zu Besuch bei: Natalie Speer und Christiane Spies
Schreiben ist bei Natalie Speer (oder auch Christiane Spies) in jeder Hinsicht Berufung und so ist es gar nicht so einfach, die Autorin und gefragte Wissenschaftsjournalistin für ein kleines Gespräch in Nürnberg zu treffen. Aber am Ende hat es doch noch geklappt und so sitzen wir an einem hübschen Junitag beisammen und sprechen über Frostseelen … was in diesem Fall nichts mit den Eisheiligen zu tun hat.
Zu Besuch bei Natalie Speer, der vielbeschäftigten Geisterdompteurin.
Was ist dein »Sprit« beim Schreiben, woher nimmst du deine Ideen?
Ideen sind kleine, freche Geister.
Gut, du hast mich mit dem ersten Satz, denn obwohl ich jedes Interview mit dieser Frage beginne, habe ich das noch nicht gehört – auch nicht von den Horrorexperten, die sich ja mit Geistern auskennen sollten. Erzähl!
Meistens tauchen sie unangemeldet vor der Tür auf, klopfen noch nicht einmal an, und das entweder mitten in der Nacht oder zu einem Zeitpunkt, an dem ich furchtbar im Stress, mit 1000 wichtigeren Dingen beschäftigt oder doch unbedingt erst eine andere Geschichte erzählen wollte …
Doch, die kennt man schon… in meiner Welt heißen sie Plotbunnys
Nur wenn ich richtig tief in einem Buchprojekt stecke, so wie jetzt gerade, und meine Figuren meine komplette Aufmerksamkeit fesseln, halten sich fremde Geister fern, wahrscheinlich sind sie dann eingeschüchtert.
Was würdest du tun, wenn du nicht mehr schreiben könntest?
Wahrscheinlich einfach weiterhin all die anderen Dinge, die mich jetzt schon viel zu oft vom Schreiben abhalten: Mich um meine Familie kümmern, meine Freunde und Hobbies und natürlich meinen Brotjob, den ich wirklich gerne ausübe … trotzdem würde mir etwas Wichtiges fehlen.
Aaaalso ganz geheim und ganz unter uns: Prokrastinieren ist ein wesentlicher Teil des Autorenlebens. Das gehört zum Schreiben dazu und darum ist diese Frage auch viel schwerer zu beantworten, als gemeinhin angenommen wird, denn wenn man es sich zu leicht macht, gerät man in ein kreisrundes Labyrinth.
Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?
Das kam für mich nie in Frage – selbst in Zeiten, in denen ich das Gefühl hatte, mir jede Schreibminute mühsam und mit schlechtem Gewissen in einem vollgepackten Alltag erkämpfen müssen, wollte ich doch nie ganz davon ablassen.
Das klingt jetzt für mich so, als seist du eine kompromissbereite Schreiberin, für die Schreiben viel – aber eben nicht alles ist.
Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?
Das Schreiben an sich, zumindest, wenn ich mitten im Deadline-Rausch bin, ist für mich bereits pures Gefühl. Ich leide, lache, fiebere mit den Figuren mit, und wenn ich luftschnappend aus dem Text auftauche, ist das tatsächlich wie ein Abschied aus einer anderen Welt.
Was ja, da du High Fantasy schreibst, durchaus logisch und naheliegend ist. Ich wäre sehr überrascht, würden mich die Drachen aus meiner Schwerttanz-Saga plötzlich auch in dieser Normwelt besuchen.
Aber da passt die nächste Frage sehr gut, die macht mir bei den Fantasten immer besonders viel Freude:
Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?
Meine Welten und Schauplätze haben überhaupt nichts mit meinem täglichen Leben zu tun, gerade deshalb liebe ich es so, sie zu erfinden. Auch meine Figuren sind nicht ich – manchmal sind sie sogar das komplette Gegenteil von mir.
Womit sie natürlich reichlich Autobiografie enthalten, denn auch bei einer Abgrenzung offenbart man viel über sich selbst. Zumal ja all dem deine persönliche Wertung zugrunde liegt – und die basiert ja auf deinen Erfahrungen.
Darum steckt in jeder Geschichte ein kleiner Splitter meiner Seele, doch welcher das jeweils ist, verrate ich nicht.
Das hätte ich auch nicht wissen wollen. Das sollen die Leser mal schön selbst heraustüfteln.
Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Autor machen kann?
Wenn jemand von meinem Buch förmlich aufgesogen wurde, so dass er mir zwischendrin oder am Schluss mit glänzenden Augen von seinen ungefilterten Eindrücken berichtet – und ich merke, ich habe ihm ein Geschenk gemacht.
Da finde ich jetzt das „ungefiltert“ interessant. Welche Art von Filter würde dich stören? Gerade beim Sprechen über eine doch eher komplexe Geschichte wie deine Frostseelen ist es doch fast unvermeidlich, dass man seine abstrusen Leseeindrücke sortiert – also filtert. Allein, weil die Beschreibung einer Emotion, eines Erleben doch bereits durch die Wahl der Worte zensiert wird. Ist es überhaupt möglich ungefiltert zu kommunizieren? Aber das ist eine philosophische Frage, die wir uns mal für ein Autorenpanel oder so aufheben sollten.
Wer ist für dich dein idealer Leser?
Einer, der sich voll und ganz auf eine fremde Welt und eine Geschichte voller Wendungen und eigenwilliger Figuren einlassen kann – und beim Lesen den Alltag um sich herum vergisst.
Die gibt es da draußen. Gerade High Fantasy-Leser sind so, wie ich aus Erfahrung weiß. Von daher arbeitest du sehr zielgruppengenau… *lach*
Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?
So einige meiner Protas sind Charaktere, mit denen ich mich im realen Leben öfters mal herzhaft zoffen würde.
Das werte ich persönlich als gutes Zeichen dafür, dass die Figuren „echt“ sind, glaubwürdig und keine Klischeebildchen.
Beim Plotten und beim Schreiben der ersten Szenen fremdle ich oft noch mit ihnen. Doch jede hat irgendetwas an sich, das mich fasziniert und an sie bindet, so dass ich sie nicht mehr gehen lassen will.
Ist das nicht das Schönste am Schreiben überhaupt? Das man mit jedem Buch eine ganze Bande neuer Freunde findet?
Beim Schreiben sehe ich es gerade als eine der spannendsten Herausforderungen, mich auf ihre Sicht der Dinge einzulassen, auch wenn sie der meinen widerspricht. Doch wenn ich es schaffe, ganz und gar in sie einzutauchen, bin ich nicht mehr ich, sondern sie, und dann gibt es keinen Raum mehr für Zweifel oder Kritik.
Also diese Shapeshifter-Geschichte macht mir jetzt ein bisschen Sorge. Wie war das nochmal mit den Geistern vorhin? Brauchen wir jetzt einen Exorzisten oder einen Psychiater? Andererseits erklärt das vielleicht auch, wieso du deine Historienbücher als Christiane Spies ausgerechnet mit Werwölfen aufwertest. Also ist doch Autobiografisches dabei. Erwischt!!!
Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?
„Liebst du das Schreiben?“
Das freut mich zu hören, denn wir haben hier ja einige Menschen, die das Lesen lieben. So ergänzt sich das aufs Allerfeinste.
Hier könnt ihr Natalie Speer bzw. Christiane Spies treffen:
Natalie Speer auf Facebook
Autorenhomepage von Natalie Speer
Skoutz-Lesetipp: „Mondherz“ – Historical Fantasy von Christiane Spies (aka Natalie Speer)
Ungarn im Jahre 1455. Seit Konstantinopel unter dem Ansturm des osmanischen Heers gefallen ist, rücken die Türken unaufhaltsam weiter nach Westen vor.
Die junge Adelige Veronika denkt sich nichts dabei, als sie ein Gespräch belauscht. Für eine Frau ist dies nur allzu häufig der einzige Weg, um an Informationen zu kommen, die die Männer als zu bedrohlich für zarte Frauengemüter erachten. Doch was sie in diesem Gespräch erfährt, wird ihr Leben für immer verändern.
Die Männer planen einen Mord – und Werwölfe sollen ihn ausführen. Veronika kann kaum glauben, was sie da hört. Doch eines ist sicher: Wenn sie das Opfer nicht sofort warnt, wird ein unschuldiger Mann sterben. Ihr Handeln hat jedoch fatale Folgen: Eines der Untiere beißt sie und macht sie so selbst zu einer Werwölfin. Von nun an ist sie Teil einer verborgenen Welt, von der normale Menschen nicht einmal etwas ahnen. Es gibt einen Bund von Werwölfen, der den mächtigsten Männern Europas im Geheimen dient. Dieser Bund will auch Veronikas Leben bestimmen.
Anfangs – solange sie sich noch an ihre neue Natur gewöhnen muss – hat sie keine andere Wahl, als ihm zu folgen. Aber als er ihr vorschreiben will, wen sie lieben soll, beginnt sie, um ihre Freiheit zu kämpfen – und um ihre Liebe …
Skoutz meint: Ein gelungenes Cross-Genre-Buch, bei dem der wunderbar und penibel aufbereitete historische Rahmen durch fantastische Elemente aufgewertet wird. So bekommt eine für sich allein nicht so völlig ungewöhnliche Werwolfgeschichte neue, andere Impulse, die das Buch für Fans beider Genres zu einem sehr besonderen und lesenswerten machen. Wer Hope Cavendishs Zeitgenossen mag, dem dürfte auch Mondherz gefallen.
Hinweis:
Das als Natalie Speer veröffentlichte High Fantasy-Buch Frostseelen hat Skoutz-Jurorin Mella Dumont so gefallen, dass sie es unter gut 300 Titeln auf die Midlist Fantasy des Skoutz-Award 2016 gewählt hat.
Da war es für uns natürlich Ehrensache, Pudelmützen und Handschuhe zu packen, um Frostseelen genauer zu untersuchen. Nicht weil wir neugierig wären (nein, nein), sondern damit ihr euch für die anstehenden Shortlistwahlen ein Bild machen könnt. Wer wissen will, warum sich auch die Konkurrenz warm anziehen sollte, liest einfach hier weiter.