei Per Sander so frontal…?

Da sind meine Texte nur in sehr geringem Maße autobiografisch. Grundsätzlich mag ich es nämlich, mich in Dinge hineinzudenken, die meinen persönlichen Ansichten und Erlebnissen überhaupt nicht nahestehen.

Eine Kompassnadel, die nach Süden zeigt, kann ja durchaus auch zur Orientierung verwendet werden Negativ-Autobiografie würde von daher auch funktionieren.

Solche Geschichten lese ich selbst auch am liebsten – und ich hoffe inständig, dass zum Beispiel in Anton Chigurh aus No Country for Old Men nicht einmal ein bisschen Autobiografie von Cormac McCarthy steckt.

Oh Gott! Ja, das hoffe ich auch.

Und dann sind in deiner Autobiografie auch noch die „Werkstätten“ mit den rostigen Toren, nicht wahr … Initial autobiografische Elemente. Auch ein sehr spannender Begriff. Der ergänzt Mirjam Münteferings „emotional autobiografische Elemente“

 

Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Autor machen kann?

»Deine Figuren sind toll« und jede Variation davon. Für mich heißt das nämlich, dass ich etwas grundsätzlich richtig gemacht habe. Keine guten Figuren, keine gute Geschichte.

*Fangirl-Mode wieder an* Jaaaa, das sehe ich genauso. Ich freue mich am meisten, wenn meine Leser über meine Charaktere streiten, wenn sie alle verschiedene Fans und Hater haben. Weil sie dann „echt“ sind. So wie auch kein Mensch von allen gemocht wird.

 

Wer ist für dich dein idealer Leser?

Jeder, der Spaß an leiser Ironie hat.

Leise? Leise??  Ab wie viel Dezibel beginnt bei dir leise?
Wobei das so nicht stimmt. Du schreibst anders… Da ist es weniger die „Lautstärke“ als die „Dichte“ der ironischen Seitenhiebe, die mich zumindest dein Giftgold mit einem immer wieder breiter werdenden Grinsen lesen ließen.

 

Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?

Da kommen wir wohl wieder auf die Sache mit meiner eher rationalen Herangehensweise zurück, denn schwierig finde ich keine meiner Figuren, immerhin machen sie ja, was ich will.

Einspruch. Denn gerade, wenn du damit spielst, dass sie Dinge machen sollen, die du so nie tätest, also diesen Negativ-Entwurf zu Per Sander-Eigenschaften liefern – dann muss das doch mal leichter und mal weniger leicht fallen, mal spannender und mal unangenehmer sein. Das alles wäre ja ein Ausdruck von schwierig. Und so ganz nehme ich dir auch nicht ab, dass du zu deinen Figuren nicht mehr Beziehung aufbaust als zu einer Schachfigur.

Ja, ich mag meine Protagonisten sowieso allesamt. Bei den Nebenfiguren sieht’s manchmal ein wenig anders aus, aber den Kontrast setze ich natürlich bewusst. Maximal die van Gruyters, Arndts Eltern, finde ich zeitweise etwas anstregend, aber darüber freue ich mich beim Schreiben trotzdem, weil ich es schaffe, mir selbst auf den Keks zu gehen.

Das nutze ich zum Beispiel ganz bewusst. Jede Figur ist ja letztlich „ich“ – oder jedenfalls ein Teil, ein Splitterchen von mir. Und diese Konstellation nutze ich gern, wenn ich über etwas schreibe, um mir eine Meinung zu bilden. Da kann ich ganz anders Selbstgespräche führen, weil meine Alter egos definierte Persönlichkeiten sind. Letztlich eine Variante des „inneren Teams“ aus der Kommunikationslehre von Schulz von Thun.  Ups. Das klingt jetzt therapeutischer als ich das meine… *hüstel*

 

Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?

»Lust auf einen Kaffee?«

MIt Milch oder Zucker?

Lieber Per, es hat mir viel Freude gemacht, mich mal wieder mit dir zu unterhalten, und ich freue mich sehr darauf, das bald schon auf der Messe (oder gern auch so mal) fortzusetzen.

 

Hier könnt ihr Per Sander treffen:

Homepage von Per Sander

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Skoutz-Lesetipp: Todeswerk – Ermittlerkrimi mit ironischen Untertönen von Per Sanders 

TodeswerkKnüppel ist Hauptkommissar für Todesermittlung bei der Polizei Krefeld. Arndt ist Kunsthistoriker – irgendwie zumindest. Nicht unbedingt die gleiche Richtung im Leben. Dann aber stehen Knüppel und sein Team vor einer Leiche, die im teuren Teil der Stadt in einer Harfe drapiert wurde. Nackt. Mit einer Flöte im Hintern.

Auf einmal wissen die Ermittler nicht, wo sie mit dem Ermitteln anfangen sollen. Bis Arndt im Präsidium auftaucht. Denn er hat per E-Mail ein Bild des Toten geschickt bekommen und das alles schon einmal gesehen: In Gemälden des spätmittelalterlichen Malers Hieronymus Bosch …

Skoutz meint: So abgefahren wie der Fall, der die beiden ungleichen Ermittler zusammenführt, so sind Knüppel und Arndt auch selbst. Jeder für sich und erst recht mtieinander. Lakonisch, hintergründig und daneben noch sauspannend mit einem überraschenden Ende, das auch routinierte Krimi-Fans auf dem falschen Fuß erwischen dürfte.

 

GiftgoldHinweis:

Der zweite Fall von Knüppel und Arndt, „Giftgold“, haben wir uns gesondert vorgeknüpft, an dem Goldlack gekratzt und nachgesehen, was die Geschichte sonst noch zu bieten hat. Wer wissen will, was wir heraus gefunden haben, muss eben weiterlesen.

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